FORSCHUNG & TECHNIK Klimaforscher gegen Panikmache Der Wissenschaftler Hans von Storch geht mit der eigenen Zunft scharf ins Gericht: Er wirft ihr Übertreibung und »methodisches Versagen« vor Herr Professor von Storch, zusammen mit dem Ethnologen Werner Krauß kritisieren Sie in Ihrem neuen Buch „Die Kllmafalle" Ihre Klimaforscherkollegen. Sind Sie ein Abtrünniger? Von Storch: Das würde ich so nicht sehen. In der Öffentüchkeit fokussiert sich die Debatte in der Tat sehr auf die Leute, die von Klimakatastrophe reden, und auf jene, die sagen: alles Humbug. Das ist i n der Wissenschaft selbst sehr viel differenzierter. Für mich ist die These unseres Buches also nicht weiter gefährhch. Aber auf der öffenthchen Bühne kann das schon etwas anderes sein. „Die Klimafalle" ist der Versuch, das Bild der Klimadebatte etwas zurechtzurücken. Mehr als 90 Prozent der Wissenschaftler, die sich mit dem Thema befassen, sind der Meinung: Es wird seit dem Beginn der Industrialisierung wärmer, und wir körmen diese Entwicklung nicht anders erklären als damit, dass die wesentüche Ursache im Anstieg der Treibhausgase liegt. Es sagen aber lücht alle Wissenschaftler, dass der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um zwei Meter steigt, es sagen nicht alle Wissenschaftler, dass die Hurricans zunehmen oder dass der Wirbelsturm „Sandy", der Ende des vergangenen Jahres N e w York getroffen hat, etwas mit der Klimaerwärmung zu tun hat. Wie würde denn eine vernünftige Zusammenfassung der Klimadebatte aus Ihrer Sicht lauten? Moderate Wissenschaftler bekommen weniger Aufmerksamkeit. Etliche Ihrer Kollegen meinen, im Namen des Klimaschutzes darf man ruhig ein bisschen übertreit>en. Forscher mit kritischem Blick In Ihrem Buch beklagen Sie die Vermischung von Wissenschaft und Politik. Meinen Sie, die Kanzlerin sollte weiterhin einen Klimaberater haben? Der Meteorologe Professor Hans von Storch, 63, zählt zu den renommiertesten deutschen Klimawissenschaftlern. Zusammen mit dem Ethnologen Werner Krauß seziert er die Erwärmungsdebatte 92 Abweichung von der Durchschnittstemperatur zwischen 19S1 und 1981 -j-1,1 °C vom Weltklimarat prognostizierter Temperaturanstieg derzeitiges Temperaturplateau 1990 1995 2000 2005 2010 2015 nach gehalten Der Weltklimarat prognostizierte einen dramatischen Anstieg der glol>alen Temperatur. • Tatsächlich stagniert die weltweite Durchschnittstemperatur seit Jahren Die Naturwissenschaft hat eigentlich ihre wesentliche Arbeit getan, indem sie feststellt: Die Khmaerwärmung ist ein Problem. Aber zu sagen, die Klimaerwärmung ist das größte Problem aller Zeiten, oder dem Problem ist so und nicht so z u begegnen, das fällt nicht mehr in ihre Zuständigkeit. Da würde sie sich übernehmen. Also gehen wir doch mit dem Problem um wie mit anderen auch, indem wir über das Klima eine politische Debatte führen, an der auch Wissenschaftler teilnehmen - aber eben nicht mit dem Privileg von Wahrheitshütern. Einen einzelnen Berater? Nein. In der Vergangenheit hatten sich führende Klimawissenschaftler wiederholt an Chefredaktionen und Verlage gewandt und sich FOCUS 9/2013 Einflussreich im Hintergrund Der Klimawissenschaftler Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gilt als wichtigster Klimaberater Angela Merkels. Das Buch „Die Klimafalle" kritisiert auch die alarmistische Haltung des PIK dort über Autoren beschwert, die sich kritisch mit dem gängigen Klima-Alarmismus beschäftigen. Was halten Sie davon? Das ist e i n N i c h t e m s t n e h m e n einer der w i c h t i g s t e n s o z i a l e n Institution e n , nämlich d e r M e d i e n . W e r s i c h so b e n i m m t , sieht s i c h offenbar als Richter, der weiß, wie Berichterstattimg auszusehen hat. Als Mitautor von Berichten des Weltklimarats (IPCC) kritisieren Sie diese Institution: IVlit seiner haarsträubend falschen Aussage, die HImalaya-Gletscher würden bis 2035 abschmelzen, hatte sich das Gremium vor einigen Jahren schwer blamiert. Auf Kritik reagierte die Weltklimarat-Führung verstockt. Wie kommt es, dass