22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Seite 22 Vipera ammodytes: von abnormen Vipern und Hybriden Text und Fotos von Mario Schweiger Im gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet der Europäischen Hornotter (Hornviper), Vipera ammodytes, aber auch in bewusst ausgesetzten Populationen dieser Art, wurden und werden immer wieder Tiere gefunden, die vom bekannten Erscheinungsbild mehr oder weniger deutlich abweichen. Die Aberrationen beziehen sich vor allem auf den Hornaufbau und die Größe der Nasenprotuberanz, auf das Vorhandensein einzelner oder mehrerer größerer Kopfschuppen und auf die Anzahl der Reihen Subocularschilde. Aber auch das Rückenband (Anzahl der Bandzacken) dieser abnormen Vipern – möglichen Hybriden mit Aspisvipern (V. aspis) oder Kreuzottern (V. berus) – kann vom gewöhnlichen Muster der Europäischen Hornotter stark abweichen. Besonders im nördlichsten Verbreitungsgebiet von V. ammodytes, in Kärnten und in der Steiermark, wurden sogar schon Schwärzlinge gefunden (KÜNZL 2002), die auch anderweitig von typischen Hornottern abwichen. Obwohl oft vieles dafür spricht, kann bei keinem dieser in der freien Natur angetroffenen Exemplare mit einer derartigen Abweichung allerdings tatsächlich mit 100%iger Sicherheit auf einen echten Hybriden zwischen V. ammodytes und einer der beiden anderen Vipernarten geschlossen werden. Über einige solcher Tiere, die in Österreich und der Schweiz Vipera ammodytes ammodytes aus Pfatten, Südtirol, Vater der im Text genannten Hybriden Foto: M. Schweiger 22 sowie in Italien, Bulgarien, Bosnien, Rumänien und Slowenien aufgefunden wurden, möchte ich nun berichten. Die „Balkan-Aspisviper“ Die bekanntesten von der Norm abweichenden Individuen der Europäischen Hornviper stammen aus Bosnien und Bulgarien. Nach einem bei Harmanli in Südost-Bulgarien aufgefundenen weiblichen Exemplar wurde vor Jahren sogar schon eine eigene Unterart der Aspisviper beschrieben, Vipera aspis balcanica BURESH & ZONKOV, 1934 („Balkan-Aspisviper“). Am Fundort des Typusexemplars kommt nach Aussagen mehrerer kundiger Personen allerdings nur V. ammodytes vor – und da Harmanli in der Thrakischen Tiefebene nur auf rund 200 m ü. NN liegt, in einem für Kreuz- und Wiesenottern eher ungeeigneten Lebensraum, darf ebenfalls angenommen werden, dass diese „V. aspis balcanica“ kein Hybride ist. Ich vertrete hier strikt die Ansicht, dass es sich bei diesem Tier – wenn der Fundort wirklich korrekt ist – um eine atavistische (mit ursprünglichen Merkmalen versehene) Hornotter handelt und keineswegs um eine Aspisviper. Dies aus folgenden Gründen: 1) Es ist höchst unwahrscheinlich, dass hier gerade das letzte überlebende Exemplar einer im Aussterben begriffenen Viper gefunden wurde. 2) Reste des Frontale (Stirnschild), eines der vermeintlichen Merkmale der BalkanAspisviper, kommen durchaus auch bei „normalen“ V. ammodytes vor. 3) Auch V. ammodytes besitzt einen Canthus (Schnauzenkante). 22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Die Zeichnung des Typusexemplars der Balkan-Aspisviper kann als intermediär zwischen dem Muster von V. berus bosniensis (aber auch V. aspis) und V. ammodytes bezeichnet werden. Der zweite Museumsbeleg dieser vermeintlichen Aspisvipern-Unterart besitzt im Gegensatz dazu eine der Bosnischen Kreuzotter (V. berus bosniensis) ähnliche Zeichnung. Dieses Exemplar weist als Fundortangabe lediglich Bulgarien auf, doch laut BURESH & BESHKOV (1965) wurde in seinem Magen eine Kurzohrmaus (Pitymys subterraneus) gefunden; dies wiederum lässt