Osteopathie

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DIE VETERINÄRMEDIZINISCHE OSTEOPATHIE
Ursprünge der Osteopathie
Die Prinzipien der Osteopathie wurden 1874 durch den Mediziner Dr. Andrew Taylor Still in den USA
entwickelt. In einer ersten Phase betrachtete Dr. A. T. Still seine Entdeckungen lediglich als eine
Erweiterung innerhalb der klassischen Medizin: Der Begriff „Osteopathie“ tauchte erst im Jahr 1889
auf.
Die Gründung von gemeinsamen Universitäten mit den Medizinern, die Anerkennung der
Osteopathie in den verschiedenen Staaten, sowie die Duldung von Osteopathen in Krankenhäusern
verlangten einen langen stetigen Prozess und viel Durchhaltevermögen von Seiten der beteiligten
Institutionen.
Die Osteopathen nehmen heutzutage als primäre Leistungserbringer einen führenden Platz ein im
Gesundheitswesen der USA. Ihr legaler Status ist demjenigen des Hausarztes nahezu gleichgestellt.
Entwicklung in Europa
Ende der 1950er Jahre entwickelte sich die Osteopathie in Europa, wobei sie jedoch die Komponente
der allopathischen Medizin verlor.
Von England kommend entwickelte sich dieser Beruf in Frankreich weiter, danach in Belgien und in
den Niederlanden, bevor er auch in anderen europäischen Ländern an Bedeutung gewann.
Das Gedankengut der europäischen Osteopathie entspringt aus mehreren Quellen:
 der Tätigkeit aller manuell arbeitender Therapeuten seit Beginn der Menschheit: Von den
Ägyptern bis zu den «Knochenrichtern» (Bonesetters) der ländlichen Regionen
 der amerikanischen Schule für Osteopathie, die 1892 von Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917)
gegründet wurde, sowie allen seinen Nachfolgern
 den europäischen Schulen für Osteopathie. Diese wurden inspiriert von der englischen Schule,
welche von Dr. Martin Littlejohn gegründet wurde. Später wurde sie von den französischen
Schulen mit Lehrern wie Bernard Barillon, Michel Roques, Jean-Pierre Barral und Léopold
Busquet beeinflusst.
 aber auch den Schulen mit europäischem Gedankengut, die unter der Leitung von Pehr H. Ling
(1776-1839), Thure Brandt (1819-1895) und Henri Stapfer die Prinzipien der viszeralen und
zirkulatorischen Osteopathie entwickelten. Christian Trédaniel gründete die Ethiopathie.
In der Schweiz wurde 2006 von der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) eine
interkantonale Vereinbarung unterzeichnet: sie anerkennt die Osteopathie als eine Medizin erster
Instanz auf gleicher Stufe wie die sogenannte klassische Medizin und die Chiropraktik.
Die veterinärmedizinische Osteopathie
Die veterinärmedizinische Osteopathie entwickelte sich aus dem Gedankengut verschiedener
humanmedizinischer Osteopathen. Abgestützt auf das Wissen der klassischen Veterinärmedizin,
erfuhr sie über die Jahre eine stetige Weiterentwicklung.
Dass wir heute so viel über die Kultur der manuellen Medizin wissen, ist in erster Linie der Arbeit von
drei Tierärzten zu verdanken, die als Gründer der veterinärmedizinischen Osteopathie betrachtet
werden: Dr. Francis Lizon, Dr. Dominique Giniaux und Dr. Alain Bouchet.
In Europa wurden mehrere veterinärmedizinische osteopathische Schulen eröffnet, deren Unterricht
allein Tierärzten zugänglich war. Die Qualität der Ausbildung sollte damit sichergestellt werden, um
eine qualitativ hochstehende und zugleich risikolose Behandlung mittels Osteopathie zu ermöglichen.
Die osteopathische Veterinärmedizin als komplementäre Heilmethode
 Die osteopathische Veterinärmedizin ist als Ergänzung zur klassischen Veterinärmedizin zu sehen.