Wissenschaftler diesen Unfehlbarkeitsanspruch erheben? Das I P C C ist i n der Tat eine Eüuichtung, die sich k e i n Krisermianagement gegeben hat. A u f Vorwürfe reagiert es ähnlich w i e die deutsche Chemieindustrie d e r 60er-Jahre, d i e damals a u c h nicht damit u m g e h e n konnte, w e n n es irgendwo Chemieunfälle gab, u n d erklärt hat: Es ist gar nichts passiert. M i t diesem Fehler d e r a n g e b l i c h e n G l e t scherschmelze ist das I P C C einfach h a n d w e r k l i c h schlecht umgegangen. Es gibt dort eine gewisse W a g e n b u r g mentalität, die vor a l l e m v o n der p o l i tischen D i s k u s s i o n i n d e n U S A geprägt ist, w o w i r eine sehr aggressive K l i m a skeptikerszene haben, die dort bis weit ins Parlament hineinreicht u n d u n m i t telbaren Einfluss auf poütische E n t scheidungen hat. Deshalb k o m m t es d a z u , dass es b e i m Weltklimarat schon als kontraproduktiv angesehen wird, w e r m j e m a n d a u c h nur nachfragt, ob eine Darstellung i n dessen Berichten tatsächlich so stimmt. Aber „Klimaskeptiker" klingt unter manchen Ihrer Kollegen und bei vielen Politikern geradezu als Schimpfwort. Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staek, verglich „Klimaskeptiker" kürzlich sogar mit Waffenlobbyisten: Beide seien für den Tod unschuldiger Menschen verantwortlich. A l s wissenschaftüche Gemeinschaft haben wii versagt i m U m g a n g mit d e m Begriff der Skepsis. D u r c h die Polarisierung der Klimadebatte ist die Skepsis tatsächüch abhandengekommen, u n d zwar auf beiden Seiten, auch auf Seiten der Erwärmungsskeptiker. D e n n die sind j a a u c h nicht so besonders skeptisch i n B e z u g auf ihre eigenen Thesen. FOCUS 9/2013 In der „Kllmafalle" weisen Sie darauf hin, dass die globale Temperatur seit 1998 stagniert. Damit verhält sich die Wirklichkeit nun schon seit 15 Jahren anders als gängige Theorien, nach denen es immer schneller immer wärmer werden muss. Was nun? Zunächst m a l ist das eine Herausforden m g . Wenn w i r d e n Temperaturverlauf betrachten, d a i m sehen wir, dass solche Stagnationsphasen i n d e n M o d e l l s z e narien ab u n d a n eintreten. A b e r e i n anhaltender Stillstand der Erwärmung ist natürlich e i n G r u n d , erneut n a c h zufragen. Ich persönlich glaube rücht, dass damit d i e Erklärung, d i e Treibhausgase als wesentUche Ursache beschreiben, deswegen falsch ist. A b e r es ist e i n Problem, mit d e m w i r ims auseinandersetzen müssen. W r als wissenschaftliche Commxmity w a r e n nicht v«rldich vorbereitet darauf, dass die globale Temperatur für e i n Jahrzehnt nicht weiter steigt, während die Konzentration der Treibhausgase n a c h oben geht. Wir h a b e n über d i e Möglichkeit d e r F a l s i f i k a t i o n rucht genügend n a c h gedacht. Wu h a b e n u n s z u w e n i g gefragt: Welche möglichen zukünft i g e n B e o b a c h t i m g e n würden u n s e re Erklärung d e r Erwärmung d u r c h Treibhausgase i n Frage stellen? W i r s i n d z u lange e i n f a c h n u r n a c h v o m g e l a u f e n u n d h a b e n gesagt: P r i m a , passt d o c h alles z u u n s e r e n Erklärungen. Infragestellungen s i n d b e i v i e l e n K o l l e g e n nicht gern gesehen, w e i l sie j a d e n K l i m a s k e p t i k e m „Munition Uef e m könnten". U n d das ist e i n methodisches Versagen. Noch 2000 eritlärte Ihr Kollege MoJIb Latif, In Mitteleuropa werde es schon in ein paar Jahren kaum noch Schnee geben. Ihr Kollege Michael Mann suggerierte: Es wird heißer und heiBer. Verstehen Sie, dass jetzt viele Menschen sämtliche gängigen Klimamodelle bezweifeln? Das ist j a völlig legitim, w e n n das jetzt passiert. Wir Klünaforscher haben eben überverkauft. W i r h a b e n gesagt: M a n muss die wesentüchen Wahrheiten verkünden, m a n darf d i e M e n s c h e n nicht d u r c h z u viel Differenzierung überford e m . Das Problem ist also dadurch entstanden, dass die K l i m a f o r s c h u n g ihre eigene Rolle nicht verstanden hat. • INTERVIEW: A L E X A N D E R WENDT 93