Weitere Files findest du auf www.semestra.ch/files DIE FILES DÜRFEN NUR FÜR DEN EIGENEN GEBRAUCH BENUTZT WERDEN. DAS COPYRIGHT LIEGT BEIM JEWEILIGEN AUTOR. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 1/28 Nicole Keller, Av. du Midi 3, 1700 Fribourg, 026 / 424 87 17, [email protected] Vorbemerkung : Panikanfall und Angstanfall sind bei diesen Autoren synonym gebraucht. Der zweite Begriff wird jedoch vorgezogen, da er die Realität besser wiedergebe und historisch gewachsen sei. Das in diesem Buch vorgestellte Therapieprogramm ist eine Weiterentwicklung vom Therapieforschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Ma 1116/1-1 bis 1-3), namens „Therapie und Verlaufsprognose von Panikanfällen“. Die wörtlichen Vorgaben für im Therapiemanual sind bei Margraf immer kursiv gedruckt und die Patientenbeispiele stehen in „“. Kapitel 1 (S. 3 – 8): Angstanfälle Das Paniksyndrom : Einleitung Haben keine körperliche Ursache und Betroffene empfinden oft keine Angst im üblichen Sinn. Auch Auslöser fehlen oft. Angstanfälle kommen plötzlich und ohne erkennbare Ursache. Akute Aengste Darwin (1873) sagt bei fast allen Tieren verursacht Terror folgende im Tierreich Symptome: Zittern am ganzen Körper, blasse, schweissnasse Haut, deren Haare sich aufstellen, beschleunigte Atmung und schnellerer Herzschlag. Trotz zu reger Tätigkeit arbeitet das Herz nicht effizient, was an der blassen Haut und am baldigen Versagen der Muskelkraft ersichtlich ist. Zudem sind die geistigen Fähigkeiten gestört. Geschichte der • Darwin sah die Angst als evolutionär gewachsene, universale Angstforschung Emotion, die den Organismus auf eine Verteidigungsreaktion vorbereitet. • Cannons (1929) sah Angst als Kampf-Flucht-Reaktion (fight-fightresponse) • Freud schildert lebhaft den Fall der Angstpatientin Katharina in den „Studien zur Hysterie“. Bei der Behandlung des phobischen Vermeidungsverhaltens war, laut Freud, die Psychoanalyse nicht erfolgreich. Selbst die VT war lange Zeit machtlos gegen Angstanfälle , (da in vivo Konfrontation nicht möglich ist, wenn Betroffene keine auslösenden Reize angeben können und in sensu noch unbekannt war) und beschäftigte sich lieber mit Zwängen und Phobien. • Den Angststörungen wurde noch vor wenigen Jahren extrem wenig Beachtung geschenkt. Die Medizin näherte sich den Angststörungen aus der somatischen Perspektive (prägte somit den Begriff Herzneurose), während die VT die Angststörungen zu den funktionellen Störungen zählte. Mangels effizienter Therapiemethoden und Forschungsbemühungen blieben viele Angststörungen unbehandelt, obschon eine Vielzahl von Bezeichnungen eingeführt wurden, um die Angststörungen zu beschreiben. • Westphal erwähnte 1871 erstmals den Begriff Agoraphobie. • 1980, bzw. 1987 schuf die APA mit dem DSM III, bzw. III-R, die Grundlage zur gelungenen Klassifikation von Angststörungen. Sie versuchte der Entstehung und Behandlung von Angststörungenen gerechtzuwerden. Hauptkennzeiche Bei allen Angststörungen tritt plötzliche Angst oder Furcht und n der Vermeidungsverhalten auf. Alte Bezeichnungen für versch. Angststörungen Angststörungen sind z. B. Herzneurose, Platzschwindel, Neurasthemie, Angstneurose, Soldatenherz, Da Costa Syndrom, neurozirkulatorische Asthenie, Hyperventilationssyndrom, nervöses Erschöpfungssyndrom oder vasomotorische Neurose. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Paniksyndrom Prävalenz von Angststörungen Sekundär zu Angststörungen gebildet Abwärtsspirale Studie von Taylor et al. Seite 2/28 Diese diagnostische Kategorie wurde erstmals im DSM III verwendet. Der Begriff Paniksyndrom bezeichnet Angststörungen bei denen Angstanfälle (panic attacks) im Zentrum stehen. Angstanfälle sind am besten untersucht (Glass und Freedman, USA). Gemäss sorgfältiger, grossangelegter Studien, leiden ca. 10% der Bevölkerung einmal im Laufe ihres Lebens an spontanen Angstanfällen (panic attacks). Der Störungsverlauf ist oft sehr schwankend, doch zur völligen Spontanremission kommt es normalerweise nicht. Einmal verfestigt, ist diese Störung ungünstiger als eine schwere Depression. Bei Angststörungen bildet sich oft sekundär: Alkoholismus, Medikamentenmissbrauch, eine schwere Depression. Panikpatienten neigen zu erhöhter Selbstmordgefahr. Barlow und Shear (1988) fanden komplexe Verbindungen zwischen Angstanfällen, Depressionen und Abhängigkeitsproblemen. Viele der Substanz-, Medikamenten- und Alkoholmissbrauchpatienten nahmen die Mittel ursprünglich zur Bekämpfung von Aengsten ein. (Medis, usw. ... dämpfen die Aengste, wirken also als neg. Verstärker, d. h. Aengste fallen weg!). Diese neg. „Verstärkerei“ per Medis,... führt in eine Abwärtsspirale (säuft immer öfter, damit er die Angst nicht spürt). Dieser Missbrauch führt zu einer beträchtlichen Einschränkung der Lebensqualität für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Die Abwärtsspirale ist ein Grund, weshalb Panikpatienten öfter als andere psychisch Gestörte, professionelle Hilfe suchen. 800 Patienten mit Angstanfällen oder Agoraphobie bewarben sich um einen Behandlungsplatz. Vor der Bewerbung haben 70% schon eine nicht für Angstanfälle oder Agoraphobie spezifische Therapie erhalten und 66 % assen bereits Medikamente gegen ihre Angstanfälle oder Agoraphobie. Nur 2,6% der Agoraphobiker wurden richtig behandelt, nämlich mittels einer Reizkonfrontation in vivo. Bei den Angstanfällen wurden weniger als 4% korrekt behandelt, nämlich richtigerweise mit einer kognitivbehavioralen Therapie. Folglich gibt es zwar die passenden Verfahren, um Agoraphobie oder Angstanfälle zu behandeln, aber die Fachleute (Psychologen, Aerzte,...) sind ungenügend informiert darüber, wie und wann man die für diese beiden Störungsbilder spezifischen Techniken anwendet. Kapitel 2 (S. 9 – 40): Somatische Symptome des Angstanfalls: Kognitive Symptome des Angstanfalls Bei starken Erscheinung, Erklärung und Behandlung Unregelmässiger Herzschlag, Atemnot, Benommenheit, Schwindel, Schütteln, Übelkeit, Magen-Darm-Probleme, Schwitzen, Zittern, Druck oder Schmerzen auf der Brust. (Hast Du z.B. geschäumt?: HABSch SchÜmSch z.B.) Angst vor: Kontrollverlust, katastrophale Konsequenzen hätten die wahrgenommenen Symptome, Depersonalisation, Derealisation, etwas Unangemessenes zu tun, verrückt zu werden. Sprüchli: VÄRUCKT staggele: FU...KKDD). Kommt es oft zu Flucht oder hilfesuchendem Verhalten. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 3/28 Angstanfällen DSM-III-R Angstanfälle sind folgendermassen operationalisiert: Operationalisieru • mindestens 4 von 13 meist körperlichen Symptomen sollen ng für innerhalb von 10 Minuten auftreten. Die Empirie zeigt, dass Angstanfälle Angstanfälle im Durchschnitt ca. 30 min andauern. • Manchmal treten Angstanfälle spontan auf, d. h. wie aus heiterem Himmel, sodass die Patienten die Auslöser nicht erkennen. • Auch Gedanken oder Vorstellungen können Angstauslöser sein. Systematische • Deskriptive Daten zu Angstanfällen fehlen weitgehend. Studien zu • Daten werden meist retrospektiv erhoben über Interviews oder Angstanfällen Fragebögen (z. B. Anderson et al., 1984). Aber auch durch Tagebücher (inkl. physiologische Messungen (z. B. Taylor et al., 1983). • Patientenberichte sind oft fehlerhaft. Margraf et al., 1987 zeigen, dass 70 % der Angstanfallpatienten Palpitationen berichten, obwohl physiologisch normalerweise nur (wenn überhaupt! Meistens nicht!) eine leichte Herzfrequenzerhöhung zu verzeichnen ist. • Margraf et al., 1987 beweist in seiner Studie, dass Angstanfallpatienten in retrospektiven Interviews oder retrospektiven Fragebögen höhere Symptomintensitäten angeben als in Tagebüchern, die unmittelbar nach dem Angstanfall geschrieben werden. Angstanfalltypen • Situational: der Angstanfall wird durch eine gefürchtete Situation unterteilt nach ausgelöst. Auslöser • Spontan: der Angstanfall kommt für den Patienten wie aus heitterem Himmel, d. h. er erkennt die Auslösemechanismen (die Ursache für seinen Anfall) nicht. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 4/28 Symptome die während situationalen oder spontanen Angstanfällen auftreten (Buch S. 13) Agoraphobie und Bei allen Phobien löst der angstauslösende Reiz im Vergleich zur Vermeideverhalte objektiven Gefahr unangemessen starke Furcht aus, die nicht einfach n durch eine rationale Argumentation beendet werden kann. Die Agoraphobie, oft als Furcht vor grossen, offenen Plätzen (griech. Agora=Marktplatz) missverstanden, ist die Furcht vor öffentlichen Orten und Menschenmengen, da im Falle eines Angstanfalls dort die Flucht schwierig, der Anfall selbst peinlich oder Hilfe nicht sofort verfügbar wäre. So sind Schlangestehen im Kaufhaus, Autofahren, Kinos oder das Alleinsein (=unbehütet, ungeschützt sein) nur unter starker Angst zu ertragende Situationen für Agoraphobiker. Neben den situativen Auslösern, gibt es auch oft innere, meist körperliche Auslöser auf. Sicherheitssignale, wie die Nummer des Arztes bei sich Tragen, vom Ehemann begleitet werden, die Anwesenheit des Therapeuten, die Medidose mitnehmen, usw., reduzieren die Angst. Fallen diese Sicherheitssignale weg – z. B. habe das Medifläschchen zu Hause vergessen – werden diese zum Angstauslöser. Nosologie der In ICD 9 (WHO, 1977) wurden Angstanfälle zu den Angstneurosen Angstanfälle gerechnet. Im DSM III (APA, 1980) hat man erstmals Angstanfälle von andern Formen der Angst getrennt. So wurde für Patienten, bei denen anfallsartige Zustände der Angst im Vordergrund stehen die Kategorie des Paniksyndroms geschaffen. Zudem wurden die Phobien in Phobien mit, bzw. ohne Agoraphobie unterteilt. Diese moderne Klassifikation der Angststörungen ist jedoch umstritten, da in Längsschnittstudien grosse Überschneidungen zwischen Angstanfällen und z. B. Depressionen vorliegen. Da die Patientenaussagen wenig reliabel sind, ist eine Untergliederung in primäre, bzw. sekundäre Störung wertlos. