pfizer arzneimittelinnovation

Werbung
Arzneimittelinnovationen
Fortschritte für mehr Gesundheit
Vorwort
„ Jede Entdeckung auf dem Gebiet der Medizin durch­
läuft drei Stufen. Wenn man sie bekannt gibt, sagen
die Leute: ‚Das ist nicht wahr.‘ Wenn sich ihnen dann
etwas später die Wahrheit aufgedrängt hat, so dass
sie sich nicht länger leugnen lässt, sagen sie: ‚Das
ist nicht so wichtig’. Wenn schließlich ihre Wichtig­
keit genügend zutage tritt, sagen sie: ‚Das ist nichts
Neues.‘ “ (Dr. L. J. Harris)
Das Bessere ist Der FeinD Des Guten.
Diese Formel steht für das Innovationsstreben einer
modernen Gesellschaft. Innovationen verändern und
verbessern nicht nur unser Leben. Sie sorgen vor
allem dafür, dass wir mit den Herausforderungen der
sich weiterentwickelnden Welt immer besser fertig
werden. Innovationen sind auch für unser Gesund­
heitssystem unentbehrlich.
Es besteht jedoch die Gefahr – und einzelne
Entscheidungen wie die Nichtanerkennung des
erzielten therapeutischen Fortschritts zeigen dies
bereits –, dass medizinische und pharmakologische
Innovationen durch zunehmende Fokussierung auf
kurzfristige Einsparpotenziale behindert werden.
Insbesondere im Arzneimittelsektor sollen Ein­
sparungen erzielt werden, gerade auch durch den
Verzicht auf solche Arzneimittel, die, wie es heißt,
nur einen geringfügigen bzw. keinen therapeutischen
Zusatznutzen gegenüber einem als Erstsubstanz
eingeführten Präparat einer Substanzklasse auf­
weisen würden.
Handelt es sich hierbei um Arzneimittel, auf die wir
problemlos verzichten können, weil sie die Patienten­
versorgung nur unnötig verteuern? Oder bedeuten
sie therapeutischen Fortschritt und für den Patienten
eine optimierte, auf seine individuellen Bedürfnisse
abgestimmte Therapiemöglichkeit, so dass sie damit
die Basis für eine effektive Behandlung bilden können?
Ob in der Arzneimittelforschung nur die Quanten­
sprünge Erfolge erzielen oder ob nicht gerade auch
die vermeintlich kleinen Verbesserungen, die sog.
Schrittinnovationen, oft zu großem Erfolg und damit
zu Fortschritt führen, bleibt weiterhin ein zentrales
Thema der Gesundheitspolitik. Mit dieser 2. Auflage
der Broschüre „Arzneimittelinnovationen ­ Fort­
schritte für mehr Gesundheit“ möchten wir daher
besonders hervorheben, welchen Wert Schrittinnova­
tionen für die Gewinnung von Erkenntnissen und die
bessere Versorgung von Patienten haben. Wir können
dies mit dieser kleinen Sammlung von interessanten
und teilweise auch ganz aktuellen Forschungsbeispie­
len sehr gut zeigen.
Mit dem IGES ­ Institut für Gesundheits­ und Sozial­
forschung in Berlin hatten wir bei der Erstellung
dieser Broschüre wieder einen kompetenten und
geschätzten Partner. Dafür sei an dieser Stelle herz­
lich gedankt.
Karlsruhe, im Oktober 2006
Michael Klein
Vice President External Affairs & Legal
Pfizer Deutschland GmbH
Inhalt
Vorwort
2
Fortschritt entsteht durch stetige Verbesserungen
4
Schrittinnovationen – ein wesentlicher Beitrag
zum medizinischen Fortschritt
6
Neue Therapiechancen durch innovative Wirkstoffe
8
Maßgeschneiderte Therapieverfahren:
Bessere Wirksamkeit für den Einzelnen
10
Klinischer Wert von Arzneimittel­Verbesserungen
12
Forschende Arzneimittelindustrie und
ihr Beitrag für das Gesundheitswesen
16
Zusammenfassung
18
Literatur
19
IMPRESSUM
Herausgeber: Pfizer Deutschland GmbH,
Abteilung Policy Affairs
In Zusammenarbeit mit: IGES Institut für Gesundheits­
und Sozialforschung, Berlin
Layout & Design: sons media GmbH
Fortschritt entsteht durch
stetige Verbesserungen
Fortschritt wird nicht nur durch die großen Würfe erreicht, sondern auch durch kontinuierliche
Weiterentwicklung des einmal Erreichten, also auch durch schrittweise Innovationen. Zahlreiche
kleine Schritte erreichen in ihrer Gesamtheit vielfach ebenso viel wie einzelne „Sprunginnovationen“. Jeder kennt das aus der Technik, wenn man beispielsweise die Entwicklung der Luftfahrt
oder Telekommunikation betrachtet. Vergleichbares gilt auch in der Pharmakologie.
Die Zahl an Krankenhaustagen sinkt am raschesten
bei den Erkrankungen, für welche die Medikamenten­
verordnungen, vor allem die Verordnungen innova­
tiver Medikamente, am stärksten ansteigen (10).
In jeder Weiterentwicklung stecken Investitionen, die
sich auszahlen müssen. Innovationen kosten Geld.
Notwendigen Aufwendungen stehen – wie bei jeder
Investition – auf der anderen Seite erwartete Erträge
gegenüber. In der Arzneimitteltherapie bestehen
diese Erträge sowohl im therapeutischen Nutzen des
Arzneimittels für den Patienten (und seine Ange­
hörigen), als auch in den möglichen Einsparungen
an Aufwendungen, die ohne dieses neue Mittel
angefallen wären. Bei allen Innovationen erhebt
sich gleichzeitig die Frage, wie viel Fortschritt wir
tatsächlich brauchen. Und: Welche Innovation bringt
die medizinische Versorgung wirklich voran? Reicht
es aus, sich auf die seltenen, großen Durchbrüche
(„Sprung­Innovationen“), also die Entwicklung einer
neuen Substanzklasse oder eines neuen Therapie­
prinzips, zu verlassen?
Ein Beispiel für eine „Sprung-Innovation“ sind
Prostaglandin-Analoga zur Therapie des grünen Stars
mit dem erstzugelassenen Wirkstoff dieser Gruppe,
Latanoprost. Die Vorteile: deutlich stärkere Augen­
drucksenkung, einmal tägliche Anwendung (bessere
Therapietreue) und weniger systemische Nebenwir­
kungen als die bisherigen Medikamente. Aufgrund
von Langzeitdaten ist Latanoprost nunmehr auch
ein Wirkstoff für die Erstanwendung (22).
