Lastannahmen für Modellflugzeuge - Modellflug-im-DAeC

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03.06.2006
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Lastannahmen für Modellflugzeuge
Christian Ückert (Yeti)
Ein Moment, bitte!
Realistische Lastannahmen sind die Grundvoraussetzung für effektiven Leichtbau. Schließlich will man einen
Rumpf oder Flügel nicht für Lasten auslegen, die im realen Betrieb niemals auftreten und damit das Flugzeug
überdimensionieren; andererseits möchte man aber auch sicher gehen, dass die Struktur allen Lasten, die
innerhalb des normalen Betriebsbereiches auftreten, stand hält. Und hier haben wir auch schon das erste Problem:
Was alles gehört zum "normalen" Betriebsbereich? Bei den "manntragenden" Flugzeugen hat man dieses Problem
nicht: Was ein Flugzeug aushalten können muss, regeln die Bauvorschriften, nach denen das Flugzeug zugelassen
werden soll. Der Konstrukteur hat hier "nur noch" den Nachweis zu erbringen, dass alle Punkte dieser
Bauvorschriften erfüllt werden. Bauvorschriften für Modellflugzeuge gibt es nicht, und so muss sich der Modellbauer
die Festigkeitsanforderungen selber aufstellen.
Neben der Frage, ob das Modell hält oder nicht, interessiert auch die Art und die Verteilung der Belastungen: Was
nutzt ein völlig überdimensionierter Außenflügel, wenn die Schwachstelle an der Flügelwurzel liegt? Oder massive
Holmgurte aus einer irrwitzigen Anzahl von Kohlerovings, wenn die Verklebung der Gurte mit dem Holmsteg
versagt? Das Ganze lässt sich durch eine geschickte Konstruktion auch ohne hemmungslose Verschwendung von
Kohlefasern in den Griff bekommen; vorausgesetzt, man kennt die Belastungen.
Manch einer wird den mit den Berechnungen verbundenen Aufwand f ür übertrieben halten oder aus Prinzip seinem
Gefühl mehr vertrauen als einer Rechnung. Das muss letztendlich jeder für sich entscheiden. Mir pers önlich wäre
es auf jeden Fall die Mühe wert, bevor sich die Arbeit von vielen hundert Arbeitsstunden in der Luft zerlegt. Und
bevor ich mein halbes Vermögen in Hochmodul-Kohlefasern oder sonstiges High-End-Material investiere, möchte
ich wenigstens wissen, warum.
Grundlagen
Alle, die sich etwas mit den Grundlagen technischer Mechanik und Flugmechanik / Aerodynamik auskennen,
können diesen ersten Teil überspringen. Für alle anderen hole ich etwas weiter aus.
Ein Flugzeug wird durch Massen- bzw. Trägheitskräfte, Luftkräfte und andere äußere Kräfte belastet. Generell gilt,
dass die Trägheitskräfte (innere Kräfte) mit den äußeren angreifenden Kräften im Gleichgewicht sind. Im
stationären Geradeausflug ist der Auftrieb genau so gro ß wie das Gewicht. Das Lastvielfache n beträgt in diesem
Fall 1. Verdoppelt sich der Auftrieb, wird das Flugzeug nach oben beschleunigt, das Lastvielfache steigt auf 2. Das
Lastvielfache ist also das Vielfache der Last beim horizontalen Geradeausflug. Ein erh öhtes Lastvielfaches tritt
ganz allgemein bei Änderungen der Bewegungsrichtung des Flugzeuges auf, z.B. beim Abfangen aus dem
Sturzflug, beim Hochziehen aus dem Horizontalflug, im Kurvenflug oder bei einem Looping...
Nicht nur Luftkräfte können für die Beschleunigungen verantwortlich sein, sondern z.B. auch Fahrwerkskräfte bei
der Landung, Handkräfte (z.B. beim Wurf eines Modells oder bei einem SAL-Start), Kräfte durch eine
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Hindernisberührung und selbstverständlich bei allen motorisierten Flugzeugen die Antriebskräfte. Bei einem
Windenstart eines Segelflugmodells können die Luftkräfte ebenfalls ein Vielfaches der Gewichtskraft betragen.
Ihnen stehen dann aber keine zusätzlichen Trägheitskräfte infolge einer Beschleunigung entgegen, sondern die
Seilkraft.
