Festkörperphysik I Prof. Klaus Ensslin HS 2016 Verteilung: 9. November 2016 Nachbesprechung: 16./17. November 2016 8. Übungsblatt: Lösungen Aufgabe 1: Energie freier Elektronen a) Das reziproke Gitter des√quadratischen Gitters ist wieder ein quadratisches Gitter. Daher gilt nach Pythagoras, dass k1 = 2k0 mit der Bezeichnung der Vektoren gemäss der Skizze. Die Energie ist quadratisch im Wellenvektor, also gilt E1 ∝ k12 und E0 ∝ k02 und damit E1 = 2E0 . k1 b) Im dreidimensionalen Fall gilt analog k1 = k0 √ 3k0 und damit E1 = 3E0 . c) Die Elektronen suchen den niedrigsten freien Energiezustand auf. Sofern die Bandlücke am Mittelpunkt der Seitenfläche der Brillouin-Zone nicht grösser ist als der Energieunterschied zwischen diesem Punkt und einer Ecke der Brillouin-Zone, werden die Elektronen zunächst den entsprechenden Zustand am Mittelpunkt der Seitenfläche in der zweiten Brillouin-Zone aufsuchen und somit erhält man ein nicht vollständig gefülltes Band. Zweiwertige Metalle sind in diesem Falle Leiter und nicht Isolatoren. Anmerkung: Auch wenn in dieser Aufgabe der Überlapp von Energiebändern betrachtet wird, begründen wir das Ergebnis mit Abschätzungen für freie Elektronen. Dies ist für eine grobe Näherung ausreichend. Aufgabe 2: Energie von Elektronen und Phononen im Festkörper a) Der maximale Phononenwellenvektor befindet sich am Rand der Brillouinzone und ist im Fall des bccGitters am H-Punkt: 2π kD = = 1.5 · 1010 m−1 . a Um die maximale Energie zu bestimmen, berechnen wir zunächst die maximale Phononenfrequenz nach dem Debye-Modell: ωD = kD · v = 1.5 · 1013 s−1 und daraus die Energie EF = ~ωD ≈ 9.8 meV. b) Der maximale Wellenvektor wird mit dem bekannten Ausdruck für den 3D Fall berechnet: ( )1/3 kF = 3π 2 n = 9.2 · 109 m−1 wobei n = N/V = 1 · 2/a3 die Elektronendichte ist. Hier verwenden wir die Angabe, dass jedes Atom ein Valenzelektron zur Verfügung steht und sich im bcc-Kristall 2 Atome pro Einheitszelle befinden. Die Energie der Elektronen ergibt sich damit zu EF = ~2 kF2 ≈ 3.2 eV. 2m c) Für den betrachteten Übergang ist sowohl eine Energieänderung als auch eine Änderung des Wellenvektors nötig. Man spricht von einem indirekten Bandübergang. Aus den oben berechneten Werten sehen wir, dass die Elektronenenergie die des Phonons um zwei Grössenordnungen übertrifft. Sie wird nach dem Streuprozess daher kaum verändert und reicht daher nicht aus, um das Elektron in das höherliegende Band zu bringen. Der Wellenvektor des Elektrons dagegen kann durch die Wechselwirkung mit dem Phonon stark beeinflusst werden und somit die erforderliche Änderung erreichen. Um eine Anregung in das nächsthöhere Band zu realisieren, kann die Energie z.B. in Form von Photonen eingebracht werden. Aufgabe 3: Kronig-Penney-Modell der Energiebänder Man verwendet als Ansatz ebene Wellen: Im Bereich 0 < x < a ist V (x) = 0, d.h. ψk (x) = Aeiκx + Be−iκx mit κ2 = 2mE , ~2 x ∈ (0, a). Für die um eine Gitterkonstante verschobene Wellenfunktion gilt nach dem Bloch-Theorem ψk (x) = eika ψk (x − a). Also muss im Bereich x ∈ (a, 2a) gelten: ψk (x) = eika [Aeiκ(x−a) + Be−iκ(x−a) ]. Zwischen diesen beiden Darstellungen muss man nun die Anschlussbedingungen finden. Die Wellenfunktion ψ ist bei x = a stetig, nicht aber die Ableitung von ψ, wie man durch Integration der Schrödinger-Gleichung von a − ϵ bis a + ϵ feststellt: 0 { } ~2 ′′ = lim dx Eψ(x) + ψ (x) − V (x)ψ(x) ϵ→0 a−ϵ 2m { } ∫ a+ϵ ~2 ′′ = lim dx Eψ(x) + ψ (x) − V0 δ(x − a)ψ(x) ϵ→0 a−ϵ 2m ∫ a+ϵ Damit ergibt sich: ~2 ′ ~2 ′ ψ (a + 0) − ψ (a − 0) + V0 ψ(a) = 0 wenn ϵ → 0. 