10 MÜNCHEN C A B E N D Z E I T U N G D O N N E R S TA G , 3 .1 1 . 2 0 1 1 W W W. A Z - M U E N C H E N . D E Eine neue Methode gegen Übergewicht wird jetzt in München angewendet Impulse zum Abnehmen Chip statt Chips: In einer Münchner Klinik verlieren Übergewichtige ihre Pfunde durch einen Mini-Computer im Magen. Der kitzelt die Patienten – und schon fühlen die sich satt M Ü N C H E N Es klingt zu schön: Ein Chip macht Dicke schlank. Allerdings funktioniert die neue Methode nicht mit einer gerösteten Kartoffelscheibe, sondern mit einem Plastiksensor. Das „Abiliti“-System wurde jetzt erstmals einer Münchnerin in der Chirurgischen Klinik in Bogenhausen eingesetzt. Die AZ erklärt, wie es funktioniert: Wie groß ist der Sensor? Er ist 8,7 Zentimeter lang und wiegt 65 Gramm. Was ist der Vorteil zur Magenverkleinerung? Die Anatomie wird nicht verändert. „Bei Magenverkleinerungen gibt es Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Wo bekomme ich den Sensor? Nur in Kliniken mit einem Adipositas-Zentrum. Neben Bogenhausen bietet die WolfartKlinik in Gräfelfing das System an. Für wen eignet sich der Chip? Für Dicke, deren Body-Maß-Index über 35 liegt. Wenn Sie also 1,75 Meter groß sind und 110 Kilo wiegen, könnten Sie für den Sensor geeignet sein. Spürt man den Sensor? Ja, die Impulse kribbeln leicht. Wie funktioniert der Chip? Er wird bei einer OP in den Magen gesetzt und gibt dort elektronische Impulse ab. So fühlt sich der Patient schneller statt. Das Gerät zeichnet auch das Essund Bewegungsverhalten auf. Ernährungs-Experten können Kalorienfallen so aufspüren. Wie viel kostet das Gerät? „Die Kosten sind mit denen für einen Magen-Bypass vergleichbar“, heißt es vom Hersteller. So ein Bypass kostet rund 8000 Euro. Über eine Sonde setzt der Chirurg den Sensor bei einer Operation in den Magen des Patienten ein. Fotos: Abiliti/IntraPace ADIPOSITAS Patientenzahl um 25 Prozent gestiegen Kann ich weiter essen wie zuvor? Nein. Der Chip ist für Menschen gedacht, die ihr Essverhalten ändern wollen. Der Sensor speichert auch, ob der Patient eine volle Mahlzeit oder einen Snack zu sich nimmt. Der Sensor stimuliert den Magen beim Essen. Dadurch wird das Hungergefühl gestoppt. Mit Radieserl und Zitronenwasser Es gibt sie, die kleinen Tricks gegen den Hunger, mit denen sich Kopf und Körper überlisten lassen – auch wenn man sich über so manchen Diätwahnsinn streiten kann. GesundheitsExperte Professor Hademar Bankhofer hat für die AZ diese Tricks formuliert: A Essen Sie vor jeder Mahlzeit entweder zwei Äpfel oder eine halbe Zuckeroder Honig-Melone. A Essen Sie nach der Mahlzeit fünf Radieserl. Die wirken wie eine Abspeckpille. A Täglich 25 Minuten Freizeitsport treiben: Ohne körperliche Bewegung nützt die beste Diät nichts. A Essen Sie nicht vor dem Fernseher. Da hat man keine Kontrolle über die aufgenommene Nahrung. A Zu jeder vollen Stunde einen Viertelliter Wasser trinken, am besten mit ein paar Spritzern Zitronensaft. A Gurgeln Sie mehrmals am Tag mit Wasser, dem ein paar Tropfen Mundwasser mit Menthol oder Pfefferminze beigegeben sind. Das nimmt den Hunger. A Sündigen Sie auch mal mit Süßem oder Fettigem. Sonst baut sich Frust auf. A Mehrere kleine Mahlzeiten am Tag verhindern Heißhunger-Attacken. A Schlafen Sie in einem Raum mit 18 Grad Celsius. Sie verbrauchen dann im Schlaf mehr Kalorien, weil Ihr Körper mehr Energie fürs Warmhalten benötigt. A Sind Sie ein gieriger Esser? Dann essen Sie mal dem Besteck in der linken Hand: Sie haben mehr Mühe und sind eher satt. Die Zahl der Menschen mit Adipositas – also so genannter Fettsucht und krankhaftem Übergewicht – ist in den zehn Jahren zwischen 1999 und 2009 (der zuletzt erfasste Zeitraum in Bayern von 11,3 Prozent auf 14 Prozent angestiegen. Das entspricht einer Zunahme um 25 Prozent. Die Zahl der stationären Behandlungen infolge von Adipositas hat in Bayern von 1433 Fällen im Jahr 2008 auf 1667 im Jahr 2009 zugenommen. Quelle: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Kampf den Pfunden: Dicke können mit einem Computer ihr Gewicht senken. Verdauungsstörungen“, sagt Chuck Brynelson, Chef der kalifornischen Herstellerfirma „IntraPace“. „Bei dem Sensor gibt es solche Nebenwirkungen nicht.