Die Gewichtskraft G ist selbst die Folge einer Beschleunigung, denn jede Masse ist der Erdbeschleunigung (9,81
m/s²) ausgesetzt. Die Einheit der Kraft heißt "Newton" (N). Die Definition der Einheit "Newton" ergibt sich aus dem
Impulssatz (Kraft = Masse * Beschleunigung). Ein Newton ist die Kraft, die erforderlich ist, um eine Masse von
einem kg um 1 m/s pro Sekunde zu beschleunigen. Die Gewichtskraft einer Masse von einem kg, beträgt demnach
1 kg * 9,81 m/s² = 9,81 N. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird das Gewicht oft in Kilogramm angegeben. Masse
wird also mit Gewicht gleichgesetzt, was physikalisch nicht korrekt ist. Man mag es für Erbsenzählerei halten, aber
bei den folgenden Betrachtungen sollten wir tunlichst auf den Unterschied von Masse und Kraft achten, immerhin
liegt zwischen den Werten fast der Faktor 10.
Betrachten wir als nächstes die Luftkraft. Sie ist die Resultierende einer Druckverteilung über der Oberfläche des
Flugzeuges. Diese Resultierende lässt sich in zwei Komponenten aufteilen: Eine Komponente in Richtung der
Anströmung, genannt Widerstand, und eine Komponente senkrecht zur Anströmrichtung, den Auftrieb. Wir
vernachlässigen hier den Widerstand und betrachten nur den Auftrieb. Statt die Druckverteilung über dem Profil zu
betrachten, kann man so tun, als würde der Auftrieb nur in einem einzigen Punkt angreifen. Dieser Punkt heiß t
Druckpunkt. Er hat die für Berechnungen unangenehme Eigenschaft, in Abhängigkeit vom Anstellwinkel des
Flügels vor und zurück zu wandern. Bei größer werdendem Anstellwinkel wandert er nach vorne, bei kleiner
werdendem Anstellwinkel nach hinten. Da es die Berechnungen erschwert, wenn man es mit einem veränderlichen
Kraftangriffspunkt zu tun hat, macht man sich die Sache mit einem kleinen Trick einfacher: Man tut so, als w ürde
der Auftrieb immer im selben Punkt angreifen und berücksichtigt die Verschiebung des Auftriebes in diesen festen
Punkt durch ein Moment. Erfreulicherweise lässt sich am Profil ein Angriffspunkt für den Auftrieb finden, um den
unabhängig vom Anstellwinkel immer das selbe Moment wirkt. Diesen Punkt, der bei einem Viertel der Profiltiefe
liegt, nennt man Neutralpunkt.
Der Auftrieb und das Moment lassen sich mit Hilfe der Geschwindigkeit (V), der Luftdichte (rho), der Flügelfläche
(S) und Flügeltiefe (l), und den Beiwerten aus den Profilpolaren (Auftriebs-, und Momentenbeiwert: ca und cm)
bestimmen. Die Gewichtskraft ergibt sich aus der Masse (m) und der Erdbeschleunigung (g). Am besten ist es, alle
Größen in den Standardeinheiten einzusetzen, damit man nicht mit den Größenordnungen durcheinander kommt.
Also alle Längen in Metern, Flächen in Quadratmetern, Volumen in Kubikmetern, Massen in Kilogramm,
Geschwindigkeiten in Metern pro Sekunde und Beschleunigungen in Metern pro Sekunde zum Quadrat. Dann
erhält man automatisch die Kräfte in Newton und Momente in Newtonmetern. Bei einem Mix aus Kilometern pro
Stunde für die Geschwindigkeit, Millimetern für die Länge und Gramm für die Masse, was bei einem Modellflugzeug
eigentlich näher liegt, gibt es schnell ein heilloses Durcheinander, wenn man die erforderlichen
Umrechnungsfaktoren vergisst oder falsch einsetzt.
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Der Momentenbeiwert cm ist bei einem gewölbten Profil immer negativ, so dass sich auch für das Moment ein
negativer Wert ergibt. Ein negatives Moment ist definitionsgemäß ein kopflastiges Moment. Der Standardwert für
die Luftdichte ist übrigens 1,225 kg/m³ und die Erdbeschleunigung g wie weiter oben schon einmal erwähnt 9,81
m/s² (wenn man der Einfachheit halber lieber mit einem Wert von 10 m/s² rechnet, ist es in der Regel aber völlig
ausreichend).
