Franziskus und Klara – von der Kraft des Glaubens durch

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Franziskus und Klara – von der Kraft des Glaubens durch Beziehung
Schwestern und Brüder im Glauben
Ich freue mich, dass Sie heute hierher nach Vierzehnheiligen gekommen sind. Wir
schauen heute auf die Beziehung von Franziskus und Klara. Ich habe mich für
dieses Thema entschieden - auch auf dem Hintergrund, dass Ihnen hier am Heiligen
Berg Vierzehnheiligen Franziskanerbrüder und Franziskusschwestern begegnen.
Vorab – meine Mitschwestern und ich - wir sind keine Klarissinnen, aber sehr wohl
als Franziskusschwestern „dem Franziskus seine Schwestern“. Wir sind seit 100
Jahren hier in Vierzehnheiligen angesiedelt, die Brüder waren fast 75 Jahre früher
da. Durchgehend pflegen wir ein wohltuendes franziskanisch-geschwisterliches
Miteinander.
Franziskus und Klara - was wissen wir aus der Geschichte?
Klara wird geboren, als Franziskus bereits 12 Jahre alt war. Geht man davon aus,
dass Klara im Alter zwischen 10 und 15 Jahren Franziskus kennen lernte, ergeben
sich bis zum Tod des Heiligen Franziskus ca. 20 Jahre, in denen sich Franziskus und
Klara begegneten und sich wechselseitig im Glauben stärkten.
Es gibt Gemeinsamkeiten, die Klara und Franziskus verbinden:
Beide lösten sich im Konflikt vom Elternhaus. Wie schwer ist es doch – bis heute
-, wenn Kinder einen Lebensweg einschlagen, der völlig ungesichert ist und vor allem
auch: der innere und äußere Distanz zur Familie bedeutet. Die gute Absicht der
Elterngeneration „wir wollen doch nur das Beste für Dich“ wird nicht verstanden.
Jugendliche wagen durchaus ein Leben in Ungesichertheit. Bei Franziskus und Klara
darf man davon ausgehen, dass die Abkehr dem Materiellen bzw. dem Höfischen
Stand gegolten hat. Damit verbunden natürlich auch den hartnäckigen Absichten der
Eltern, das Leben ihrer Kinder zu bestimmen. Zu neu war das Lebensprogramm der
beiden Jugendlichen, als dass es verstanden werden konnte.
Was verbindet die beiden? Beide geben ihr Erbe ab:
Franziskus verweigert das Erbe. Folglich dürfte es an seinen Bruder gegangen sein.
Klara sollte mit 15 Jahren verheiratet werden – das war damals für Adelige üblich –
sie hatte schon ihre Mitgift. Sie war aber begeistert von der Armutsbewegung.
Heimlich verkaufte Klara ihre gesamte Mitgift und verteilte den Erlös unter den
Armen. Das ging nicht ohne Verbündete. Eingeweiht über die Pläne Klara´s, sich
Christus in einem gottgeweihten Leben ganz zu schenken, waren Franziskus, seine
Brüder und auch der Bischof von Assisi. Mit deren Hilfe gelang auch die spektakuläre
Flucht aus dem Elternhaus.
Erbe verweigern und das Erbe zu Geld machen, damit Armen geholfen wird – das
braucht schon eine sehr starke Motivation. Der Weg in die Freiheit führt nur über das
Nicht-Gebunden-Sein. Und auch das gilt: Beendigung von Armut führt immer zu einer
Wertsteigerung. Der Beschenkte wird aus seinem Hunger oder seiner Krankheit
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befreit, das ist ein existentieller Zugewinn fürs Leben. Ganz anders, wenn die
Banknoten im Tresor liegen – das zeugt nicht von Leben. Menschen verfügen in
ihrem Testament, dass ein Teil des Nachlasses sozialen Zwecken zugeführt werde –
auch das dient dem Leben, nachhaltig! Allein wegen des Zugriffs des Staates sagt
man ja bisweilen: „lieber mit warmen Händen schenken“. Unsere beiden Heiligen
haben mit milder Hand und angerührtem Herzen geschenkt.
Gemeinsamkeiten von Franziskus und Klara: Beide wollten keine klösterlichen
Strukturen. Nur widerwillig wurde Klara Äbtissin. Es wurde ihr aufgetragen. Und es
gab nur das benediktinische Vorbild, welches seriös schien. Viel lieber wollte sie
Schwester unter Schwestern sein und ganz auf hierarchische Strukturen verzichten.