Fortschritt findet dort statt, wo es einen Wettbewerb
um die beste Lösung für ein Problem gibt. Das wird
selten in Sprüngen erreicht. Der Weg dorthin ist
mühsam, risikoreich und muss konsequent verfolgt
werden. Auch kleine Schritte helfen hier weiter.
Zudem führen die einzelnen Entwicklungsschritte
zu unterschiedlichen Lösungen. In der Arzneimittel­
forschung beispielsweise zu mehreren Substanzen
einer Wirkstoffklasse. Diese werden allerdings nicht
alle gleichermaßen zum Fortschritt beitragen, einige
sind möglicherweise „nur“ anders, andere dagegen
echte Fortschritte.
Die Kostenträger bewegt die Frage, ob zu viele und
möglicherweise verzichtbare Arzneimittel die Aus­
gaben nicht unnötig in die Höhe treiben. Warum also
nicht das erste auswählen und die anderen unbe­
rücksichtigt lassen? Dagegen sprechen zahlreiche
Argumente:
• Viele schrittweise vollzogene Veränderungen
ergeben in ihrer Gesamtheit beachtliche zusätzliche
Therapiemöglichkeiten, die in ihrem Ausmaß
mit dem Fortschritt durch Sprunginnovationen
vergleichbar sein können.
• Wenn eine Substanz einer Wirkstoffgruppe zum
Beispiel wegen schwerer Nebenwirkungen vom
Markt genommen werden muss, besteht die
Möglichkeit, dass andere, besser verträgliche
Substanzen dieser Gruppe an ihre Stelle treten –
in der Vergangenheit oftmals ein „Rettungsanker“
für den Erhalt des Therapieprinzips und damit
auch für Ärzte und Patienten.
• Verschiedene, in ihren Wirkungen, Wechsel­
wirkungen mit anderen Arzneimitteln und
möglichen unerwünschten Wirkungen voneinander
abweichende Behandlungsalternativen innerhalb
derselben Wirkstoffgruppe erlauben dem Arzt
eine individuell besser abgestimmte Behandlung
des Patienten.
Auf die systematische Klassifizierung von Arzneimit­
teln und auf die Betonung der pharmakologischen
Gemeinsamkeiten einer Klasse kann aus Gründen
der Übersicht nicht verzichtet werden. Dies darf
jedoch nicht dazu verleiten, alle Arzneimittel, die
der Leitsubstanz einer Gruppe folgen, von vornherein
als lediglich nachahmende „Me­too“­Präparate ohne
zusätzlichen Wert anzusehen. Der Wert – auch der
innovative – eines neuen Arzneimittels kann oft bei
seiner Einführung in den Markt noch nicht abschlies­
send beurteilt werden. Und es gibt Beispiele, die
zeigen, dass ursprünglich als Nachahmer ohne
innovativen Charakter gewertete Arzneimittel schließ­
lich als Pioniere einer ganz neuen Wirkstoffklasse
anzusehen waren. Für die Patienten können selbst
Änderungen, die nur als kleine wissenschaftliche
Fortschritte erachtet werden, nicht selten zu einer
erheblichen Verbesserung der Therapie beitragen.
Im Folgenden werden konkrete Beispiele angeführt,
die zeigen, dass die Weiterentwicklung bewährter
Arzneimittel für die Patienten und die Kostenträger
tatsächlich von Nutzen sein kann. Eine a­priori­
Pauschalbeurteilung von Arzneistoffen einer Arznei­
stoffgruppe ist weder unter theoretischen noch
unter praktischen Gesichtspunkten wissenschaftlich
gerechtfertigt.
• Die Verbesserungen einzelner Substanzen hin­
sichtlich Wirkung, Nebenwirkungen, Behandlungs­
spektrum oder Einnahmemodalitäten lassen sich
meist nur durch stufenweise Abwandlungen
erreichen. Davon zeugen die vielen Medikamente,
die man der so genannten zweiten oder dritten
Generation einer Wirkstoffklasse zurechnet.
Schrittinnovationen –
ein wesentlicher Beitrag zum
medizinischen Fortschritt
Die Einführung eines gänzlich neuen medikamentösen Behandlungsprinzips ist ein relativ seltenes Ereignis. Neben der Suche nach völlig neuen Wirkprinzipien kann auf den kontinuierlichen
pharmazeutischen und pharmakologischen Fortschritt durch Abwandlungen bekannter Prinzipien
nicht verzichtet werden.
Beispiel astemizol
Beispiel eplerenon
Das zunächst viel versprechende Antiallergikum
musste wegen Nebenwirkungen vom Markt genom­
men werden. Als „Ersatz“ dienten später entwickelte,
aber besser verträgliche Präparate der gleichen
Stoffgruppe.
Am Vorgänger Spironolacton war das Interesse fast
schon erloschen, als sich zeigte, dass die Substanz bei
Patienten mit schwerer chronischer Herzschwäche das
Überleben verbessern kann. Die geringe Selektivität
führte zu Nebenwirkungen. Die Entwicklung des
Eplerenons, einer selektiveren Substanz dieser Klasse,
bereichert heute die Therapie.
Beispiel DiGoxin
Nur ganz selten wird ein Arzneimittel über Jahrzehnte
unverändert eingesetzt. Ein Beispiel ist das Herzmit­
tel Digoxin, ein Inhaltsstoff des Roten Fingerhutes.
Obwohl die Nebenwirkungen beträchtlich sind, hat
Digoxin immer noch seinen Platz bei bestimmten
Formen der Herzkrankheit. Hier gelang es trotz großer
Bemühungen nicht, das Molekül so abzuwandeln,
dass der Nutzen erhalten bleibt, die Nebenwirkungen
jedoch reduziert werden. Mit anderen Substanzen
dagegen gelang tatsächlich genau dieser Spagat.
Beispiel penizillin
Die Arzneimittellehre führt zahllose Verbesserungen
bestimmter Substanzen an, so beispielsweise des in
Schimmelpilzen entdeckten Penizillins G. Wären hier
nicht Abwandlungen gelungen, gäbe es vermut­
lich heutzutage kaum noch einen Keim, der darauf
anspricht. So aber sind neuere Penizilline auch heute
noch vielfach wirksam, gegen ein viel breiteres Keim­
spektrum als das ursprüngliche Penizillin.
