Arzneimittelinnovationen Fortschritte für mehr Gesundheit Vorwort „ Jede Entdeckung auf dem Gebiet der Medizin durch­ läuft drei Stufen. Wenn man sie bekannt gibt, sagen die Leute: ‚Das ist nicht wahr.‘ Wenn sich ihnen dann etwas später die Wahrheit aufgedrängt hat, so dass sie sich nicht länger leugnen lässt, sagen sie: ‚Das ist nicht so wichtig’. Wenn schließlich ihre Wichtig­ keit genügend zutage tritt, sagen sie: ‚Das ist nichts Neues.‘ “ (Dr. L. J. Harris) Das Bessere ist Der FeinD Des Guten. Diese Formel steht für das Innovationsstreben einer modernen Gesellschaft. Innovationen verändern und verbessern nicht nur unser Leben. Sie sorgen vor allem dafür, dass wir mit den Herausforderungen der sich weiterentwickelnden Welt immer besser fertig werden. Innovationen sind auch für unser Gesund­ heitssystem unentbehrlich. Es besteht jedoch die Gefahr – und einzelne Entscheidungen wie die Nichtanerkennung des erzielten therapeutischen Fortschritts zeigen dies bereits –, dass medizinische und pharmakologische Innovationen durch zunehmende Fokussierung auf kurzfristige Einsparpotenziale behindert werden. Insbesondere im Arzneimittelsektor sollen Ein­ sparungen erzielt werden, gerade auch durch den Verzicht auf solche Arzneimittel, die, wie es heißt, nur einen geringfügigen bzw. keinen therapeutischen Zusatznutzen gegenüber einem als Erstsubstanz eingeführten Präparat einer Substanzklasse auf­ weisen würden. Handelt es sich hierbei um Arzneimittel, auf die wir problemlos verzichten können, weil sie die Patienten­ versorgung nur unnötig verteuern? Oder bedeuten sie therapeutischen Fortschritt und für den Patienten eine optimierte, auf seine individuellen Bedürfnisse abgestimmte Therapiemöglichkeit, so dass sie damit die Basis für eine effektive Behandlung bilden können? Ob in der Arzneimittelforschung nur die Quanten­ sprünge Erfolge erzielen oder ob nicht gerade auch die vermeintlich kleinen Verbesserungen, die sog. Schrittinnovationen, oft zu großem Erfolg und damit zu Fortschritt führen, bleibt weiterhin ein zentrales Thema der Gesundheitspolitik. Mit dieser 2. Auflage der Broschüre „Arzneimittelinnovationen ­ Fort­ schritte für mehr Gesundheit“ möchten wir daher besonders hervorheben, welchen Wert Schrittinnova­ tionen für die Gewinnung von Erkenntnissen und die bessere Versorgung von Patienten haben. Wir können dies mit dieser kleinen Sammlung von interessanten und teilweise auch ganz aktuellen Forschungsbeispie­ len sehr gut zeigen. Mit dem IGES ­ Institut für Gesundheits­ und Sozial­ forschung in Berlin hatten wir bei der Erstellung dieser Broschüre wieder einen kompetenten und geschätzten Partner. Dafür sei an dieser Stelle herz­ lich gedankt. Karlsruhe, im Oktober 2006 Michael Klein Vice President External Affairs & Legal Pfizer Deutschland GmbH Inhalt Vorwort 2 Fortschritt entsteht durch stetige Verbesserungen 4 Schrittinnovationen – ein wesentlicher Beitrag zum medizinischen Fortschritt 6 Neue Therapiechancen durch innovative Wirkstoffe 8 Maßgeschneiderte Therapieverfahren: Bessere Wirksamkeit für den Einzelnen 10 Klinischer Wert von Arzneimittel­Verbesserungen 12 Forschende Arzneimittelindustrie und ihr Beitrag für das Gesundheitswesen 16 Zusammenfassung 18 Literatur 19 IMPRESSUM Herausgeber: Pfizer Deutschland GmbH, Abteilung Policy Affairs In Zusammenarbeit mit: IGES Institut für Gesundheits­ und Sozialforschung, Berlin Layout & Design: sons media GmbH Fortschritt entsteht durch stetige Verbesserungen Fortschritt wird nicht nur durch die großen Würfe erreicht, sondern auch durch kontinuierliche Weiterentwicklung des einmal Erreichten, also auch durch schrittweise Innovationen. Zahlreiche kleine Schritte erreichen in ihrer Gesamtheit vielfach ebenso viel wie einzelne „Sprunginnovationen“. Jeder kennt das aus der Technik, wenn man