Lastverteilung
Jetzt haben wir eigentlich alles zusammen, was wir zum Aufstellen der Lastannahmen benötigen. Da uns nicht die
Gesamt-Kraft interessiert, die auf das Flugzeug wirkt, sondern die Verteilung der Lasten, wenden wir die
Gleichungen nicht auf das ganze Flugzeug an, sondern wir teilen den Flügel in mehrere kleine Abschnitte auf. Es
drängt sich dabei quasi auf, die Gleichungen in ein Tabellenkalkulationsprogramm zu tippen oder ein kleines
Programm zu schreiben, da für jeden Abschnitt des Flügels die selben Rechenschritte erforderlich sind. Je mehr
Abschnitte wir benutzen, desto genauer wird das Ergebnis. Dafür steigt aber auch der Rechenaufwand. 10
Abschnitte sollten es schon sein, mehr als 20 sind aber auch nicht erforderlich, denn wir müssen uns ohnehin mit
einer gewissen Unsicherheit zufrieden geben, die sich infolge vereinfachender Annahmen oder Schätzungen
ergibt. Da Flugzeuge in der Regel symmetrisch sind, reicht es aus, die Lasten nur f ür eine Hälfte des Flügels zu
bestimmen.
Das nächste Bild zeigt die Kräfte, die an einem einzelnen Flügelabschnitt der Breite b wirken:
Wir setzen voraus, dass die Fluggeschwindigkeit, das Lastvielfache und der Auftriebsbeiwert für den betrachteten
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Flugzustand bekannt sind (dazu später mehr). Dann können wir mit Hilfe der Auftriebs- und Momentengleichung
den Auftrieb A und das Moment M um den Neutralpunkt berechnen. Die Fläche des Flügelabschnitts erhalten wir
durch Multiplikation der Breite b mit der mittleren Flügeltiefe l des Abschnitts. Beim Gewicht des betrachteten
Flügelabschnitts sind wir erst mal auf eine Schätzung oder auf Erfahrungswerte angewiesen, denn wie schwer der
Flügel nachher wird, ergibt sich ja erst nach der Dimensionierung. Wer sich ganz viel Mühe geben will, rechnet am
Ende noch einmal von vorne mit dem Gewicht, das sich aus der Dimensionierung ergibt, und überprüft, wie gut die
erste Schätzung war. Andererseits ist es aber so, dass ein höheres Gewicht des Flügels zu kleineren Lasten führt,
da das Produkt aus Gewicht und Lastvielfachem dem Auftrieb entgegen wirkt. Wir liegen also auf der sicheren
Seite, wenn wir bei der ersten Schätzung ein zu kleines Gewicht ansetzen. Auch den Schwerpunkt des
Flügelabschnittes kennen wir zunächst noch nicht und müssen schätzen. Man wird wohl nicht allzu falsch liegen,
wenn man den Schwerpunkt knapp vor der Mitte des Flügelabschnitts annimmt. In einem Fall sollten wir allerdings
genauer hinschauen: Wenn wir ein mehrmotoriges Flugzeug entwerfen, sollten wir das Gewicht der Motorgondeln
berücksichtigen und den Schwerpunkt in dem entsprechenden Flügelabschnitt auch weiter vorne ansetzen.
Sobald der angenommene Schwerpunkt nicht mit dem Neutralpunkt zusammenfällt, erzeugt das Gewicht ebenfalls
ein Moment um den Neutralpunkt. Man erhält dieses Moment, indem man das Gewicht mit dem Abstand des
Neutralpunkts vom Schwerpunkt multipliziert. Dabei gilt die selbe Vereinbarung des Vorzeichens: Das Moment hat
einen positiven Wert, wenn der Schwerpunkt hinter dem Neutralpunkt liegt (schwanzlastig) und einen negativen
Wert, wenn der Schwerpunkt vor dem Neutralpunkt liegt (kopflastig). Man sieht, dass es im Zweifelsfall sicherer ist,
den Schwerpunkt des Fl ügelabschnittes zu weit vorne zu schätzen, da ein schwanzlastiges (positives) Moment
infolge der Gewichtskraft dem kopflastigen (negativen) aerodynamischen Moment entgegenwirkt. Haben wir den
Schwerpunkt zu weit hinten geschätzt, ergibt sich dann in der Summe beider Momente zumindest bei positiven
Lastvielfachen ein zu kleiner Wert.