In einigen Fällen zeigen sich spezielle Wirkungen von
Medikamenten erst, wenn sie schon fast in Verges­
senheit geraten sind, wie im Fall von Spironolacton.
Dieser so genannte Aldosteron­Antagonist, der in
Deutschland bei einer Erhöhung eines Hormons der
Nebenniere, des Aldosterons, (sog. Hyperaldostero­
nismus) zugelassen ist, schien durch die Neuentwick­
lung gezielt wirkender und nebenwirkungsärmerer
ACE­Hemmer oder Angiotensin­Rezeptorantagonisten
weitgehend überholt zu sein. Eine Studie zeigte
jedoch, dass Spironolacton dazu beitragen kann, bei
Patienten mit chronischer, schwerer Herzinsuffizienz
(Herzmuskelschwäche) die Sterblichkeit zu senken.
Nebenwirkungen stellten allerdings noch immer ein
Problem dar: Spironolacton greift in den Geschlechts­
hormonhaushalt ein und führt beispielsweise bei
Männern zu unnatürlichem Brustwachstum. Durch
Forschung wurde die Substanz Eplerenon entwickelt,
ein nunmehr selektiverer Aldosteronblocker.
Eine groß angelegte Studie zeigte, dass Eplerenon
über eine mortalitätssenkende Wirkung nach akutem
Herzinfarkt bei Patienten mit Pumpschwäche des
Herzens verfügt (18). Damit steht einem bestimmten
Patientenkreis eine Substanz mit geringeren Neben­
wirkungen zur Verfügung, bei der nicht mehr mit
einem vermehrten Brustwachstum zu rechnen ist.
Innovationen beziehen sich aber nicht nur auf die
Wirkung. So banal es klingt: Eine Substanz kann
nur wirken, wenn der Patient sie auch einnimmt.
Deshalb können Weiterentwicklungen auch dann
eine Therapieverbesserung darstellen, wenn sie die
Einnahmetreue erhöhen. Beispielsweise lässt sich dies
dadurch erreichen, dass der Patient ein Medikament
nur noch einmal statt dreimal täglich einnehmen
muss, dass er statt Tabletten ein Pflaster verwen­
den kann oder nicht mehr spritzen muss, sondern
inhalieren kann. Das ist besonders bei chronischen
Erkrankungen wie Herzkrankheiten, hohem Blutdruck
oder Diabetes wichtig, vielleicht sogar therapie­
entscheidend.
Die Entwicklung darf nicht stehen bleiben, wenn ein
neuer Wirkstoff auf den Markt kommt. Selten handelt
es sich bei diesem gleich um die ideale Substanz,
meist besteht noch Verbesserungsbedarf, um die Wir­
kung zu steigern, die Nebenwirkungen zu reduzieren
oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
zu verhindern. Viele Weiterentwicklungen tragen
durch ihren Einfluss auf die Gesamtheit dieser Fak­
toren auch zur Ökonomisierung der Behandlung bei.
Neue Therapiechancen
durch innovative Wirkstoffe
Die medizinische Forschung entwickelt immer wieder vollständig neue Behandlungsansätze durch
innovative Substanzen, welche die Behandlungschancen für die einzelnen Betroffenen deutlich
erweitern. Die Entwicklung darf jedoch nicht bei einer einzigen Substanz stehen bleiben, da die
Sicherung des gewonnenen Behandlungserfolges durch Weiterentwicklung bzw. Parallelforschung
in der Stoffgruppe essenziell sein kann.
Ein Beispiel für eine Meilensteinentwicklung ist die
medikamentöse Therapie der Alzheimer­Krankheit
(Morbus Alzheimer). Morbus Alzheimer bedeutet
einen kontinuierlichen Abbau der geistigen Fähig­
keiten (Demenz) und eine Veränderung der Persön­
lichkeit. Die Patienten verlieren im Krankheitsverlauf
das Gedächtnis und können sich immer schlechter
zeitlich und örtlich orientieren. Früher oder später
werden in der Regel Pflege und Betreuung rund um
die Uhr notwendig. An der Demenz vom Alzheimer­
Typus erkranken 10 Prozent der über 65­Jährigen,
wobei die Häufigkeit mit zunehmendem Alter an­
steigt. Derzeit wird die Zahl der erkrankten Menschen
auf über eine Million in Deutschland geschätzt.
Die Ursachen liegen noch weitgehend im Dunkeln.
Um 1970 entdeckte man jedoch die wichtige Rolle des
Nervenbotenstoffs Acetylcholin im Krankheitsgesche­
hen. Das veranlasste zur Suche nach Stoffen, die die
Acetylcholinkonzentration im Gehirn beeinflussen.
Die Forscher sahen sich mit zahlreichen Schwierig­
keiten konfrontiert, denn dieser so genannte Trans­
mitter ist im Körper fast überall anzutreffen. Für die
Behandlung des Morbus Alzheimer sollte er jedoch
nur in bestimmten Gebieten des Gehirns erhöht wer­
den und im übrigen Körper möglichst unangetastet
bleiben.
Sicherung des Fortschritts durch parallele Forschung:
Der Alzheimer-Wirkstoff Donepezil wäre heute nicht
verfügbar, wenn die Entwicklung der Cholin­
esterasehemmer nach einem ersten Misserfolg mit
einer anderen Substanz eingestellt worden wäre.
Bis zur Zulassung entsprechender Medikamente
verging ein Vierteljahrhundert. Zwar wurden mehrere
viel versprechende Wirkstoffe gefunden, so genannte
Cholinesterasehemmer, die den Abbau von Acetylcho­
lin blockieren. Jedoch stellten sich wiederholt schwere
Nebenwirkungen ein, so dass die Entwicklung dieser
Substanzen nicht weiter verfolgt wurde. Der Kreis
der zugelassenen Cholinesterasehemmer beschränkte
sich daher zunächst auf Tacrin, das als erstes die
Zulassung erhielt. Darauf folgten Donepezil, dann
Rivastigmin und zuletzt Galantamin.