2m 2m Die Wellenfunktion ψ ist bei x = a stetig und mit der Bedingung aus obiger Integration gilt: ψ(a − 0) = ψ(a + 0) ′ ′ ψ (a + 0) − ψ (a − 0) + 2m V0 ψ(a) = 0. ~2 Insgesamt ergibt sich folgendes Gleichungssystem: Aeiκa + Be−iκa = (A + B)eika eika (iκA − iκB) − (iκAeiκa − iκBe−iκa ) + oder in Matrix-Schreibweise: [ −eika + eiκa ika iκa iκ(e − eiκa ) + 2m ~2 V0 e 2m V0 (Aeiκa + Be−iκa ) = 0, ~2 e−iκa − eika ika −iκa −iκ(e − e−iκa ) + 2m ~2 V0 e ]( A B ) = 0. Die Lösbarkeitsbedingung für dieses Gleichungssystem erhält man durch Nullsetzen der Determinaten: 0 −iκ(eiκa − eika )(eika − e−iκa ) − iκ(eika − eiκa )(e−iκa − eika ) 2m + 2 V0 [(1 − ei(k−κ)a ) + (ei(κ+k)a − 1)] ~ 2m = −iκ(2ei(k+κ)a − 2 − 2e2ika + 2ei(k−κ)a ) + 2 V0 (eiκa − e−iκa )eika . ~ = Daraus folgt nach Multiplikation mit e−ika und Division durch −4iκ die Eigenwertgleichung cos(ka) = cos(κa) − amV0 sin κa ≡ f (κa). ~2 κa (1) Diese Gleichung stellt eine Beziehung zwischen k und E her. Statt E vorzugeben und k auszurechnen, kann man auch k vorgeben und E ausrechnen, was auf graphischem Wege machbar ist. 2 f(k*a), arb. units 1.5 1 0.5 0 -0.5 -1 -1.5 -2 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 k*a, arb. units Wegen | cos(ka) |≤ 1 hat man für | f (κa) |> 1 keine Lösung der Eigenwertgleichung. 1.Fall: E < 0 (gebundene Zustände), κ = iβ, β ∈ R+ ∗, β =| 2mE/~2 |1/2 . Nun ist sin iβ = i sinh β, cos iβ = cosh β und f (iβa) = cosh(βa) − amV0 sinh(βa) ~2 βa ist eine monoton wachsende, gerade Funktion, die bei β0 a grösser als 1 wird. Für Werte grösser als 1 gibt es keine Lösung mehr. Es liegt also der gebundenene Grundzustand vor und es gilt: | E |= β02 2. Fall: ~2 ≡ E0 . 2m E > 0, κ ∈ R+ , f (κa) ist gerade und die “Einsstellen” liegen bei κa = x mit cos x − amV0 sin x =1 ~2 x Dies ist erfüllt für sin x =0 2 d.h. oder − amV0 2 x x x sin cos = 2 sin2 . ~2 x 2 2 2 tan x amV0 1 =− 2 2~2 x/2 d.h. für (x1 )n = 2nπ und (x2 )n = 2nπ − ∆(nπ) mit n ∈ N (n ̸= 0), wobei limn→∞ ∆(nπ) = 0. 0 sin x Nun ist cos x − 2amV = 1 für x = 2πn erfüllt, ~2 x während für x geringfügig kleiner als 2π der Sinus negativ wird. Dann wird die rechte Seite (siehe Gl.1) grösser als 1 und es existiert keine Lösung mehr. Die “(−1)-Stellen” findet man analog bei ′ ′ (x1 )n = (2n−1)π und (x2 ) = (2n−1)π−∆[(2n−1)π]. ′ ′ Zwischen (x2 )n und (x1 )n bzw. (x2 )n und (x1 )n gibt es keine erlaubten Energieeigenwerte. Die graphische Darstellung der Energie in Abhängigkeit von der Wellenzahl k ist durch ”verbotene Zonen” charakterisiert, die mit wachsendem k immer kleiner werden. Teilchen mit Energien in einer Lücke können keinen propagieren Zustand einnehmen. Das Spektrum zerfällt in erlaubte Energiebereiche (Energiebänder) und unerlaubte Energiebereiche (Energielücken oder Energiegaps). Verständnisfragen zum Bloch-Theorem a) Antwort A. Die Periodizität der Wellenfunktion im k-Raum ist gegeben durch die Periodizität des Potentials (reziproke Gittervektoren), aber unabhängig von Amplitude und Form des Potentials. b) Antwort A. Siehe 1. c) Antwort C. Die parabolische Dispersion des freien Elektronengases geht im quasi-freien Elektronengas von allen Punkten des reziproken Gitters aus. Somit entsteht die zweitunterste Bandlücke am Schnittpunkt mit der um zwei reziproke Gittervektoren verschobenen Parabel. Die zweitunterste Bandlücke ist somit durch die zweite Fourierkomponente bestimmt (vgl. Herleitung des Bloch-Theorems in der Vorlesung).