Wenn wir uns auf ein Gewicht und einen Schwerpunkt geeinigt haben, können wir die beiden Kräfte und Momente
zusammenfassen. Das Ganze machen wir der Reihe nach mit allen Flügelabschnitten.
Wenn wir die Berechnung für alle einzelnen Flügelabschnitte fertig gestellt haben, erhalten wir eine Verteilung der
örtlichen Querkräfte q und Torsionsmomente mT entlang der Spannweite. Das obige Bild zeigt das Ergebnis für
einen aus drei Abschnitten bestehenden Flügel. Die Bezugsachse f ür die Torsionsmomente ist dabei die
Verbindungslinie der einzelnen Neutralpunkte, die auch l/4-Linie genannt wird.
Für die Dimensionierung brauchen wir aber nicht nur die Verteilung der örtlichen Kräfte und Torsionsmomente, da
wir die einzelnen Abschnitte nicht nur für sich allein betrachten dürfen. Jeder Flügelabschnitt muss auch die Kräfte
und Momente der in Spannweitenrichtung weiter außen liegenden Flügelabschnitte übertragen. Wir müssen also
die örtlichen Kräfte und Momente zu Resultierenden zusammenfassen. Zur Unterscheidung bezeichne ich die
Resultierenden mit Großbuchstaben, während für die örtlichen Lasten Kleinbuchstaben verwendet werden.
Betrachten wir zunächst die resultierende Querkraft Q in jedem Flügelabschnitt:
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An der Flügelspitze wirkt nur die Querkraft des äußeren Abschnittes. Somit ist die resultierende Querkraft Q1 gleich
der örtlichen Querkraft q1. Der zweite Flügelabschnitt wird belastet durch die Querkraft des ersten Abschnittes q1
und durch die im zweiten Abschnitt wirkende örtliche Querkraft q2. Der dritte Abschnitt durch die Kraft des ersten,
zweiten und dritten Abschnittes, usw. Wir erhalten also die resultierende Kraft in einem beliebigen Flügelabschnitt
aus der Summe der eigenen und aller außerhalb wirkenden Einzelkräfte. Wenn wir mit der Berechnung an der
Flügelwurzel angekommen sind, muss die Gesamtkraft so groß sein wie der Auftrieb des gesamten Flügels
abzüglich des Gewichtes des gesamten Flügels. Wir können an dieser Stelle auch ganz einfach kontrollieren, ob
wir uns irgendwo grob verrechnet haben. Denn die Gesamt-Querkraft an der Wurzel muss etwa halb so groß sein
wie das Gewicht des Rumpfes (beim Gewicht immer auch das Lastvielfache berücksichtigen!). Schließlich müssen
beide Flügel zusammen ja das Gewicht des Rumpfes tragen. Als Differenz bleibt nur noch der Auftrieb oder Abtrieb
am Leitwerk, also nicht erschrecken, wenn man nicht genau den Wert erreicht. Au ßerdem schleichen sich ja auch
immer dadurch Fehler ein, dass wir innerhalb eines Flügelabschnittes mit einem konstanten Auftriebsbeiwert
rechnen. Wenn man bei dieser Kontrolle allerdings auf deutliche Differenzen stößt, sollte man doch besser noch
mal nachschauen, ob man sich nicht irgendwo verrechnet hat.
Mit dem resultierenden Torsionsmoment MT verfahren wir ebenso. Jeder Flügelschnitt wird nicht nur durch das dort
wirkende, sondern auch durch alle weiter außen liegenden Einzelmomente belastet.