Tacrin, die erste Substanz dieser neuen Wirkstoff­
klasse, musste viermal täglich eingenommen werden,
was bei Patienten mit Gedächtnisstörungen erheb­
liche Schwierigkeiten bereiten kann. Der Wirkstoff
spielt außerdem heute wegen seltener schwerer
Nebenwirkungen, insbesondere Leberschäden, keine
Rolle mehr (24). Bei den anderen Substanzen war die
Einmalgabe möglich geworden, die unerwünschten
Wirkungen traten deutlich weniger oder gar nicht
auf. Ein Beleg dafür, wie Parallelentwicklungen einen
einmal erreichten Schritt absichern und die Therapie
für einen größeren Patientenkreis verfügbar machen
können.
Mit der bisher möglichen Behandlung durch die
Cholinesterasehemmer ist zwar ein erster Schritt
getan, aber eine durchgreifende Therapie der Alz­
heimer­Krankheit mit deutlicher Verbesserung der
Krankheitszeichen bei weitem noch nicht erreicht.
Hier ist die innovative Forschung in besonderem
Maße gefordert.
Durch die Parallelentwicklungen stehen für die
Behandlung der Alzheimer­Krankheit Wirkstoffe mit
akzeptablem Nebenwirkungsprofil zur Verfügung. Der
einmal erreichte Forschungserfolg kann durch eine
Neu­ oder Weiterentwicklung abgesichert werden,
indem Parallelentwicklungen als Alternativen zur
Verfügung stehen. Ob eine Substanz in der Patien­
tenversorgung tatsächlich überlegen ist, zeigt sich
vielfach erst im Lauf der Zeit.
Maßgeschneiderte
Therapieverfahren: Bessere
Wirksamkeit für den Einzelnen
10
Ein und dasselbe Krankheitsbild wirkt sich bei ver­
schiedenen Menschen unterschiedlich aus. Bei einem
kommt eine Begleitkrankheit hinzu, beim anderen ein
wichtiger Risikofaktor wie beispielsweise eine erbliche
Komponente, beim dritten hohes Alter. Entsprechend
individuell sollte die Behandlung sein. Stehen für ein
Wirkprinzip verschiedene Stoffe zur Auswahl, erlaubt
dies eine bessere Anpassung an die Notwendigkeiten.
Nicht alle individuellen Merkmale einer Substanz,
wie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
oder bestimmte Auswirkungen auf den Stoffwechsel,
sind für jeden einzelnen Patienten gleichermaßen
relevant. Nimmt er keine weiteren Medikamente ein,
kann das Spektrum von Wechselwirkungen weitge­
hend unberücksichtigt bleiben. Auch die Wirkungs­
stärke des Präparates spielt eine wichtige Rolle bei
der Auswahl für einen individuellen Patienten. Je
nachdem, wie stark der Cholesterinspiegel gesenkt
werden soll, wird dies die Wahl des Arztes zwischen
verschieden wirksamen, aber auch verschieden lang
bewährten Substanzen leiten. Zudem ist die unter­
schiedliche Wirkdauer für eine maßgeschneiderte
Behandlung von Bedeutung. Langwirksame Prä­
parate, die nur einmal täglich, am besten zu einer
beliebigen Uhrzeit, eingenommen werden können,
machen es den Patienten einfacher, Medikamente
zuverlässig einzunehmen.
Erst mit einer neuen Arzneimittelgruppe – den
Statinen – gelang es, selbst stark erhöhte Choleste­
rinspiegel deutlich zu senken und damit nicht nur
das Fortschreiten arteriosklerotischer Herz­ oder
Gefäßerkrankung zu bremsen, sondern sogar den
Entstehungsprozess wieder zurückzudrehen. Eine
notwendige Statin­Therapie kann nachgewiesener­
maßen die Sterblichkeit senken, weil die Kompli­
kationen durch einen erhöhten Cholesterinspiegel
vermindert werden – das bedeutet für viele Menschen
einen Gewinn an Lebensjahren. Besonders bei sehr
hohem Risiko, zum Beispiel aufgrund von bestehenden
Herzkrankheiten oder Diabetes mellitus und sogar bei
Risikopatienten mit normalen LDL­Cholesterinwerten,
senken Statine relativ gesehen die Sterblichkeit an
Herzinfarkten und Schlaganfällen um ein Drittel (9),
verglichen mit Nichtbehandelten.
Statin ist nicht gleich Statin. Die einzelnen Statine
senken den Cholesterinspiegel in unterschiedlichem
Ausmaß (1, 8, 9, 19). Bei Patienten mit Herz-Kreis­
lauf-Erkrankungen kann insbesondere die Wirk­
samkeit der LDL-Cholesterin-Senkung und auch die
Schnelligkeit der einsetzenden Wirkung für eine
erfolgreiche Therapie entscheidend sein. Die Vorteile
von Atorvastatin bei Patienten mit Herz-KreislaufErkrankungen in der Wirksamkeit bei gleichzeitig
guter Verträglichkeit werden durch viele klinische
Studien gestützt (20, 21).
Beispiel FettstoFFwechselstörunGen
Der Mensch ist für den heutigen Lebensstil mit
Bewegungsarmut und Lebensmittelüberfluss nicht
geschaffen. Entsprechend verbreitet sind dadurch
verursachte Fettstoffwechselstörungen wie ein zu
hoher Cholesterinspiegel. Sie sind anerkanntermaßen
ein wesentlicher Risikofaktor für die Arteriosklerose.
Aus ihr entwickeln sich Herzkrankheiten bis zum
Infarkt, Schlaganfälle oder Gefäßverschlüsse in den
Beinen: Cholesterin lagert sich an den Gefäßwänden
ab, ruft Entzündungsreaktionen und Gerinnungspro­
zesse hervor, die schließlich das Blutgefäß vollständig
verschließen können. Das von der Blutversorgung
abgeschnittene Gewebe stirbt ab.
Die Substanzen einer Wirkstoffklasse unterscheiden
sich beispielsweise hinsichtlich Anflutungszeit am
Wirkort, Wirkstärke, Wirkdauer, Ausscheidungsweg,
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Alko­
hol oder Nahrungsmitteln sowie hinsichtlich ihrer
Nebenwirkungen. Die einzelnen Aspekte sind für
jeden Patienten, aber auch für einzelne Krankheits­
situationen unterschiedlich bedeutsam. Hier ist
es vorteilhaft, wenn verschiedene Substanzen zur
Verfügung stehen. Mit den verschiedenen Wirkstof­
fen der Klasse der Statine kann der Arzt eine auf die
Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Therapieent­
scheidung treffen.
