Springer-Lehrbuch Thermodynamik für Maschinenbauer Grundlagen für die Praxis Bearbeitet von Wolfgang Geller Neuausgabe 2006. Taschenbuch. xvi, 387 S. Paperback ISBN 978 3 540 32319 8 Format (B x L): 15,5 x 23,5 cm Gewicht: 609 g Weitere Fachgebiete > Technik > Werkstoffkunde, Mechanische Technologie > Technische Thermodynamik Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. 11 Äquivalenz von Wärme und Arbeit Die Stofftheorie der Wärmeerscheinungen, bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gültige Hypothese der Thermodynamik, beruhte auf der Vorstellung, daß Wärme eine Substanz sei, die beim Kontakt zweier Körper unterschiedlicher Temperaturen vom wärmeren in den kälteren hineinfließt. Sie wurde caloricum genannt und galt als unzerstörbar. Da die Versuche, die Masse von caloricum durch Wägung zu bestimmen, ergebnislos verliefen, mußte man den Stoff außerdem als gewichtslos annehmen. Zweifel an der Stofftheorie kamen zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf, als man feststellte, daß Kanonenrohre beim Aufbohren heiß wurden, ohne mit einem heissen Körper oder einer Flamme in Berührung gekommen zu sein. Die Vermutung, daß die über den Bohrapparat übertragene Reibungsarbeit die gleiche Wirkung hat 20 wie eine Wärmezufuhr veranlaßte James Prescott Joule , experimentell das sogenannte mechanische Wärmeäquivalent zu bestimmen. Auch der französische Wis21 senschaftler Léonard Sidi Carnot war zu der Erkenntnis gelangt, daß Wärme eine Energieform sei, wie die in seinem Nachlaß gefundenen unveröffentlichten Noti22 zen belegen. Es war dann Julius Robert Mayer vorbehalten, im Jahr 1842 das Prinzip von der Äquivalenz von Wärme und Arbeit als erster öffentlich auszusprechen. Im Jahr 1845 veröffentlichte er den 1. Hauptsatz und widerlegte damit die Stofftheorie. Von den Arbeiten von J. P. Joule hatte er keine Kenntnis. Wir wollen im folgenden die Äquivalenz von Wärme und Arbeit am Beispiel dreier Gedankenexperimente verifizieren. Wir betrachten dazu als erstes die Anordnung von Bild 11.1. Sie besteht aus einem Zylinder mit Kolben, einem im Zylinder wärmeisoliert eingeschlossenen idealen Gas und einem Thermometer. Das Gas nimmt zunächst das Volumen V 1 bei einer Temperatur T1 ein. Eine Verschiebung des Kolbens überträgt Volumenänderungsarbeit Wv12 , verdichtet das adiabate System auf das Volumen V2 und bewirkt einen Temperaturanstieg auf die Temperatur T2 . Der Temperaturanstieg zeigt, daß die innere Energie des Systems zugenommen hat. 20 James Prescott Joule (1818-1889), englischer Physiker und Privatgelehrter, führte außer seinen Experimenten zur Bestimmung des mechanischen Wärmeäquivalents Untersuchungen über 21 die Erwärmung stromdurchflossener elektrischer Leiter durch. Léonard Sidi Carnot (1796-1832), französischer Militäringenieur und Physiker. Er entwickelte die physikalischen Grundlagen der Dampfmaschine und berechnete das mechanische Wärme22 äquivalent, ohne sein Ergebnis jedoch zu veröffentlichen. Julius Robert Mayer (1814-1878), deutscher Arzt und Physiker 11 Äquivalenz von Wärme und Arbeit 101 T2 T1 V2 V1 Anfangsvolumen V1 Endvolumen V 2 Bild 11.1. Verdichtung einer Gasmasse In der Versuchseinrichtung von Bild 11.2 des zweiten Experiments ist der Kolben durch ein Rührwerk ersetzt, das über eine Welle von einem Motor der Leistung P angetrieben wird. Nach dem Einschalten des Rührwerkes steigt die Temperatur des Systems vom Wert T1 an und mit ihr auch seine innere Energie. Der Temperaturanstieg endet nach Abschalten des Rührwerkes mit dem Erreichen des thermodynamischen Gleichgewichtes. Soll die Temperatur ebenfalls auf den Endwert T2 steigen, dann wird dazu eine bestimmte Einschaltzeit ∆t des Motors benötigt, in der der Motor die Wellenleistung WW12 = P ⋅∆ t auf das System überträgt. T2 T1 V1 t V1 t+∆t Bild 11.2. Dissipation von Wellenarbeit Im dritten Experiment wird das geschlossene System von Bild 11.3 über eine diatherme (wärmedurchlässige) Wand mit einem Körper in Kontakt gebracht, dessen Temperatur T > T2 ist. Man beobachtet einen Temperaturanstieg des Gases, der mit dem Anfangswert T1 beginnend solange anhält, bis beide Systeme voneinander getrennt werden. Bemißt man die Kontaktdauer so, daß bei Erreichen des thermodynamischen Gleichgewichtes die Endtemperatur des Systems gleich T2 ist, dann hat der Kontakt mit dem heißen Körper auf das System die gleiche 102 11 Äquivalenz von Wärme und Arbeit Wirkung ausgeübt wie der Kolben im ersten und das Rührwerk im zweiten Experiment, nämlich den an der Temperaturzunahme erkennbaren Anstieg der inneren T2 T1 V1 V1 Heißkörper T > T2 Bild 11.3. Übertragung von Wärme Energie. Da im dritten Experiment keine mechanische Arbeit, weder in Form von Kolbenarbeit noch von Wellenarbeit auf das System übertragen wurde, läßt sich der tatsächlich stattgefundene Energietransfer nur durch die Existenz der Temperaturdifferenz zwischen dem heißen Körper und dem mit ihm in Kontakt stehenden Teil der Systemgrenze erklären. Energie, deren Übertragung ausschließlich auf einer Temperaturdifferenz zwischen den Grenzen eines Systems und seiner Umgebung beruht, wird Wärme oder Wärmeenergie genannt. Die Erfahrung lehrt, daß diese Energie stets vom wärmeren zum kälteren Körper fließt. Wärme übt also auf ein System dieselbe Wirkung aus wie zugeführte mechanische Arbeit. Wärme und Arbeit sind äquivalente Größen. Die Einheit der Wärme ist demnach gleich der Einheit der Arbeit bzw. der Einheit der Energie (s. Kapitel 9).