Die einzelnen Querkräfte der Flügelabschnitte führen nicht nur zu einer Gesamtkraft, sondern auch zu einem
Biegemoment Mb in den weiter Richtung Flügelwurzel liegenden Abschnitten. An der Flügelspitze ist das
Biegemoment noch Null. Im zweiten Abschnitt erhält man das Biegemoment aus der Kraft des ersten Abschnitts
und ihrem Abstand zum zweiten Abschnitt. Im dritten Abschnitt setzt sich das Biegemoment zusammen aus der
Kraft, die im ersten Abschnitt wirkt, multipliziert mit dem Abstand zwischen dem ersten und dritten Abschnitt
zuzüglich der Kraft des zweiten Elementes multipliziert mit dem Abstand zwischen zweitem und dritten Abschnitt,
usw. An der Flügelwurzel müsste man also alle Einzelkräfte, multipliziert mit ihrem jeweiligen Abstand,
zusammenzählen. Bei 20 Flügelabschnitten eine Menge Rechnerei und eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, sich
irgendwo zu vertippen. Aber es geht auch einfacher: Man erhält das gleiche Ergebnis, wenn man zum
Biegemoment des benachbarten Abschnittes das Biegemoment addiert, dass sich aus der Gesamtkraft des
benachbarten Abschnittes und dem Abstand zum benachbarten Flügelabschnitt ergibt. Alles klar? Vermutlich nicht,
und deshalb noch eine Skizze:
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Damit hätten wir dann die in allen Flügelabschnitten wirkenden Belastungen beisammen: die resultierende
Querkraft, das resultierende Torsionsmoment und das Biegemoment. Alle? Nicht unbedingt. Bei der Berechnung
des Torsionsmomentes sind wir von einer geraden Bezugslinie (l/4-Linie) ausgegangen. Wenn das der Fall ist, sind
wir an dieser Stelle fertig. Haben wir es hingegen mit einem gepfeilten Flügel zu tun oder mit einer geknickten l/4 Linie, müssen wir noch etwas nachsitzen, denn durch die Pfeilung ergibt sich noch eine zusätzliche
Torsionsbelastung, die den zuvor ermittelten Torsionsmomenten noch hinzugefügt werden muss. Hier kann ich
mich aber kurz fassen, denn die Berechnung dieses zusätzlichen Torsionsmomentes funktioniert genauso wie die
Berechnung des Biegemomentes. Nur, dass wir nicht den Abstand der einzelnen Abschnitte in
Spannweitenrichtung berücksichtigen, sondern den Abstand in Richtung der Profiltiefe. Alles Weitere sollte die
folgende Skizze klären:
Das V-n Diagramm
Jetzt haben wir aber wirklich alles, was wir brauchen und können uns der anfänglichen Frage zuwenden, welche
Flugzustände wir bei den Lastannahmen ber ücksichtigen wollen. Hierauf eine allgemeingültige Antwort zu geben,
ist sicherlich nicht möglich, denn es hängt ganz entscheidend davon ab, was wir mit dem Modell später alles
anstellen wollen. Ein Thermiksegler muss lange nicht für so hohe Lastvielfache und Geschwindigkeiten ausgelegt
werden wie ein F3-B Modell, ein Kunstflugmodell oder ein Pylon-Modell. Deshalb soll an dieser Stelle nur die
prinzipielle Vorgehensweise erläutert werden, die dann jeder auf seinen speziellen Fall anwenden kann.
Der zulässige Betriebsbereich eines Flugzeuges lässt sich im sogenannten V-n-Diagramm darstellen. Es stellt die
Begrenzung des zulässigen Lastvielfachen (n) über der Geschwindigkeit (V) dar. Das folgende Bild zeigt ein
solches Diagramm.
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Die roten Kurven stellen die Begrenzung aller zulässigen Kombinationen von Geschwindigkeit und Lastvielfachem
dar. Alles, was innerhalb der roten Umgrenzung liegt, ist der "zulässige Betriebsbereich". Aber schauen wir uns das
Diagramm Stück für Stück an und beginnen an der linken Seite. Wenn die Geschwindigkeit Null ist, kann auch kein
Auftrieb erzeugt werden. Folglich ist auch das erreichbare Lastvielfache gleich Null. Wir folgen jetzt der oberen
roten Kurve bis zum Punkt E. Erhöht man die Geschwindigkeit, erhöht sich auch der erreichbare Auftrieb. Bei einer
bestimmten Geschwindigkeit, die am Punkt E erreicht ist, reicht der maximal mögliche Auftrieb gerade für ein
Lastvielfaches von 1. Die zugehörige Geschwindigkeit ist die Mindestgeschwindigkeit des Flugzeuges.