11
Klinischer Wert von
Arzneimittel-Verbesserungen
1
Die Entwicklung eines neuen Arzneimittels ist zeit­
aufwändig und risikoreich. Sie kostet zunächst Geld
und Ressourcen. Dennoch helfen gerade innovative
Medikamente, Kosten einzusparen – beispielsweise
durch verringerte Krankenhausaufenthalte, vermin­
derten Pflegebedarf oder geringere Kosten für die
Behandlung von Nebenwirkungen.
Beispiel BluthochDruck (hypertonie)
Es gibt wenige Medikamenten­Neueinführungen, bei
denen sich nicht kritische Stimmen zu den damit ver­
bundenen Arzneimittelkosten erheben. Statt nur auf
die Arzneimittelkosten zu schauen, sind alle mit der
jeweiligen Krankheit verbundenen Kosten im Gesund­
heitswesen zu berücksichtigen. Um dieser Diskussion
eine sachliche Grundlage zu geben, werden heutzuta­
ge in Studien umfassende Daten zu diesen Aspekten
erhoben – wie beispielsweise im Falle der Alzheimer­
Erkrankung (2, 6, 7, 11, 12). Sie stellen den Kosten
des neuen Arzneimittels die üblichen Behandlungs­
kosten eines alternativen Arzneimittels oder anderer
Verfahren gegenüber. Zunehmend gelangt auch der
tatsächlich realisierte Zugewinn an Nutzen für den
Einzelnen ins Visier der Forschung. Beispiele hierfür
sind der Bluthochdruck und Diabetes mellitus.
Jeder fünfte Erwachsene in den Industrieländern hat,
häufig ohne es zu wissen, einen zu hohen Blutdruck.
Bei den über 50­Jährigen ist in Deutschland fast jeder
Zweite ein Hypertoniker.
Hoher Blutdruck bereitet selbst keine Beschwerden,
ist aber ein entscheidender Risikofaktor für einen
vorzeitigen Herztod und für den Schlaganfall, der
zu Tod oder schwerer Behinderung führen kann. Das
Fehlen von Beschwerden beeinträchtigt die Behand­
lungstreue.
Die Behandlung ist noch immer unzureichend: Von
100 Patienten mit hohem Blutdruck wird dieser nur
bei 50 erkannt und nur bei 25 Patienten behandelt.
Auch bei den behandelten Patienten werden die in
Leitlinien empfohlenen Blutdrucksenkungen bei
bis zu drei Viertel der behandelten Patienten nicht
erreicht. Ein wesentlicher Grund kann die fehlende
Mitarbeit der Patienten sein. Es fällt den Betroffenen
schwer, die Therapie langfristig und kontinuierlich
durchzuhalten. Sie haben keine Beschwerden durch
den Bluthochdruck, verspüren subjektiv durch die
Tabletteneinnahme keine Besserung, möglicherweise
aber eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität durch
Nebenwirkungen. Je geringer die Nebenwirkungsrate
und je komfortabler die Einnahme (zum Beispiel nur
einmal statt dreimal täglich), desto günstiger ist die
Patientenmitarbeit, Therapietreue und damit die
Prognose.
Pro Jahr sterben in Deutschland rund 400.000
Menschen an Herz­ und Gefäßkrankheiten: Bei über
40 Prozent der verstorbenen Männer und bei knapp
60 Prozent der verstorbenen Frauen wurde der Tod
durch eine Herz­ oder Gefäßkrankheit verursacht (25).
Die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen steigt
exponentiell mit der Höhe des arteriellen Blutdrucks.
Das muss nicht schicksalhaft sein, denn die Komplika­
tionen des Bluthochdrucks lassen sich mit modernen
Arzneimitteln wirksam reduzieren.
Selten lässt sich der Bluthochdruck mit nur einem
Medikament wie einem Betablocker oder einem
Diuretikum (harntreibendem Mittel) ausreichend gut
einstellen. Die Entwicklung weiterer Substanzklassen
wie der Kalzium­Kanalblocker, der ACE­Hemmer und
der AT1­Rezeptorantagonisten erweiterte das Be­
handlungsspektrum deutlich, zumal unterschiedliche
Kombinationen möglich werden. Damit wird nicht
nur durch die Kombination eine bessere Blutdruckre­
gulierung erlaubt, sondern auch die Behandlung bei
häufigen Begleiterkrankungen optimiert.
Für die Langzeitprognose ist ausschlaggebend, wie
lange der Blutdruck wie stark gesenkt wird – eine
kurze, intensive Wirkung kommt diesem Ziel noch
nicht nahe. Zudem belastet die Nebenwirkung der
rasch wirkenden Ausgangssubstanz, der Pulsanstieg,
das Herz.
Die nächste Generation der Kalzium­Kanalblocker
zeigte zwar eine verlängerte Blutdruckwirkung, aber
immer noch blieb die Nebenwirkung des Pulsanstiegs
bestehen. Bei der dritten Generation gelang nicht
nur, eine Verzögerung des Wirkungseintritts und eine
noch länger anhaltende Blutdrucksenkung zu errei­
chen, sondern auch den unerwünschten Pulsanstieg
zu vermeiden.
Einzelne Substanzklassen machen grundlegende
Weiterentwicklungen durch, wie sich am Beispiel der
Kalzium­Antagonisten zeigen lässt. Durch konse­
quente Weiterentwicklung wurde das Wirkprinzip
optimiert und die Nebenwirkungen verringert.
Die Ausgangssubstanz Nifedipin wirkt rasch und
effektiv, aber nur kurz.
1
Beispiel DiaBetes
Bereits seit Entdeckung des Insulins für die Therapie
sucht man nach Alternativen für die Anwendung
per Spritze. Die verschiedensten Applikationswege
wurden geprüft – und verworfen. Jetzt endlich steht
den Patienten die Anwendung per Inhalation zur
Verfügung.
Die moderne bequeme Lebensweise, Bewegungsman­
gel und ein Nahrungsüberangebot lassen erwarten,
dass jeder Dritte einen Typ­2­Diabetes entwickeln
wird. Zudem gibt es einen Trend, dass der Typ­2­
Diabetes, einst als Altersdiabetes bezeichnet, schon
in jüngeren Jahren auftritt. Bei vielen dieser Pati­
enten wird möglicherweise eine Insulintherapie er­
forderlich sein, da die krankheitsbedingten erhöhten
Blutzuckerwerte mit Diät und Tabletten nicht mehr
zu regulieren sind. Viele Patienten haben jedoch
Vorbehalte gegenüber einer Insulintherapie, weil
sie Insulin nicht spritzen wollen. Dadurch wird unter
Umständen die prinzipiell sinnvolle Insulintherapie
hinausgezögert. Eine solche Verzögerung kann beson­
ders bei jüngeren Typ­2­Diabetikern problematisch
sein, denn bei ihnen ist das Risiko am höchsten, dass
sich durch einen schlecht eingestellten Stoffwechsel
Spätfolgen wie Erblindung, Schlaganfall und Nieren­
versagen entwickeln.