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 5/28 Angststörung und Depression liegen eher auf einem Kontinuum (Längsschnittstudie von Tyrer et al., 1987). Komorbidität von Angstanfälle treten nicht nur im Zusammenhang mit Angstneurosen Angstanfällen (ICD 9), dem Paniksyndrom mit oder ohne Agoraphobie auf, sondern auch bei: einfachen Phobien, Zwangsstörungen und Depressionen. Patienten mit zwei Störungen suchen wahrscheinlich häufiger professionelle Hilfe. Vergleich • Vergleiche zwischen Paniksyndrom und generalisierter zwischen Angststörung: Patienten weisen eine Ähnlichkeit in den Angstanfällen Persönlichkeitsvariabeln auf: allgemeines Angstniveau, soziale und anderen Anpassung, Lebensereignisse zu Beginn der Störung. Angststörungen • Qualitative Unterschiede zwischen Angstanfällen und anderen Formen der Angst gibt es nicht, d. h. sind noch nicht überzeugend bewiesen worden. • Quantitative Unterschiede zwischen Angstanfällen und anderen Formen von Angst: Vorherrschen somatischer Symptome, akuter Zeitverlauf der Symptomatik, Unmittelbarkeit der gefürchteten Gefahren und die stärkere Bedeutung von internen Reizen zur Angstauslösung. Entscheidungsba Zur Differentialdiagnose von Angststörungen laut DSM IV (Buch S. 17, um oben!). Klassifikation der Im ICD 10 und DSM III-R (siehe Buch S. 18). Angststörungen Epidemiologie Die Verbreitung und den Verlauf des Paniksyndroms interessieren die von des Epidemiologen. Wichtige Studien zur Angst: Paniksyndroms • Epidemiological Catchment Area Program (ECA): vom National Institute of Mental Health mit 18’000 Vpn. • Die Zürich-Studie: mit über 6’000 Vpn. • Die Münchner-Follow-up Studie (MES): mit über 1'300 Vpn. Ergebnisse von allen drei Studien: • Bei Frauen sind Angststörungen die häufigste psychische Störung. Verhältnis Frauen zu Männer: bei Panikstörung 2 zu 1; bei Agoraphobie 3 zu 1. • Bei Männern sind Angststörungen die zweithäufigste psychische Störung nach Abhängigkeitsproblemen. • Beim Paniksyndrom ohne Agoraphobie liegt die Sechs-MonatsPrävalenz zwischen 0,6 und 1,1 %. • Beim Paniksyndrom ohne Agoraphobie liegt die LebenszeitPrävalenz zwischen 1,4 und 2,4 %. • Beim Paniksyndrom ohne Agoraphobie ist die jährliche Inzidenz laut ZH-Studie 0,2 %. • Bei der Agoraphobie war die Sechs-Monats-Prävalenz (ECA und MFS) zwischen 2,7- 5,8 %. • Bei der Agoraphobie war die Lebenszeit-Prävalenz (ECA und MFS) zwischen 3,4 -9 %. • Für Agoraphobie ist die jährliche Inzidenz laut ZH-Studie bei 2,5 %. • ECA-Studie (USA) fand Agoraphobie doppelt so häufig bei Vpn mit niedrigem Bildungsniveau (doppelt so viele Frauen wie Männer haben in den USA keinen Collegeabschluss!). In EU war das Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 6/28 Paniksyndrom unabhängig von Religion, sozialer Schicht und Bildungsniveau etwa gleich stark vertreten. Weitere kleinere Studien: • Margraf (1988): die Panikprävalenz für psychosomatische Patienten liegt deutlich höher, bei 14, 8 %, als jene in der Normalpopulation. • Marks und Herst (1970): im Gegensatz zu allen anderen Phobien, die meist in der Kindheit oder Jugend beginnen, setzten Agoraphobien und Angstanfälle in der Regel erst im frühen Erwachsenenalter ein - zwischen 20 und 30 Jahren. Verlauf vom Beginn: Mittelwert bei 28 Jahren. Beginn vor dem 16 oder nach dem 40 Paniksyndrom Lebensjahr sind selten. 80 % der Angstanfälle beginnen plötzlich, meist an einem öffentlichen Ort. Angstanfälle mit oder ohne Agoraphobie weisen starke Fluktuationen auf (gute und schlechte Tage), so dass auch beschwerdefreie Phasen vorkommen. Agoraphobien und Angstanfälle führen oft zu Folgeproblemen wie Depression, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch. Die Paarbeziehung bleibt aber weitgehend vom Störungsbild verschont, denn Panikpatienten sind meist in durchschnittlichen Ehen verheiratet. Erklärungsansätz • Das psychophysiologische Modell der Angstanfälle: früher nahm e für das man fälschlicherweise eine Behandlungsspezifität für Ätiologieverständ Angststörungen an. Wegen dieser Behandlungsspezifität seien nis des Angstanfälle nur mit Antidepressiva behandelbar, während die Paniksyndroms anderen Angstformen auf Benzodiazepine ansprächen, was natürlich nicht stimmt. Margraf et al. (1986) entwickelten als Gegenströmung das psychophysiologische Modell, das aus einem positiven Rückkoppelungskreis (schwarze Pfeile in Buch S. 23 unten) besteht. Dieser positive Rückkoppe-lungskreis, d. h. dieser Teufelskreis der Angst kann an jedem seiner Elemente ausgelöst werden (genauere Erklärungen im Therapieteil) und führt zu einem Angstanfall. Der Wirkung des positiven Rückkoppelungsprozesses wird durch gleichzeitige, negative Rückkoppelungsprozesse entgegengewirkt (weisse Pfeile, Buch S. 23 unten). Der posivite Rückkoppelungsprozess ist schneller (Angstanfallsaufbau, z. B. Alleinsein, Autofahren, Schlange stehen,...) als der negative (Angstreduktion durch z. B. Habituation oder kognitive Neubewertung). Falsche Rückmeldungen von Herzfrequenzen löste bei Panikpatienten, nicht aber bei normalen Kontrollpersonen, Angstanfälle aus, was die Existenz des Teufelskreises beweist. Auch andere Befunde zur künstlichen Panikinduktion stützen das psychophysiologische Modell (Panikinduktion durch med. Substanzen, durch Hyperventilation, ...). • Kognitiv-lerntheoretische Konzeptualisierung des agoraphobischen Vermeideverhaltens: Mowrers (1947) Zwei-Faktoren-Theorie war der einflussreichste theoretische Ansatz zur Ätiologie der Angstanfälle. Mowrer nahm an, dass bei Phobien ursprünglich neutrale Stimuli aufgrund traumatischer Ereignisse mit einem zentralen motivationalen Angstzustand assoziiert (klassische Konditionierung) und die darauf folgende Vermeidung dieser Stimuli durch Reduktion dieses aversiven Zustandes negativ verstärkt werden (operante Konditionierung). Morowers Theorie Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) • • Therapieforschun g für das Paniksyndrom • Seite 7/28 reicht nicht aus, um die Ätiologie von klinischen Phobien zu erklären, da Panikpatienten sich meist nicht an ein auslösendes, traumatisches Ereignis erinnern können; da die meisten Versuche beim Menschen Phobien oder Angstanfälle zu konditionieren fehlschlugen, denn die vorerst angenommene Äquipotentialität von Reizen bei der klassischen Konditionierung von Angstreaktionen existiert nicht. Statt der Äquipotentialität nahm Seligmann an, dass bestimmte Reiz-Reaktions-Verbindungen leichter gelernt werden, weil sie biologisch vorbereitet sind (=Preparedness). Gewisse innere Stimuli (z. B. das empfundene Schwindelgefühl) können als Angstauslöser fungieren, dieses interozeptive Konditionieren hat sich in Tierversuchen als besonders schnell erlernbar, stabil und löschungsresistent erwiesen. Das integrierte Modell der Agoraphobie legten Mathews et al. (1981) zur Ergänzung zur ZweiFaktoren-Theorie vor: Mathews et al. Nehmen das familiäre Umfeld in der Kindheit als Vulnerabilitätsfaktor an, dazu kommt eine hohe genetische Trait-Angst und non-spezifische Belastungen, die Angstanfälle provozieren können. Als disponierende Persönlichkeitsmerkmale für Agoraphobie werden vermutet: Passivität, Schüchternheit und Abhängigkeit, was aber nicht empirisch belegt ist. Die Theorie von Beck über die Entstehung der Angststörungen: Nach Beck sind kognitive Faktoren wie Fehlattributionen, externe Kontrollüberzeugung oder Erwartung katastrophaler Konsequenzen die Hauptauslöser für Angstreaktionen. Bei Agoraphobikern weisen eine kognitive Verzerrung in der Beurteilung von potentiellen Gefahren auf. Situationen, die nur für Kleinkinder effektive Gefahren darstellen (Alleinsein, enge Räume, Entfernung vom sicheren Ort, ...) werden von Agoraphobikern als gefährlich beurteilt, was Anfälle auslösen kann. Angstanfälle entstehen also nach Beck durch Fehlattributionen von körperlichen Symptomen, katastrophisierenden Gedanken und Vorstellungen. Moderne Forschung: da die empirischen Daten weitgehend fehlen, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht zwischen den oben aufgeführten Theorien entschieden werden. Die neue Forscung versucht kognitive Entstehungsansätze mit biologischen und lerntheoretischen Theorien zu kombinieren. Selbst wenn die ZweiFaktoren-Theorie langsam an Bedeutung verliert, für die praktischen, konfrontativen Interventionsmethoden ist sie nach wie vor der Grundbaustein. Angstanfälle ohne externe Auslöser: für Panikpatienten wurden ab 1984 kombinierte Therapieverfahren entwickelt, welche die Konfrontation mit internen Reizen (v.a. körperliche Symptome), die Bewältigungsstrategienvermittlung und kognitive Methoden (Neuinterpretation von für bedrohlich gehaltenen Reizen) kombinieren. Damit wurden gute Erfolge erreicht. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt bei diesen Verfahren auf der Vermittlung eines Erklärungsmodells für die Angstanfälle, was vor Rückfällen schützt, die Akzeptanz der Therapie erhöht, die Generalisierung des Therapieerfolgs nach sich zieht und somit die Wirkung der Therapie ausmacht. Heftiges Herzklopfen ist das Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) • • Seite 8/28 häufigste Symptom bei Angstanfällen, weshalb Richter und Beckmann 1973 von Herzneurose sprachen. Die Therapie will durch vergleich zwischen Symptomen unter körperlicher Belastung und Anfallsymptomen eine Uminterpretation, der sonst als gefährlich taxierten Symptome erzielen. Foa (1985) hat bei Zwängen und Agoraphobien erfolgreich Konfrontation in sensu angewendet. Voraussetzung ist dabei ein sehr hohes Angstniveau zu induzieren und die Vorstellung aufrechtzuerhalten, bis die Angst abgeklungen ist. Angstanfälle mit externalen Auslösern und Vermeideverhalten: Das Grundprinzip der heutigen Vermeidungsverhaltensbehandlung ist die Konfrondation (exposure). Schon Oppenheim (1911) empfahl mit Agoraphobikern die gefürchteten Plätze zu überqueren. Die Konfrontation wurde in den letzten 20 Jahren empirisch überprüft und systematisiert. Vorallem Konfrontation in vivo wurde angewendet, wobei die hierfür geeigneten Situationen möglichst konkret und detailliert mit dem Patienten zusammen geplant werden. Der Patient soll dabei solange in der gefürchteten Situation bleiben, bis die Angst von selbst geringer wird, ohne zu versuchen, sich abzulenken oder die Angst zu unterdrücken. Für die Durchführung der Konfrontationsübung (nicht für die Angstfreiheit in der Situation) soll der Patient verstärkt werden. Verschiedene Verfahren beruhen auf dem Konfrontationsprinzip: in vivo, in sensu, graduiertes Vorgehen (Abstufung nach Schwierigkeitsgrad der Angstsituationen), Flooding (Reizüberflutung mit extrem stark angstauslösenden Situationen ist langfristig wirksam bei schweren Phobien), massierte Übung (Mehrere Stunden Konfrontation täglich an 5 bis 10 aufeinanderfolgenden Tagen, nach Stern und Marks, 1973 die schnellste und wirksamste Konfrontationsart), schriftliche Manuale (der Patient führt nach schriftlicher Anleitung die Konfrontation völlig selbständig durch). Empirische Erfolgskontrolle: Die Effektivität von Konfrontationsverfahren in der Therapie von Angststörungen ist seit über 20 Jahren durch systematische Forschung klar belegt. Margraf (1990) gibt eine Übersicht über kontrollierte Studien. Die Vpn hatten alle ein Paniksyndrom mit oder ohne Agoraphobie nach DSM III-R. Die stark schwankende Behandlungsdauer lag im Mittel bei 15 Sitzungen und die Erfolge sind ungewöhnlich konsistent, d. h. deutliche, stabile Verbesserungen oder gar Totalremission traten durch Konfrontationsverfahren gegen Angstanfälle ein. Die Konfrontationsverfahren sind bei Angstanfällen der medikamentösen und der nicht spezifischen psychologischen Behandlung (z. B. Sozialkompetenztraining statt Konfrontation) klar überlegen. Diese kognitiv-behaviorale Therapie kann bei Angstanfallpatienten durch Entspannungsverfahreneinsatzt nicht zusätzlich verbessert werden. Clark et al. (1985) zeigten, dass auch bei kurzen kognitiv-behavioralen Interventionen, die Erfolge über zwei Jahre hinweg stabil blieben. Engelkamp und Kuipers (1979) haben für Agoraphobiker Katamnesen gemacht bis zu 9 Jahren; der Therapieerfolg war äusserst gut, selbst nach 5 Jahren Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) • • Seite 9/28 waren noch 75 bis 82 % der Agoraphobiker geheilt oder stark verbessert wegen der kognitiv-behavioralen Behandlung, Rückschläge sind nach 5 Jahren selten, d. h. nicht häufiger als in der Normalpopulation. Nach Barlow und Waddell liegt die Abbruchquote bei gradueller Konfrontation tiefer – unter 5 % - als bei Flooding oder massierten Übungen (25 % Abbrüche, ein grosses Problem bei Konfrontationstherapie). Gruppentherapie wäre wegen der gegenseitigen Unterstützung und besserer Ökonmie vorteilhafter, aber homogene Patientengruppen zusammenzustellen, ist schwierig. Foa und Kozak (1986) erklären die Wirkung der Konfrontationsverfahren über eine Modifikation semantischer Netzwerke, in denen die phobischen Objekte und die eigene Furchtreaktion repräsentiert sind. Die physiologische Habituation während der Konfrontation lockert die Assoziation zwischen dem Stimulus (z.B. Menschenmenge) und dem Reaktionselement (z. B. Herzrasen, Schwitzen,....). Die lockerer gewordene Verbindung erlaubt neue Bewertungen der gefürchteten Situation ins kognitive Netzwerk zu integrieren (z. B. Herzrasen hat nicht zum Tod geführt, also als weniger gefährlich zu bewerten als vorerst angenommen). Diese Neubewertung hat zur Folge, dass bei der nächste Konfrontation verminderte Reaktionselemente auftreten (Habituation zwischen den Sitzungen). Gesundheitspolitik: Wahrscheinlich führt die dauerhafte Behandlung von Paniksyndromen zu grossen Kosteneinsparungen, Studien, die dies belegen sind im Gang in Marburg. Alternative Therapieverfahren: Einige Patienten brechen die kognitiv-behaviorale Therapie vorzeitig ab, andere profitieren nicht von dieser Therapiemethode. Für sie gibt es folgende Alternativbehandlungen: die von Clark et al. für Therapiezwecke weiterentwickelten Becktheoriegedanken (beobachten von dysfunktionalen Gedanken, explorieren von Alternativen, analysieren fehlerhafter Logik, Entkatastrophisieren, Selbstinstruktionstraining, Hypothesen überprüfen). Diese kognitiven Methoden werden normalerweise mit konfrontativen kombiniert, die paradoxe Instruktion nach Ascher 1980 (Patient wird instruiert so lange wie möglich ängstlich zu bleiben. Angst wird dadurch nicht mehr als etwas Katastrophalschlimmes erlebt, sondern mit Humor betrachtet.) oder Bewältigungsstrategienvermittlung (Durch einsetzen der erlernten Strategien können Patienten einen Angstanfall unterbrechen oder zumindest abkürzen, z. B. durch die Zwerchfellatmung, Entspannungsübungen,...). Pharmakologische Behandlung: die meisten Patienten, die psychologische oder psychiatrische Hilfe suchen wegen ihren Panikanfällen, haben viele fehlgeschlagene chemotherapeutische Versuche hinter sich. Auch Medikamentenmissbrauch tritt häufig auf im Zusammenhang mit Angststörungen. Als therapeutisch gilt seit etlichen Jahren die konstante Gabe von trizyklischen Antidepressiva (Phenelzin) oder Triazolobenzodiazepin Alprazolam (4-10 mg/d). Tyrer und Steinberg (1975) fanden in ihrer einjährigen Katamnese bei 26 Agoraphobikern keinen Unterschied Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 10/28 zwischen Phenelzin und Plazebo. Obwohl die Vpn nach Behandlungsende keine Medikamente mehr nehmen wollten, behielten es 13 % auch nach der Behandlung noch bei, 3 von 26 noch zum Katamnesezeitpunkt nach einem Jahr. Der gute Behandlungserfolg von Placebo rät psychologische Interventionsmethoden vorzuziehen oder wenigstens Medis mit Psychotherapie zu kombinieren. Nachteile von medikamentöser Behandlung: hohe Rückfallquoten nach Absetzen der Medikamente. Kapitel 3 (S. 41 – 66): Vorbereitung der Therapie Diagnostische Phase Echte Herzattacken müssen von Angstanfällen unterschieden werden in der differntialen Diagnostik: bei Herzinfarkt sind die Schmerzen hinter dem Brustbein und stahlen vor allem in die linke Schulter- und Armpartie aus. Auch von anderen Störungsbildern muss die Panikstörung abgegrenzt werden (siehe DSM IV). Die diagnostische Phase ist nicht mit dem Therapiebeginn abgeschlossen, sondern beeinflusst deren Verlauf. 5 diagnostische Schritte im Margraf-PanikTherapieprogram m 1. Allgemeiner Eindruck: Sofort nach dem ersten telefonischen Kontakt schickt man den Patienten den „Fragebogen zur Angstdiagnostik und –therapie (siehe Anhang 1 im Buch). 2. Psychopathologische Grobdiagnose: Bevor das Margrafprogramm zur Angstanfallbehandlung eingesetzt werden kann, muss abgeklärt werden, ob Psychosen (zuerst die Psychose behandeln, dann entscheiden ob eine Angstanfalltherapie überhaupt noch nötig ist), Depressionen (Falls die Ängste nur in Phasen schwerster Depression auftreten, muss zuerst die Depression behandelt werden. Es ist aber auch häufig anzutreffen, dass Angstanfälle oder Agoraphobie sekundär zu einer Depression führen, dann muss natürlich zuerst die Angst behandelt werden, die Depression geht dann von selber weg), Zwangssyndrome (fällt im SKID oder DIPS auf) oder weitere Angststörungen (fällt im SKID oder DIPS auf) oder Suchtprobleme (Patienten versuchen oft ihre Ängste selber zu behandeln durch Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch. Den Patienten eine Liste der handelsüblichen Anxiolytika, Antidepressiva und Betarezeptorenblocker vorlegen (siehe Anhang 2 im Buch) damit sie passiv erkennen können, was sie schlucken.) vorliegen. Damit wichtige diagnostische Informationen nicht untergehen und verständlich und systematisch nachgefragt wird, verwendet man am besten strukturierte Interfiews, die an grossen Stichproben validiert wurden, entweder das SKID (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM IV, deutsche Übersetzung von Spitzer et al.) oder das DIPS (Diagnostisches Interview für Psychische Störungen, deutsche Übersetzung von Margraf et al.). 