Diabetische Polyneuropathien Die Zahl der Menschen, die an einem Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind ist in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen. Während die Diabetesprävalenz Anfang der sechziger Jahre bei 0,6% lag, gehen die neuesten Schätzungen von 5-8% aus. Diese Zahlen beziehen sich auf die gesamte Bevölkerung. In der älteren Bevölkerung liegt die Diabetesprävalenz - je nach Altersgruppe - bei bis zu 25%. Die Ursache des Typ 2 Diabetes wird unter anderem in der genetischen Prädisposition gesehen; da sich aber die Verteilung der Gene in den vergangen Jahrzehnten nicht geändert hat, müssen Auslösefaktoren eine wesentliche Rolle spielen. Übergewicht und Bewegungsarmut wurden in epidemiologischen Untersuchungen als Risikomarker identifiziert. Mit dem Typ 2 Diabetes treten in der Regel arterielle Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen auf, die als metabolisches oder Wohlstands-Syndrom bezeichnet werden. Allen Erkrankungen des metabolischen Syndroms ist gemeinsam, dass sie in Frühphasen durch Gewichtsabnahme und vermehrte körperliche Aktivität gut zu behandeln sind. Der Blick in die Zukunft lässt aber wenig Positives erwarten, denn durch veränderte Verhaltensweisen wie Computerarbeitsplätze, Fernsehen, Computerspiele und Internet, sowie „fast-food“ Ernährung und hohem Fettgehalt in der Nahrung ist mit einem weiteren dramatischen Anstieg des Typ 2 Diabetes und der anderen Erkrankungen des Wohlstands-Syndroms zu rechnen. Die Spätfolgen des Typ 2 Diabetes sind erheblich und werden in der Regel unterschätzt. Aufgrund der kürzlich durchgeführten CODE 2 (Costs of Diabetes in Europe)-Studie muss man davon ausgehen, dass der Typ 2 Diabetes jährlich ca. 6000 Erblindungen, 8000 dialysepflichtige Nierenversagen, 28.000 Amputationen von Gliedmaßen, 27.000 Herzinfarkte und 44.000 Schlaganfälle verursacht. Die Gesamtkosten des Typ 2 Diabetes belaufen sich demnach in Deutschland auf über 15 Mrd. . Die zuvor genannten Erkrankungen entstehen durch Schäden an Blutgefäßen und Nerven. Durch eine konsequente Behandlung könnten diese Folgen vermieden werden. Insbesondere die große britische Studie „United Kingdom Prospektive Study“ (UKPDS) konnte belegen, dass durch eine Optimierung der Blutzuckereinstellung diabetische Spätkomplikationen verhindert oder zumindest verzögert werden können. Eine der häufigsten Komplikationen des Diabetes mellitus sind Schäden an den Nerven, die sogenannte diabetische Neuropathie. In wissenschaftlichen Studien zeigte sich, dass nach fünfzehn- bis zwanzigjähriger Diabetesdauer solche diabetischen Nervenschäden in ca. 50% der Fälle nachweisbar sind. Es können ganz verschiedene Formen der Nervenschädigung nachgewiesen werden. Diese reichen von Taubheitsgefühlen, Brennen oder einschießenden Schmerzen in Füßen und Beinen, bis hin zu Lähmungen und Impotenz bei Männern. Die am häufigsten auftretende Form ist die sogenannte distale symmetrische sensomotorische Neuropathie, die hauptsächlich die unteren Extremitäten befällt. Die Beschwerden können vielfältig sein: Taubheitsgefühle, Brennen, Schmerzen, Missempfindungen, Ameisenlaufen oder Muskelschwäche. Besonders belastend ist die schmerzhafte diabetische Neuropathie, die bis zu einem Drittel Patienten mit Typ 2 Diabetes betreffen kann. Die Symptome sind auch hier sehr vielfältig, können von unangenehmem Brennen im Bereich der Füße bis hin zu einschießenden Schmerzen führen. Ganz typisch für diese