DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Physikalische Fingerübungen Elektromagnetische Wellen – oder, wie man mit einem Stück Käse in der Mikrowelle die Lichtgeschwindigkeit nachweist Der Engländer Michael Faraday schuf um 1840 die physikalischen Grundlagen der bis dahin getrennten Phänomene der Elektrizität und des Magnetismus. In mathematische Gleichungen fassen konnte er sie allerdings nicht. Das übernahm 1865 der Schotte James Clark Maxwell und sagte anhand seiner Gleichungen die Existenz von Radiowellen voraus, die sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Beide waren Genies ihrer Zeit im 19. Jahrhundert. Auf ihren bedeutenden Hinterlassenschaften entwickelten spätere Ingenieure und Wissenschaftler die Möglichkeit der Erzeugung elektrischer Energie, die Glühbirne, elektrische Maschinen, das Telefon, das Radio und Fernsehen, das Radar, den Laser und unzählige anderer Anwendungen der gesamten Palette der heutigen modernen technologischen Welt. Die Zeit vor Faraday und Maxwell war nachts düster und grau. Die meisten Menschen beleuchteten ihre Häuser noch mit Kerzen und Gaslaternen und schrieben Briefe, die sie mit Postkutschen beförderten. Wahrlich, die beiden haben die alte Welt verändert und späteren Generationen eine völlig neue Welt eröffnet. Etwas von diesem Forschergeist können Sie in Ihrer Küche aufleben lassen - den Nachweis der Lichtgeschwindigkeit. Sie benötigen dafür nur einen Mikrowellenherd und etwas Käse, sowie ein paar Alltagsgegenstände als Hilfsmittel. Abbildung 1: Mikrowellenherd – das Experiment zum Nachweis der Lichtgeschwindigkeit mit Käse Seite 1 von 10 DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Dieter Bosch, DBM Engineering „Maxwells Werk ist das Tiefste und Fruchtbarste, das die Physik seit Newton entdeckt hat“ Es war kein geringerer als Albert Einstein - der bekannteste Physiker aller Zeiten - der dieses über James Clark Maxwell schrieb, denn es waren unter anderem Maxwells Gleichungen aus denen Albert Einstein die weltberühmte Relativitätstheorie entwickelte. Wir könnten nun zuerst das Experiment in der Küche durchführen, oder die theoretischen und mathematischen Grundlagen besprechen - ich habe mich entschlossen zuerst das Experiment zu beschreiben und überlasse Ihnen die Reihenfolge wie Sie vorgehen wollen. Lichtgeschwindigkeit aus Käse – das Experiment Die Anregung zu dem Experiment entstammt aus dem von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) - einer derer Präsidenten auch Einstein war - empfohlenen Buch von Metin Dolan: Die Star Trek Physik. Seite 107 verweist auf den Versuch mit einer Tafel Schokolade, allerdings ohne tiefere Erläuterung der Grundlagen. Nach einigen Recherchen im Internet finde ich auch ähnliche Experimente. Manche sind witzig, manche einfach nur falsch. Insgesamt sind sie für meinen Geschmack nicht hinreichend hergeleitet um die Vorgänge zu erklären. Motivation genug, um das Experiment über die Weihnachtszeit nachzuvollziehen und diesen Artikel darüber zu schreiben. Was benötigen wir: Einen funktionierenden Mikrowellenherd, zwei große Scheiben mittelalten Gouda, ca. 2 mm dick, ein Holzbrett oder Teller was in den Mikrowellenherd passt, eine Tasse Wasser und einen Löffel, zwei Holzstäbchen, eine Schieblehre oder Zirkel und Lineal, sowie einem Smartphone mit Stoppuhr und ein Rechner Zunächst ein Sicherheitshinweis! Machen Sie bitte nichts Unvernünftiges mit der Mikrowelle. Betreiben Sie das Gerät bitte nur innerhalb der