3. Organische Ursachen und Komplikationen: Panikpatienten haben gewöhnlich zahlreiche medizinische Abklärungen hinter sich, Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 11/28 bevor sie einen Psychologen aufsuchen, wenn nicht schicke man sie zum Arzt. Da das Übersehen einer lebensbedrohlichen Krankheit, unangenehme Konsequenzen hätte, empfiehlt sich organische Mängel gründlich abzuklären (Liste der möglichen organischen Mängel, die mit dem Paniksyndrom verwechselt werden könnten, siehe S. 51 – 53 im Buch). 4. Analyse des Problemverhaltens: Für die Behandlung wichtig ist die hier erstellte Verhaltensanalyse für jeden Problembereich (Subjektive, physiologische und verhaltensmässige Reaktionen werden für jeden Problembereich einzeln erfasst.). Problembereiche sind vor allem Angstanfälle und das damit verbundene Vermeidungsverhalten, aber auch soziale Ängste, Partnerschaftskonflikte oder depressive Verstimmungen. In der funktionalen Analyse, müssen die Bedingungen identifiziert werden, welche die Ängste auslösen, aufrechterhalten, verschlimmern oder verringern. Das hilfesuchende Verhalten der Patientin wird erfasst (Welche Behandlungsversuche, Bewältigungsstrategien hat die Betroffene schon unternommen). Die „schwierigen“ Situationen werden in eine Rangabfolge gebracht: die schwierigste Angstsituation mit am meisten Vermeidungsverhalten zuoberst. Einige Fragebögen sind in diesem Schritt evtl. sinnvoll: • Fear Questionnaire (Marks und Mathews, 1979): bietet einen Überblick über Phobien, dt. Fassung von Margraf. • Mobilitäts-Inventar (Chambless et al., 1984) : Vermeidungsverhalten von Agoraphobikern wird in 28 Situationen erfasst in Abhängigkeit davon, ob Vp alleine oder in Begleitung ist. • Agoraphobic Cognitions Questionnaire (Chamberless et al., 1985) : erfasst katastrophisierende Gedanken während des Angstanfalls. • Body Sensations Questionnaire (Chamberless et al., 1985) : die Furcht vor körperlichen Angstsymptomen wird erhoben. • Diagnostische Batterie für Paniksyndrom und Agoraphobie (Ehlers et al., 1990): deutschsprachige Ausgabe, die die drei Chemberless-Fragebögen (Mobilitäts-Inventar, Agoraphobic Cognitons Questionnaire und Body Sensations Questionnaire) kombiniert anbietet. • Zusätzliche Fragebögen können sein: Fragebögen die Alkoholismus, Depression und die allgemeine Angstbereitschaft, Partnerschaftszufriedenheit oder Zwangssyndrome messen. 5. Weitere diagnostische Massnahmen während der Therapie: Wichtigstes diagnostisches Hilfsmittel ist das standardisierte Marburger-Angst-Tagebuch (für Angstanfälle), bzw. das Marburger-Aktivitäts-Tagebuch (für agoraphobisches Vermeideverhalten), das die Patienten vom Erstgespräch an bis zum Therapieende führen. Erfasst werden Angstanfälle, Begleitumstände, Aktivitäten des Patienten, Vermeideverhalten Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) MKP Allgemeine Hinweise zur Therapie Seite 12/28 (siehe Buch Anhang 3 und Anhang 4). Eine Zielerreichungsskalierung (Kiresuk und Sherman, 1968) legt zusammen mit dem Patienten ganz konkrete Handlungsziele fest, wobei für jedes Behandlungsziel der zu erreichende Endzustand genau beschrieben wird (siehe Anhang 5 im Buch, dient der Therapieplanung und evtl. der Therapieevaluation).Per Beurteilung-der-Beeinträchtigung/Einschränkung-der PatientinFragebogen (siehe Buch Anhang 6) schätzt der Patient seine Belastung und Einschränkung ein, die durch das Paniksyndrom im alltäglichen Leben entsteht. Folgende diagnostische Mittel eignen sich auch für die Überprüfung des Therapieerfolgs: Tagebücher (Anhang 3 und 4 im Buch), klinische Fragebögen, Zielerreichungsskalierung (Buch Anhang 5), Belastungseinschätzung (Buch Anhang 6) und die globale Einschätzung durch die Patientin (Anhang 24 im Buch). Mitralklappenprolaps: Die Mitralklappe trennt den Herzvorhof vom Ventrikel der linken Herzhälfte. Normalerweise schliesst die Mitralklappe vollständig, wenn das Blut während der ventrikulären Systole in die Aorta gepumpt wird. Bei einem Mitralklappenprolaps tritt die Mitralklappe während der Systole jedoch in den linken Vorhof hinaus, d. h. sie prolabiert. Durch die neuen Möglichkeiten der Echokardiographie ist der Mitralklappenprolaps im Verlauf der letzten zehn Jahre zu der am häufigsten diagnostizierten Abnormalität der Herzklappen geworden. Es wird ein Zusammenhang zwischen MKP und Angstanfällen vermutet, doch die Studien sind widersprüchlich, sodass im Moment nicht entschieden werden kann, ob wirklich ein Zusammenhang besteht oder nicht, aber wenn ein Zusammenhang besteht, dann nur ein kleiner, der vor allem Personen mit milden oder gar reversiblen MKP-Varianten betrifft. Selbst das Vorliegen eines MKP ändert das Vorgehen in der Angstanfalltherapie nicht. Der Patient muss die Inhalte der Sitzungen 1 bis 6 gut verstehen, da die ganze Therapie auf dem Abbau der kognitiven Fehlinterpretationen von körperlichen Symptomen beruht. Ziel der Therapie ist die Reduktion und Beseitigung der Angstanfälle. Das Manual geht sehr strukturiert vor, trotzdem soll der Therapeut fähig sein, die Therapie individuell auf den jeweiligen Patienten zuzuschneidern. In der Therapie wird normalerweise auch Stressreduktion und der Umgang mit sozialen Situationen geübt. 1. Therapiedauer: etwa 15 Sitzungen: Informationsvermittelnde Sitzungen à optimalerweise 50 – 60 min (in den Sitzungen 1-3), Konfrontationssitzungen (in den Sitzungen 4-12) meist längere Sitzungen, nämlich bis eine spürbare Angstreduktion eingetroffen ist. In den Sitzungen 13-15 wird dann die Generalisierung der gelernten Techniken als Rückfallprofilaxe durchgeführt. Sitzungen 1 – 10 zweimal wöchentlich, Sitzungen 11 – 15 nur noch einmal eine Stunde pro Woche. 2. Tonbandkassette: wird dem Patienten, zwecks besserer Informationsverarbeitung mit dem Auftrag sie nochmals anzuhören, nach jeder Sitzung nach hause mitgegeben. 3. Sitzungsaufbau: 1. Tagebuch, 2. Tagesordnung, 3. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 13/28 Hausaufgabenbesprechung, 4. Techniken zur Angstreaktionsveränderung 5. Rückblick und Planung. 4. Therapiestil: Der Therapiestil baut auf drei Prinzipien auf: 1. Die Therapie ist interaktiv: der Therapeut soll dem Patienten durch geschicktes Fragen zu einer neuen Perspektive verhelfen, indem er den Patienten Alternativen suchen, Argumente überprüfen und eigene Schlussfolgerungen ziehen lässt. Am Schluss jeder Sitzung und jedes Informationslieferungsteil muss der Therapeut Zweifel und Fragen des Patienten geduldig ausräumen. 2. Die Therapie ist direktiv und strukturiert: Die klare Struktur der Therapie erleichtert es konkrete Therapieziele zu setzen. Zudem hilft sie den Patienten neue Verhaltensmuster zu erlernen. Diese direktive Struktur empfinden die Patienten als Entlastung. 3. Die Therapie ist konfrontativ: Angstreaktionen werden aktiv aufgesucht, um die Fehlinterpretationen der Patienten zu korrigieren. Entweder durch die Verhaltensexperimente (die Patienten untersuchen ihre Überzeugungen, d. h. Befürchtungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin) oder durch die systematische Konfrontation mit angstauslösenden Reizen (durch wiederholtes Aufsuchen von Angstreaktionen, tritt ein Habituationseffekt ein). Merkmale der kompetenten Angstanfallstherapeuten Patienten haben oft Mühe, die Verbindung zwischen den potentiellen Angstauslösern und den Angstanfällen herzustellen. Gelegentlich ist es sogar sinnvoll, den Patienten zu sagen, dass für das Vorankommen in der Therapie noch mehr Angstanfälle nötig sind, damit es genug Möglichkeiten gibt, die gelernten Bewältigungsstrategien einzuüben. Viele Patienten machen sich selber runter „Das war ja keine grosse Leistung die Angst wegzukriegen...“, ein solcher Mangel an Selbstverstärkung muss unbedingt durch gezielte Verstärkung von der Therapeutin korrigiert werden. Die Graphiken (siehe Anhang 7 – 9 im Buch) helfen die Theorien, wie z. B. den Teufelskreis, besser zu veranschaulichen. - gibt vollständige, klare Rationale, damit die Patienten diese verstehen. - erarbeitet mit dem Patienten ein angemessene Tagesordnung und setzt Prioritäten. Lässt aber auch Platz für Zweifel und Themenvorschläge des Patienten. - die Therapeutin zeigt, dass sie für Fragen offen ist. - Informationen werden klar, visualisierend und in einfacher Sprache erklärt und genügend oft wiederholt. - das Arbeitstempo der Therapie ist zügig, aber immer auf den Patienten abgestimmt. - Interesse, Aufrichtigkeit, menschliche Wärme, Zufersicht und Professionalität strahlt die Therapeutin aus und verstärkt die Patienten angemessen. - die Therapeutin bespricht das Angsttagebuch, verstärkt Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Überblick über das Therapieprogramm Kapitel 3 (S. 67 – 113): Erste Sitzung Seite 14/28 Fortschritte und ergänzt therapierelevante Informationen. - Die Therapeutin maximiert den Lernerfolg aus den Hausaufgaben und bespricht diese detailliert, Rückmeldung gebend. - Verbale und non-verbale Rückmeldung wird während der ganzen Sitzung gegeben und die Patientin soll am Schluss das verstandene zusammenfassen. Auch die Therapeutin gibt kurze Zusammenfassungen an schwierigen Informationsaufnahmephasen. - die Patientin wird durch geleitetes Entdecken (kein Herunterleiern von Theorien!) zu einer neuen Perspektive geführt, indem sie Argumente überprüft, Alternativen betrachtet, nachfragt und Schlussfolgerungen zieht. - die Therapeutin arbeitet Fehlinterpretationen und die Entstehungserklärungen für die Angstanfälle ganz klar heraus. - die Therapeutin plant Verhaltensexperimente, um die (Fehl-) Interpretationen von der Patientin selbst überprüfen zu lassen. - die Therapeutin gibt praktisch relevante Hausaufgaben, die sie sehr genau erklärt. Das Schema zeigt den zeitlichen Ablauf der Therapie. Die Spalte „weitere Massnahmen“ müssen nicht bei allen, aber bei den bedürftigen Patienten angewendet werden. (siehe Schema Buch S. 66). Sitzungen 1 bis 4 der Therapie 1. Einführung: Die allgemeine Einführung in die Therapie, die Vereinbarung der je 50 minütigen Sitzungstermine erfolgt hier. Alle Sitzungen werden auf Tonband aufgenommen. 