auf einen Fundort in den Gebirgen West-Bulgariens schließen und macht somit einen Hybriden mit V. b. bosniensis wahrscheinlich. Holotypus von Vipera aspis balcanica; Rückenband durch dunkle Umrandung optisch hervorgehoben Foto: P. Balej Seite 23 Hornlose Vipera ammodytes sp. aus Bulgarien (unbekannter Fundort) – oder doch ein Hybride? Foto: A. Stojanov Das dritte bekannte Exemplar der „Balkan-Aspisviper“ stammt von der Gola Jahorina in Bosnien. Im Gegensatz zu den beiden bulgarischen Vipern besitzt dieses Tier tatsächlich eine für Aspisvipern typische Rückenzeichnung. Da in diesem Gebiet und in diesen Höhenlagen neben V. ammodytes aber auch die Bosnische Kreuzotter vorkommt, ist ein Bastard mit eben dieser Vipernart nicht auszuschließen. Mit 153 Bauchschilden, 42 Paaren Unterschwanzschilde und 23 Reihen Rückenschuppen liegen die Beschuppungsmerkmale allerdings im normalen Spektrum für V. ammodytes in diesem Gebiet. Unter den bulgarischen Herpetologen wird trotz allem meist dennoch die Ansicht vertreten, dass es sich bei diesen abweichenden Vipern tatsächlich um Vertreter von V. aspis handelt. Andrei STOJANOV (pers. Mitt.) und seine Kollegen fanden in Bulgarien in letzter Zeit immer wieder abnorme, hornlose V. ammodytes. Sie sind bei diesen Tieren der Meinung, dass es sich um seltene Morphen der Hornotter, nicht aber um Arthybriden handelt. Das hier abgebildete Tier weist allerdings Kennzeichen sowohl von V. ammodytes als auch der Balkan-Kreuzotter auf: Auf Vipera-berus-bosniensis-Gene deuten die Zeichnung der Kopfoberseite (ein nach hinten offenes V, welches nicht mit dem Rückenband verbunden ist), die nur unvollständig ausgebildete zweite Subocularreihe und das Rückenband, das besonders im Halsbereich und im letzten Körperdrittel sehr starke Anklänge an das Muster von V. b. bosniensis zeigt. Da es sich um ein Tier aus einer Privatsammlung handelt, ist der genaue Fundort nicht mehr eruierbar, und leider besitze ich von ihm auch keine Pholidosewerte, sodass es nicht direkt mit der „Balkan-Aspisviper“ verglichen werden kann. Dieses Exemplar zeigt aber unbestreitbar eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem bei BURESH & ZONKOV (1934) abgebildeten Typusexemplar. Hybriden mit Kreuzottern Obwohl viele Herpetologen (und auch ich selbst) die Existenz von Hybriden zwischen der Europäischen Hornotter (Vipera ammodytes) und der Kreuzotter (V. berus) lange bezweifelt haben (BIELLA 1983a; SCHWEIGER 1992), scheint eine Kreuzung der beiden Arten durchaus möglich zu sein (ZAPF 1969). So sind mir mittlerweile sehr alte Hybriden zwischen V. ammodytes und V. berus bekannt, die noch vom verstorbenen Gregor WALLNER, dem Namensgeber der inzwischen nicht mehr anerkannten Hornvipern-Unterart „gregorwallneri“, gezüchtet wurden. Laut Aussagen des Sohnes, Alfred WALLNER, scheinen diese Tiere allerdings fast steril zu sein. Nur ausnahmsweise gelang ihre Weiterzucht. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Fund einer schwarzen Viper durch KÜNZL (2002). Der mutmaßliche Hybride zeigte zwar Merkmale beider möglicher Elternarten, doch ergaben genetische Untersuchungen (mitochondriale DNA) von Werner MAYER (Naturhistorisches Museum Wien) nur, dass das Muttertier eine V. ammodytes gewesen 23 22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Seite 24 Terrarienaufnahme eines hypothetischen Hybriden aus Transsylvanien Foto: B. Halpern sein musste – somit wäre theoretisch auch eine atavistische Hornviper denkbar. Dagegen spricht aber vor allem die Färbung, denn „reinrassige“ einfarbig