Weiter geht's entlang der roten Kurve bis zum Punkt A. Mit wachsender Geschwindigkeit nimmt auch der maximal
mögliche Auftrieb zu und damit das maximale erreichbare Lastvielfache. Da der Auftrieb mit dem Quadrat der
Geschwindigkeit zunimmt, hat die Kurve hier einen parabelförmigen Verlauf. Bei einer Geschwindigkeit, die doppelt
so groß ist wie die Mindestgeschwindigkeit, kann also bereits der vierfache Auftrieb und damit ein Lastvielfaches
von 4 erzeugt werden. Alle Punkte, die auf diesem Teil der Kurve liegen, stellen das Lastvielfache dar, das sich bei
der jeweiligen Geschwindigkeit und beim maximal möglichen Auftrieb einstellt (also beim maximalen
Auftriebsbeiwert CA-max, den man aus der Profilpolare ablesen kann). Aufgrund des parabelförmigen Verlaufs
wächst das erreichbare Lastvielfache bei höheren Geschwindigkeiten immer schneller, wie die gestrichelte rote
Linie zeigen soll, so dass wir irgendwann mal eine Grenze setzen müssen. Diese Grenze ist am Punkt A erreicht.
Diesen Punkt können wir auf zwei verschiedene Arten festlegen. Entweder wir begrenzen das maximale
Lastvielfache und bestimmen mit Hilfe der Auftriebsformel die zugehörige Geschwindigkeit oder wir legen eine
Geschwindigkeit fest, bis zu der das Flugzeug in der Luft unzerstörbar sein soll und bestimmen daraus das zu
dieser Geschwindigkeit gehörende Lastvielfache, wobei wir für den Auftriebsbeiwert immer den maximalen
Auftriebsbeiwert CAmax einsetzen. Für einen Großsegler wird man wohl eher die zweite Methode anwenden,
während man z.B. für F3-B Segler oder Pylon-Modelle eher die Geschwindigkeit festlegt, bis zu der man noch bei
CAmax unterwegs sein will (z.B. bei Speedwenden). Wer unbedingt meint, ein Flugzeug besitzen zu müssen, das
in der Luft völlig unzerstörbar ist, wählt für den Punkt A einfach die erreichbare Endgeschwindigkeit im senkrechten
Sturzflug bei Vollgas. Aber nicht, dass sich hinterher jemand beschwert, wenn in den Flügel keine Servos mehr
hineinpassen, weil die Holmgurte den Flügel komplett ausfüllen...
Alle anderen, die es eher etwas gem ächlicher angehen lassen und die lieber ein paar Gramm sparen wollen, folgen
der oberen Kurve bis zum Punkt B. Hier liegt die Höchstgeschwindigkeit des Modells. Bei höheren
Geschwindigkeiten als am Punkt A sollte man tunlichst einen etwas sanfteren Flugstil an den Tag legen, denn in
diesem Geschwindigkeitsbereich wäre es durchaus m öglich, durch einen Höhenruder-Vollausschlag mehr Auftrieb
zu erzeugen als dem Modell gut tut. Digitale Höhenruderausschläge sollte man sich also hier besser verkneifen. Ob
man das zulässige Lastvielfache konstant auf dem Niveau vom Punkt A hält, oder ob man sich bei
Höchstgeschwindigkeit auch mit einem geringeren Lastvielfachen zufrieden gibt, wie im oberen Diagramm
dargestellt, ist Ermessenssache und hängt von der Selbstbeherrschung ab, die man im tiefen Vorbeiflug bei
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Höchstgeschwindigkeit noch aufbringen kann. Diejenigen, die aufgrund des Adrenalinausstoß es in solchen
Momenten zu nervösen Zuckungen am Höhenruderknüppel neigen, sollten ihrem Modell zuliebe lieber den Punkt A
etwas weiter in Richtung der Maximalgeschwindigkeit verschieben. Auch starke Turbulenz sollte man in diesem
Geschwindigkeitsbereich meiden, denn auch durch den Einflug in einen starken Aufwind vergr ößert sich der
Anstellwinkel und damit der Auftrieb.
Weiter geht es auf der Unterseite des Diagramms. Am Punkt C befinden wir uns im R ückenflug. Er gibt das
maximal zulässige negative Lastvielfache bei Höchstgeschwindigkeit an. Bei Kunstflugmodellen wird der untere Teil
des Diagramms symmetrisch zum oberen Teil verlaufen, während wir für alle anderen Flugzeuge ein geringeres
Lastvielfaches ansetzen können. Ein symmetrisches V-n Diagramm erhalten wir sowieso nur mit symmetrischen
Profilen, während gewölbte Profile nicht so viel Abtrieb wie Auftrieb liefern können. Folgen wir der Kurve weiter
nach links zum Punkt D. Ab hier können wir uns wieder beruhigen, denn selbst, wenn wir bei dieser
Geschwindigkeit den Höhensteuerknüppel an den vorderen Anschlag schieben, sollte es das Modell heile
überstehen. Mit einem parabelförmigen Verlauf nimmt das maximal erreichbare Lastvielfache mit abnehmender
Geschwindigkeit nun wieder ab, bis wir am Punkt F die Minimalgeschwindigkeit im Rückenflug erreicht haben.