1
Fast ebenso lange, wie Insulin in der Diabetes­
Behandlung eingesetzt wird, versuchen Forscher,
einen anderen Applikationsweg als die Spritze zu
finden. Das erste inhalative Insulin ist seit Mai 2006
in Deutschland erhältlich. Es wird mit Hilfe eines
speziellen Dosiersystems eingeatmet, so dass das
Insulin über die Lungenbläschen die Blutbahn
erreichen kann.
Die Anwendung über das Einatmen bietet vor allem
den Vorteil, dass die psychologische Hemmschwelle
entfällt, sich selbst eine Spritze geben zu müssen.
Die Entwicklung des inhalativen Insulins war nicht
einfach. Ihr Beginn reicht bereits Jahrzehnte zurück
und scheiterte meist an den seinerzeit noch nicht
verfügbaren technischen Möglichkeiten. Wird Insulin
nach Gabe mit dem Inhalator über die Lunge ins
Blut aufgenommen, ist die Wirkung vergleichbar mit
injiziertem Insulin.
Viele Patienten empfinden das Spritzen als unan­
genehm und versuchen vermutlich, es so lange wie
möglich hinauszuzögern. Das kann bedeuten, dass
der Blutzucker nicht optimal eingestellt wird und
mögliche negative Folgen für die Patienten durch die
Entwicklung diabetestypischer Komplikationen nicht
auszuschließen sind.
Die Widerstände der Patienten gegen eine Insulin­
behandlung, die mit dem Spritzen verbunden sind,
könnten durch inhalatives Insulin bei Typ­2­Diabeti­
kern möglicherweise verringert werden. Wenn sie
ein solches innovatives Produkt zur Auswahl bekä­
men, stimmten in einer Untersuchung 43 Prozent der
befragten Patienten einer Insulintherapie zu, jedoch
waren es nur 16 Prozent, wenn allein die konventio­
nellen Spritzen angeboten würden (26).
Kontinuierliche Arzneimittelverbesserungen sind die
Basis für eine effektivere und damit kostengünstigere
Behandlung. Die Kosteneinsparungen ergeben sich
beispielsweise durch Vermeidung oder Verringerung
von Folgeschäden, durch seltenere oder verkürzte
Krankenhausaufenthalte, weniger Nebenwirkungen,
die unter Umständen eine Behandlung erfordern,
geringere Fehlzeiten durch Arbeitsunfähigkeit oder
eine längere Lebensarbeitszeit. Arzneimittelver­
besserungen tragen nicht nur zu Einsparungen der
Behandlungskosten bei, sondern wirken sich auch
auf andere Bereiche der Sozialversicherung positiv
aus. Beispielsweise kann sich der Pflegeaufwand
verringern oder Frühberentungen und Kosten für
die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt können
vermieden werden.
1
Forschende Arzneimittelindustrie
und ihr Beitrag für
das Gesundheitswesen
Innovationen, die von der forschenden Arzneimittel­
industrie entwickelt werden, kommen dem Gesund­
heitswesen zugute. Innovation bedeutet nicht nur
Entwicklung neuer Therapieprinzipien, sondern auch
deren Weiterentwicklung. Zum Beispiel durch gestei­
gerte Wirkung oder Fokussierung auf einzelne Krank­
heitsbilder. Das Gesundheitswesen profitiert darüber
hinaus auch vom Wettbewerb der Forscher um die
beste Lösung. Unterschiedliche Anbieter garantieren
einen marktgerechten Preis. Erfahrungsgemäß dreht
sich durch konkurrierende Neueinführungen die
Preisspirale nach unten, also in Richtung kostengün­
stiger Behandlung (3, 5, 10).
Die Entwicklung eines neuen Medikamentes erfordert
immer mehr Zeit, unter anderem durch die stetig
ansteigenden Anforderungen an Prüfungen und die
immer umfangreicheren Testungen in Frage kommen­
der Moleküle. Die Grundlagenforschung eröffnet neue
Behandlungswege, die meist von mehreren Firmen
gleichzeitig verfolgt werden. So entsteht zwischen
verschiedenen Firmen ein Wettlauf mit der Zeit. Das
erste zur Marktreife gelangende Produkt ist jedoch
nicht unbedingt das beste. Wie in den vorangegan­
genen Beispielen geschildert, hat jede Substanz einer
Wirkstoffklasse ein eigenes Profil, mit bestimmten
Vor­ und möglicherweise auch Nachteilen. Pauschal
ein Urteil „reines Nachahmer­Präparat“ oder „inno­
vative Neuerung“ zu fällen, ist vor dem Ziel einer
kontinuierlichen Qualitätsverbesserung und einer am
Individuum orientierten Gesundheitsversorgung nicht
geeignet.
1
Eine besonders wichtige Phase für die Vermarktung
eines neu erforschten Arzneimittels ist der Zeit­
raum des Patentschutzes. In dieser auf wenige Jahre
begrenzten Zeit dürfen andere Firmen den gleichen
Wirkstoff nicht herstellen. Läuft der Patentschutz ab,
ist anderen Firmen die Möglichkeit gegeben, das
gleiche Produkt herzustellen, ohne Geld in die Ent­
wicklung investiert zu haben. Die Entwicklungskosten
sind nicht zuletzt deshalb so hoch, weil sie immer
auch für die anfangs synthetisierten Substanzen an­
fallen, die sich im Laufe der klinischen Testphasen als
ungeeignet erweisen. Hinzu kommt, dass die Kosten
für die Sicherheitsprüfungen nach abgelaufenem
Patentschutz nicht mehr so hoch sind.
In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken,
dass die Forschungskosten in verschiedenen Krank­
heitsbereichen besonders hoch sind. Dazu gehört
zum Beispiel die Entwicklung von Präparaten gegen
lebensbedrohliche Pilzinfektionen, die infolge einer
Immunschwäche durch Chemotherapie, Organtrans­
plantation oder schwere Erkrankungen wie AIDS
auftreten können. Im Vergleich dazu liegen die
Entwicklungskosten beispielsweise bei Antibiotika
oder Medikamenten zur Behandlung von Herz­Kreis­
lauf­Erkrankungen im Durchschnitt niedriger.
