Erkrankungen der Knochen Subkapitale Humerusfraktur (Oberarmkopfbruch) Eine der hufigsten Frakturen im Alter: der Oberarmknochen bricht unterhalb des Oberarmkopfes (subkapital). D Ursachen und Symptome Ursache ist meist ein Sturz auf den ausgestreckten Arm oder Ellenbogen. Die Patienten beklagen starke Schulteroder Oberarmschmerzen, lokal tastet man hufig eine deutliche Schwellung, verursacht durch den Bluterguss, der sich nach jeder Fraktur lokal bildet. Dieses Hmatom verteilt sich im Laufe der Zeit, hufig ist einige Tage nach der Fraktur der gesamte Arm blau-rtlich verfrbt. Therapie In den meisten Fllen ist eine Ruhigstellung des Bruches durch einen Gilchrist- oder Desaultverband ausreichend (Abb. 9.15). Um eine Schultersteife zu verhindern, wird meist schon nach wenigen Tagen mit krankengymnastischen bungen begonnen. Bei erheblicher Fehlstellung ist eine operative Versorgung erforderlich. 9 Schenkelhalsfraktur (Oberschenkelhalsbruch) Fraktur im Bereich des Oberschenkelhalses. Frauen sind generell hufiger betroffen, weil es sich um eine typische Verletzung bei osteoporotisch vernderten Knochen handelt. D Ursachen Diese Fraktur ist meist durch einen Sturz auf die Hfte verursacht. Beklagt werden starke Schmerzen im Hftgelenk, das nicht belastet werden kann. Das betroffene Bein steht in einer typischen Fehlstellung (Abb. 9.16). Man unterscheidet, je nachdem, wo der Knochen gebrochen ist, verschiedene Formen der Schenkelhalsfraktur (Abb. 9.17). Pertrochantre Frakturen werden auch zu den Femurfrakturen (Oberschenkelbrchen) gezhlt. Therapie Um die Belastbarkeit des Hftgelenkes rasch wiederherzustellen und die Folgen einer Immobilisation (Pneumonie, Dekubitus, Thrombose etc.) zu verhindern, muss eine Schenkelhalsfraktur in den meisten Fllen operiert werden. Bis zur Operation werden diese Frakturen durch eine Extension ruhig gestellt (Abb. 9.18). Dadurch werden eine Verschiebung der Fraktur durch die anset- a Abb. 9.16 I Schenkelhalsfraktur. Typische Beinfehlstellung bei Schenkelhalsfraktur: das betroffene Bein ist verkrzt und außenrotiert (nach außen gedreht). b mediale Schenkelhalsfraktur laterale Schenkelhalsfraktur pertrochantäre Schenkelhalsfraktur Abb. 9.15 I Oberarmkopfbruch. a Ruhigstellung der Schulter mittels Desaultverband. b Subkapitale Humerusfraktur. Abb. 9.17 I Frakturen des Oberschenkels. Hufige Lokalisationen von Schenkelhalsfrakturen (nach Paetz u. Benzinger-Knig, 2004). Abb. 9.18 I Extensionsbehandlung. Tibiakopfextension (aus Paetz u. Benzinger-Knig, 2004). S. Andreae, D. von Hayek, J. Weniger, Krankheitslehre (ISBN 3131270128) c2006 Georg Thieme Verlag KG 177 9 Erkrankungen des Bewegungsapparates zenden Muskeln verhindert und die Schmerzen des Patienten deutlich gemildert. Manchmal gelingt es, die Fraktur durch eine Schraube zu fixieren, oft ist es aber ntig, das gesamte Hftgelenk durch eine Totalendoprothese, ein „knstliches Hftgelenk“, zu ersetzen. Handelt es sich aber um eine „eingestauchte Fraktur“, bei der die Bruchanteile so fest ineinander verhakt sind, dass sie auch bei Belastung nicht verrutschen, ist außer einer ausreichenden Schmerzmedikation keine Therapie ntig. Prinzip Tibiakopfdrahtextension: Durch den Schienbeinkopf wird ein Draht gebohrt. An einen daran befestigten Rollenzug wird ein jeweils dem Krpergewicht des Patienten angepasstes Gewicht (5–15 % des Krpergewichtes) gehngt. W Je nach Operationsmethode darf das Bein nach der Operation ganz oder teilweise belastet werden. Um die volle Beweglichkeit des Hftgelenks wiederherzustellen, ist im Anschluss an die Operation eine intensive krankengymnastische Betreuung ntig. Deshalb werden viele Patienten nach dem Krankenhausaufenthalt zur sog. „Anschlussheilbehandlung“ in spezialisierte Einrichtungen geschickt. Verhaltensregeln fr Menschen nach dem Einsatz einer Totalendoprothese. Besonders in den ersten Wochen nach der Operation besteht die Gefahr, dass der knstliche