“ Ist der Chip unbedenklich? Laut „IntraPace“ ist er „sehr sicher, es gab keine Todesfälle oder Komplikationen“. Abgesehen davon stellt natürlich jede Operation unter Vollnarkose ein Risiko dar. Abnehmen – das muss nicht quälend sein: Tipps von einem Gesundheits-Experten 65 Gramm wiegt der Sensor. Er hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Von Low-Fett-Diät bis zum Ballon Wie schnell nimmt man ab? Nach einem Monat sinkt das Gewicht. Damit purzeln die Pfunde langsamer als bei einer Magenverkleinerung. „Zwölf Monate nach der OP haben die Patienten etwa 30 Prozent ihres Übergewichts verloren“, behauptet Brynelson. Wie lange bleibt der Chip im Bauch? Das hängt davon ab, wie schnell der Patient auf eine gesündere Lebensweise umstellt, seine Ernährung umstellt und sich körperlich bewegt. Die Batterie hält fünf Jahre und kann mit einer kleinen OP gewechselt werden. Anne Kathrin Koophamel Wo die Deutschen am dicksten sind Mecklenburg-Vorpommern 46,8 Sachsen-Anhalt 46,6 Brandenburg 44 Sachsen 43,9 Thüringen 43,4 Saarland 42,1 Rheinland-Pfalz 41,7 Nordrhein-Westfalen 39,8 Niedersachsen 39,7 Hessen 39,5 Bayern 38,3 Baden-Würrtemberg 38 Schleswig-Holstein 37,7 Bremen 37,7 Berlin 36,4 Hamburg 34,2 0 5 10 15 männlich 20 25 30 35 40 45 58,7 58,5 57,9 57,8 57,8 57,5 56,6 56,5 55,7 55,1 54,9 54,3 53,7 50,5 50,5 49,9 50 55 60 weiblich Das Diagramm zeigt es in Prozent: Über die Hälfte der Deutschen ist übergewichtig, vor allem im Osten. Bayern liegt trotz Schweinebraten und Knödeln unter dem Bundesschnitt. Als übergewichtig gilt in dieser Statistik, wer einen Body-Maß-Index (BMI) von über 25 hat. Der BMI berechnet sich so: Körpergewicht in Kilo geteilt durch Körpergröße in Metern im Quadrat. Beispiel: 90 Kilo geteilt durch 1,70 mal 1,70 Meter ergibt einen BMI von 31. Das bedeutet: Die Person wiegt zu viel. Quelle: Statistisches Bundesamt Mit Technik gegen Übergewicht – da gibt es schon ein paar Methoden Ausgewogene Ernährung, viel Sport – so klappt’s bestimmt mit dem Abnehmen. Und wenn nicht? Hier ein paar Möglichkeiten, die – abseits von FDH und Ananas-Diät – angeblich funktionieren sollen. Aber: Vorher mit dem Arzt besprechen, versteht sich. LOW FETT 30 Basierend auf drei Regeln: Essen Sie, wenn Sie Hunger haben. Hören Sie auf, wenn Sie satt sind. Alles was Sie essen, sollte „Low Fett 30“ sein. Das bedeutet, dass maximal 30 Prozent der Gesamtkalorien aus einem Nahrungsmittel aus Fett stammen. WEIGHT WATCHERS Die Diät basiert auf dem Prinzip der kalorienreduzierten Mischkost. Durch eine langfristige Ernährungsumstellung sollen Pfunde verloren und das Wunschgewicht gehalten werden. Das kostenpflichtige Programm setzt auf die Unterstützung der Gruppe. ROHKOSTDIÄT Motto: Heute bleibt die Küche kalt. Es wird nur Rohkost verzehrt. Praktisch für alle, die nicht gern kochen. VOLUMETRIX-DIÄT 100 Gramm Schokolade haben mehr Kalorien als 100 Gramm Möhren. Dabei hat das Gemüse deutlich mehr Volumen. Dieses Verhältnis nennt man Energiedichte. Bei dieser Diät werden nur Lebensmittel mit geringer Energiedichte gegessen. MAGENBALLON Erst wenn keine Diät geholfen hat und der Patient durch sein Gewicht gesundheitliche Probleme bekommt, werden technische Eingriffe erwogen. Der Ballon wird nicht-operativ in den Magen eingeführt, mit Wasser oder Luft gefüllt. Dadurch wird der Magen schon nach geringer Nahrungsaufnahme als gefüllt empfunden. MAGENBAND Das ist ein weiches Band aus Silikon, das per OP so um den oberen Teil des Magens gelegt wird, dass Nahrungsmittel nur langsam hindurch gelangen können. SCHLAUCHMAGEN Der Magen, der bis zu zwei Liter fassen kann, wird auf 80 bis 120 Milliliter verringert – durch eine linksseitige Entfernung des Magens, der dann wie ein Schlauch von der Speiseröhre bis zum Darm reicht. MAGENBYPASS Während der Operation wird mit Klammernähten ein Vormagen abgetrennt, von dem aus eine direkte Verbindung zum Dünndarm hergestellt wird. Dadurch nehmen große Teile der aufgenommenen Nahrung nicht am Verdauungsprozess teil. jam