Handelsbasierte Geldwäsche sehen und verhindern

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Ausgabe 5 | 8. Juni 2016
Handelsbasierte Geldwäsche sehen und verhindern
Geldwäscheaktivitäten nehmen weltweit zu. Drogenhandel, Terrorismusfinanzierung und Menschenschmuggel sind einige der
Hauptursachen dafür. Eine für Kriminelle zunehmend beliebte Methode, Geld zu waschen, ist der Außenhandel. Das führt insbe­
sondere für Banken zu Compliance- und Reputationsrisiken. Sylvia Röhrig sprach mit Henry Balani, Global Head of Strategic Affairs,
Accuity, darüber, wie die handelsbasierte Geldwäsche funktioniert und welche Maßnahmen dagegen ergriffen werden können.
22 Herr Balani, Gesetzgeber und Regulatoren stehen vor großen Herausforderungen, weil die Geldwäschemethoden
immer komplexer und schwieriger zu
durchschauen sind. Untersuchungen zeigen, dass in jüngerer Zeit die handelsbasierte Geldwäsche die am meisten verbreitete Methode ist, illegal erworbene
Geldmittel in den legalen Finanzkreislauf
zu bringen. Wie funktioniert die handels-
basierte Geldwäsche, und warum gewinnt
sie an Bedeutung?
Es gibt für Kriminelle viele Wege, Geld
zu waschen, aber viele der klassischen
Geldwäschekanäle sind inzwischen leicht
aufzudecken und somit nicht mehr attraktiv. Der internationale Handel bietet aufgrund der zunehmenden Komplexität der
Waren- und Geldströme viele Möglichkei-
Preissprünge sind verdächtig!
Der fakturierte Preis sollte dem Marktwert
22 Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein klassisches Beispiel in Amerika ist
der Drogenhandel von Mexiko in Richtung USA. Wenn die illegal über den Drogenverkauf erzeugten Einnahmen auf
dem US-Markt zurück nach Mexiko fließen sollen, wird das z.B. über ein legales
Exportgeschäft gemacht. Der Exporteur
in Mexiko liefert Waren in Höhe von 1 Mio
USD. Der US-amerikanische Importeur
erhält eine Rechnung über 10 Mio USD.
Mit Hilfe der Überfakturierung werden in
diesem Fall scheinbar völlig legal 9 Mio
USD nach Mexiko transferiert. Importeur
und Exporteur stecken entweder unter
einer Decke, oder hinter den Firmen verbirgt sich ein und dieselbe Person.
Die Ausstellung von Rechnungen mit zu
geringen oder zu hohen Preisen für
Warenlieferungen hat sich inzwischen als
eine der beliebtesten Techniken der Geldwäsche herausgebildet. Denn durch die
Kontakt über:
raimund.kaufmann@
accuity.com
069/2475689101
falsche Angabe des Preises kann zwischen
dem Importeur und dem Exporteur ein
Mehrwert übertragen und somit Geld in
großen Mengen gewaschen werden.
22 Wenn solche Geldwäscheaktivitäten
unter legalem Deckmantel stattfinden,
wie können sie aufgedeckt werden, wer
ist dafür zuständig, und welche Risiken
bestehen insbesondere für Banken?
Alle in einem Handelsgeschäft involvierten Akteure – Exporteure, Importeure,
Zollbehörden, Logistiker und Banken –
sind angehalten, Geldwäscheaktivitäten
zu verhindern, das ist in ihrem Interesse,
allein schon um gesetzestreu zu handeln
und Reputationsschäden zu vermeiden.
Viele Banken sind sich aber der Risiken
noch nicht richtig bewusst. Wenn z.B. eine
Bank ein Handelsgeschäft über ein Akkreditiv finanziert, wird sie nach den ERA600-Regeln der Internationalen Handelskammer sehr genau die Richtigkeit der
vorgelegten Dokumente prüfen. Was die
Bank in der Regel aber nicht macht, ist die
Mengen und die Preise der gehandelten
➤
© SerhioGrey/iStock/Thinkstock/Getty Images
­annähernd entsprechen.
ten, Transaktionen durchzuführen und
Geld zu waschen – und das unter einem
völlig legalen Deckmantel.
Henry Balani
Global Head of Strategic
Affairs, Accuity
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22 Gibt es Länder, die bereits Schritte in
diese Richtung unternommen haben?
Die Initialzündung für eine Sensibilisierung des Themas wurde 2013 von
Großbritannien gegeben. Die britische
Finanzaufsichtsbehörde (Financial Conduct Authority, FCA) stellte damals fest,
dass die Banken zwar über gute Methoden verfügten, sanktionierte Individuen
und Unternehmen zu identifizieren, die
Verfahren zur Eindämmung von Geldwäscherisiken allerdings noch schwach entwickelt seien. Die Währungshüter erarbeiteten daraufhin eine Richtlinie für die Banken, mit dem Ziel, den Missbrauch des
grenzüberschreitenden Handels für Geldwäschezwecke zu beschränken.