Grenzen dessen was die Bedienungsanleitung vorgibt. Platzieren Sie nun zwei Scheiben des Käses auf einem Brett oder einem Teller. Der Käse sollte aus dem Kühlschrank kommen. Dann entfernen wir den Drehteller und den Ring und stellen unseren Teller mit dem Käse in den Mikrowellenherd. Sie kaufen am besten mehrere Scheiben Käse da Sie die Hotspots geometrisch erst ermitteln müssen. In eine Ecke stellen Sie bitte eine Espresso Tasse mit Wasser auf und einem Löffel darin. Warum das so ist erfahren Sie in den folgenden Absätzen. Nun programmieren Sie die Mikrowelle auf die höchste Stufe und schalten diese für 10 Sekunden ein. Holen Sie dann den Teller heraus und schauen schräg auf die Oberfläche der Käsescheiben. Mit etwas Glück finden Sie bereits einige Stellen an denen der Käse begonnen hat zu schmelzen. Wenn nicht müssen Sie andere Positionen auf dem Teller und andere Einschaltzeiten der Mikrowelle ausprobieren, solange bis Sie zwei schöne messbare Schmelzpunkte haben. Dann legen Sie zwei Holzstäbchen, oder etwas Ähnliches, parallel zueinander im Abstand Mitte zu Mitte der Schmelzpunkte und messen den Abstand mit einer Schieblehre oder einem Lineal. Ich hatte nach 6 Scheiben Käse den entsprechenden Erfolg wie man den folgenden Bildern entnehmen kann. Noch ein Wort zum Gouda, er sollte nicht zu trocken sein, meiner hatte 45% Fett in Trockenmasse, das heißt der Rest ist überwiegend Wasser – das mag die Mikrowelle. Seite 2 von 10 DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Abbildung 2: Mikrowellenherd – das Experiment zum Nachweis der Lichtgeschwindigkeit mit Käse – der Abstand Abbildung 3: Mikrowellenherd – das Experiment zum Nachweis der Lichtgeschwindigkeit mit Käse – die Hotspots Seite 3 von 10 DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Mit der Schieblehre konnten wir den Abstand der beiden Hotspots mit 6,2 cm ermitteln. Um mit diesem Ergebnis etwas anfangen zu können, arbeiten wir uns nun Schrittweise durch die folgenden Erläuterungen – sofern Sie das nicht schon getan haben. Das Ergebnis ist – das sei an dieser Stelle bereits verraten – großartig. Maxwells entscheidende Botschaft Maxwells Entdeckung war die Bedeutung dessen, was elektrische und magnetische Felder sind. Er benutzte hierfür anfänglich die rein mathematische Analogie aus Faradays Kraftlinien, mit den Stromlinien einer inkompressiblen Flüssigkeit aus der Strömungsmechanik. Er stellte sich vor, dass die Kraftlinien analog den Bahnen seien, denen die Moleküle der Flüssigkeit folgen und die Stärke des elektrischen bzw. magnetischen Feldes sollte der Strömungsgeschwindigkeit der Flüssigkeit analog sein. Im Grunde lieh sich Maxwell die mathematischen Ideen aus der Strömungsmechanik und modifizierte sie so, dass sie den Elektromagnetismus beschreiben. Nun konnte er die partiellen Differenzialgleichungen entwickeln, um zu beschreiben was diese elektrischen und magnetischen Felder taten und fasste alle Erkenntnisse hierüber in vier Gleichungen zusammen. Mit Hilfe dieser Maxwellschen Gleichungen lassen sich für alle Problemstellungen der Elektrizität und des Magnetismus entsprechende Lösungen finden – ausgenommen einige Probleme der Quantenelektrodynamik. 