 Die osteopathisch arbeitenden Tierärzte verbinden ihr schulmedizinisches Wissen mit ihren
osteopathischen Kenntnissen und Fähigkeiten um ihre Diagnose zu stellen.
o Einige Tierärzte kombinieren die allopathischen und osteopathischen Ansätze in der
Therapie, während andere Tierärzte aufgrund stärkerer Spezialisierung nur Fälle
behandeln, die für die Osteopathie geeignet sind.
o Ursprünglich Tierärzte, haben sie sich die für eine derart differenzierende Diagnostik
notwendige Kenntnis hinreichend angeeignet, welche es ihnen erlaubt, diejenigen
Fälle auszuscheiden, die besser mit anderen Mitteln therapiert werden.
 Die veterinärmedizinische Osteopathie basiert auf Fakten und konzentriert sich auf den Patienten.
Sie stützt sich auf die drei Prinzipien von Dr. A.T. Still.
o Der Mensch/das Tier ist eine dynamische funktionelle Einheit, deren Gesundheit durch
den Körper, die Gedanken und den Geist beeinflusst wird.
o Der Körper besitzt Mechanismen zur Autoregulation und tendiert von Natur aus zur
Selbstheilung.
o Struktur und Funktion sind auf allen körperlichen Ebenen eng miteinander verbunden.
 Die veterinärmedizinische Osteopathie gehört zu den manuellen, medizinischen Techniken. Das
essentielle Werkzeug des tiermedizinischen Osteopathen sind seine Hände. Der Tastsinn mittels
Palpation und Berührung muss erarbeitet werden. Erst nach langem Üben erreichen die
Osteopathen das, was sie „écoute manuelle“ (Hören mit den Händen) nennen.
 Die von Dr. méd. vét. Fabrice Fosse (2013) beschriebene moderne Taxonomie gibt uns im Kontext
der osteopathischen Palpation einen gemeinsamen Nenner.
Sie unterscheidet drei Gebiete oder Ebenen, die wir untersuchen und anschliessend behandeln
wollen. Die klinische Erfahrung hat zur taxonomischen Einteilung in drei Gebiete geführt, die alle
klassischen osteopathischen Techniken umfasst:
o Die mechanistischen osteopathischen Techniken (makro-dynamisch) beinhalten alle
diagnostischen und behandelnden Techniken, die sich die Palpation und die Mobilisierung
von Gelenken, Muskeln und Faszien zu Nutze machen.
o Die geweblichen osteopathischen Techniken (mikro-dynamisch) beinhalten alle
diagnostischen und behandelnden Techniken, die mit einer tieferen und festeren
Palpation arbeiten: der geweblichen Palpation, der „Résilience“ (palpatorische
Einschätzung der Elastizität und Verformbarkeit von Geweben und Organen) sowie der
palpatorischen Erfassung der Motilität (mikro-Mobilität).
o Die energetischen osteopathischen Techniken (informativ) beinhalten alle diagnostischen
und behandelnden manuellen Techniken, die unter anderem auf den Erkenntnissen der
Traditionellen Chinesischen Medizin und insbesondere der Akupunktur beruhen.
 Die osteopathischen Tierärzte untersuchen mittels Palpation die Veränderungen der dynamischen
Qualität der Gewebearten, die diese drei Ebenen umfassen:
o Die Veränderungen der muskulo-faszio-artikulären Beweglichkeit
o Verlust von Elastizität, Verformbarkeit, Motilität oder Mobilität der Organe intraabdominal sowie intrathorakal
o verminderte Elastizität der neuro-vaskulären Bahnen oder Veränderungen auf der
Ebene des Energieflusses.
Die Beziehungen der Störungen zueinander werden untersucht um danach deren Folgen und
Auswirkungen auf den Körper zu verstehen.
Dies ermöglicht es nun eine globale Diagnose zu stellen, die die verschiedenen Systeme und
Ebenen des Organismus umfasst.
 Die
osteopathischen
Techniken
wurden
zur
Erleichterung
der
normalen
Autoregulationsmechanismen des Körpers entwickelt. Der Fokus lag dabei auf Zonen der
Spannung, des Stresses oder der Dysfunktion von Geweben. Tatsächlich sind es genau diese
Zonen, die die normalen neuronalen, vaskulären und biomechanischen Mechanismen des
Körpers beeinträchtigen.