2. Tagesordnung: Überblick über die Themen dieser Sitzung geben und die Patientin fragen, ob sie etwas bestimmtes besprechen möchte. 3. Vermittlung des Therapierationals: Die Therapeutin exploriert die Symptome während eines typischen Angstanfalls und entwickelt daraus in den folgenden 6 Schritten (fettgedruckt) den Teufelskreis der Angst. Allgemeine Befragung über die bedeutenden Ängste: Die Therapeutin befragt die Patientin über ihre Ängste unter Berücksichtigung des Tagebuches, das seit dem diagnostischen Interview geführt wurde. Empfehlungen zum Ausfüllen des Tagebuches dürfen der Patientin bei Bedarf gegeben werden. Informationsvermittlung über die allgemeine Natur der Ängste: Die Therapeutin informiert über: was ist Angst und wie entsteht sie. Angst sei eine notwendige, evolutionsgeschichtlich gewachsene körperliche Reaktion, doch bei Angstpatienten sei das Alarmsystem „Angst“ überempfindlich geworden. Wenn die Patientin ihre Ängste versteht, kann sie deren Häufigkeit und Intensität reduzieren und mit Alltagsstress besser umgehen. Individuelle Angstmuster der Patientin: An Hand des Tagebuches werden die individuellen Angstmuster der Patientin aufgezeigt, dabei betont die Therapeutin, dass internale Reize wie Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 15/28 Körperempfindungen, negative verbale Kognitionen oder Katastrophenvorstellungen Angst auslösen können und dass Situationsfaktoren, Stressoren, körperliche Symptome und Gedanken Angst hervorrufen können. Zuerst wird ein konkreter, kürzlich geschehener Angstanfall ausgewählt, um Situation, Körperreaktionen, Kognitionen und Verhalten herauszulesen. Dann werden die Situationen aufgelistet, in denen Angstanfälle besonders häufig oder heftig sind. Beachtet werden hierbei folgende Punkte:Vermeidung (Situationen oder Aktivitäten werden aktiv oder passiv vermieden), Modulatioren (Dinge, die Angstanfälle schwerer oder leichter machen), Einstellungen und Verhalten von anderen Persoen, Erklärungsversuche der Patientin für die Angst, Beginn und Verlauf. Die erfragten Symptome werden nun in den Teufelskreis integriert. Zum im Teufelskreis dargestellten Aufschaukelungsprozess tragen physiologische (Angespanntheit, Nervosität, Herzklopfen, Atembeschwerden, Schwitzen, Bauchflattern, Schwindel, Benommenheit, Zittern, Kribeln, Übelkeit), kognitive (Angst vor drohenden Katastrophen, schweren Erkrankungen, vor Verrücktwerden, Kontrollverlust oder Derealisation oder Depersonalisation oder Konzentrationsstörungen) und verhaltensmässige (mehr Aufmerksamkeit auf den Körper richten, Hilfesuchendes Verhalten, Leistungs- und Konzentrationsstörungen sowie Flucht- und Vermeidungsverhalten) Symptome bei. Entwicklung des Teufelskreises: Anhand eines möglichst typischen Angstanfalls fragt die Therapeutin nach dem Verlauf der körperlichen Symptome während dem Angstanfall (z. B. an welchen körperlichen Symptomen merken Sie, dass Sie einen Angstanfall haben?, ...). Danach wird nach Gedanken und Vorstellungen der Patientin während eines Angstanfalls gefragt (z. B. Was ging Ihnen während des Anfalls durch den Kopf?, Was dachten Sie?, Was sagten Sie zu sich über diese Angstsituation?, Was befürchteten Sie, hätte schlimmstenfalls passieren können, ...). Die Fragen der Therapeutin müssen dabei genügend unbestimmt formuliert sein, sodass sowohl Gedanken als auch Vorstellungen erfasst werden können. Merke: Bei Angstanfällen werden diese Gedanken in der Regel durch die Fehlinterpretation innerer Reize ausgelöst und beziehen sich auf eine unmittelbar bevorstehende Katastrophe. Die Therapeutin stellt jetzt die Verbindung zwischen körperlichen Symptomen und den Kognitionen (Gedanken und Interpretationen) her (z. B. Schwindel macht Angst vor Hirntumor, Palpitationen vor Herzinfarkt, Atemnot vor Ersticken, Kribeln in den Extemitäten vor Gelähmtwerden undDepersonalisation vor Verrücktwerden). Diese Verbindung wird mit Fragen wie „Wie reagieren sie auf die Symptome?, Wenn Sie denken ich falle in Ohmacht, welche Symptome nehmen sie dann wahr?“ aufgezeigt. Vermittlung des Teufelskreises: Mit der Graphik des Teufelskreises (Anhang 7, Abb. 15) erklärt die Therapeutin der Patientin den Teufelskreis, indem sie die Symptome und Gedanken der Patientin in den Teufelskreis einzeichnet. Eine gute Interaktion mit der Patientin muss entstehen, die auch Platz lässt für Fragen und Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 16/28 Kommentare. Der Teufelskreis: Die versch. Komponenten der Angst (Gedanken, Symptome, Physiologie und Wahrnehmungen) stehen miteinander in Verbindung. Bei jeder dieser Angstkomponenten, kann ein Angstanfall ausgelöst werden. Sie merken z. B. plötzlich, wie ihr Herz schneller zu schlagen anfängt (körperliche Symptome hier die Angstkomponente bei der der Anfall ausgelöst wird = 1. Komponente, auch Atemnot, Schwindel, usw. würden hierhin gehören!). Die Wahrnehmung ist die 2. Komponente der Angst, d. h. die Patientin bemerkt ihre Symptome. Die 3. Komponente sind die (meist katastrophisierenden) Gedanken, d. h. die Patientin bewertet ihre wahrgenommenen Symptome als gefährlich in ihrer Vorstellung (z. B. Mist das ist sicher ein Hirntumor, ein Herzinfarkt, u. a.). Diese Neubewertung der Symptome als gefährlich führt zur Angst. Der Teufelskreis ist ein Aufschaukelungsprozess, d. h. eine Art Steigerungsspirale, welche die Angst immer stärker werden lässt mit jeden Durchgang des Teufelskreises, was bedeutet, dass der Aufschaukelungsprozess beim ersten Auftreten von angst noch nicht abgeschlossen ist, sondern, dadurch noch mehr angekurbelt wird. Denn durch die Angst steigt der Adrenalinspiegel, welcher zur 4. Komponente der Angst nämlich den physiologischen Veränderungen gehört. Je mehr der Adrenalinspiegel steigt, desto stärker werden die Symptome, je besser werden letztere wahrgenommen und weil ausgeprägter als noch gefährlicher bewertet, was zu noch mehr Angst führt, die noch heftigere Symptome produziert, usw. bis der Angstanfall sein Maximum erreicht. Hier kommt es erst im zweiten Teufelskreisdurchlauf zum Angstanfall, nämlich da wo der Adrenalinschub die Symptome verstärkt, bewertet die Patientin das Herzklopfen nicht mehr nur als gefährlich sondern als gar lebensbedrohlich, sie hat Angst zu sterben, was die Angst zum Anfall macht. Sie ruft den Arzt an, wegen der Erwartung von Hilfeleistung lässt die Angst nach dem Telefongespräch allmählich nach, sodass wenn der Arzt bei ihr ist, der Angstanfall vorbei ist. Der Teufelskreis zeigt, dass Angstanfälle das Resultat eines Aufschaukelungsprozesses sind. Sie entstehen als Reaktion auf fehlinterpretierte Wahrnehmungen und Fehlbewertungen (Das bewerten von Reizen für die man zunächst keine Erklärung hat, ist normal, nur sie immer als bedrohlich einzustufen, ist pathologisch.). Was tun wenn Patienten Einwende bringen: Manchmal bekomme ich einen Angstanfall, wenn ich versuche mich zu entspannen. Antwort 1: Beim Erlernen von Entspannung kommt es häufig vor, dass zu Beginn eine Muskelspannung entsteht, welche unbekannte Körperreaktionen hervorruft, die dann von Angstpatienten katastrophisiert werden. Da während der Entspannung die Aufmerksamkeit auf den Körper gelenkt wird, werden solche Körperveränderungen leichter wahrgenommen. Antwort 2: Während der Entspannung werden unwillkürliche Körperempfindungen ausgelöst, was der Patientin das Gefühl von Kontrollverlust gibt und sie glaubt verrückt zu werden. Ich fühle mich oft schon morgens schlecht, bevor etwas stressiges oder angsteinflössendes Passiert ist? Antwort: Wann haben Sie zu Abend gegessen? Wenn der Blutzuckerspiegel zu niedrig ist, Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 17/28 produzieren nämlich schon kleine Veränderungen in der Atmung körperliche Symptome (wie Schwindel,...). Vermittlung des Stressmodells: Stress in unterschiedlicher Ausprägung wird als Auslösebedingung für den Teufelskreis gesehen. Wenn die allgemeine Angespanntheit ohnehin schon hoch ist, dann braucht es nur noch wenig um die Schwelle für einen Angstanfall zu erreichen, bzw. zu übersteigen. Wenn die allgemeine Angespanntheit, d. h. das Stressniveau tief ist, dann braucht es sehr viel bis der Teufelskreis der Angst in Gang kommt. Dies wird anhand des Schemas (auf s. 77, im Buch, oben) der Patientin erklärt (z. B. wenn ein Todesfall passiert ist, genügt es das Essen anbrennen zu lassen, um einen