In jüngerer Zeit ist das Thema auch in Ländern Asiens aufgegriffen worden. Vorreiter im Kampf gegen die handelsbasierte
Geldwäsche sind Singapur und Hongkong. In beiden Stadtstaaten haben die
obersten Währungshüter Richtlinien
erlassen, die die Banken dazu anhalten,
bei der Prüfung der Kunden und der
Dokumentation auch die Warenmengen
bzw. Leistungen und Preise auf Unstimmigkeiten hin zu untersuchen. In Singa-
pur und Hongkong hat der Außenhandel
einen besonders hohen Anteil an der
Wirtschaftsleistung – die Stadtstaaten
haben ein großes Interesse daran, für eine
gute Reputation ihrer Märkte zu sorgen.
22 Braucht man neue Gesetze, um diese
Geldwäscheaktivitäten einzudämmen?
Ein regulatorischer Overkill könnte
den Handel zu sehr hemmen. Deswegen
dürfte die Vorgehensweise der genannten Staaten angemessen sein. Die Richtlinien nennen klassische Anhaltspunkte
(sogenannte Red Flags) für den Verdacht
auf Geldwäsche, auf die die Banken achten sollten, und geben bewährte Vorgehensweisen vor.
22 Ist handelsbasierte Geldwäsche auch
im Handel zwischen China und Hongkong
verbreitet?
Ja, aber die Motivation ist in diesem
Fall eine andere. Dort geht es vor allem
darum, dass Unternehmen und Privatpersonen versuchen, die strengen Kapitalverkehrskontrollen von Festlandchina zu
umgehen. Sie nutzen den Handel, um
mehr Kapital zu exportieren, als offiziell
erlaubt ist. Dieses wird außerhalb Chinas
in Beteiligungen und Immobilien investiert. Aber auch dieses Vorgehen ist nicht
gesetzestreu und somit als Geldwäsche
anzusehen.
22 Das Thema Geldwäschebekämpfung
ist auch in der Europäischen Union schon
lange auf der Agenda. Im Mai 2015 wurde
die 4. EU-Geldwäscherichtlinie verabschiedet. Die EU-Mitgliedstaaten werden
diese bis Juni 2017 in nationales Recht
umsetzen. Wird das Thema handelsbasierte Geldwäsche in der EU-Richtlinie
behandelt?
Dieses Thema steht dort nicht im
Fokus. Die 4. EU-Geldwäscherichtlinie
bringt zwar wichtige Veränderungen, die
die Personenprüfungen noch weiter verschärfen werden, wie z.B. die Einführung
eines zentralen Registers für wirtschaftlich Berechtigte. Zudem dürfen Banken
beim Screening von politisch exponierten
Personen (PEPs) sich nicht mehr allein auf
Ausländer beschränken, sondern müssen
mit der gleichen Sorgfalt inländische PEPs
prüfen. Vorgesehen sind auch besondere
Berichtspflichten hinsichtlich verdächtiger Transaktionen ihrer Kunden.
Doch die Sensibilisierung hinsichtlich des
steigenden Missbrauchs des Außenhandels für Geldwäschezwecke scheint mir in
Europa noch in den Anfängen zu stecken.
Dabei dürfte sich insbesondere Deutschland, als bedeutende Handelsnation, in
Zukunft stärker darum kümmern müssen.
Das florierende Schleppergeschäft in Verbindung mit den Flüchtlingen aus den
Kriegs- und Konfliktgebieten Nordafrikas
und des Nahen Ostens lässt vermuten,
dass die handelsbasierte Geldwäsche in
Europa und insbesondere in Deutschland
an Bedeutung gewinnen wird.
➤
Güter auf Plausibilität hin zu überprüfen.
So kann es passieren, dass sie ein Geschäft
finanziert, das eigentlich Geldwäsche
zum Ziel hat. Deswegen ist es wichtig,
dass das Bewusstsein für diese Art von
Aktivitäten bei den involvierten Akteuren
geschärft wird.
Ausgabe 5 | 8. Juni 2016
Ausgewählte „Red Flags“ oder besondere Anhaltspunkte für handelsbasierte
Geldwäsche
➤➤ Erhebliche Unstimmigkeiten zwischen
dem auf der Rechnung eingetragenen
Warenwert und dem angemessenen
Marktwert der Ware.
➤➤ Die vom Kunden gewünschte Zahlungsart steht offenbar im Widerspruch
zu den Risikomerkmalen der Transaktion.
➤➤ Der Umfang der Lieferung steht offenbar im Widerspruch zum Umfang der
üblichen Geschäftstätigkeiten des
Exporteurs/Importeurs.
➤➤ Eingehende Überweisungen auf mehrere Konten sowie ausgehende Zahlungen von mehreren Konten für Handelsgeschäfte ein und derselben Firma.
➤➤ Benutzung von Akkreditiven, um Geld
zwischen Ländern zu transferieren, wo
ein solcher Handel unter normalen
Umständen nicht stattfinden würde
bzw. im Widerspruch zu der üblichen
Geschäftstätigkeit des Kunden steht.
➤➤ Die Art der gelieferten Waren steht
offenbar im Widerspruch zu den üblichen Geschäftstätigkeiten des Exporteurs/Importeurs.
➤➤ Die Transaktion umfasst die Benutzung
von mehrfach geänderten bzw. verlängerten Akkreditiven.
Quelle: BKA, FIU-Newsletter, Nr. 12, September 2015.
(Die Anhaltspunkte stammen aus dem Typologie­
projekt Trade Based Money Laundering der FATF –
Financial Action Task Force on Money Laundering).
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