schwarze Hornvipern sind im gesamten Alpenraum – und auch um einiges weiter südlich – bisher unbekannt. Weitere hypothetische Hybriden mit Kreuzottern wurden auch in Rumänien gefunden. Bereits 1992 publizierte der Herpetologe Ioan GHIRA Daten über vom allgemeinen Typus abweichende V. a. ammodytes aus Transsylvanien, nachdem er schon auf dem internationalen Kongress der SEH im Jahre 1991 in Budapest ein lebendes Exemplar gezeigt hatte (GHIRA 1992). Diese Viper, die wir hier nebenstehend abbilden, besitzt ein stark reduziertes Nasenhorn, auch die beiden Reihen Subocularschilde sind nicht vollständig ausgebildet. Seitdem wurden im Norden Rumäniens immer wieder ähnliche (fast) hornlose V. ammodytes gefunden. Besonders das hier ebenfalls abgebildete, erst kürzlich entdeckte Tier hat eine nur leicht aufgeworfene Schnauze und erinnert auch von der Kopfbeschuppung her sehr stark an V. aspis. Das Rückenband lässt keine Anklänge an das Muster von V. b. 24 Porträt des möglichen Hybriden aus Transsylvanien Foto: B. Halpern Vipera a. ammodytes aus dem rumänischen Deva (auf der SEH-Tagung in Budapest 1991 von I. GHIRA gezeigtes Exemplar) Foto: M. Schweiger 22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Seite 25 bosniensis erkennen, doch ohne genetische Untersuchungen (anhand von KernDNA) kann auch in diesem Fall die Hybridisierung nicht sicher angenommen werden – es könnte sich durchaus um eine atavistische Hornotter handeln. Hybriden mit Aspisvipern Ganz anders sieht es mit Hybriden zwischen der Hornviper (V. ammodytes) und der Aspisviper (V. aspis) mit ihren Unterarten aus; es gibt mehrere Publikationen, in denen von Kreuzungen zwischen diesen beiden Arten berichtet wird (z. B. OBERMAYER 1967; FAORO 1986). Ebenso wurden auch schon vereinzelte „Naturhybriden“ bekannt, z. B. aus dem Bozener Talkessel. Da diese Tiere sehr oft Hornvipern zum Verwechseln ähnlich sehen, darf man sogar von einem häufigen „Übersehen“ solcher Bastarde ausgehen. Der Herpetologe Griša Planinc fotografierte im August 2007 in der Nähe von Kobarid, Slowenien, eine Viper, bei der es sich eindeutig um einen solchen Hybriden handeln sollte. In direkter Umgebung des Fundortes kommen alle drei in WestSlowenien verbreiteten Vipernarten vor. Und in der Tat weist das männliche Tier entsprechende Kennzeichen aller möglichen Elternarten, V. berus bzw. V. aspis und V. ammodytes, auf. Im Gegensatz zu meinen Nachzucht-Hybriden besitzt es jedoch ein sehr hohes Rostrale, das oben nur durch sehr schmale Canthalia überragt wird. Der bekannte Herpetologe Hans SCHWEIZER hatte in den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts in der Schweiz mehrfach V. ammodytes in V.-aspis-Populationen ausgesetzt, allerdings gibt es keine publizierten Erkenntnisse aus diesen „Experimenten“. Eine kleine Anekdote hierzu jedoch am Rande: SCHWEIZER (1941) gab sich nämlich in einem von ihm verfassten Artikel verblüfft, im Basler Jura unter einem Stein auf eine V. ammodytes gestoßen zu sein. In einer Fußnote zu diesem Beitrag erwähnt W. WOLTERSTORFF jedoch einen Brief, in dem eben jener Hans SCHWEIZER an WOLTERSTORFF geschrieben haben soll, dort selbst schon juvenile V. ammodytes ausgesetzt zu haben … Hypothetischer Hybride aus West-Slowenien. Am Fundort oder in dessen unmittelbarer Umgebung kommen drei Vipernarten vor: Vipera berus, V. aspis und V. ammodytes. Foto: G. Planinc Porträt des hypothetischen Hybriden aus West-Slowenien Foto: G. Planinc 25 22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Seite 26 Andererseits braucht man für