beispielsweise die Entwicklung der Luftfahrt oder Telekommunikation betrachtet. Vergleichbares gilt auch in der Pharmakologie. Die Zahl an Krankenhaustagen sinkt am raschesten bei den Erkrankungen, für welche die Medikamenten­ verordnungen, vor allem die Verordnungen innova­ tiver Medikamente, am stärksten ansteigen (10). In jeder Weiterentwicklung stecken Investitionen, die sich auszahlen müssen. Innovationen kosten Geld. Notwendigen Aufwendungen stehen – wie bei jeder Investition – auf der anderen Seite erwartete Erträge gegenüber. In der Arzneimitteltherapie bestehen diese Erträge sowohl im therapeutischen Nutzen des Arzneimittels für den Patienten (und seine Ange­ hörigen), als auch in den möglichen Einsparungen an Aufwendungen, die ohne dieses neue Mittel angefallen wären. Bei allen Innovationen erhebt sich gleichzeitig die Frage, wie viel Fortschritt wir tatsächlich brauchen. Und: Welche Innovation bringt die medizinische Versorgung wirklich voran? Reicht es aus, sich auf die seltenen, großen Durchbrüche („Sprung­Innovationen“), also die Entwicklung einer neuen Substanzklasse oder eines neuen Therapie­ prinzips, zu verlassen? Ein Beispiel für eine „Sprung-Innovation“ sind Prostaglandin-Analoga zur Therapie des grünen Stars mit dem erstzugelassenen Wirkstoff dieser Gruppe, Latanoprost. Die Vorteile: deutlich stärkere Augen­ drucksenkung, einmal tägliche Anwendung (bessere Therapietreue) und weniger systemische Nebenwir­ kungen als die bisherigen Medikamente. Aufgrund von Langzeitdaten ist Latanoprost nunmehr auch ein Wirkstoff für die Erstanwendung (22). Fortschritt findet dort statt, wo es einen Wettbewerb um die beste Lösung für ein Problem gibt. Das wird selten in Sprüngen erreicht. Der Weg dorthin ist mühsam, risikoreich und muss konsequent verfolgt werden. Auch kleine Schritte helfen hier weiter. Zudem führen die einzelnen Entwicklungsschritte zu unterschiedlichen Lösungen. In der Arzneimittel­ forschung beispielsweise zu mehreren Substanzen einer Wirkstoffklasse. Diese werden allerdings nicht alle gleichermaßen zum Fortschritt beitragen, einige sind möglicherweise „nur“ anders, andere dagegen echte Fortschritte. Die Kostenträger bewegt die Frage, ob zu viele und möglicherweise verzichtbare Arzneimittel die Aus­ gaben nicht unnötig in die Höhe treiben. Warum also nicht das erste auswählen und die anderen unbe­ rücksichtigt lassen? Dagegen sprechen zahlreiche Argumente: • Viele schrittweise vollzogene Veränderungen ergeben in ihrer Gesamtheit beachtliche zusätzliche Therapiemöglichkeiten, die in ihrem Ausmaß mit dem Fortschritt durch Sprunginnovationen vergleichbar sein können. • Wenn eine Substanz einer Wirkstoffgruppe zum Beispiel wegen schwerer Nebenwirkungen vom Markt genommen werden muss, besteht die Möglichkeit, dass andere, besser verträgliche Substanzen dieser Gruppe an ihre Stelle treten – in der Vergangenheit oftmals ein „Rettungsanker“ für den Erhalt des Therapieprinzips und damit auch für Ärzte und Patienten. • Verschiedene, in ihren Wirkungen, Wechsel­ wirkungen mit anderen Arzneimitteln und möglichen unerwünschten Wirkungen voneinander abweichende Behandlungsalternativen innerhalb derselben Wirkstoffgruppe erlauben dem Arzt eine individuell besser abgestimmte Behandlung des Patienten. Auf die systematische Klassifizierung von Arzneimit­ teln und auf die Betonung der pharmakologischen Gemeinsamkeiten einer Klasse kann aus Gründen der Übersicht nicht verzichtet werden. Dies darf jedoch nicht dazu verleiten, alle Arzneimittel, die der Leitsubstanz einer Gruppe folgen, von vornherein als lediglich nachahmende „Me­too“­Präparate ohne zusätzlichen Wert anzusehen. Der Wert – auch der innovative – eines neuen Arzneimittels kann oft bei seiner Einführung in den Markt noch nicht abschlies­ send beurteilt werden. Und es