Beschwerden ist, dass sie abends in Ruhe oder sogar im Bett auftreten. Stehen die Patienten dann auf und laufen umher, werden die Beschwerden geringer. Viele Patienten wachen in der Nacht auch von diesen Beschwerden auf. Die Möglichkeiten der Behandlung dieser Beschwerden sind sehr gering. Wichtig ist eine Vorbeugung durch eine gute Diabeteseinstellung. Sind die Beschwerden dann vorhanden, wirken die üblichen Schmerzmedikamente häufig nicht. Sehr erfolgreich werden Medikamente aus dem Bereich der Psychopharmaka oder der Epilepsiebehandlung eingesetzt, jedoch haben diese Medikamente eine Vielzahl an Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder führen zu einer verstärkten Müdigkeit. Es gibt auch physikalische Behandlungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Dabei wird ein Beinnerv, der Nervus peronaeus, durch elektrischen Strom gereizt. In einer Studie des Deutschen Diabetes-Zentrum, dem Leibnizinstitut an der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf, ist durch Zufall aufgefallen, dass sich bei einer elektrischen Muskelstimulation mit dem Gerät HiToP®191 (gbo Medizintechnik AG, Rimbach) die diabetischen Nervenbeschwerden deutlich bessern. Diese Beobachtung wurde dann in einer neuen wissenschaftlichen Studie geprüft. Als Kontrollgruppe wurde das andere physikalische Verfahren, die TENS-Behandlung, angewandt. Die Besserung der Beschwerden war in der HiToP®-Gruppe im Vergleich zur TENSBehandlung deutlich ausgeprägter: Während in der TENS-behandelten Gruppe nur ein Viertel der Patienten eine Besserung der Symptomatik berichteten, waren es in der HiToP®-Gruppe über zwei Drittel. Die Ergebnisse wurden im Mai 2005 in der führenden europäischen Diabetes-Fachzeitschrift, Diabetologia, publiziert. Einige Patienten konnten sogar die Schmerzmedikamente reduzieren oder absetzen. Andere konnten endlich mal wieder in Ruhe ohne Schmerzen durchschlafen. Interessanter weise merkten die Patienten eine deutliche Besserung der Beschwerden schon nach wenigen Anwendungen der HiToP®-Muskelstimulation. Bei der längerfristigen Anwendung berichteten Patienten, dass es auch zu einer Verbesserung der Blutzuckereinstellung gekommen ist. Dies ist auch nicht erstaunlich, denn es ist bekannt, dass durch regelmäßige Muskelaktivität die Insulinwirksamkeit und die Einstellung des Diabetes sich verbesseren. Im Jahr 2004 konnte dies auch für eine elektrische Muskelstimulation nachgewiesen werden. Interessanterweise blieb im Vergleich zu einer Muskelaktivität mittels Fahrradergometer die Verbesserung der Insulinempfindlichkeit bei externer Muskelstimulation länger erhalten. Die Forscher am Deutschen Diabetes-Zentrum haben dazu eine weitere Studie durchgeführt und stellten fest, dass eine Therapie mit der HiToP®-Anwendung die Insulinsensitivität nachweislich erhöht, signifikant das Gewicht reduziert und ganz allgemein den Stoffwechsel verbessert. Die Ergebnisse dieser Studie werden in Kürze veröffentlicht. Der Vorteil einer Muskelstimulation mit dem HiToP®-Gerät besteht in einer sehr innovativen Technologie. Dabei wir nicht nur eine oberflächliche Muskelkontraktion wie bei den üblichen kommerziellen Systemen erzeugt, sondern es kommt zu einer „Muskelstimulation von innen“, wie es kürzlich ein Patient treffend beschrieb. Das Verfahren führt zu einer starken Entspannung und die Forscher am Deutschen Diabetes-Zentrum erlebten es nicht selten, dass die Patienten während der Anwendung eingeschlafen sind.