1 𝜕𝐻 ∇𝑥𝐄 = − 𝑐 𝜕𝑡 1 𝜕𝐸 ∇𝑥𝐇 = 𝑐 𝜕𝑡 ∇ ∙ 𝐄 = 0 ∇ ∙ 𝐇 = 0 (1-4) Die beiden linken untereinanderstehenden Gleichungen sagen aus, dass Elektrizität und Magnetismus praktisch in Analogie zur Strömungsmechanik inkompressibel sind. Sie können nicht einfach verschwinden, sie müssen irgendwo hin. Mathematisch ausgedrückt heißt das die Divergenz ist null. Die Notation für die Divergenz ist das auf dem Kopf stehende Dreieck und der Punkt. E steht für die elektrische und H für die magnetische Feldstärke. Sie sind deshalb zur Verdeutlichung fett gedruckt, da es sich bei diesen Größen um Vektoren in den Raumrichtungen x, y und z handelt. Die beiden rechten untereinanderstehenden Gleichungen zeigen uns, dass ein rotierendes elektrisches Feld ein darauf senkrecht stehendes Magnetfeld erzeugt, und ein rotierendes Magnetfeld schafft ein senkrecht darauf stehendes elektrisches Feld mit umgekehrten Vorzeichen. Interessant hierbei ist die entgegengesetzte Drehrichtung der Felder. Daher weist die Gleichung rechts oben ein Minuszeichen auf. Es handelt sich nun um eine Rotation und die Notation hierfür ist das auf dem Kopf stehende Dreieck und das x. Das kleine t steht für die Zeit und !" !# ist die Änderungsrate in Abhängigkeit der Zeit. Für „c“ berechnete Maxwell mit den damals schon bekannten Werten der elektrischen und magnetischen Feldkonstanten die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer elektromagnetischen Welle im Vakuum und näherungsweise auch in der Luft. Er benutze die Gleichung: 𝑐 = 1 𝜖0 ∙ 𝜇0 und erhielt als Ergebnis: 3 * 108 m/s Seite 4 von 10 (5) DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Diese Zahl kannte er – es war etwas mehr als der Wert, der zu dieser Zeit mit anderen Messmethoden für die Lichtgeschwindigkeit ermittelt wurde. Er stellte einige Berechnungen an, die ihn direkt zur Wellengleichung führten. In der Wellengleichung taucht ebenfalls „c“ auf und besagt, dass das elektrische und das magnetische Feld mit derselben Geschwindigkeit gleichzeitig eine Welle darstellen können, was dieses zu einer elektromagnetischen Welle macht bei der beide Felder gemeinsam variieren. Und die Geschwindigkeit dieser Welle ist die Lichtgeschwindigkeit. Licht musste demnach auch eine elektromagnetische Welle sein. Das war neu, denn Licht brachte man bis zu diesem Zeitpunkt nun überhaupt nicht in Verbindung mit elektromagnetischen Wellen. Und nicht nur sichtbares Licht, sondern auch Wellenlängen im damaligen bereits bekannten „unsichtbaren Licht“, wie dem Ultravioletten, oder dem Infraroten, deren Wellenlängen knapp außerhalb des für das menschliche Auge sichtbaren liegen, mussten elektromagnetische Wellen sein. Maxwells Gleichungen führten insgesamt zu der Vorhersage, dass jede beliebige Wellenlänge von extrem lang bis extrem kurz – von Radiowellen und darunter über Wärmestrahlung und sichtbarem Licht bis Gammastrahlung und darüber – elektromagnetische Wellen sind die sich mit Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ausbreiten. Die Lichtgeschwindigkeit ist eine Konstante – auf Ewigkeit Die Messung der Lichtgeschwindigkeit hat eine lange Geschichte. Sie beginnt wissentlich bei Galileo Galilei um 1620 und endet 1983 mit der Festlegung eines Wertes durch die internationale Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM). Aufgrund der enormen Geschwindigkeit des Lichts war es für die frühen Astronomen und Physiker mit deren damaligen Instrumenten und mathematischen Möglichkeiten überaus schwer einen für heutige Verhältnisse plausiblen Wert zu ermitteln. Ich glaube, dass der Ausspruch: „Wir haben heute etwas Entscheidendes gelernt, wir haben eine weitere Methode entdeckt die nicht funktioniert“ zur damaligen Zeit häufig auf der Agenda stand. Mitte des 19. Jahrhunderts ermittelte Albert A. Michelson