gibt Beispiele, die zeigen, dass ursprünglich als Nachahmer ohne innovativen Charakter gewertete Arzneimittel schließ­ lich als Pioniere einer ganz neuen Wirkstoffklasse anzusehen waren. Für die Patienten können selbst Änderungen, die nur als kleine wissenschaftliche Fortschritte erachtet werden, nicht selten zu einer erheblichen Verbesserung der Therapie beitragen. Im Folgenden werden konkrete Beispiele angeführt, die zeigen, dass die Weiterentwicklung bewährter Arzneimittel für die Patienten und die Kostenträger tatsächlich von Nutzen sein kann. Eine a­priori­ Pauschalbeurteilung von Arzneistoffen einer Arznei­ stoffgruppe ist weder unter theoretischen noch unter praktischen Gesichtspunkten wissenschaftlich gerechtfertigt. • Die Verbesserungen einzelner Substanzen hin­ sichtlich Wirkung, Nebenwirkungen, Behandlungs­ spektrum oder Einnahmemodalitäten lassen sich meist nur durch stufenweise Abwandlungen erreichen. Davon zeugen die vielen Medikamente, die man der so genannten zweiten oder dritten Generation einer Wirkstoffklasse zurechnet. Schrittinnovationen – ein wesentlicher Beitrag zum medizinischen Fortschritt Die Einführung eines gänzlich neuen medikamentösen Behandlungsprinzips ist ein relativ seltenes Ereignis. Neben der Suche nach völlig neuen Wirkprinzipien kann auf den kontinuierlichen pharmazeutischen und pharmakologischen Fortschritt durch Abwandlungen bekannter Prinzipien nicht verzichtet werden. Beispiel astemizol Beispiel eplerenon Das zunächst viel versprechende Antiallergikum musste wegen Nebenwirkungen vom Markt genom­ men werden. Als „Ersatz“ dienten später entwickelte, aber besser verträgliche Präparate der gleichen Stoffgruppe. Am Vorgänger Spironolacton war das Interesse fast schon erloschen, als sich zeigte, dass die Substanz bei Patienten mit schwerer chronischer Herzschwäche das Überleben verbessern kann. Die geringe Selektivität führte zu Nebenwirkungen. Die Entwicklung des Eplerenons, einer selektiveren Substanz dieser Klasse, bereichert heute die Therapie. Beispiel DiGoxin Nur ganz selten wird ein Arzneimittel über Jahrzehnte unverändert eingesetzt. Ein Beispiel ist das Herzmit­ tel Digoxin, ein Inhaltsstoff des Roten Fingerhutes. Obwohl die Nebenwirkungen beträchtlich sind, hat Digoxin immer noch seinen Platz bei bestimmten Formen der Herzkrankheit. Hier gelang es trotz großer Bemühungen nicht, das Molekül so abzuwandeln, dass der Nutzen erhalten bleibt, die Nebenwirkungen jedoch reduziert werden. Mit anderen Substanzen dagegen gelang tatsächlich genau dieser Spagat. Beispiel penizillin Die Arzneimittellehre führt zahllose Verbesserungen bestimmter Substanzen an, so beispielsweise des in Schimmelpilzen entdeckten Penizillins G. Wären hier nicht Abwandlungen gelungen, gäbe es vermut­ lich heutzutage kaum noch einen Keim, der darauf anspricht. So aber sind neuere Penizilline auch heute noch vielfach wirksam, gegen ein viel breiteres Keim­ spektrum als das ursprüngliche Penizillin. In einigen Fällen zeigen sich spezielle Wirkungen von Medikamenten erst, wenn sie schon fast in Verges­ senheit geraten sind, wie im Fall von Spironolacton. Dieser so genannte Aldosteron­Antagonist, der in Deutschland bei einer Erhöhung eines Hormons der Nebenniere, des Aldosterons, (sog. Hyperaldostero­ nismus) zugelassen ist, schien durch die Neuentwick­ lung gezielt wirkender und nebenwirkungsärmerer ACE­Hemmer oder Angiotensin­Rezeptorantagonisten weitgehend überholt zu sein. Eine Studie zeigte jedoch, dass Spironolacton dazu beitragen kann, bei Patienten mit chronischer, schwerer Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche) die Sterblichkeit zu senken. Nebenwirkungen stellten allerdings noch immer ein Problem dar: Spironolacton greift in den Geschlechts­ hormonhaushalt ein und führt beispielsweise bei Männern zu