Die osteopathische Tiermedizin beschäftigt sich mit der Frage, wie die muskuloskelettalen, sowie
die viszeralen und neurovaskulären Systeme innerhalb der physiologischen Abläufe des Körpers
zusammenspielen.
Das Ziel der osteopathischen Behandlung liegt in der Wiederherstellung der optimalen
physiologischen Bedingungen. Diese verbessert die Funktionen des Körpers zuerst lokal und
damit in der Folge auch generell.
 Die in der osteopathischen Veterinärmedizin verwendeten Behandlungstechniken sind zahlreich
und zielgerichtet. Dies ermöglicht den osteopathischen Tierärzten, die für die vorliegende
Indikation am besten geeignete Technik zu wählen:
o Alter und der Charakter eines Tieres werden berücksichtigt: Für ein älteres oder
ängstliches Tier werden nicht dieselben Techniken gewählt wie für ein junges und
unerschrockenes
o Die Art der vorliegenden Pathologie entscheidet über die Wahl der
Manipulationstechnik: eine komplikationslose Gelenkspathologie wird nicht auf
dieselbe Weise angegangen wie eine alte, schmerzhafte Arthrose. Eine funktionelle
viszerale Pathologie wird nicht mit denselben Techniken behandelt wie eine Störung
der autonomen rhythmischen Bewegung des Schädels.
Dies gibt uns einen Einblick in den Reichtum der Kunst, aus welcher die Osteopathie schöpft.
Indikationen
Nachdem wir nun das Konzept verstanden und einen Blick auf die verschiedenen therapeutischen
Möglichkeiten geworfen haben, können wir uns vorstellen, wie ausufernd die Indikationen für die
Osteopathie sind.
Anwendungsgebiete der Osteopathie:
o funktionelle Probleme der Viszera:
Gynäkologische Störungen, Inkontinenz, Diarrhö, Konstipation, chronischer Husten
o funktionelle Probleme im Bereich des Schädels:
Sinusitiden, Schnupfen, Otitiden, Kaubeschwerden, Kopfschmerzen, Verhaltensstörungen
o funktionelle Probleme des Bewegungsapparates:
Torticollis, Dorsalgie, Lumbalgie, Hexenschuss, Verstauchung, Tendinitis, alle
Bewegungsstörungen mit oder ohne Schmerzen, Haltungs- oder Ganganomalien, Steifheit,
Lahmheit, Schwierigkeiten bei gewissen Bewegungen, Leistungseinbusse im Sport oder bei
der Arbeit
Die osteopathische Veterinärmedizin ist auch als Ergänzung zur Chirurgie sehr wertvoll. Wenn
beispielsweise auf Grund des Alters des Tieres eine Operation nicht mehr in Erwägung gezogen
werden kann, stellt die osteopathische Behandlung eine therapeutische Alternative dar.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Osteopathie bei Tieren jeden Alters präventiv eingesetzt
werden kann: Während des Wachstums, beim adulten Tier (Arbeitstiere oder solche, die im Sport
eingesetzt werden), sowie bei Senioren, mit dem Ziel deren Lebensqualität zu verbessern.
Unabhängig davon, ob die Osteopathie im Zusammenhang mit Bewegungsproblemen,
Leberfunktionsstörungen oder Verhaltensproblemen eingesetzt wird, kann sie sowohl in der
Diagnostik als auch in der Behandlung wertvolle Dienste leisten.
Schlussfolgerung
Die osteopathische Veterinärmedizin ist ein fester Bestandteil der Medizin und ihre Ausführung
fordert solide Kenntnisse und medizinische Kompetenzen, damit sie mit entsprechender Sorgfalt und
ohne Risiko für den Patienten eingesetzt werden kann.
Durch ihre spezifischen Möglichkeiten in der Diagnostik und Behandlung lässt sie sich integrativ zur
Veterinärmedizin einsetzen. Sie ermöglicht eine äthiopathogenetische Sichtweise auf die
Funktionsweise des Organismus durch die Verbindung von Struktur und Funktion sowie einer
mechanistischen und informativen Analyse.
Sie stützt sich auf das Beobachten klinischer Resultate und ein wissenschaftliches Verständnis.
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