den ersten annähernd genauen Wert der Lichtgeschwindigkeit mit der Drehspiegelmethode, den er 1926 nochmals genauer spezifizierte. Das Verfahren beruhte darauf, dass Michelson Lichtstrahlen von rotierenden Spiegeln abprallen ließ. Bei seiner letzten Messreihe 1926 benutzte er achteckige Spiegeltrommeln und Spiegel über eine Distanz von 70 km. Der Lichtstrahl trifft nach seiner Reflektion an dem entfernten Spiegel wieder auf dem rotierenden Spiegel auf, allerdings nicht mehr auf dem gleichen Punkt, sondern etwas daneben, da sich der Spiegel in der Zwischenzeit ja weitergedreht hat. Die Wegstrecken, die Winkel und die Drehfrequenz des Spiegels sind bekannt, so dass sich mit dem Abstand zwischen Lichtquelle und Reflexionspunkt auf dem rotierenden Spiegel die Geschwindigkeit berechnen lässt. 1972 wurde die Boulder Gruppe vom National Bureau of Standards (NBS) in den USA beauftragt eine weitere Messung der Lichtgeschwindigkeit durchzuführen – allerdings aus einem anderen Grund: Die Einheit „Meter“ sollte neu definiert werden. Mit einem methanstabilisierten Helium-Neon-Laser gelang es der Boulder-Gruppe den Wert der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum bei: c = 299.792.458 m/s (6) zu ermitteln. Dieser Wert wurde 1983 als Konstante festgeschrieben. Selbst wenn spätere Messungen noch eine Verbesserung brächten, wäre das egal. Seite 5 von 10 DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Dieser Wert ist in Stein gemeißelt. Das hat auch seinen Grund, denn die neue Definition für das „Meter“ ist: Ein Meter ist die Strecke, die das Licht im Vakuum in einer Zeit von 1/299.792.458 Sekunden zurücklegt. Maxwells Erbe – der Mikrowellenherd Auf der Liste der Erfindungen - dank Maxwell – steht auch der Mikrowellenherd. Auch Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen die sich innerhalb des Mikrowellenherdes mit näherungsweise Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Näherungsweise deshalb, da unser Mikrowellenherd ja nicht im Vakuum betrieben wird, sondern in Luft. Allerdings bremst die Luft die Lichtgeschwindigkeit nur um etwa 0,028% - für unser Geschwindigkeitsempfinden ist das unerheblich. Entdeckt wurde das Phänomen, mit Mikrowellen Speisen zu erhitzen, eigentlich zufällig während der Entwicklung von Radaranlagen im zweiten Weltkrieg. Die ersten für den privaten Haushalt gebauten Mikrowellenherde kamen dann 1954 auf den Markt, aber zu Preisen die sich damals nur wenige leisten konnten. Heute ist der Mikrowellenherd erschwinglich und weit verbreitet. Es wird geschätzt, dass hierzulande 75% aller Haushalte einen haben. Mikrowellenherd – die wesentlichen Bestandteile Mikrowellenherde gibt es in unterschiedlichen Ausführungen. In der Regel bestehen sie aus einem Metallgehäuse mit doppelter Wand und einem innenliegenden Garraum dessen Volumen zwischen 17 und 42 Liter variieren kann. Es gibt welche mit eingebautem Grill und ohne, mit vielen vordefinierten Programmen, aber auch in der Handhabung ganz einfache Geräte. Die Tür ist ein sicherheitsrelevantes Bauteil und verhindert, dass Mikrowellenstrahlung den Herd verlassen kann. Wenn die Tür während des Betriebs geöffnet wird, schaltet eine Sicherung den Herd sofort ab. Damit man sehen kann was in der Mikrowelle passiert, ist in der Glasscheibe ein Lochblech angebracht, dessen Löcher viel kleiner sind als die Wellenlänge der elektromagnetischen Welle. Dieses Verhältnis bewirkt die Abschirmung der Strahlen nach außen. Das entscheidende Bauteil zur