unnatürlichem Brustwachstum. Durch Forschung wurde die Substanz Eplerenon entwickelt, ein nunmehr selektiverer Aldosteronblocker. Eine groß angelegte Studie zeigte, dass Eplerenon über eine mortalitätssenkende Wirkung nach akutem Herzinfarkt bei Patienten mit Pumpschwäche des Herzens verfügt (18). Damit steht einem bestimmten Patientenkreis eine Substanz mit geringeren Neben­ wirkungen zur Verfügung, bei der nicht mehr mit einem vermehrten Brustwachstum zu rechnen ist. Innovationen beziehen sich aber nicht nur auf die Wirkung. So banal es klingt: Eine Substanz kann nur wirken, wenn der Patient sie auch einnimmt. Deshalb können Weiterentwicklungen auch dann eine Therapieverbesserung darstellen, wenn sie die Einnahmetreue erhöhen. Beispielsweise lässt sich dies dadurch erreichen, dass der Patient ein Medikament nur noch einmal statt dreimal täglich einnehmen muss, dass er statt Tabletten ein Pflaster verwen­ den kann oder nicht mehr spritzen muss, sondern inhalieren kann. Das ist besonders bei chronischen Erkrankungen wie Herzkrankheiten, hohem Blutdruck oder Diabetes wichtig, vielleicht sogar therapie­ entscheidend. Die Entwicklung darf nicht stehen bleiben, wenn ein neuer Wirkstoff auf den Markt kommt. Selten handelt es sich bei diesem gleich um die ideale Substanz, meist besteht noch Verbesserungsbedarf, um die Wir­ kung zu steigern, die Nebenwirkungen zu reduzieren oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu verhindern. Viele Weiterentwicklungen tragen durch ihren Einfluss auf die Gesamtheit dieser Fak­ toren auch zur Ökonomisierung der Behandlung bei. Neue Therapiechancen durch innovative Wirkstoffe Die medizinische Forschung entwickelt immer wieder vollständig neue Behandlungsansätze durch innovative Substanzen, welche die Behandlungschancen für die einzelnen Betroffenen deutlich erweitern. Die Entwicklung darf jedoch nicht bei einer einzigen Substanz stehen bleiben, da die Sicherung des gewonnenen Behandlungserfolges durch Weiterentwicklung bzw. Parallelforschung in der Stoffgruppe essenziell sein kann. Ein Beispiel für eine Meilensteinentwicklung ist die medikamentöse Therapie der Alzheimer­Krankheit (Morbus Alzheimer). Morbus Alzheimer bedeutet einen kontinuierlichen Abbau der geistigen Fähig­ keiten (Demenz) und eine Veränderung der Persön­ lichkeit. Die Patienten verlieren im Krankheitsverlauf das Gedächtnis und können sich immer schlechter zeitlich und örtlich orientieren. Früher oder später werden in der Regel Pflege und Betreuung rund um die Uhr notwendig. An der Demenz vom Alzheimer­ Typus erkranken 10 Prozent der über 65­Jährigen, wobei die Häufigkeit mit zunehmendem Alter an­ steigt. Derzeit wird die Zahl der erkrankten Menschen auf über eine Million in Deutschland geschätzt. Die Ursachen liegen noch weitgehend im Dunkeln. Um 1970 entdeckte man jedoch die wichtige Rolle des Nervenbotenstoffs Acetylcholin im Krankheitsgesche­ hen. Das veranlasste zur Suche nach Stoffen, die die Acetylcholinkonzentration im Gehirn beeinflussen. Die Forscher sahen sich mit zahlreichen Schwierig­ keiten konfrontiert, denn dieser so genannte Trans­ mitter ist im Körper fast überall anzutreffen. Für die Behandlung des Morbus Alzheimer sollte er jedoch nur in bestimmten Gebieten des Gehirns erhöht wer­ den und im übrigen Körper möglichst unangetastet bleiben. Sicherung des Fortschritts durch parallele Forschung: Der Alzheimer-Wirkstoff Donepezil wäre heute nicht verfügbar, wenn die Entwicklung der Cholin­ esterasehemmer nach einem ersten Misserfolg mit einer anderen Substanz eingestellt worden wäre. Bis zur Zulassung entsprechender Medikamente verging ein Vierteljahrhundert. Zwar wurden mehrere viel versprechende Wirkstoffe gefunden, so genannte Cholinesterasehemmer, die den Abbau von Acetylcho­ lin blockieren. Jedoch stellten sich