ERNÄHRUNG Mit Käse zum Idealgewicht? Swissmilk-Kampagne steht wissenschaftlich auf wackligen Füssen Eine neue Kampagne der Milchproduzenten behauptet, man könne mit Milchprodukten abnehmen. Ernährungsexperten bezweifeln das. bnehmen mit der Extraportion Milch» – das verspricht Swissmilk, der Verband der Milchproduzenten, auf seiner Homepage im Internet und in Zeitungsinseraten. Ärzte und Fachpersonen sollen sich das Beratungsdossier zur Kampagne bestellen und ihre Patienten so zu mehr Milchkonsum anregen. «Milch macht schlank!» heisst es in diesen Broschüren ganz direkt. Drei Portionen Milchprodukte am Tag brauche es dazu, ideal wären vier. Kalzium in der Milch baue Bauchfett ab und fördere das Fettverbrennen. Swissmilk lehnt sich an die Low-Carb-Diät an, bei der man mit wenigen Kohlenhydraten auskommen muss, dafür umso mehr Eiweisse oder auch Fette isst. Für diese Aussagen zitiert Swissmilk Studien. A «Studien so gewählt, dass sie passen» Ernährungsexperten überzeugt die Swissmilk-Kampagne nicht. Der Basler Ernährungswissenschafter Ulrich Keller kommt zum Schluss: «Hier handelt es sich eher um einen Werbegag als um einen Befund von Studien.» Auch David Fäh, Präventivmediziner an der Universität Zürich, glaubt nicht, dass man mit Milchprodukten besonders gut abnehmen kann. Fäh kritisiert auch die Studien, die Swissmilk anführt. Gesundheitstipp November 2013 Swissmilk-Beratungsdossier: «Eher ein Werbegag als ein Befund von Studien» Diese wollen zeigen, dass Teilnehmer mit einem hohen Milchkonsum mehr Gewicht verlieren als andere, die eine Diät ohne Milchprodukte machen. Fäh: «Die Studien hat Swissmilk so gewählt, dass sie in das Konzept passen.» Auch die Behauptung, dank Kalzium könne man abnehmen, stehe auf wackligen Füssen. Hier, so Fäh, bedürfe es noch weiterer Forschung. Auffällig sei, dass die Studien immer nur von wenigen Autoren stammen, die Swissmilk dann ausführlich zitiert. Stephanie Hochstrasser, Ernährungsfachfrau bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung, zweifelt die Erfolgsstudien ebenfalls an: «Es gibt auch Studien, bei denen bezüglich Gewichtsverlust kein wirklicher Unterschied zwischen den beiden Gruppen mit und ohne Milchkonsum deutlich wird.» Ausserdem seien die untersuchten Gruppen in den von Swissmilk zitierten Studien jeweils sehr klein gewesen. «Die Aussagekraft und Übertragbarkeit auf die Bevölkerung ist somit schwierig.» Bei Milchprodukten auf Kalorien achten Tipps Darauf kommt es beim Abnehmen an 70 bis 90 Gramm Fett pro Tag genügen. Das sind zum Beispiel sieben bis neun Esslöffel Salatöl. } Verzichten Sie auf stark fetthaltige Lebensmittel wie Würste, fetten Käse oder Rahm. } Verwenden Sie hochwertige Pflanzenöle wie Rapsoder Olivenöle. } Vermeiden Sie Fertigprodukte, so gut es geht. Sie enthalten oft viel und schlechtes Fett. } Füllen Sie Ihren Teller mit Gemüse oder Salat statt mit Teigwaren oder Brot. } Bewegen Sie sich 30 Minuten pro Tag so, dass Sie ins Schnaufen kommen. } Unbestritten ist, dass Milchprodukte eine gute Quelle für Kalzium, wichtige Aminosäuren, Kalium, Magnesium, Jod, Vitamine und hochwertiges Eiweiss sind. Bei einer ausgewogenen Ernährung haben drei bis vier Milchportionen am Tag keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit. Im Rahmen einer gesunderen Ernährung könnten kalorienarme Milchprodukte wie Hüttenkäse oder Magerquark durchaus beim Abnehmen helfen. Weiter auf Seite 10 9 ERNÄHRUNG Es gibt aber auch Milchprodukte, die sehr viel Fett oder viel Zucker enthalten, wie Fruchtjoghurt oder Crème fraîche. Fäh: «Man sollte also bei Milchprodukten kritisch bleiben, wenn man nachhaltig abnehmen will.» Schliesslich würden Eier, Getreide, Gemüse und Kartoffeln auch Eiweiss liefern, Kalzium stecke auch in Grünkohl, Fenchel, Brokkoli, Kräutern, Hülsenfrüchten und vielen Mineralwässern. Deshalb stört Fäh auch die Kampagne: «Das Risiko besteht, dass Leute dadurch zu unkritisch Milchprodukte konsumieren.» Langfristig gesehen sei die mediterrane Ernährung ohnehin besser als die Low-Carb-Diät: «Sie ist erst noch gesünder.» Obst, Gemüse, Nüsse, Olivenöl, Vollkornprodukte und Fisch sind bei dieser Diät die wichtigsten Pfeiler. Milchprodukte spielen nur eine nebensächliche Rolle. Erst vor einem Jahr zeigte eine Studie im Fachblatt «New England «Wer abnehmen will, muss bei Milchprodukten kritisch bleiben» David Fäh, Präventivmediziner Journal of Medicine», dass Teilnehmer mit mediterraner Ernährung binnen 24 Monaten fast genauso viel Gewicht verloren wie mit LowCarb-Diät. In den vier Jahren danach legten aber die Teilnehmer mit der Mittelmeerdiät deutlich weniger Gewicht wieder zu. Swissmilk schreibt, ihre Unterlagen dienten Fachpersonen dazu, damit sie übergewichtige Menschen besser beraten könnten. Denn bei Übergewicht müsse man die Ernährung umstellen. Ein Vorteil der Low-Carb-Diät sei, dass sie gut und lange sättige. Der höhere Anteil an Eiweiss wirke dem Muskelabbau entgegen. Diabetes-Patienten vom Typ-2 könnten ihren Blutzucker besser kontrollieren. Die Organisation empfehle immer Milchprodukte ohne Zucker. Andreas Grote Neu Buchtipp Im Ratgeber «Schritt für Schritt zum richtigen Gewicht» (2. Auflage, 154 Seiten) erhalten Sie eine Anleitung, um das Gewicht zu senken und auf Dauer zu halten – ohne anstrengende Diäten und stressige Fitnessprogramme. Sondern mit einfachen Regeln zur Gestaltung der Mahlzeiten und Anregungen zu mehr körperlicher Aktivität. Zu bestellen unter Telefon 044 253 90 70 oder mit der Karte auf Seite 42. 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