Angstanfall (Herzklopfen vor Ärger und Überforderung) auszulösen. Wäre die allgemeine Anspannung niedriger gewesen (habe gerade eine Freundin zum plaudern getroffen), hätte der Todesfall des Bekannten mich weniger ängstlich gemacht. Wer mehrmals einen Angstanfall hatte, entwickelt mit der Zeit eine anhaltende Angst davor, dass sich so ein Anfall wieder ereignen könnte. Allein diese Sorge lässt solche Menschen dauernd auf einem erhöhten Angespanntheitsniveau leben, sodass es nur noch einen winzigen Stressor braucht, um einen Anfall auszulösen. Der Patientin wurde in diesem Schritt gezeigt: Sowohl Stress als auch Gedanken bringen den Teufelskreis der Angst in Gang indem sie körperliche Symptome verstärken, was zu Angst und schliesslich zu einem Anfall führt. Ableitung des therapeutischen Rationals: In der Therapie wollen wir den falschgelernten Bewertungsprozess (Gedanken und Symptome wären bedrohlich) umlernen, indem wir einen neuen Lernprozess induzieren. Dies geschieht auf drei Wegen: a) b) c) Zweite Sitzung angstverstärkende Gedanken analysieren Befürchtungen in Gedankenexperimenten überprüfen Die gefürchteten Symptome erfahren, was zur Habituation führt und Angst mindert. Bei regelmässiger Mitarbeit wird der Patientin der Therapieerfolg versprochen und gesagt, dass die wissenschaftlich fundierte Therapieform einer ständigen Erfolgskontrolle unterliegt. Sie soll ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf ihre Gedanken, Anspannung und Empfindungen während des Tages richten. Rückblick und Planung: Die Sitzung wird kurz zusammengefasst, Fragen und Zweifel werden geklärt, die Kassette wird mitgegeben, damit die Patientin sich beim Anhören Fragen notiert, ein neuer Termin wird vereinbart und Angst- und Aktivitätstagebücher für die kommende Woche werden verteilt. Kurzbericht: Die Therapeutin beschreibt kurz den momentanen Zustand der Patientin und die Erfolgsaussichten. Zudem meldet sie zurück, wie gut die Patientin das Therapierational und den Teufelskreis verstanden hat. 1. Besprechen des Tagebuches: Die Patientin soll die Eintragungen immer sofort nach einem Anfall machen. Aufgetretene Schwierigkeiten werden besprochen. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 18/28 2. Tagesordnung: Überblick über die Themen dieser Sitzung geben und die Patientin fragen, ob sie etwas bestimmtes besprechen möchte. 3. Wiederholen des Teufelkreises und des Therapierationals: Anhand eines Rollenspiels wird geprüft, ob die Patientin den Teufelskreis-Aufschaukelungsprozess der Angst verstanden hat. Dabei erzählt die Patientin einer vermeintlichen Freundin (=Therapeutin), was sie über die Komponenten der Angst gelernt hat. Dies wird solange gespielt, bis die Patientin den Teufelskreis gut auf ihre Ängste anwenden kann. 4. Vermittlung des Drei-Komponenten-Modells der Angst: Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Angst aus drei grossen Komponenten besteht. Die Therapie setzt an allen drei Komponenten der Angst an. Bei den meisten Menschen steht eine der Komponenten eher im Vordergrund. Die physiologische Komponente: Angst bewirkt eine grössere Erregung des autonomen Nervensystems (z. B. Adrenalinschub verursacht Herzklopfen). Manche Menschen suchen solche physiologische Veränderungen gezielt, z. B. durch anschauen von Hororfilmen. Diese körperlichen Veränderungen sind ganz normale Empfindungen und keineswegs gefährlich. Erst die Fehlbewertung dieser äusserst normalen physiologischen Reaktionen führt zur Angst. Die gedankliche Komponente: Gedanken, Überzeugungen, Erwartungen, Bewertungen, Interpretationen beeinflussen unsere Stimmung, unsere Gefühle und unser Verhalten, z. B. beunruhigt sie der schnelle Herzschlag nicht, wenn sie einen Berg hinauf rennen, aber er tut es wenn sie zu Hause entspannt auf ihrem Sofa liegen. Manche dieser Etikettierungen (ich schaff das nicht, ich sterbe an Herzinfarkt auf meinem Sofa) sind hinderlich und falsch. In der Therapie lernen sie negative, gedankliche Selbstgespräche in unterstützende zu verwandeln. Die Verhaltenskomponente: Alles was wir tun und machen, was für andere sichtbar ist nennt man Verhalten. Angst kann das Verhalten von Menschen folgendermassen beeinträchtigen: Konzentration oder Geschicklichkeit (die Leistungsfähigkeit sinkt, da die Angst wichtige Aufmerksamkeitsressurssen beansprucht), hilfesuchendes Verhalten (der Glaube, dass die Situation nur mit Sicherheitsfaktoren überstanden werden könnte: Tabletten, Begleitung), Vermeidungs- oder Fluchtverhalten (Plätze meiden oder weglaufen aus Situationen), Zuschauer-Rolle (Sie sind so stark mit ihrer Angst beschäftigt, dass sie ihre Aufmerksamkeit von den momentanen Anforderungen abwenden, was sie unfähig werden lässt, die Situation zu bewältigen), Leistungsstörungen (wegen der Angst sind Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Konzentration nicht fähig, passende Strategien zur Bewältigung des Alltags zu einzusetzen). 5. Die vier Arten von Angstanfällen: (siehe Graphik 1 von Nicole Keller im Anhang). 6. Überblick über das Therapieprogramm: Nach den bisherigen Ausführungen zur kognitiven Angsttheorie muss der Patientin Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Dritte Sitzung Seite 19/28 klar sein, dass die unvorteilhafte Bewertung von ungewöhnlichen körperlichen Empfindungen die Ursache für ihre Angstanfälle ist. Angstentwicklung in der individuellen Lebensgeschichte: Die Symptome, die sie empfinden haben alle einen Bezug zu ihrem Denken. Wir wollen ihre Angst verstehen, um sie bewältigen zu können. Techniken lehren zur Angstbewältigung: Das Therapieprogramm unterteilt sich in drei Phasen: Beobachtungsphase (Angstproblematik wird systematisch beobachtet, v. a. Gedanken werden bewusst gemacht), Veränderungsphase (Techniken zur Veränderung der angstverstärkenden Gedanken lernen, indem Verhaltensexperimente zeigen, wie unrealistisch die Befürchtungen sind; realistische alternative Erklärungen für die unangenehmen Körperempfindungen werden gemeinsam gesucht.), Stabilisierungsphase (lernen mit Rückschlägen umzugehen; Techniken und Strategien gut einüben und auf neue Problembereiche anwenden). 7. .Rückblick und Planung: Sitzung kurz zusammenfassen, Rückmeldung geben, Kassette mitgeben, Informationsblatt über die Ursachen von Angst und Angstanfällen (siehe Anhang 11 im Buch) zum zu Hause lesen mitgeben und Tagebücher austeilen. 8. Kurzbericht: Eingehen auf den Zustand der Patientin und den zu erwartenden Therapieerfolg, sagen wie gut sie die gegebenen Informationen verstanden hat. 1. Besprechen des Tagebuches: Für die aufgetretenen Probleme werden gemeinsam Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. 2. Tagesordnung: Überblick über die Themen dieser Sitzung geben und die Patientin fragen, ob sie etwas bestimmtes besprechen möchte. 3. Wiederholung des psychophysiologischen Modells der Angst: Wie haben sich bei Ihrem letzten Angstanfall die drei Komponenten der Angst geäussert? Konnten sie auch einen Aufschaukelungsprozess beobachten? 4. Erarbeitung eines Genesemodells: Aus den Informationen, die während der Exploration erworben wurden, lassen sich mehrere begünstigende Faktoren identifizieren, welche das Auslösen eines ersten Angstanfalls erklären können. Es sind dies im Beispiel der vom Ehemann mit Ambulanz eingelieferten Angstpatientin (S. 91 und 92 im Buch): die allgemein höhere Ängstlichkeit der Patientin (evtl. genetische Disposition und Modellernen), die von der Tante vermittelte Einstellung, dass man seinen Körper immer unter Kontrolle haben muss und auf die kleinste Veränderung achten muss (Modellernen), die Stressfaktoren: Ermüdung und Erkältung und der Situationsfaktor: die vielen Gäste im Restaurant, die die Ängstlichkeit zusätzlich erhöhten. Im Beispiel der erstmals nach einem langen Spitalaufenthalt wieder Kaffe trinkenden Angstpatientin mit Herzrasen (siehe S. 92 im Buch), setzt der Teufelskreis wegen einer Fehlinterpretation von Kaffeesymptomen ein. Zudem generalisiert die Patientin dieses Einzelereignis, so dass eine „Angst vor der Angst“ entsteht. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 20/28 Beim Suchen eines Genesemodells herrscht nie absolute Sicherheit über die Entstehung der Angstanfälle und es darf nicht vergessen werden, dass Angst multidimensional ist (Prädispositionen, life-events, Situationseinflüsse beachten!). Die Therapeutin darf sich bei der Kreation eines Genesemodells nicht in die Rolle drängen lassen, für jeden Angstanfall einen präzisen Auslöser finden zu müssen. Situation und Symptomatik des ersten Angstanfalls: Am Anfang der Genesemodellkreation steht die Frage: Wann, wo, wie trat die erste Angstanfallssituation auf?