Auf weitere Bereiche der Kosteneinsparungen durch
innovative Arzneimittel wurde in den vorangegangenen
Beispielen hingewiesen. Verkürzte oder gänzlich
entfallende Krankenhausaufenthalte schlagen sich
in geringeren Ausgaben der Krankenkassen nieder,
selbst wenn dadurch im Sektor Arzneimittel höhere
Kosten entstehen. Weitere wichtige Dimensionen
zur Einsparung in den sozialen Sicherungssystemen
sind verkürzte Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie
eine erst später eintretende Pflegebedürftigkeit
(Beispiel Alzheimer­Krankheit) oder Vermeidung
von Frühberentung. Auch können verordnete,
aber nicht eingenommene Medikamente mitunter
hohe Folgekosten verursachen, da die Krankheiten
zunächst unbehandelt bleiben und zu behandlungs­
bedürftigen Komplikationen, unnötigen Krankenhaus­
aufenthalten usw. führen können. Ein teureres, aber
der besseren Therapietreue dienendes Medikament
erhöht daher nur auf den ersten Blick die Kosten.
Die große Bedeutung der Forschung und Entwicklung
(FuE) im Arzneimittelbereich wird deutlich, wenn man
die Ausgaben für diesen Sektor betrachtet. Um ein
einziges neues Medikament zu entwickeln, müssen
etwa 800 Millionen Euro aufgewendet werden. Auf
etwa 5.000 synthetisierte Substanzen kommt nur
ein Stoff, der die Zulassung als Arzneimittel erhält.
Mit einem Anteil der FuE­Ausgaben am Umsatz
in Höhe von 12,1 Prozent im Jahr 2001 nimmt die
pharmazeutische Industrie eine absolute Spitzenposi­
tion unter allen Wirtschaftssektoren ein (23). Diesen
Investitionen steht eine relativ geringe Ausbeute
gegenüber: Lediglich 6,6 Prozent der Substanzen
erreichen die Produktzulassung und dies unter
Umständen nur mit einem erheblichen Zeitaufwand,
wie das folgende Beispiel Fluconazol zeigt.
Pfizer rief 1970 ein Spezialprogramm zur Erfindung
einer neuen Gruppe von Antimykotika ins Leben, weil
erwartet wurde, dass die Häufigkeit lebensgefähr­
licher Pilzinfektionen aufgrund des zunehmenden
Einsatzes von Immunsuppressiva beträchtlich anstei­
gen würde. Diese Einschätzung erwies sich als richtig.
Der Prozess von der Idee bis zum fertigen Wirkstoff
Fluconazol dauerte rund 20 Jahre.
Trotz der FuE­Investitionen ist es für kein pharma­
zeutisches Unternehmen möglich, alle Indikationen
abzudecken. Die steigende Zahl neuer Forschungs­
felder wie Stammzellforschung, Genforschung (zum
Beispiel Genomik) und Erforschung von menschlichen
Eiweißen (zum Beispiel Proteomik) macht eine weitere
Spezialisierung und Flexibilisierung notwendig.
Aus diesem Grund haben sich weltweite Wissens­
netzwerke und Kooperationen mit Hochschulen
und Biotechnologie­Unternehmen gebildet, die es
erleichtern, innovative Entwicklungen schnell und
zum Wohle des Patienten auf den Weg zu bringen.
Die Debatte über die Leistungen der Arzneimittel­
hersteller sollte neben den Kosten vor allem auch
den tatsächlich erreichten gesundheitlichen Gewinn
durch innovative Medikamente zum Gegenstand
machen. Wenn durch frühzeitige Blutzuckerkontrolle
der Eintritt von Komplikationen bei Typ­2­Diabe­
tikern hinausgezögert wird, wenn durch eine gute
Blutdruckeinstellung dreißig Prozent der Herzinfarkte
und Schlaganfälle verhindert werden, wenn durch
Cholinesterasehemmer die Symptomatik bei Alzhei­
mer­Kranken für einige Zeit gebessert werden kann,
ist das für den Einzelnen ein Gewinn an Lebensjahren
sowie an Lebensqualität, wovon auch die Angehöri­
gen profitieren. Dass Menschen heute immer älter
und überdies immer „gesünder“ älter werden, ist
nicht zuletzt Arzneimittelinnovationen zu verdan­
ken. Verantwortliche in Gesundheitswesen, Politik,
Forschung und Wissenschaft sind aufgerufen, die
Weichen für die Zukunft so zu stellen, dass der
kontinuierliche Nachschub von Innovationen sicher­
gestellt wird.
1
Zusammenfassung
Pharmakologischer Fortschritt wird durch zweierlei
Vorgehen möglich: durch die Suche nach gänzlich
neuen Behandlungswegen und durch die kontinuier­
liche Fortentwicklung von Behandlungsprinzipien.
Die durch kleine Schritte erreichten Verbesserungen
eines Wirkstoffes können in der Summe das gleiche
Ausmaß annehmen wie die einzelnen Quantensprün­
ge durch Einführen eines neuen Behandlungsprinzips.
Das erste – eine neue Substanzklasse begründende –
Medikament ist nicht immer auch das beste. Die
Behandlung erlangt vielfach mit der zweiten oder
dritten Generation von Wirkstoffen deutlich verbes­
serte Nutzen­Risiko­Verhältnisse.
Trotz hoher Entwicklungskosten kann durch innova­
tive Arzneimittel und den bestehenden Wettbewerb
der Kostenrahmen für die Behandlung bestimmter
Krankheiten reduziert werden – durch verkürzte,
seltenere oder entbehrlich werdende Krankenhaus­
aufenthalte, erhaltene Arbeitsfähigkeit, aber auch
durch wettbewerbsbedingt sinkende medikamentöse
Behandlungskosten selbst.
Die Fortentwicklung der Arzneimittel einer Gruppe
verbessert die Behandlungsergebnisse. Zudem sichert
die Vielfalt der Medikamente einer Gruppe das Thera­
pieprinzip, wenn eine Substanz der Gruppe ausfällt.
Da sich unerwünschte Wirkungen oft erst nach län­
gerer therapeutischer Anwendung des Medikamentes
zeigen, insbesondere wenn sie nur sehr selten auf­
treten, erweist es sich vielfach als entscheidend für
die Sicherung eines Therapieprinzips, Weiter­ oder
Parallelentwicklungen verfügbar zu haben.
