Ein exudatabsorbierendes, kalziumhydroxidhaltiges Wurzelkanaltherapeutikum: DZW Woche 52-53/04 Vor allem in Gangrän-Fällen bewährt Das kalziumhydroxidhaltige Wurzelkanaltherapeutikum Proxicalcine, das im Jahr 2000 von der Firma Dentale Biomaterialien in Völklingen eingeführt wurde, besitzt außer einer antimikrobiellen Wirkung, die auf Ca(OH)2-Merkmale zurückzuführen ist, auch stark exudatabsorbierende Eigenschaften. Die unerwünschten Reaktionen des apikalen Prodonts,die bei der Exsudatbildung entstehen, werden durch die Absorptionsfähigkeiten des Präparats verringert ("Exsudatabsorption verhindert Nebenwirkungen", ZWP 5/2000). Die Absorptionsfähigkeiten des Präparats und der Zusammenhang zwischen Exsudataufnahme und der für die antibakterielle Wirkung verantwortlichen pH-WertErhöhung wurden in einer In-vitro-Studie erwiesen (Das Wurzelkanaltherapeutikum Proxicalcine, ZMK3/2O02). Bei dem Auftreten von Exsudat wurden bei der genannten Studie hohe pH-Werte gemessen, und die Absorptionsvolumen-Kapazität betrug 70 Prozent des Produktgewichts. Mehr Zeit für die Verarbeitung des Materials Das neue Proxicalcine [B] biactonics, das vor kurzem von der Nachfolgefirma Proxidentis Dentale Biomaterialien GmbH, ebenfalls Völklingen, eingeführt wurde ist eine Weiterentwicklung des vorhergegangenen Präparats und zeichnet sich durch die verlängerte Verarbeitungszeit und stark erweiterte Absorptionsfähigkeiten des Präparats aus. Seit dem Jahr 2000 habe ich für temporäre Wurzelanlagen Proxicalcine verwendet. Die Verarbeitungshinweise dieses Präparates waren streng einzuhalten. Die Behandlungsergebnisse waren sehr zufriedenstellend, wenn die Verarbeitungshinweise erfüllt waren. Besonders in schwierigen Gangrän-Fällen mit Exudbildung wurden gute Ergebnisse erreicht. Die Völklinger Hersteller beschlossen, die eher kurze Verarbeitungszeit zu modifizieren, um die Applikationszeit anwenderfreundlicher zu gestalten. Außerdem wurde die Absorptionsfähigkeit des Präparats weitgehend durch die Anwendung Bentoniten (mineralischer Ton) für organische und anorganische Systeme verbessert. Die Absorptionskapazität des Produkts konnte auf 120 Prozent des Produktgewichts erhöht werden. Die Neutralisierung von entstehenden bakteriellen Zerfallprodukten wie CO2, H2S, NH3, Milchsäure oder Toxinen erfolgt durch Kalziumoxid und Kalziumhydroxid. Die anaeroben Keime werden durch die Ca(OH)2-Wirkung wegen pH-Werterhöhung zerstört und zersetzt. Die vorhandenen Albumine werden zu Kalziumalbuminaten und die Fettverbindungen zu Kalziumseifen überführt. Das wichtigste Problem der KalziumhydroXidpräparate für temporäre Wurzelkanaleinlagen ist die apikale Reizung, die durch die hohen pH-Werte (12,5 aufwärts) ausgelöst werden kann. Dabei können starke apikale SChmerzen auftreten, die dazu führen, dass die Einlage entfernt werden muss. Dieses Problen wurde bei dem neuen Produkt folgendermaßen gelöst: Durch das Anrühren des Produkts mit propanol- und ethanolhaltiger Lösung entsteht eine wasserfreie Mischung, in der keine Dissoziation von Ca(OH)2-Molekülen erfolgen kann und demzufolge keine hohen pH-Werte zu erwarten sind. Nach dem Verdunsten der Lösung und dem Austrocknen des Produkts im Wurzelkanal kann es ohnehin zu keinem apikalen Reiz kommen. In diesem kreideähnlichen, getrockneten Zustand ist das Material bereit, jetzt das apikale Exsudat aufzunehmen. Gleichzeitig kann es nicht mehr in das apikale Gewebe eindringen. Die Aufnahmekapazität von Exsudat und die damit korrelierte pH-Wert -Erhöhung wurde in In-Vitro-Untersuchungen nachgewiesen. Das Material kann etwa 120 Prozent der eigenen Masse Exsudat aufnehmen. Tritt apikales Exsudat auf, kommt es zu einer CA(OH)2-Dissoziation, und der der pH-Wert steigt. Das Präparat aktiviert sich also nur bei Feuchtigkeits- und Exudatbildung. Praktisch bedeutet das, dass nach der Kanalaufbereitung und Kanalspülung der Kanal sofort mit dem Produkt verschlossen werden kann. Dabei sind kaum apikale