Erzeugung der Mikrowellen ist das Magnetron. Mit Hilfe eines Hohlleiters werden diese dann in den Garraum transportiert. Das Magnetron ist wie bereits gesagt eine Entwicklung aus der Radartechnik. Abbildung 4: Typischer Aufbau eines Mikrowellenherdes (Quelle: www.service.hea.de) Seite 6 von 10 DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G An einer Glühkathode werden Elektronen freigesetzt, die durch eine konstante Hochspannung aus einem Transformator zum metallischen Anodenring beschleunigt werden. In dem Anodenring sind Schwingkreise eingelassen. Insgesamt werden erregte, ungedämpfte elektromagnetische Schwingungen induziert in einer in den Schwingkreis eingebrachten Auskoppelspule und zwar mit einer Induktionsspannung im Gigaherzbereich. Welcher Bereich das genau ist steht im nächsten Absatz. Phänomenologie einer warmen Mahlzeit mit elektromagnetischen Wellen Oder – warum explodieren Eier? Die Erklärung findet sich im Bereich der physikalischen Chemie. Das Schlüsselwort heißt „Dipol“. Ein Dipol-Molekül ist ein elektrisch neutrales Molekül mit der Eigenschaft, dass die Elektronen unsymmetrisch verteilt sind. Daher weist das Molekül eine Polarität mit negativem und positivem Pol aus. Das Wassermolekül ist das bekannteste Beispiel eines Dipol-Moleküls und führt uns auf die Spur, warum gerade Wasser und wasserhaltige Lebensmittel die geeigneten Kandidaten für den Mikrowellenherd sind. Die Erwärmung funktioniert nämlich völlig anders als in einem Backofen oder in einer Pfanne. Während dort die zugeführte Wärme über Wärmeleitung recht langsam von außen nach innen erfolgt, erwärmt eine Mikrowelle unser Essen oder unsere Getränke sofort im gesamten Bereich der Eindringtiefe der elektromagnetischen Welle. Was passiert da? Wenn Sie Ihre Mikrowelle umdrehen und auf das Typenschild schauen, sehen Sie den Frequenzbereich den das Magnetron erzeugt. Vermutlich steht dort ein Wert von 2,45 GHz. In dieser Frequenz schwingt das elektromagnetische Feld zeitlich hin und her. Die Dipol-Moleküle, die man sich als kleinste Kompassnadeln vorstellen kann, folgen dem wechselnden Feld indem sie sich periodisch neu ausrichten und zwar entsprechend der Magnetron-Frequenz: 2,45 Milliarden Mal pro Sekunde. Dies wiederum versetzt die Wassermoleküle in Rotation. Wasser absorbiert also die elektromagnetische Strahlung und wandelt die resultierende Rotationsenergie in Wärme um. Durch die Rotation und die enge Packung der Moleküle gibt es molekulare Zusammenstöße, welche die Wärme an benachbarte Moleküle weitergeben, sodass sich die Wärme überall ausbreiten kann. Der Grad der Absorption ist eine Frage des Dipolmoments. Wasser ist ein sehr starker Dipol und wird in der Mikrowelle effizienter erhitzt als Proteine oder Fette. Übrigens - der Auftauvorgang von gefrorenem Wasser oder gefrorener Speisen dauert in der Mikrowelle recht lange. Der Grund dafür ist die mangelnde Bewegungsfähigkeit der DipolWassermoleküle im Eiskristall – da lässt es sich nur schwer rotieren. Dass der Frequenzbereich des Mikrowellenherdes bei etwa 2,45 GHz liegt hat seine Gründe. Wassermoleküle könnten zwar bis zu einem Bereich von 22,23 GHz zum Rotieren gebracht werden bevor es ihnen schwindlig wird, bei 22,23 GHz ist aber Schluss, denn da beginnt die Resonanzfrequenz und die Rotation endet. So eine hohe Frequenz wäre auch nicht günstig, da mit steigender Frequenz die Eindringtiefe abnimmt, mit der Folge, dass unser Essen nur an der Oberfläche erwärmt würde. Der andere