“. Auslöse-Faktoren explorieren: Nach der oben genannten Frage muss gefragt werden, ob es simultan zum ersten Angstanfall noch andere belastende Ereignisse vorkamen. Solche belastenden Auslöserereignisse wären z. B. Tod eines Angehörigen, Partnerverlust, Zukunftsunsicherheit, psychische Störungen in der Familie, stellvertretende Erlebnisse wie über den Herztod lesen in der Zeitung, Erwartung eines Zwists, aber auch Übermüdung oder Koffein. Prädispositionen explorieren: der nächste, d. h. dritte Schritt für die Genesemodellentwicklung ist die Exploration von Prädispositionen wie genetische Faktoren (die Angstsymptomatik an sich ist nicht vererbbar, wohl aber die höhere Angstbereitschaft, die organischen Dysfunktionen wie Herzarrhythmien oder vestikuläre Anomalien die Schwindel hervorrufen können, die physiologischen Labilitäten wie z. B. höhere Adrenalinausschüttung sind vererbt. Auch die höhere Sensibilität für körperliche Veränderungen und die grössere Bereitschaft gewisse Angstsymptome zu bekommen sind vererbt.) und erworbene Prädispositionen (damit sind subklinische Abnormalitäten nach schweren Erkrankungen oder Unfällen gemeint, die Angstanfälle auslösen können. So kann nach einer schweren Mittelohrentzündung z. B. eine erhöhte Schwindelanfälligkeit zurückbleiben.). Bei biologisch bedingten Auslösern muss der Therapeut darauf achten, dass diese Einflüsse nicht als unänderbar betrachtet werden, indem er positiv umformuliert wie z. B. Da Sie extrem sensitiv für körperliche Veränderungen sind (=genetische Disposition), können sie schon sehr früh die therapeutischen Strategien einsetzen (=positive Formulierung). Es gibt aber auch psychologische Prädispositionen: selektive Aufmerksamkeit (z. B. wird von den Eltern gelernt besonders auf körperliche Veränderungen zu achten), gelernte Assoziationen (z. B. Schwindel und Hirntumor oder in der Fremde sein bedeutet Gefahr), Modellernen (z. B. wurden in der Familie Wunden übermässig beachtet), Familien-Einstellungen oder Redewendungen (z. B. man muss ständig auf seine Gesundheit achten) und eine Tendenz zur ständigen Sorge (z. B. Grübeln über Ungewöhnliches und Kleinigkeiten). Aufrechterhaltende Faktoren explorieren: In diesem vierten Genesemodellentwicklungsschritt geht es um die Fragen: „Wie geht die Patientin mit ihrer Angstproblematik um (z. B. Vermeidung, Flucht, hilfesuchendes Verhalten, Grübeln und sich Sorgen)“ und „Wie reagieren die nahen Bezugspersonen auf die Angstanfälle der Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Vierte Sitzung Seite 21/28 Patientin?“. Bei der Entwicklung der individuellen Angstgenese muss der Patientin klar werden, dass viele verschiedene Faktoren zusammenwirken. Die gemeinsame Endstrecke all dieser Ursachefaktoren sind die Kognitionen, die durch irrationale Interpretationen und Schlussfolgerungen zur Angst und schliesslich zum Angstanfall führen. 5. Einsatz von Bewältigungsstrategien: Jeder Angstanfall beginnt mit einer Phase, in der die Angst sich sehr langsam steigert. Diese Phase soll von der Patientin genutzt werden, um die in der Therapie gelernten Bewältigungsstrategien anzuwenden, damit es gar nicht erst zum Angstanfall kommt. Verlauf eines typischen Angstanfalls: Die Patientin schildert einen typischen Angstanfall, damit die Therapeutin damit aufzeigen kann, wann der richtige Augenblick da ist, um die gelernten Angstbewältigungsstrategien anzuwenden, was einen Anfall verhindern oder wenigstens abschwächen soll. Herausarbeiten des Angstanstiegs und der Reihenfolge der Ereignisse: Mittels der Graphik (Anhang 9 im Buch, Abb. 17) arbeitet der Therapeut mit der Patientin heraus, dass der Angstanstieg eine gewisse Zeit dauert und dem Angsthögepunkt vorausgeht. An eigenen Beispielen soll die Patientin diesen langsamen Anstieg vor den Angstanfällen selber nachvollziehen. Fällt es ihr schwer wird der Teufelskreis noch mal zur Hand genommen als Unterstützung. Anwenden von Bewältigungsstrategien in der Angstanstiegsphase: Um den richtigen Augenblick für die Technikanwendung zu erkennen, muss die Patientin vertraut sein mit dem Schema zum Verlauf der Angst (Abb. 17 im Buch S. 96 oder Anhang 9 im Buch), das den langsamen Anstieg zu Beginn eines jeden Anfalls und den Angsthöhepunkt und das anschliessende Abflauen der Angst deutlich macht. Nur in der Zeit des langsamen Angstanstiegs zu Beginn des Anfalls, kann die Patientin nämlich die gelernten Angststrategien anwenden, um den Anfallshöhepunkt zu mildern oder gar zu verhindern. 6. Rückblick und Planung: kurz zusammenfassen wie immer, Rückmeldung geben und die Hausaufgabe verteilen, d. h. im Tagebuch soll die Patientin diesmal auf die ersten Anzeichen und den langsamen Anstieg der Angst achten und die Zeitspanne zwischen dem Panikhöhepunkt und den ersten Anzeichen notieren. Das Informationsblatt zu Angstverlauf und Bewältigungsstrategien wird zum Lesen mitgegeben. Auch die Kassette soll wieder gehört werden und neue Tagebücher werden verteilt. 7. Kurzbericht: Die Therapeutin gibt wieder Rück- und Fortschritte der Patientin bekannt und schätzt den Therapieerfolg und das Verständnisvermögen der Patientin ein. 1. Besprechen des Tagebuches: Gemeinsam nach Lösungen suchen für die bei der Tagebuchführung aufgetauchten Probleme und besondere Ereignisse wie Stresssituationen besprechen. 2. Tagesordnung: Überblick über die Themen dieser Sitzung geben und die Patientin fragen, ob sie etwas bestimmtes besprechen Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 22/28 möchte. 3. Experimente zur Provokation von Angstsymptomen: Der Hyperventilationstest sollte auf jeden Fall zuerst durchgeführt werden, weitere Experimente werden in Abhängigkeit der Symptome der Patientin gewählt. Mögliche Verhaltensexperimente sind: Hyperventilationstest (führt zu Schwindel, Herzklopfen, Benommenheit, Hitzegefühle und ähnliches, was bei den meisten Patienten Angst hervorruft), Körperliche Belastung (anstrengende Übungen wie eine Minute auf der Stelle laufen, Kniebeugen machen oder Treppensteigen verursachen Herzklopfen, Schwitzen, was der Patientin bedrohlich erscheint), Schnelles Drehen des Kopfes (30 Sekunden lang den Kopf hin und her bewegen, dann 30 Sekunden den Kopf zwischen die Beine und schnell wieder hoch kommen oder die Klientin wird mehrere Male auf einem Drehstuhl ganz schnell gedreht, was Schwindel und Benommenheit provoziert) und visuelle Effekte (das Farben oder Schattensehen während eines Angstanfalls wird von Patienten oft als Hinweis auf einen Hirntumor verstanden. Bei solchen Fällen legt der Therapeut eine Graphik vor (Anhang 22 im Buch). Sowohl die Therapeutin wie auch die Patientin betrachten den dargestellten Kreis eine Weile und vergleichen ihre Eindrücke, dabei wird die Therapeutin die gleichen optischen Täuschungen wahrnehmen wie die Patientin aber ohne dabei ängstlich zu reagieren. Dies ist ein Beweis für Fehlinterpretationen von Seiten der Patientin.). Symptome während eines typischen Angstanfalls: Schon wieder schildert die Patientin einen typischen, sich kürzlich zugetragenen Angstanfall, der vom Therapeuten weiterverwendet wird. Einführung des Hyperventilationstest: Der Hyperventilation dient als Erweiterung des kognitiven Erklärungsmodells. Viele Patientinnen hyperventilieren unbewuss während eines Angstanfalls. Die Hyperventilationsexperimente erlauben eine alternative Interpretation für körperliche Empfindungen zu finden. Der Test wird als diagnostische Massnahme eingeführt, die Ursachen für Angstanfälle aufdecken soll. Die Therapeutin sagt der Patientin weder welche Symptome bei Hyperventilation auftreten können, noch verrät sie ihr die Ähnlichkeiten zwischen Angst- und Hyperventilationssymptomen. Durchführung des Hyperventilationstests: Die Patientin muss in einer aufrechten Sitzposition für zwei Minuten sehr tief durch die Brust atmen, damit sie die Brust- von der Bauchatmung unterscheiden kann soll sie sich die Hände auf die Brust und den Bauch legen. Etwa 60 Atemzüge pro Minute ist gut, sonst sagen sie soll schneller oder tiefer atmen. Bei zu starker Angst kann der Test abgebrochen werden. Im Fortschrittsbericht werden fortlaufend Dauer und erlebte Angststärke während dieser Konfrontationsübung dokumentiert, was als Mass für den Therapiefortschritt dienlich ist. Nach beendeter Hyperventilation soll die Patientin ihre Aufmerksamkeit für eine Minute nach innen lenken, um wahrzunehmen, was mit ihrem Körper geschieht. Viele Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 23/28 Angstpatientinnen haben Schwierigkeiten nach der Hyperventilation den eigenen Atemrhythmus wieder zu finden, sodass die Therapeutin instruierend eingreifen muss. Auswertung des Hyperventilationstests: Nach 3 Minuten, wenn die Angstsymptome wieder abgenommen haben, muss die Patientin die wahrgenommene Angst, die Art der Symptome und die Ähnlichkeit zwischen Anfall und Hyperventilation mittels Fragebogen (Fragebogen zur Hyperventilation, Anhang 16 im Buch) einschätzen. Die beruhigende Anwesenheit der Therapeutin reduziert oft die Angstreaktion während der Hyperventilation. Falls aber Hyperventilation eine Rolle bei der Entwicklung von Angstanfällen spielt, werden dennoch körperliche Symptome auftreten, die jenen des Angstanfalls ähneln. Die Ähnlichkeitsskala des Hyperventilationsfragebogen zeigt, ob Anfälle zumindest teilweise durch Hyperventilation hervorgerufen werden oder nicht. Hyperventilationssymptome mit Angstanfallsymptonen vergleichen: Was bedeutet es für Sie, dass Ähnlichkeiten zwischen Hyperventilations- und Anfallssymptomen bestehen? Die häufigsten Unterschiede, die von den Patienten genannt werden sind: „die Empfindungen sind nicht so intensiv“ oder „ich habe keine Angstsymptome wahrgenommen“ (dann muss der Patient noch länger Hyperventilieren oder er hat die Anfälle nur bei niedrigem Blutzuckerspiegel), „ich habe alle Symptome ausser