derartige Aktionen in der Schweiz gar nicht so lange zurückzublicken, denn noch in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden im Berner Oberland, in der Zentralschweiz, im Tessin und lokal auch im Schweizer Jura V. ammodytes ausgesetzt. Zumindest an zwei Standorten wurden danach Hybriden mit Aspisvipern nachgewiesen, die offenbar unter natürlichen Bedingungen entstanden sind. Noch Mitte der 1990erJahre wurden die letzten V. ammodytes bzw. Hydriden zwischen den beiden Arten beobachtet (Andreas MEYER, pers. Mitt.). Auch weitere Kollegen wie Konrad MEBERT bestätigten mir, dass in der Schweiz immer noch Hornottern vorkommen und Hybriden mit der Aspisviper gefunden werden können – Grégoire Meier hat im Tessin erst vor kurzem einen solchen Hybriden gefunden und fotografiert. Die Pontische Viper Hybride zwischen Vipera ammodytes (ausgesetzt im Tessin) und Vipera aspis francisciredi Foto: G. Meier Porträt des Hybriden zwischen Vipera ammodytes und Vipera aspis francisciredi Foto: G. Meier 26 Durchforstet man die einschlägige Literatur, stößt man immer wieder auf Publikationen, in denen von Vipern berichtet wird, die auch Hybriden sein könnten. So berichtet BIELLA (1983b) von einer atavistischen Hornviper aus Gori, Georgien (etwa 60 km nordwestlich der Hauptstadt Tbilissi [Tiflis]). Da laut Autor in unmittelbarer Umgebung keine andere Vipernart vorkommt, sollte es sich nach seiner Ansicht um eine zwar abweichend gebaute, aber echte V. ammodytes transcaucasiana handeln. BILLING et al. (1990) diskutierten dieses Exemplar allerdings als die von diesen Autoren selbst beschriebene V. pontica BILLING, NILSON & SATTLER, 1990, die bis heute ausschließlich von ihren beiden Typusexemplaren bekannt ist. Bei dem in BARAN & ATATÜR (1998) abgebildeten und von Türkozan & Joger bei Duyguluköy-Ardeşen fotografierten Tier handelt es sich jedenfalls eindeutig um eine V. barani (JOGER, pers. Mittlg.). In der Nähe des Fundortes der beiden Typusexemplare von V. pontica leben auch V. kaznakovi und V. a. transcaucasiana, eventuell sogar V. barani. Gegen eine Zugehörigkeit der Typusexemplare zu V. barani sprechen allerdings die vollstän- 22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Seite 27 Der lebende Holotypus von Vipera pontica Foto: M. Schweiger dige Fragmentierung der Kopfschilde zu Schuppen, die aufgeworfene, in einem winzigen Hörnchen endende Schnauzenspitze und die Pigmentierung sowohl der Kopfoberseite wie auch der Supralabialia. Ebenso erscheint es unwahrscheinlich, dass in einem so kleinen Gebiet vier Vipernarten mit sehr ähnlichen ökologischen Ansprüchen zusammen leben können. Vieles spricht daher dafür, dass es sich bei V. pontica um Hybriden handelt. Abschließend möchte ich aber noch einmal betonen, dass es sich bei der Bestimmung von in „freier Wildbahn“ aufgefundenen Tieren mit atavistischen oder mit Hybrid-Merkmalen immer nur um Hypothesen handeln kann. dreißig Minuten die Tiere wieder in ihre Terrarien zurücksetzen wollte, fand ich das Hornotternmännchen mit dem Aspisvipernweibchen in Kopula. Dies über- raschte mich sehr, da Herbstpaarungen zwar von Aspisvipern bekannt sind, nicht aber von Hornottern. Aufgrund dieses „Unfalls“ bewohnte das Aspisvipernweibchen danach ein Terrarium in „Einzelhaft“, und nach der Auswinterung im Frühjahr 1989 konnte ich auch bald eine deutliche Zunahme seines Körperumfanges feststellen. Im Juli desselben Jahres gebar das Tier dann sechs voll entwickelte, sich offensichtlich in bestem Gesundheitszustand befindliche Jungvipern, drei Männchen und drei Weibchen. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass es sich keinesfalls um echte Aspisvipern, sondern vielmehr um Hybriden zwischen V. ammodytes und V. aspis handelte. Sind die Eltern von Hybriden bekannt, wird bei der Benennung der Hybriden der Vater an erster Stelle und die Mutter an zweiter Stelle gereiht, in diesem Fall also: Vipera ammodytes „ruffoi“ x Vipera aspis francisciredi. Hybridmännchen (Vipera ammodytes „ruffoi“ x Vipera aspis francisciredi) Foto: M. Schweiger Die „Entstehung“ meiner Hybriden Im Folgenden möchte ich nun über meine eigenen Erfahrungen mit Hybriden zwischen Vipera ammodytes und V. aspis berichten. Während der spätsommerlichen Generalreinigung meiner Terrarien im Jahre 1988 setzte ich vorübergehend ein Männchen der heute nicht mehr anerkannten Unterart V. ammodytes „ruffoi“ vom Mitterberg zusammen mit einem Pärchen V. aspis francisciredi aus dem Umland von Mezzocorona (beide Lokalitäten in Südtirol) in einem alten Kunstdünger-Kunststoff-Fass zusammen. Als ich nach rund 27 22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Seite 28 Hybridweibchen (Vipera ammodytes „ruffoi“ x Vipera aspis francisciredi) Foto: M. Schweiger Aufzucht der Hybridvipern Ihre ersten Lebensmonate verbrachten die Hybridenbabys in Kunstoff-Petboxen der Größe 3. Die Aufzucht, Fütterung und Überwinterung führte ich wie bei meinen anderen Arten der Gattung Vipera sensu strictu (im engen Sinn) durch (SCHWEIGER 2009). Im Sommer des ersten Lebensjahres gab ich je ein Nachzuchtpärchen an befreundete Terrarianer mit der Bitte ab, mir die Tiere wieder zu re- Weiblicher Rückkreuzungshybride (Hybridmännchen x Vipera aspis francisciredi vom Gardasee) mit ungewöhnlicher Zeichnung Foto: M. Schweiger tournieren, falls sie verenden sollten. Leider fand dies in einem Fall bereits nach wenigen Wochen statt, und auch das zweite Pärchen überlebte nur etwas mehr als ein Jahr. Diese Vipern befinden sich nun als Museumsexemplare im Naturhistorischen Museum in Wien bzw. in meiner privaten Sammlung. Umso erfreulicher ist daher, dass ich das zurückbehaltene Pärchen nun schon seit fast zwanzig Jahren pflegen und sowohl die Fertilität untereinander als auch bei Rückkreuzungen mit den Elternarten „experimentell“ testen kann. Über diese bereits ungefähr 15 Jahre andauernde Zeitspanne möchte ich hier berichten. Weiterzucht mit dem Hybridpärchen Seit ihrer Geschlechtsreife, welche unter meinen Haltungsbedingungen bei den Männchen meist im dritten, bei den Weibchen im vierten Lebensjahr eintritt, bewohnen die Vipern ein Terrarium mit den Ausmaßen 90 x 60 x 70 cm (Länge x 28 22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Breite x Höhe). Über die im Terrarium herrschenden klimatischen Gegebenheiten und dessen Einrichtung habe ich bereits in meinem Hornotternbeitrag in REPTILIA 76 berichtet (SCHWEIGER 2009). Seit dem Frühjahr ihres fünften Lebensjahres kommt es fast jährlich zu Paarungen, sofern das Weibchen nicht für andere „Experimente“ vom Männchen getrennt lebt. Herbstliche Paarungen wurden bisher nie beobachtet und auch nicht irgendwelche Aktivitäten, die auf eine mögliche Herbstpaarung schließen lassen. Seit dieser Zeit setzt das Weibchen nun mehr oder weniger abwechselnd unbefruchtete Eier und (etwa jedes dritte Jahr) bis zu acht verkrüppelte, meist totgeborene Jungvipern ab. Hin und wieder waren auch schon ein oder zwei lebende F1-Hybriden dabei, die jedoch nach spätestens einer Woche verstarben. Ich gehe mittlerweile davon aus, dass eine Folgegeneration mit meinem Hybridpärchen