Grund liegt im Preis des Magnetron, und im frei verfügbaren Frequenzbereich. Daher hat sich die Frequenz bei 2,45 GHz in Europa durchgesetzt. Hier müssen wir keine Frequenzgebühren bezahlen und haben eine Eindringtiefe von mehreren Zentimetern was unsere Speisen und Getränke effizient erwärmt. Das führt uns zur Eingangsfrage zurück – warum explodieren Eier? Weil ein Ei zu mehr als 70% aus Wasser besteht. Beim Rotieren der Wassermoleküle entsteht infolge der Wärmeentwicklung innerhalb der Eischale Dampf der im Ei einen Druck aufbaut – peng! Seite 7 von 10 DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Übrigens – können wir im Mikrowellenherd maximal 100 °C erreichen. Das liegt daran, dass durch die zugeführte Energie die Wassermoleküle zu sieden beginnen und bei weiterer Energiezuführung sich Dampf bildet. Dampf und Wasser können bei Umgebungsdruck und 100 °C miteinander koexistieren. Erst wenn alles Wasser bis auf den letzten Tropfen verdampft ist und gesättigter Dampf vorliegt, ist bei weiterer Energiezufuhr eine Temperaturerhöhung möglich. Im Mikrowellenherd allerdings nicht, denn diesem fehlt die Dichtheit und die Druckstabilität. Immerhin verdampft ein Liter Wasser bei Umgebungsdruck zu 1.672 Liter Dampf. Auch Röstaromen lassen sich in der Mikrowelle nicht herstellen. Diese entstehen z. B. bei Fleisch erst ab 140 °C. Ab dieser Temperatur reagieren Aminosäuren der Proteine mit Zucker zu neuen Molekülen die wir schmecken und riechen können. Daher schmeckt gegrilltes besser als gekochtes. Man sollte allerdings nicht über 175 °C gehen, denn im Verdacht stehen dann unerwünschte gesundheitsschädliche Reaktionsprodukte. Sie sollten auch bei Speisen mit geringem Wasserinhalt immer eine Espresso Tasse mit Wasser in den Garraum stellen. Das bietet eine zusätzliche Absorptionsfläche und verhindert die Zerstörung des Magnetron. Wenn Sie dann auch noch einen Löffel in die Tasse stellen erleben Sie beim Öffnen der Tür keine böse Überraschung durch einen möglichen Siedeverzug. Das ist deshalb nicht ungefährlich, da Wasser in der Mikrowelle seine Siedetemperatur erreicht haben kann ohne zu sieden. Dieser Vorgang setzt dann explosionsartig bei Erschütterung, wie z. B. beim Öffnen der Tür, ein. Die Wellenlänge und stehende Wellen Wir wollen ja den Nachweis der Lichtgeschwindigkeit und nebenbei den Nachweis der richtigen Frequenz des Magnetron anhand eines Stück Käse erbringen. Dann können wir zuerst mathematisch ermitteln, welches Ergebnis wir denn mit den bekannten Werten der Lichtgeschwindigkeit und der Frequenz unseres Mikrowellenherdes erwarten würden. Hier hilft uns der folgende physikalische Zusammenhang zwischen der Lichtgeschwindigkeit c, der Wellenlänge 𝜆 und der Frequenz f weiter, wenn wir nach der Wellenlänge suchen: 𝜆 = das ergibt: 𝜆 = 𝑐 𝑓 677.976.:;<=/? 6.:;@.@@@.@@@A/? (7) = 0,1224 m = 12,24 cm. Was fangen wir nun mit diesem Ergebnis an? Zunächst überlegen wir uns, wie sich die elektromagnetischen Wellen innerhalb des Garraumes des Mikrowellenherdes – wo sie ja bleiben - ausbreiten. Erzeugt vom Magnetron und eingeleitet über den Hohlleiter, reflektieren die elektromagnetischen Wellen an allen Wänden des Garraums. Sofern der Konstrukteur die geometrischen Abmessungen des Innenraums der Mikrowelle auf deren Frequenz abgestimmt hat, bilden sich im Garraum stehende Wellen aus. Man kann sich das am besten im eindimensionalen Feld vorstellen. Auf der einen Seite wird die elektromagnetische Welle ausgesendet und bewegt sich