Darunter ist kein stationärer Rückenflug mehr möglich und die größte dabei auftretende Belastung dürfte sich beim
Aufschlag auf Mutter Erde nach zwei gepflegten Umdrehungen Rückentrudeln einstellen.
Die Auftriebsverteilung
Die Grenzen für das Lastvielfache und die Geschwindigkeit stehen jetzt also auch fest. Bleibt jetzt nur noch die
Frage, wo man die Auftriebsbeiwerte für die einzelnen Flügelabschnitte hernimmt. Wer keine Mühe scheut, bemüht
das Multhopp-Verfahren. Einige besitzen vielleicht ein entsprechendes Berechnungsprogramm, das die
gewünschte Verteilung des Auftriebsbeiwertes entlang der Spannweite ausrechnet. Alle anderen gehen auf
Nummer sicher und setzen über die gesamte Spannweite einen konstanten Auftriebsbeiwert an. In der Regel führt
diese Vorgehensweise zu höheren Belastungen als jenen, die tatsächlich mal auftreten werden. Vor allem das
Biegemoment wird größer ausfallen, da man mit dieser Vereinfachung am Außenflügel zu viel Auftrieb ausrechnet.
Die folgenden Skizzen sollen den Unterschied verdeutlichen. Die durchgezogene gr üne Linie könnte uns so oder
so ähnlich das Multhopp-Programm ausspucken, während die gestrichelte Linie unserer vereinfachten Annahme
entspricht.
Vergessen wir nicht, auch an Querruder- und Wölbklappenausschläge zu denken. Wie im rechten Bild dargestellt,
zeigt die Auftriebsbeiwertverteilung (und auch die Momentenbeiwertverteilung) im Bereich des Querruders einen
Sprung. Zumindest die Zunahme des Profilmomentes bei einem Querruderausschlag sollte man berücksichtigen,
wenn man auch bei Höchstgeschwindigkeit noch beherzte Querruderausschläge geben will.
Beispiel
Nach soviel Theorie wollen wir am Ende noch mal das Ganze auf ein praktisches Beispiel loslassen und die Lasten
für einen 6m-Segler bestimmen. Alle Werte für dieses Beispiel sind frei erfunden, aber es geht ja nur um die
Vorgehensweise. Ich habe einmal folgende Werte angenommen

Spannweite: 6m

Streckung: 24

Flügelfläche: 1,48m²

Gesamtmasse: 10 kg (6 kg Rumpf inkl. Flügelsteckung + 2 kg pro Flügel)
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
Flächenbelastung: 68 g/dm²

CA-max: 1,1
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Der angenommene Flügelgrundriss ist ein 4-fach Trapezflügel mit gerader Hinterkante und im Außenbereich
zurückgepfeilter Vorderkante. Also alles drin, was die Sache kompliziert machen könnte, inklusive einer geknickten
l/4-Linie.
Das Ganze soll ein Segler werden, der in der Thermik und am Hang geflogen wird und mit dem einfacher Kunstflug
möglich sein soll. Brutalo-Wenden oder F3-B-mäßige Hochstarts sind nicht vorgesehen.
Als erstes legen wir die Eckpunkte des V-n-Diagramms fest. Für den Punkt A, bis zu dem der Flieger in der Luft
unkaputtbar sein soll, wählen wir eine Geschwindigkeit von 40 m/s (entspricht 144 km/h). Bei einem
angenommenen CA-max von 1,1 ergibt sich aus der Auftriebsformel bei dieser Geschwindigkeit ein maximal
möglicher Auftrieb von 1599 N, was dem 16,3-fachen der Gewichtskraft von 98 N entspricht. Das Lastvielfache
beträgt an diesem Punkt also 16,3.
Die Höchstgeschwindigkeit wird auf 55 m/s begrenzt, das sind immerhin knapp 200 km/h. Beim Lastvielfachen
begnügen wir uns bei Höchstgeschwindigkeit mit einem Wert von 14,0. Dieses Lastvielfache wird bei einem
Auftriebsbeiwert von 0,5 erreicht. Den zugehörigen Auftriebsbeiwert zu einem gegebenen Auftrieb (hier: 14-fache
Gewichtskraft) erhalten wir durch Umstellen der Auftriebsformel.