nicht möglich ist. FAORO (1986) konnte allerdings schon zwei Mal je ein anscheinend gesundes männliches F1-Jungtier erzielen, zusammen mit verkrüppelten Jungvipern und unbefruchteten Eiern. Seite 29 Weiblicher Rückkreuzungshybride (Hybridmännchen x Vipera aspis francisciredi vom Gardasee) mit deutlicher aspisvipernähnlicher Zeichnung Foto: M. Schweiger Männlicher Rückkreuzungshybride (Hybridmännchen x Vipera aspis francisciredi vom Gardasee), ebenfalls mit aspisvipernähnlicher Rückenzeichnung Foto: M. Schweiger Rückkreuzung des Weibchens mit Vipera ammodytes ssp. Abwechselnd wurden verschiedene Männchen von Vipera ammodytes der beiden Unterarten ammodytes und meridionalis zu dem Hybridweibchen gesetzt. Die Männchen kamen dabei entweder zu dem Hybridpärchen ins Terrarium, oder das Weibchen wurde nach der Winterruhe extra gesetzt. Doch einzig mein uraltes Männchen von V. a. meridionalis aus der Gegend um Elassona (Griechenland) interessierte sich für das Hybridweibchen, und es kam auch schon zwei Mal zu Paarungen, soweit ich dies beobachten konnte. Allerdings wurden in allen Fällen im Sommer nur unbefruchtete Eier abgesetzt. Rückkreuzung des Weibchens mit Vipera aspis francisciredi Mitte der neunziger Jahre erhielt ich ein Männchen der Italienischen Aspisviper (Vipera aspis francisciredi) aus dem Raum Orbetello, Toskana. Da es sich um ein Einzeltier handelte, verbrachte es mehrere Jahre zusammen mit den Hybriden im selben Terrarium, doch konnte ich niemals irgendwelche Aktivitäten feststellen, die auf eine mögliche Paarung schließen ließen. Obwohl natürlich festzuhalten bleibt, dass sich auch innerhalb einer Art, ja selbst innerhalb einer Population, manche Geschlechtspartner einfach „nicht mögen“ können und es dann eben zu keinen Paarungen kommt, glaube ich nach nun rund 15 Jahren, dass eine Rückkreu- zung dieses Weibchens mit einer der beiden Elternarten einfach nicht möglich ist. Auch eine lebensfähige F1-Generation bezweifle ich sehr, da bisher immer nur unbefruchtete Eier oder tote bzw. nicht lebensfähige Jungvipern geboren wurden. Rückkreuzung des Männchens mit Vipera ammodytes ssp. Da ich immer wieder einzelne Hornvipernweibchen halte, die ich nicht mit meinen populationsreinen Stämmen zusammensetzen möchte, leben diese im 29 22-30 Schweiger2-korr 15.09.2009 13:39 Uhr Terrarium mit den Hybriden zusammen. Fast jährlich konnte ich schon Paarungen mit dem Hybridmännchen beobachten, doch wurden meist unbefruchtete Eier abgesetzt; in zwei Fällen – mit demselben Tier – gebar das Weibchen nicht vollständig entwickelte, tote Jungtiere. Seite 30 Danksagung: Ich möchte mich bei Andrej Stojanov für die Bereitstellung von Literatur, bei Oguz Türkozan und Ulrich Joger für ihre Aus- künfte bezüglich der Vipera pontica von Ardeşen und bei Griša Planinc, Grégoire Meier, Petr Balej und Bálint Halpern für das Bereitstellen ihrer Bilder bedanken. Rückkreuzung des Männchens mit Vipera aspis Anfang der neunziger Jahre erhielt ich ein juveniles Weibchen der Aspisviper, das an den gardaseeseitigen Hängen des Monte Baldo gefangen wurde. Nach einem Jahr Pflege erreichte dieses Tier die Geschlechtsreife und wurde in das Terrarium mit den Hybriden gesetzt. Obwohl ich keinerlei Paarungsaktivitäten feststellen konnte, gebar dieses Weibchen im Sommer 1995 sechs Jungtiere. Von einer Samenspeicherung kann abgesehen werden, da diese Aspisviper zum Zeitpunkt ihres Fanges ja noch nicht geschlechtsreif war. Vier der Jungvipern sahen einer Aspisviper sehr ähnlich und könnten auf den ersten Blick durchaus mit dieser