Franziskus wollte keinen neuen Orden gründen und kein Regelwerk vorgeben,
sondern in der Zeit der Umbrüche einfach eine Gemeinschaft bilden, die nach dem
Vorbild Jesu lebt. Mit der Zunahme von Mitgliedern aber sind Strukturen unerlässlich
– das mussten sowohl Franziskus als auch Klara – teils schmerzlich – anerkennen.
Und heute: alle Organisationen – auch die kirchlichen - unterliegen Strukturen.
Strukturen sollen dem Menschen dienen und nicht der Mensch den Strukturen –
diese Haltung ist immer wieder neu zu beleben. Die gegenwärtige Entwicklung
fördert, dass große Unternehmen überleben, kleine in ihrer Existenz gefährdet sind.
Große Unternehmen brauchen komplexe Strukturen. Wie wohltuend ist doch da die
Idee von Franziskus und Klara, in kleiner Gemeinschaft geschwisterlich miteinander
unterwegs zu sein.
Eine weitere Übereinstimmung: Klara segnet – Franziskus segnet
Sowohl von Franziskus als auch von Klara ist uns ein Segensgebet überliefert. Beim
Segnen spricht der Segnende im Namen Gottes Gutes zu. Jemanden segnen meint,
mit dem Gesegneten Gottes Gegenwart ins Bewusstsein rufen, Gutes erbitten und
Gutes zusprechen. Einmal schickte sogar Franziskus einen Bruder, den psychisch
kranken Bruder Stefan, zu Klara, dass diese über ihn den Segen spreche. Sie
segnete ihn, er brauchte noch Zeit zum Ruhen - da bekam er auch noch Raum.
Geheilt kehrte er zurück. Die Wirkung des Segens bleibt immer offen.
Jeder Christ kann segnen: die Eltern ihre Kinder, die Kinder ihre Eltern, Verliebte und
Verheiratete segnen sich gegenseitig – zum Valentinstag gibt es alle Jahre hier in
Vierzehnheiligen hierzu eine eigene Liturgie. Wir segnen Kranke und Sterbende, wir
segnen vor einer großen Reise oder vor schweren Prüfungen; Segenswünsche eilen
per Brief oder elektronisch durch die ganze Welt. In Indien erleben wir, dass beim
Segnen die Religionszugehörigkeit keine Rolle spielt: mitten auf der Straße wird
unsere Sr. Theresa um den Segen gebeten, sehr oft auch von Hindus. Bei
Franziskus von Assisi ist die Tröstung des Bruder Leo durch den Segen am meisten
bekannt. Klara´s Segen hatte oft heil-wirkende Kräfte – das bezeugen zahlreichen
Dokumente, die der Heiligsprechung zugrunde liegen. Heil ist nicht käuflich, es ist
Gnade – wir können nur darum bitten.
Was verbindet Franziskus und Klara noch? Beide ertragen Leiden
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Für Franziskus und Klara ist Leiden Teilhabe am Leidensweg Jesu Christi selbst Nachfolge des armen und gekreuzigten Christus. Nicht so sehr die Beschwernisse,
der körperliche und seelische Schmerz steht im Mittelpunkt. Franziskus hatte schon
vor seiner Bekehrung viel Leid erfahren, Klara kennt die Situation, dass ihre Familie
aus Assisi fliehen musste - Flüchtlingsleid. „Leiden als Teilhabe am Leidensweg
Christi“ führt in eine tiefe Begegnung. Als sinnlicher Mensch gestaltet Franziskus
nicht nur das Geheimnis von Weihnachten, er wird vom Gekreuzigten angesprochen
und auf dem Höhepunkt seinen Lebens erfährt er das mystische Eins-sein mit dem
Gekreuzigten – er empfängt die Wundmals Jesu am eigenen Leib.
Klaras lebenslanger Wunsch nach einer eigenständigen Lebensform war getragen
von einer tiefen Ergriffenheit vor dem Geheimnis der Liebe Gottes. Nur so konnte sie
beharrlich ihren innerkirchlichen Widerstand auf Augenhöhe mit den Klerikern
aufrecht halten. Wiederholt angebotene Regelwerke lehnte Klara ab weil sie das
Armutsprivileg nicht beinhalteten. „Schau auf ihn, der um Deinetwillen verachtet
worden ist und folge Du ihm als eine, die in dieser Welt verachtet wird um
seinetwillen“ so schreibt Klara in einer notvollen Situation an Agnes von Prag.