Im Rückenflug begrenzen wir das maximale negative Lastvielfache auf -12 G, was einem Auftriebsbeiwert von CA
= -0,43 entspricht. Bei starker Turbulenz sollten wir also nicht zuviel Gas geben und brutale Kunstflugeinlagen bei
Höchstgeschwindigkeit vermeiden. Wenn wir am Punkt C und D des V-n Diagramms das selbe Lastvielfache
zulassen, brauchen wir uns um den Punkt D nicht weiter kümmern, da die Belastung bei Höchstgeschwindigkeit auf
jeden Fall größer sein wird. Was noch fehlt, ist der Momentenbeiwert. Wir hoffen, dass das Profil sich mit der
Theorie auskennt und einen konstanten Momentenbeiwert besitzt, den wir mit cm = -0,1 aus der Profilpolare
ablesen. Soweit haben wir alle Daten für die Eckpunkte des V-n-Diagramms beisammen.
Bevor wir jetzt mit der Berechnung der Lastverteilung entlang der Spannweite beginnen, müssen wir uns noch eine
Massenverteilung für den Flügel ausdenken. Wir wählen den pragmatischen Weg und verteilen die Masse einfach
entsprechend der Flügelfläche: ein Flügelabschnitt, der 5% der Gesamtfläche des Fl ügels hat, hat dann auch 5%
der Gesamtmasse des Flügels. Die Schwerpunkte der Abschnitte legen wir überall bei 40% der Flügeltiefe fest.
Jetzt können wir endlich loslegen, indem wir zunächst den Flügel in 20 gleich breite Abschnitte (je 0,15 m) einteilen
und für jeden Abschnitt die Querkraft q aus dem Teilauftrieb und dem Gewicht und das Torsionsmoment mT
berechnen und anschließend zur resultierenden Gesamtbelastung summieren. Schauen wir uns die
Zwischenergebnisse für den Punkt A des V-n Diagramms einmal in den ersten 5 Flügelabschnitten an:
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Wenn wir mit den Berechnungen in allen 20 Flügelabschnitten fertig sind, erhalten wir folgende Ergebnisse:
Respekt! An der Flügelwurzel wirkt die selbe Querkraft und das selbe Biegemoment, das ein 50 kg Zementsack an
einem 1,40 m langen Hebelarm hervorrufen w ürde. Die Querkraft und das Biegemoment erreichen bei diesem
Lastfall ihren Maximalwert. Wenn wir die Rechnungen für den Punkt C des V-n Diagramms wiederholen, werden
wir merken, dass zwar das Biegemoment kleiner ist, aber in diesem Flugzustand der Maximalwert des
Torsionsmomentes erreicht wird. Hier erhalten wir einen Maximalwert von 80 Nm an der Flügelwurzel, da die hinter
dem Neutralpunkt angreifende Gewichtskraft bei negativen Lastvielfachen ebenfalls ein kopflastiges Moment
hervorruft. Das ist knapp das 6-fache des Torsionsmomentes beim Lastfall A. Es reicht also nicht aus, nur einen
einzigen Flugzustand zu betrachten, wenn man sicher gehen möchte, die maximalen Belastungen aller möglichen
Flugzustände berücksichtigt zu haben. Wenn man sich ein paar Minuten Zeit nimmt, um zu überlegen, unter
welchen Bedingungen die einzelnen Komponenten der Lasten ihren Maximalwert erreichen, kann man sich einiges
an Rechenarbeit ersparen.
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Jetzt bleibt mir nur noch, viel Spaß beim Rechnen zu wünschen. Da ich davon ausgehe, dass dieser Artikel nicht
nur Fragen geklärt, sondern auch einige neue Fragen aufgeworfen hat, möchte ich noch etwas in eigener Sache
loswerden: Ich übernehme keine Haftung für Schäden, die infolge der Anwendung des vorgestellten Verfahrens
auftreten!
Im nächsten Teil wird es um die Beanspruchung im Flügel gehen, die sich infolge der äußeren Lasten einstellt.
Schaut also wieder rein, wenn ihr wissen wollt, was der Zementsack mit der Flügelsteckung anstellt und es heißt:
"Was ist eigentlich Schub?"
Erstveröffentlichung im Magazin bei RC-Network.de (www.rc-network.de)
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