Hftkopf aus der Hftpfanne tritt (Luxation). Die Muskulatur ist zu diesem Zeitpunkt nicht krftig genug, um ausreichend Halt zu geben. Im ersten P halben Jahr sollte Folgendes beachtet werden: I nicht in tiefen Sesseln oder Sthlen sitzen, I keilfrmige Sitzkissen, Stehsttzhilfen und eine Toilettensitzerhhung benutzen, I die Beine beim Sitzen nicht bereinander schlagen, I nicht zu lange sitzen, I im Stehen Beine nicht extrem ein- oder auswrts drehen, I feste, Halt gebende Schuhe tragen, I in der ersten Zeit Gehhilfen benutzen, I sturzprophylaktische Maßnahmen ergreifen (S. 183), I in der Anschlussheilbehandlung erlernte Bewegungsbungen zur Krftigung der Muskulatur weiterfhren, I schweres Heben und Tragen ist verboten. Pflegeschwerpunkt Sturzprophylaxe Jutta Weniger Frau Schulz ist 69 Jahre alt und lebt seit etwa einem halben Jahr in der Seniorenresidenz am Kaiserring. Sie hatte sich entschieden, dort ein Appartement anzumieten, nachdem sie schwer gestrzt war. Nach dem Umzug musste sie leider den grßten Teil ihrer Mbel verkaufen. Ein paar Dinge, an denen sie besonders hngt, wie ihren Perserteppich, ein Buffet und eine schne Stehlampe nahm sie mit ins Altenheim. Bei ihrem Sturz hatte sie sich eine Oberschenkelhalsfraktur auf der linken Seite zugezogen, die mit einer TEP (Totalendoprothese = knstliches Hftgelenk) operativ versorgt worden war. Damit kommt sie nun sehr gut zurecht. Sie hat außerdem Osteoporose und ihr ist aufgrund einer Hypotonie hufig, vor allem beim Aufstehen, schwindelig. Hinzu kommt noch eine Hft- und Kniegelenksarthrose rechts, was sie etwas in ihrer Beweglichkeit einschrnkt. Ihr Gangbild ist leicht verndert und bei lngerem Gehen schmerzhaft. Frau Schulz ist mobil und unternimmt hufig kleine Spaziergnge in die umgebende Grnanlage oder sie macht kleine Besorgungen in der nahe gelegenen Fußgngerzone. B Hat Frau Schulz ein erhhtes Risiko wieder zu strzen? Begrnden Sie Ihre Aussage. Was wrden Sie unternehmen, um einem eventuellen erneuten Sturz vorzubeugen? L Wir alle sind aufgrund der Instabilitt unseres aufrechten Ganges in einem gewissen Sinne sturzgefhrdet. Sicherlich kann nicht jeder Sturz vermieden werden. Doch knnen Menschen, deren Sturzrisiko ber das normale Maß hinausgeht, durch Maßnahmen der Sturzprophylaxe vor Strzen und deren Folgen geschtzt werden. Dies ist besonders wichtig, weil Strze bei lteren Menschen hufig schwere Folgen haben. In Altenheimen fhren 10 % aller Strze zu behandlungspflichtigen Verletzungen: vor allem Knochenbrche, besonders hufig sind Hftfrakturen. Jedes Ereignis, in dessen Folge eine Person unbeabsichtigt auf dem Boden oder auf einer tieferen Ebene zu sitzen oder zu liegen kommt, bezeichnet man als Sturz. D Aufgrund der Bedeutung und der Dramatik eines Sturzes fr jeden Einzelnen, und aufgrund der hohen Kosten, die sturzbedingte Verletzungen verursachen, wurde ein Expertenstandard Sturzprophylaxe entwickelt, der seit Januar 2005 zur Verfgung steht (Abb. 9.19). Mehr zur Entwicklung von und Umgang mit Expertenstandards s. S. 147. Sturzrisikofaktoren erfassen Der erste Schritt zur Durchfhrung einer zeitgemßen Sturzprophylaxe ist das Erfassen von Sturzrisikofaktoren. Fr jeden Bewohner oder Klienten, fr den ein Sturzrisiko nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann, muss eine aktuelle systematische Erfassung vorliegen. Risikofaktoren ergeben sich zum einen durch Erkrankungen und Einschrnkungen der betroffenen Person (intrinsische Risikofaktoren). Zum anderen knnen von außen Umstnde auf die gefhrdete Person einwirken oder die direkte Umgebung kann Risikofaktoren aufweisen (extrinsische Risikofaktoren). Die Expertenarbeitsgruppe Sturzprophylaxe hat 11 Sturzrisikofaktoren zusammengestellt (Abb. 9.20). Sie sind durch aussagekrftige wissenschaftliche Studien besttigt (evidenzbasiert). S. Andreae, D. von Hayek, J. Weniger, Krankheitslehre (ISBN 3131270128) c2006 Georg Thieme Verlag KG 178