Reaktionen zu erwarten.Das Material ist nach drei bis fünf Minuten trocken und bereit, entstehendes Exsudat aufzunehmen.In extremem Fällen mit einer sehr hohen Exsudatbildung können erst nach 48 Stunden apikale Reaktionen auftreten, die nach Entfernung der temporären Einlage und erneuter Applikation verschwinden.Die oben genannten Komplikationen sind in vierjähriger Anwendung zweimal vorgekommen, die Patienten hatten nach erneuter Kanalreinigung und Materialapplikation keine Beschwerden mehr,und die behandelten Zähne blieben erhalten. Dies zeigt,dass die unerwünschten Reaktionen des apikalen Parodonts vor allem auf die Obturation des Wurzelkanals auf nicht absorptionsfähige Wurzelkanalpräparate zurückzuführen sind. Sie müssen nicht durch eine chemische Wirkung ausgelöst werden. Durch die Obturation des Wurzelkanals kommt es zu einem Überdruck in dem parodontalen Gewebe und zu apikalen Reizreaktionen. Das Kalziumoxid in Proxicalcine [B] biactionis dient dazu, das Restwasser von dem Wurzelkanal zu entfernen, dabei geht es in Kalziumhydroxid über.Ich habe seit dem Jahr 2000 Insgesamt 766 Fälle mit Proxicalcine behandelt und davon im Jahr20O4 1O6 Proxicalcine [B] biactionis versorgt. Der .1 Unterschied zu dem ersten Präparat besteht darin, dass sich die Verarbeitungszeit deutlich verlängert hat. Bei korrekter Verarbeitung betrug die Verarbeitungszeit von Proxicalcine bis zwei Minuten, bei dem neuen Produkt ist sie auf bis zu drei Minuten verlängert worden. Der infizierte Wurzelkanal wird nach sorgfältiger Aufbereitung, Ausspülung und medikamentöser Versorgung verschlossen. Auf die richtige Mischung kommt es an Das Material besteht aus einer Lösung und Pulver. Beide wird zu einer cremigen Masse vermischt und mit einer Lentulospirale in die Wurzelkanäle eingeführt. Es wird empfohlen, zwei Löffel Pulver mit sechs bis sieben Tropfen der Lösung zu vermischen. Die Verarbeitungszeit beträgt jetzt rund drei Minuten und ist ausreichend, um einen ein- bis zweiwurzeligen Zahn abzufüllen. Bei Molaren ist es sinnvoll, drei Löffel Pulver mit neun bis zehn Tropfen Lösung zu vermischen. Die Verarbeitungszeit beträgt dann rund vier Minuten. Die Verarbeitungszeit ist Mengenabhängig. Das Pulver soll wegen des Schutzgases Argon sofort verschlossen werden. Nach der Ausspülung der Wurzelkanäle mit H2O2 und Natriumhypochlorid werden dieWurzelkanäie zuletzt mit Alkohol gespült und sehr gut getrocknet Nach der Materialapplikation wird der Zahn für etwa eine Woche mit Calvit verschlossen.ln diesem Zeitraum ist die.Aufnahmekapazität des Präparats erschöpft, und die endgültige Wurzelfüllung kann eingebracht werden. Eine Überstopfung des Materials ist zu vermeiden. Eine Perkussionsüberempfindlichkeit trat jn den vierJahren Anwendung nur selten auf. Falls es sie überhaupt gab, war sie nach etwa zwei Tagen abgekIungen. Die Patienten sind nicht in der Praxis erschienen, da die Beschwerden nicht stark waren. Die Patienten, die zuerst nach zwei Tagen über Beschwerden berichteten, sollen, wie bereits erwähnt, erneut nach einer erneuten Aufarbeitung und Ausspülung des Wurzelkanals mit Proxicalcine versorgt werden. Die Versorgung des infizierten WurzelkanaJs mit Proxicalcine [B] biactionis bietet mehrere Vorteile. Die Wirksamkeit Ca(OH)2-haltiger Präparate ist nahezu gleich, der Unterschied besteht in der Absorptionsfahigkeit des Produkts. .Selbst bei Exsudatbildung des apikalen Parodontiums werden bei dem Präparat kaum oder keine Nebenwirkungen, etwa eine Perkussionsempfindlichkeit beobachtet. Das Exsudat wird von dem Produkt absorbiert, und es entsteht kein Überdruck in der apikalen Region. Das Kalziumhydroxid neutralisiert langfristig die bakterie!!en Zerfallsprodukte und beseitigt die anaerobe Flora, wobei die pH-Wert-Steigerung und die Exsudatbildung miteinander korrelieren. Die ungünstige Behandlungsalternative, den Wurzelkanal noch offen zu lassen, wird somit nicht mehr in Betracht gezogen. Dr. Andre Kaczmarek, Völklingen