1
Auch bei identischem Krankheitsbild ist nicht bei
allen Patienten die gleiche Substanz zur Behandlung
angemessen. Im Hinblick auf eine individuell orien­
tierte Therapie erweist es sich als vorteilhaft, wenn
es innerhalb einer Wirkstoffgruppe mehrere Substan­
zen mit unterschiedlichen Eigenschaften gibt.
Der Fortschritt auf dem Gebiet der Arzneimittelfor­
schung ist beachtlich. Die moderne Medizin hat in
den vergangenen 50 Jahren in zahlreichen Krank­
heitsbereichen erstmals Therapiemöglichkeiten
geschaffen. Erst die Vielfalt der Forschungsansätze –
kontinuierliche Verbesserungen gemeinsam mit
Neuentwicklungen – machte ihn möglich.
Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass neue For­
schungsansätze (zum Beispiel Genomik und Proteo­
mik) in den nächsten 50 Jahren zu bedeutsamen
Fortschritten in Krankheitsbereichen führen, die
heute nur unzureichend oder kaum durch Medika­
mente behandelt werden können.
Literatur
1 Branchi A et al.: Effects of low doses of simvastatin
and atorvastatin on high-density lipoprotein
cholesterol levels in patients with
hypercholesterolemia. Clin Ther 23 (2001): 851-7
15 Cappelleri JC et al.: Treatment satisfaction in type 2
diabetes: a comparison between an inhaled insulin
regimen and a subcutaneous insulin regimen.
Clin Ther 24 (2002): 552-64
2 Bryant J et al.: Clinical and cost-effectiveness of
donepezil, rivastigmine and galantamine for
Alzheimer‘s disease: a rapid and systematic review.
Health Technol Assess 5 (2001): 1-137
16 Pitt B et al.: The effect of spironolactone on morbidity
and mortality in patients with severe heart failure.
New Engl J Med 341 (1999): 709-17
3 DiMasi J et al.: Research and development costs for
new drugs by therapeutic category. Pharmaeconomics
7 (1995): 152-69
4 Doody RS et al.: Chronic donepezil treatment is
associated with slowed cognitive decline in Alzheimer‘s
disease. Dement Geriatr Cogn Disord 12 (2001):
295-300
5 Gothe H et al.: Die Bedeutung von innovativen
Arzneimitteln für die Gesundheit der Bevölkerung in
Deutschland. Hrsg. vom Institut für Gesundheits- und
Sozialforschung, Berlin 2002
6 Hallauer JF et al.: Untersuchung von Krankheitskosten
bei Patienten mit Alzheimer-Erkrankung in Deutsch­
land. Gesundh ökon Qual manag 5 (2000): 73-9
7 Hill JW et al.: The effect of donepezil therapy on health
costs in a Medicare managed care plan. Manag Care
Interface 15 (2002): 63-70
8 Insull W et al.: Comparison of efficacy and safety of
atorvastatin (10mg) with simvastatin (10mg) at six
weeks. ASSET Investigators.
Am J Cardiol 87 (2001): 554-9
9 Karalis DG et al.: Comparison of efficacy and safety of
atorvastatin and simvastatin in patients with
dyslipidemia with and without coronary heart disease.
Am J Cardiol 15 (2002): 667-71
10 Meyer JA: Assessing the impact of pharmacological
innovations. A comprehensive framework. Ed.
by New Directions for Policy, Washington 2002
17 Petersen RC et. al.: Vitamin E and Donepezil for the
treatment of mild cognitive impairment. New Engl J
Med 352 (2005): 2379-88
18 Pitt et al.: Eplerenone, a selective aldosterone blocker,
in patients with left ventricular dysfunction after
myocardial infarction.
New Engl J Med 348 (2003): 1309-21
19 Law et al.: Quantifying effect of statins on low density
lipoprotein cholesterol, ischaemic heart disease, and
stroke: systematic review and meta-analysis.
BMJ 326 (2003): 1423-30
20 Cannon CP et al. (PROVE-IT): Intensive versus moderate
lipid lowering with statins after acute coronary
syndromes. New Engl J Med 350 (2004): 1495-504
21 Schwartz GG et al. (MIRACL): Effects of atorvastatin on
early recurrent ischemic events in acute coronary
syndromes: the MIRACL study: a randomized controlled
trial. JAMA 285 (2001): 1711-8
22 Alm A et al.: A 5-year, multicenter, open-label,
safety study of adjunctive latanoprost therapy for
Glaucoma. Arch Ophthalmol 122 (2004): 957-65
23 Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (Hrsg.):
FuE-Datenreport 2003/2004: Forschung und
Entwicklung in der Wirtschaft. Essen 2004
24 Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
(Hrsg.): Demenz. Arzneiverordnung in der Praxis –
Therapieempfehlungen der AkdÄ. 3. Auflage.
Berlin 2004
11 Rice DP et al.: Prevalence, costs, and treatment of
Alzheimer‘s disease and related dementia: a managed
care perspective. Am J Manag Care 7 (2001): 809-18
25 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Todesursachen
in Deutschland – Sterbefälle nach ausgewählten
Todesursachen, Altersgruppen und Geschlecht.
Fachserie 12, Reihe 4. Wiesbaden 2003
12 Rogers SL et al.: Donepezil improves cognition and
global function in Alzheimer disease: a 15-week,
double-blind, placebo-controlled study. Donepezil
Study Group. Arch Intern Med 158 (1998): 1021-31
26 Freemantle N et al.: Availability of inhaled insulin
promotes greater perceived acceptance of insulin therapy in patients with type 2 diabetes. Diabetes Care 28 (2005): 427-428
13 Hauner H: „Diabetesepidemie und Dunkelziffer“.
In: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2004 –
Die Bestandaufnahme. Vorgelegt von der Deutschen
Diabetes-Union zum Weltdiabetestag im November
2004, Mainz 2004, S. 7-11
14 Heinemann L, Heise T: Current status of the
development of inhaled insulin.
Br J Diabetes Vasc Dis 4 (2004): 295-301
1
Pfizer Deutschland GmbH
Policy Affairs
Pfizerstraße 1
D ­ 76139 Karlsruhe
www.pfizer.de
Ihr Ansprechpartner:
Dr. Ansgar Resch
Telefon 0721 6101 ­ 9382
Telefax 0721 6203 ­ 9382
[email protected]
Herunterladen