verwechselt werden. Bei zwei der jungen Rückkreuzungshybriden war der Bastardcharakter sofort zu erkennen, eines dieser Jungtiere wies eine Zeichnung auf, die nichts mit jener der (Groß-)Elternarten zu tun hatte – es könnte durchaus für eine „neue Art“ gehalten werden. Obwohl alle sechs Vipern äußerlich gesund und fit wirkten, gingen sie nur in Ausnahmefällen ans Futter und mussten großteils zwangsernährt werden. Im Laufe von 1–1,5 Jahren verstarben alle Tiere. Sie waren bis zu ihrem Todeszeitpunkt nur geringfügig gewachsen, denn die Geburtsgröße lag bei etwa 16–18 cm, und keine der Vipern wurde länger als 30 cm. Alle sechs Hybriden dieser Nachzucht befinden sich noch als Alkoholpräparate in meiner privaten Sammlung. Aufgrund meiner Kreuzungsversuche gehe ich heute davon aus, dass im natürlichen Verbreitungsgebiet, wo Europäische Hornotter und Aspisviper zusammen auftreten, eine Vermischung zwischen beiden Arten durchaus möglich ist. Es scheint allerdings, dass solche Hybriden nur sehr bedingt fertil sind und nach einer Generation wieder verschwinden. 30 Männlicher Rückkreuzungshybride (Hybridmännchen x Vipera aspis francisciredi vom Gardasee) mit undeutlicher intermediärer Zeichnung Foto: M. Schweiger Literatur: BARAN, I. & M. ATATÜR (1998): Turkish herpetofauna (Amphibians and reptiles). – Republic of Turkey, Ministry of Environment, 214 S. BIELLA, H.-J. (1983a): Die Sandotter, Vipera ammodytes. Neue Brehm Bücherei Bd. 558. – Ziemsen, Wittenberg-Lutherstadt, 84 S. – (1983b): Intermediäre und abnorme Sandvipern aus der herpetologischen Sammlung des Staatlichen Museums für Tierkunde Dresden. – Zool. Abh. Staatl. Mus. Tierk. Dresden 38: 237–245. BILLING, H., G. NILSON & U. SATTLER (1990): Vipera pontica sp. n., a new viper species in the kaznakovi group (Reptilia, Viperidae) from northeastern Turkey and adjacent Transcaucasia. – Zoologica Scripta 19(2): 227–231. BURESH, I. & ZONKOV (1934): Untersuchungen über die Verbreitung der Reptilien und Amphibien in Bulgarien und auf der Balkanhalbinsel. II. Schlangen (bulgarisch mit deutscher Zusammenfassung). – Bull. Inst. Hist. Nat. Sofia 7: 170–174. – & V. BESHKOV (1965): Wird die Giftschlange Vipera aspis L. in Bulgarien angetroffen? (bulgarisch mit deutscher Zusammenfassung). – Izv. Zool. Inst. Mus. Sofia 18: 5–30. FAORO, G. (1986): Bemerkungen zur Verbastardierung von Vipera ammodytes ammodytes mit Vipera aspis atra. – Herpetofauna 8(43): 6–7. GHIRA, I. (1992): External morphology of some isolated populations of Vipera ammodytes ammodytes (LINNAEUS, 1758) at the northern limit of its areal. – S. 183–186 in: KORSÓS, Z. & I. KISS (Hrsg.): Proc. Sixth Ord. Gen. Meet. S.E.H., Budapest, 1991. KÜNZL, H. (2002): Neufund einer schwarzen Bastardotter aus Unterkärnten? Gedanken zum Vorkommen schwarzer Bastardottern in Kärnten. – Carinthia II 192: 189–196. OBERMAYER, G. (1967): Vipera aspis zinnikeri x Vipera ammodytes ammodytes. – DATZ 20: 255–256. SCHWEIGER, M. (1992): Die Europäische Hornotter Vipera ammodytes (LINNAEUS, 1758). Teil 1: Systematik, Ökologie und Lebensweise. – Herpetofauna 14(77): 11–22. – (1992): Die Europäische Hornotter Vipera ammodytes (LINNAEUS, 1758). Teil 2: Haltung und Zucht. – Herpetofauna 14(78): 11–16. – (2009): Haltung, Zucht und Aufzucht der Europäischen Hornotter Vipera ammodytes. – REPTILIA 76: 26–33. SCHWEIZER, H. (1941): Die Bastardform von Vipera aspis aspis mit Vipera ammodytes ammodytes. – Bl. Aquarien- und Terrarienkunde 52: 345–346. ZAPF, J. (1968): Vipera berus x Vipera ammodytes. – Carinthia 11: 170–171.