den Herzsymptomen wahrgenommen“ (wenn die Symptome aus heiterem Himmel gekommen währen ohne meine Anwesenheit, hätten Sie schon Herzklopfen gehabt), „ich hatte die gleichen Körpersymptome aber war weniger ängstlich“ (das ist so weil die Therapeutin da war), „die Körpersymptome waren gleich aber es kamen mir keine katastrophisierenden Gedanken“ (Was wären wohl ihre Gedanken gewesen, wenn die Symptome aus heiterem Himmel gekommen wären), „ich hatte die gleichen Symptome, glaube aber nicht während der Angstanfälle zu hyperventilieren“ (Ist es möglich, dass sie ihre Atmung während eines Anfalls gar nicht wahrnehmen? Beobachten Sie sie das nächste Mal), „ich habe trotz gleicher Symptome das Gefühl von Kurzatmigkeit während des Anfalls“ (Manche Menschen haben direkt nach der Hyperventilation das Gefühl Atemnot zu haben, weil der Körper sein Luftungleichgewicht wieder ausgleichen möchte), „ich habe nicht die gleichen Symptome während dem Anfall“ (kann es sein, dass Sie schwächere Symptome nicht wahrnehmen, weil sie mit den intensiveren beschäftigt sind, überprüfen Sie dies bitte beim nächsten Anfall) und „im Test hatte ich keine Schmerzen in der Brust, wie das bei Angstanfällen der Fall ist“ (wer bei fast prall gefüllter Lunge hyperventiliert, überdehnt die Zwischenrippenmuskulatur, so dass sie schmerzt und die Atmung verlangsamt wird, der Patient hat das Gefühl von Atemnot, beginnt noch heftiger einzuatmen und übermüdet seine Brustmuskeln total bis sie schmerzen. Als Therapieverhaltensexperiment müssen solche Patienten bei vollen Lungen mehrmals einatmen, bis der Schmerz gespürt wird, den sie vermissten.). Allen Patienten wird hier aufgetragen, die Atmung während ihrem nächsten Angstanfall zu beobachten und allfällige Veränderungen festzuhalten. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 24/28 Implikationen, die sich aus dieser Ähnlichkeit ergeben: Die Therapeutin sagt: „Menschen, die sich Sorgen machen, beginnen schneller zu atmen ohne dies wahrzunehmen. Was denken Sie dass dann geschieht? Richtig das CO2-O2-Verhältnis in Ihrem Blut ist gestört, Ihr Blut ist mit zuviel O2 übersäuert, was zu Schwindel, Benommenheit, Schwitzen, Kribbeln, usw. ... führt. All diese Symptome sind jedoch völlig harmlos.“ Erweiterung des Teufelskreises um die Hyperventilationskomponente: In den auf die Symptome der Patientin zugeschnittenen Teufelskreis zeichnet die Therapeutin jetzt noch die Hyperventilationskomponente (physiologische Ursachen) mit ein. Fragen und Zweifel der Patientin bearbeiten: Die Patientin muss die eben gegebenen Ausführungen über das Hyperventilationsexperiment zusammenfassen. Fragen und Zweifel sind wie immer willkommen, da sie zeigen, dass die Patientin sich mit dem dargestellten Modell auseinander setzt. Weitere Experimente: Wenn Hyperventilation nur eine geringe Rolle spielt, führt die Therapeutin den Symptomen entsprechend ein anderes Verhaltensexperiment durch. Sobald der Test die wichtigsten Symptome hervorgerufen hat, werden keine weiteren Tests mehr durchgeführt. Der passende Test z. B. Hyperventilationsexperiment wird in den folgenden Sitzungen zwecks Habituationseffekt wiederholt durchgeführt. Das allgemeine Schema für Konfrontationsübungen: 1. Einführung des ausgewählten Verhaltensexperimentes 2. Durchführen des Experimentes mit Fortschrittsbericht und Angstdauer-, bzw. –intensitätseinschätzung. 3. Überprüfung der Symptome, welche der Test provozierte 4. Vergleich zwischen Angstanfall- und Testsymptomen 5. Implikationen der Angst erarbeiten (d. h. eine Erklärung finden für das Angstaufkommen) 6. Fragen und Zweifel der Patientin klären Die Patientin soll bis zur nächsten Sitzung täglich Konfrontationsübungen durchführen, um den negativen Bewertungsprozess der Symptome umzulernen, indem sie sieht, dass ihre katastrophisierenden Gedanken nicht eintreffen und die Gefahrenattribution übertrieben ist. Die Übungen sollen an einem ruhigen Ort jeden Abend für 5 Minuten durchgeführt werden und die Aufgabe soll völlig konkret formuliert sein und gerade soviel Angst auslösen wie die Patientin noch selbständig bewältigen kann (z. B. Sie setzen sich jeden Abend für 5 Minuten aufrecht auf einen Stuhl und hyperventilieren mit den Händen auf Bauch und Brust. Dann schätzen sie Dauer und Intensität der Angst ein, füllen den Fortschrittsbericht aus und schreiben Gedanken auf, die sie bei der Übung hatten.). Identifizieren dysfunktionaler Kognitionen: Wenn die Patientin während den Verhaltensexperimenten grosse Angst entwickelt, sollten mit ihr dysfunktionale Gedanken aufgespürt werden. Kurze Einführung: Im ersten Schritt werden angsthervorrufende Gedanken bewusst gemacht und beobachtet. Unangemessene Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 25/28 Gedanken zeichnen sich dadurch aus, dass sie automatisch auftauchen, sehr spezifische Vorhersagen oder Interpretationen einer Situation sind, oft blitzartig aufkommen und nicht bewusst sind. Auswahl einer zu analysierenden Situation: Patientin und Therapeutin einigen sich auf eine für die Analyse von dysfunktionalen Gedanken geeignete Situation. Identifizieren dysfunktionaler Gedanken: Was ging Ihnen während des Angstanfalls durch den Kopf? und ähnliche Fragen werden gestellt, dabei müssen die Fragen genügend unbestimmt formuliert sein, um sowohl verbale Gedanken als auch bildliche Vorstellungen zu erfassen und sie dürfen sich ausschliesslich nur auf die Zeitspanne des Anfalls konzentrieren. Wenn die Patienten unspezifische Aussagen machen (Ich dachte bloss raus hier!, Ich machte mir Sorgen, wieder einen Anfall zu kriegen!, Mein Gott was geschieht mit mir!,...), muss die Therapeutin nach den genauen Vorstellungen und Katastrophegedanken fragen (z. B. Was dachten Sie dass konkret passieren würde?, Was wäre genau gewesen, wenn der Anfall noch länger angehalten hätte?, Was dachten Sie, könnten diese Symptome schlimmstenfalls bedeuten?...). Hilfsmittel zur Identifikation von dysfunktionalen Gedanken: Typische Fehlinterpretationen von körperlichen Symptomen (siehe Buch, S. 110-111) helfen dysfunktionale Gedanken aufzuspüren (z. B. Palpitationen – ich bekomme einen Herzinfarkt, Atemnot ich ersticke, usw.). Angstprovozierende Aktivitäten: beim ausüben einer angsteinflössenden Aktivität, fällt es den Patienten oft leichter als in der Anfallsituation dysfunktionale Gedanken zu erinnern. Instantreplay-Technik: die Reiz-Reaktions-Sequenz, welche negative Angstgefühle verursacht, wird gemeinsam mit dem Therapeut zurückverfolgt, damit automatische Gedanken entdeckt werden. Remote recall: Sofern die Patientin das Angstereignis noch gut in Erinnerung hat, wird es gemeinsam noch einmal erlebt und zwar in Zeitlupentempo, um dysfunktionale Gedanken leichter zu finden. Bedeutung eines Ereignisses feststellen: Die Frage, was das Ereignis für die Patientin bedeute, hilft, dysfunktionale Gedanken zu entdecken. Anstieg der Angst während der Therapiesitzung: das Ansteigen der Angst während der Therapiesitzung kann dazu genutzt werden, auf Fehlinterpretationen einzugehen. Einschätzung auf den Überzeugungsratings: Sobald die dysfunktionalen Gedanken identifiziert sind, soll die Patientin auf einer Ratingskala von 0 bis 100 einschätzen, wie überzeugt sie von den dysfunktionalen Vorstellungen und Gedanken ist (siehe Anhang 17 im Buch). Einerseits schätzt die Patientin ein, wie stark sie während dem Angstanfall überzeut ist, dass die Befürchtungen eintreffen und andererseits gibt sie an, wie stark sie ausserhalb eines Angstanfalls daran glaubt, dass die Befürchtungen und negativen Prophezeiungen tatsächlich eintreten werden. Die beiden Einschätzungen zeigen meistens, dass die Bedrohlichkeitseinschätzung während des Anfalls höher eingeschätzt wird als ausserhalb, was beweisst, dass die Gedanken während des Anfalls unrealistischer und verzerrter wahrgenommen werden. Merke: Wenn die Überzeugungsratingseinschätzungen im Laufe der Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 26/28 Therapie nicht abnehmen, greift die Therapie nicht! 4. Rückblick und Planung: kurze Zusammenfassung der Sitzung und Rückmeldung geben wie immer und die Kassette zu Hause noch einmal anhören lassen. Die Hausaufgabe umfasst: • Beim Tagebuchführen auf die ersten Anzeichen der Angst achten und die Dauer notieren von den ersten Anzeichen bis zum Anfallshöhepunkt. • Die besprochenen Konfrontationsübungen (z. B. Hyperventilationsübung) täglich mindestens fünf Minuten durchführen. • Alle dysfunktionalen Gedanken aufschreiben, die während des Tages so wahrgenommen werden (hierfür gibt es ein zusätzliches Blatt zum Tagebuch dazu, siehe Anhang 19 im Buch) • Die Patientin soll für jeden Angstanfall in dieser Woche notieren: welche Situation zur Angst führte, welche automatischen Gedanken sie während und ausserhalb des Anfalls hatte und wie hoch die empfundene Angststärke gewesen war. Alle Aufzeichnungen sind in die nächste Sitzung mitzubringen. 5. Kurzbericht: Die Therapeutin beschreibt schon wieder den momentanen Zustand der Patientin, inkl. Fort- und Rückschritte und wie die Patientin auf das dargebotene Material und auf die Verhaltensexperimente reagierte. Nicole Keller, [email protected] Margraf, J. & Schneider, S. (2. Aufl., 1990). Panik. Berlin: Springer. (S. 1-113) Seite 27/28