als Schwingung zur gegenüberliegenden Seite wo sie reflektiert wird. Da sich die Frequenz und die Amplitude im Normalfall nicht geändert hat, kommt die Welle gegenläufig wieder zurück und überlagert sich mit der Ursprungswelle. Man nennt dies Interferenz. Es entsteht jeweils an dem Ort wo die Schwingungsbäuche sich überlagern eine am Ort auf und abschwingende, nicht fortschreitende Schwingung. Seite 8 von 10 DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Abbildung 5: Stehende Wellen, Wellenbäuche und Wellenknoten (Quelle: images.google.de) Natürlich ist es in der Mikrowelle etwas komplizierter da die Reflexion von allen Seiten kommt bildet sich ein dreidimensionales Wellenbild aus. Grundlegend ist aber festzuhalten, dass der Abstand zwischen zwei stehenden Wellenbäuchen und zwei stehenden Wellenknoten die Hälfte von Lambda ist. Das ist entscheidend, da wir mit unserem Experiment diesen halben Wert von Lambda so gut es geht nachweisen wollen, das ergibt: C 6 = A6,6:E= 6 = 6,12 cm (8) Denn, an den Wellenbäuchen finden wir die Energiemaxima und an den Wellenknoten die Energieminima. Jetzt wird auch verständlich, warum in dem Mikrowellenherd die Speisen punktuell unterschiedlich warm werden, weil an den Wellenbergen (Hotspots) punktuell mehr Energie zur Verfügung steht um die Wassermoleküle in Rotation zu versetzen. Das ist auch ein Grund, warum die Ingenieure einen Drehteller in den Mikrowellenherd eingebaut haben. Dieser verhindert die punktuelle Erwärmung indem unser Essen unter den Hotspots wandert. Diesen Drehteller können wir bei unserem Versuch nun nicht brauchen. Wir wollen ja bewusst unseren Käse punktuell im Abstand Lambda/2 zum Schmelzen bringen. Seite 9 von 10 DIETER M BO SCH A I N T E N A N CE E N G I N E ER I N G Löcher im Käse – der Nachweis der Lichtgeschwindigkeit Wir haben ja bereits anhand der Lichtgeschwindigkeit und der Frequenz des Magnetron, sowie mit Lambda/2 ausgerechnet, dass wir im günstigsten Fall einen Abstand zwischen zwei Hotspots von 6,12 cm erwarten. Gemessen haben wir einen Abstand der Schmelzpunkte im Käse von 6,2 cm – natürlich ohne Fehlerbetrachtung – denn Fehlerfrei geht so eine Messung nun mal nicht. Jetzt machen wir die Gegenrechnung, denn wir wollen ja die Lichtgeschwindigkeit nachweisen. Hier hilft uns wieder der bereits erwähnte physikalische Zusammenhang zwischen der Lichtgeschwindigkeit c, der Wellenlänge 𝜆 und der Frequenz f, wenn wir nach der Lichtgeschwindigkeit suchen: 𝑐 = 𝜆 ∙ 2 ∙ 𝑓 (9) das ergibt: 𝑐 = 0,062𝑚 ∙ 2 ∙ 2.450.000.0001/𝑠 = 303.800.000 m/s Das ist ein großartiges Ergebnis und liegt sehr nahe am festgelegten Wert der Lichtgeschwindigkeit mit 299.792.458 m/s. Wir haben heute etwas Entscheidendes gelernt. Wir haben eine Methode entdeckt die funktioniert. Übrigens – dieses Experiment gelingt auch mit anderen Käsesorten, mit Schokolade, oder mit Thermopapier. Doch Vorsicht, Schokolade mit Rosinen führt zu einem intensiven Reinigungsaufkommen im Garraum bei maximaler Verstimmung der Hausfrau. Viel Spaß beim nachvollziehen des Experiments. Literaturverzeichnis: Tolan, Metin (2016): Die Star Trek Physik, Piper Verlag Stewart, Ian (2012): Welt-Formeln, Rowohlt Verlag Gribbin, John (2007): Schrödingers Kätzchen, auf der Suche nach der Wirklichkeit, Fischer Verlag Bergmann / Schäfer (1999): Elektro-Magnetismus, Lehrbuch der Experimentalphysik, Walter de Gryter Verlag Müller, Rainer (2014): Thermodynamik, Walter de Gryter Verlag Kontakt: [email protected] Seite 10 von 10