Diese Überhöhung von Leid ist wirklich wenigen Menschen vorbehalten – im
Gegenteil: wenn heute Menschen sagen, sie opfern ihre Schmerzen auf, dann
stoßen sie vielfach auf Nicht-verstehen. Und: Auch diese Fremdheit vermögen
Leidgeprüfte Menschen hinzugeben.
Weitere Gemeinsamkeiten möchte ich an dieser Stelle nur aufzählen:
Beide verfassen eine Regel mit eigenem Akzent für ihre Gemeinschaft, - der
Armut - heute würde man sagen: mit Alleinstellungsmerkmal
Beide bezeugen in Wort und Tat ihre Treue zur Kirche
Beide begegnen dem Papst: Franziskus geht zum Papst – und der Papst
kommt zu Klara
Was verbindet die beiden schließlich noch? Beide werden in einem Grab in San
Giorgio bestattet.
27 Jahre später als Franziskus starb Klara am 11. Aug. 1253. Auch sie wird wie
Franziskus zunächst in San Giorgio bestattet. Schon 1230 war der Bau der
Unterkirche von San Francesco abgeschlossen und der Leichnam Franziskus wurde
umgebettet. Auch Klaras Leichnam wurde 1850 gehoben. Zum großen Erstaunen ist
ihr Leib unverwest, bis heute. In der Kirche Santa Chiara kann man Klaras Leichnam
sehen.
Zu Lebzeiten bewohnten Franziskus und Klara getrennte Räume – an der Tür zu den
himmlischen Räumen fällt diese Trennung weg. Am Ziel sind wir alle zusammen. Am
Ziel hindern uns nicht mehr Raum und Zeit, fällt alles Trennende aufgrund Bildung,
Kultur, Charakter, Begrenztheit weg. Die Augen der Liebe sind klar und lauter.
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An dieser Stelle möchte ich eine Legende einfügen. Sie lautet:
Zwei, die aus derselben Quelle trinken
Klara und Franziskus wollten sich nach langer Trennung wieder sehen. Sie
vereinbarten einen Ort in einem Tal bei Assisi, an dem sie sich gerne aufhielten. Auf
dem Grund des Tales hatte sich ein Bach ein Bett gegraben. Nun kam es, dass Klara
zur vereinbarten Zeit auf der einen, Franziskus auf der anderen Seite des Baches
ankam. Sie standen nur wenige Meter voneinander entfernt, aber der Bach trennte
sie. Klara rief Franziskus zu: "Komm rüber!" Franziskus aber wehrte ab: "Das Wasser
ist tief und reißend, es würde mich umbringen. Lass uns eine Brücke suchen." Sie
suchten eine Brücke, aber es gab keine. "So können wir uns heute nicht begegnen,
gehen wir nach Hause!", sagte Franziskus traurig. Klara aber war beharrlich: "Wir
gehen den Bach hinauf bis zur Quelle. Dort ist das Wasser niedrig, wir können
hindurchwaten und zusammenkommen." So wanderten sie den Lauf des Baches
hinauf. Der Weg wurde steil und anstrengend. Es dauerte Stunden. Aber die Freude,
miteinander sprechen zu können, ließ Franziskus und Klara die Hindernisse mühelos
überwinden. Schließlich kamen sie zur Quelle des Baches. Sie war lauter und klar.
Sie spürten Durst. Sie schöpften mit den Händen Wasser aus der Quelle und tranken
es wie eine Köstlichkeit. Das Wasser war wie ein Spiegel, darin Klara und Franziskus
ihr eigenes Bild fanden. "So ist unser Leben", sagte Klara, "wir sind unterwegs, jeder
auf seinem Weg. – Menschen sind nicht geschaffen, einander zu haben und
festzuhalten, Menschen sind geschaffen, miteinander zu ihrer Quelle zu finden.
Menschen sind geschaffen, Gott zu genießen." (Aus: Mulier fortis – Klara von Assisi.
Ein geistliches Spiel) – soweit die Legende.
Schwestern und Brüder,
heute vormittag haben wir im Evangelium die berührende Szene am Jakobsbrunnen
gehört: Jesus bittet eine samaritische Frau um Wasser. Es entsteht ein Dialog – das
ist außerhalb jeder kulturellen Machbarkeit damals! Die Frau erkennt den Messias
und wird zur ersten Verkünderin. Denn „Viele Samariter aus jenem Ort kamen zum
Glauben an Jesus auf das Wort der Frau hin,…“ (Joh 4, 39). Die Erfahrung einer
Begegnung am Brunnen, an der Quelle macht Mann und Frau zu Verkündern.
