Kapitel 6 Bakterielle Vaginose: Die „große Unbekannte" (S. 53-54) Obwohl die so genannte bakterielle Vaginose (BV) Millionen Frauen betrifft und die häufigste Ursache für Beschwerden im V-Bereich ist, kennen die meisten diesen Begriff nicht. BV kann ähnliche Symptome wie eine Hefepilzinfektion verursachen, in etwa der Hälfte der Fälle bleibt sie aber symptomlos oder die Beschwerden sind so gering, dass man „damit leben" kann. Bakterielle Vaginose ist keine Infektion, was durch die Endung -ose angezeigt wird (im Gegensatz zur Endung iitis, was Entzündung bedeutet, zeigt die Endung -ose eine nicht entzündliche krankhafte Veränderung an). Es handelt sich vielmehr um ein Ungleichgewicht im Ökosystem der Scheide. Symptome Die Symptome können von Frau zu Frau beträchtlich variieren.Typisch für BV ist ein unangenehmer, fischartig riechender Ausfluss. Meist ist die Menge des Ausflusses erhöht, welcher farblich grau oder weiß sein kann und sowohl dünn und wässrig als auch cremig. Der Geruch nimmt oft nach dem Geschlechtsverkehr zu, wenn sich Samenflüssigkeit und Ausfluss mischen; vor der Menstruation nimmt der Ausfluss oft zu. Leichter Juckreiz oder Brennen können ebenfalls vorhanden sein, aber keine Schmerzen. Da die Hälfte aller Frauen gar keine Symptome hat, wird BV sehr oft bei einer frauenärztlichen Routineuntersuchung entdeckt. Wenn Sie sich nun fragen,ob BV unbedingt behandelt werden muss, wenn es sich doch nicht um eine Infektion handelt, ist die Antwort ein eindeutiges Ja: BV kann zu einer Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit führen, indem Bakterien durch die Zervix in die Gebärmutter und weiter in die Eileiter bis zu den Eierstöcken wandern können. Als Folge einer dadurch entstandenen Infektion kann es zur Unfruchtbarkeit kommen. Bei schwangeren Frauen kann eine Frühgeburt ausgelöst werden (siehe die Patientengeschichte von Jennifer, Seite 9). In der Scheide schwangerer Frauen finden sich von vorn herein sehr viel mehr Bakterien im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen, sodass das BV-Risiko in der Schwangerschaft stark erhöht ist. Die Bakterien können bis zur Fruchtblase wandern, diese infizieren und so eine Frühgeburt auslösen. BV in der Schwangerschaft muss daher unbedingt behandelt werden! Weiterhin erleichtert BV die Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten.Auch Harnwegsinfektionen entstehen häufiger. Ursachen Die „guten" Bakterien der Scheide – die Laktobazillen – produzieren Wasserstoffperoxid, welches zusammen mit Chlor aus dem Zervixschleim das Ökosystem der Scheide aufrecht erhält. Ein Mangel an Laktobazillen, den „Schutz"-Bakterien der Scheide (siehe Seite 21) führt dazu, dass das saure Milieu der Scheide verloren geht. Normalerweise leben etliche andere Bakterien in geringen Mengen in der Scheide und werden durch den chemischen Schutzschild an der Vermehrung gehindert. Beim Wegfall der schützenden Säurebarriere entstehen ideale Bedingungen für Wachstum und Vermehrung dieser Bakterien. Insbesondere zwei Arten von Erregern vermehren sich ungehemmt: Zum einen ein Organismus namens Gardnerella, zum anderen so genannte anaerobe Bakterien, die zu ihrer Vermehrung keinen Sauerstoff benötigen. Die meisten Beschwerden werden dabei von den anaeroben Bakterien verursacht. Diese finden sich bei BV in bis zu 1000-fach erhöhter Menge in der Scheide. Sie produzieren unter anderem ein Eiweiß, welches für den fischartigen Geruch verantwortlich ist, und erhöhen den pH-Wert der Scheide von normal 3,5 bis 4,5 auf 5,0 oder mehr. Welche Ursachen liegen nun aber dem Mangel an Laktobazillen zu Grunde, der das ganze Ungleichgewicht auslöst?