Wie geht Verkündigungspastoral heute? Wir machen so viele Anstrengungen, so
viele Papiere werden in großen Gremien entwickelt und beraten. Sie werden
gedruckt und versandt, ins Internet gestellt und viele haben gar nicht die Zeit, alles
zu lesen, vom Interesse ganz abgesehen. Die Wirkung ist arm. Was aber wäre, wenn
wir stattdessen „zur Quelle gingen“? – wie Franziskus und Klara. Finden wir uns ein
bei Christus selber. Treten wir mit IHM in den Dialog. Stellen wir vor IHM unsere
Fragen. Werfen wir auf IHN unsere Sorgen, unsere Nöte, alles, was uns das Leben
schwer macht. Und singen wir an der Quelle auch unser Loblied, unseren Dank für
alles Gelungene, unsere Anerkennung der Führung Gottes. Jesus sagt: „Wer von
diesem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben;
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vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden,
deren Wasser ewiges Leben schenkt (Joh 4,13-14).
Es gibt auch heute die Erfahrung der Begegnung an der Quelle. Menschen kommen
aus der Anbetungskapelle anders heraus als sie hineingegangen sind. Es gibt
Wallfahrer, deren einzige Kirchenbindung zeigt sich nach außen auf dem Weg des
Pilgerns nach Vierzehnheiligen. Sie beten stundenlang mit, sie wissen sich getragen
von einer solidarischen Gebetsgemeinschaft, sie verarbeiten unbewusst unterwegs
mitgebrachte Lasten und sie gehen entlastet nach Hause zurück. Es gibt große
Jugendtreffen, z. B. Weltjugendtage, Taize-Treffen, Ende Mai den Katholischen
Kirchentag in Regensburg, verschiedene Einladungen aus nahezu allen Klöstern
zum Mitbeten des Stundengebets, für Auszeiten, stille Tage und geistliche
Begleitung. Im geschützten kirchlichen Binnenraum hat so manche verletzte Seele
wieder Halt gefunden.
Wir alle wissen, wie vereinsamend es wirken kann, wenn jemand keinen Menschen
hat, der mit ihm den Glauben teilt. Kürzlich sagte mir jemand: „An meinem
Arbeitsplatz brauche ich nichts von meinem Glauben und meinem kirchlichen
Engagement erzählen“. Das ist tragisch: Abspaltung. Und wir, die wir gesättigt von
der Quelle hinausgehen in die Welt, wir kennen vielfach diese Menschen nicht, die
unter dieser Vereinsamung leiden. Wir können etwas lernen von Christen, die
verfolgt werden: schon zu Beginn des Christentums bis heute verständigen sich
Christen, wenn sie ihren Glauben nicht öffentlich bezeugen dürfen, mit Zeichen. Das
wirkt. Zum Beispiel das TAU-Zeichen: Egal, ob ich in Italien, in Peru, Indien oder
Deutschland unterwegs bin: wer ein TAU-Zeichen trägt ist ein Freund des Franziskus
von Assisi. Ich habe eine Gesprächsebene – die Brücke für ein Gespräch ist durch
das TAU-Zeichen bereits gebaut. Oder: schon die Urchristen verständigten sich mit
dem Zeichen des Fisches, dem "Ichthys" – immer wieder sehe ich den Aufkleber auf
Autos – ein nonverbales Glaubensbekenntnis.
Franziskus und Klara kannten sich und hatten es gar nicht nötig, sehr oft miteinander
zu sprechen. Zeichen, Gesten und Handlungen waren eins und sie hatten die
Fähigkeit, sich nah zu fühlen, obwohl sie örtlich voneinander getrennt waren. Es gibt
zwischen ihnen etwas Tiefes, das nur mit Hilfe der Kriterien franziskanischer,
christlicher, dem Evangelium entspringender Spiritualität verstanden werden kann,
nicht aber mit menschlichen Kriterien. Es bleibt ein Geheimnis.
In uns liegt das Bedürfnis, einem Menschen so vertraut sein zu dürfen, um die Frage
zu stellen: „Woher hast du dieses Wasser?“, woraus schöpft Du Deinen Glauben?
Und wer übervoll ist von einem geisterfülltem Erleben, wer angerührt ist von einer
tiefen Gotteserfahrung will dies meistens gern mit anderen teilen. Tun wir es. Tun wir
es! Glaube wächst durch Teilen – dazu sind wir jederzeit und überall eingeladen.
Amen.
23.03.2014
Schw. M. Regina Pröls
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