wiederholt schwere Nebenwirkungen ein, so dass die Entwicklung dieser Substanzen nicht weiter verfolgt wurde. Der Kreis der zugelassenen Cholinesterasehemmer beschränkte sich daher zunächst auf Tacrin, das als erstes die Zulassung erhielt. Darauf folgten Donepezil, dann Rivastigmin und zuletzt Galantamin. Tacrin, die erste Substanz dieser neuen Wirkstoff­ klasse, musste viermal täglich eingenommen werden, was bei Patienten mit Gedächtnisstörungen erheb­ liche Schwierigkeiten bereiten kann. Der Wirkstoff spielt außerdem heute wegen seltener schwerer Nebenwirkungen, insbesondere Leberschäden, keine Rolle mehr (24). Bei den anderen Substanzen war die Einmalgabe möglich geworden, die unerwünschten Wirkungen traten deutlich weniger oder gar nicht auf. Ein Beleg dafür, wie Parallelentwicklungen einen einmal erreichten Schritt absichern und die Therapie für einen größeren Patientenkreis verfügbar machen können. Mit der bisher möglichen Behandlung durch die Cholinesterasehemmer ist zwar ein erster Schritt getan, aber eine durchgreifende Therapie der Alz­ heimer­Krankheit mit deutlicher Verbesserung der Krankheitszeichen bei weitem noch nicht erreicht. Hier ist die innovative Forschung in besonderem Maße gefordert. Durch die Parallelentwicklungen stehen für die Behandlung der Alzheimer­Krankheit Wirkstoffe mit akzeptablem Nebenwirkungsprofil zur Verfügung. Der einmal erreichte Forschungserfolg kann durch eine Neu­ oder Weiterentwicklung abgesichert werden, indem Parallelentwicklungen als Alternativen zur Verfügung stehen. Ob eine Substanz in der Patien­ tenversorgung tatsächlich überlegen ist, zeigt sich vielfach erst im Lauf der Zeit. Maßgeschneiderte Therapieverfahren: Bessere Wirksamkeit für den Einzelnen 10 Ein und dasselbe Krankheitsbild wirkt sich bei ver­ schiedenen Menschen unterschiedlich aus. Bei einem kommt eine Begleitkrankheit hinzu, beim anderen ein wichtiger Risikofaktor wie beispielsweise eine erbliche Komponente, beim dritten hohes Alter. Entsprechend individuell sollte die Behandlung sein. Stehen für ein Wirkprinzip verschiedene Stoffe zur Auswahl, erlaubt dies eine bessere Anpassung an die Notwendigkeiten. Nicht alle individuellen Merkmale einer Substanz, wie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder bestimmte Auswirkungen auf den Stoffwechsel, sind für jeden einzelnen Patienten gleichermaßen relevant. Nimmt er keine weiteren Medikamente ein, kann das Spektrum von Wechselwirkungen weitge­ hend unberücksichtigt bleiben. Auch die Wirkungs­ stärke des Präparates spielt eine wichtige Rolle bei der Auswahl für einen individuellen Patienten. Je nachdem, wie stark der Cholesterinspiegel gesenkt werden soll, wird dies die Wahl des Arztes zwischen verschieden wirksamen, aber auch verschieden lang bewährten Substanzen leiten. Zudem ist die unter­ schiedliche Wirkdauer für eine maßgeschneiderte Behandlung von Bedeutung. Langwirksame Prä­ parate, die nur einmal täglich, am besten zu einer beliebigen Uhrzeit, eingenommen werden können, machen es den Patienten einfacher, Medikamente zuverlässig einzunehmen. Erst mit einer neuen Arzneimittelgruppe – den Statinen – gelang es, selbst stark erhöhte Choleste­ rinspiegel deutlich zu senken und damit nicht nur das Fortschreiten arteriosklerotischer Herz­ oder Gefäßerkrankung zu bremsen, sondern sogar den Entstehungsprozess wieder zurückzudrehen. Eine notwendige Statin­Therapie kann nachgewiesener­ maßen die Sterblichkeit senken, weil die Kompli­ kationen durch einen erhöhten Cholesterinspiegel vermindert werden – das bedeutet für viele Menschen einen Gewinn an Lebensjahren. Besonders bei sehr hohem Risiko, zum Beispiel aufgrund von bestehenden Herzkrankheiten oder Diabetes mellitus und sogar bei Risikopatienten mit normalen LDL­Cholesterinwerten, senken Statine relativ gesehen die Sterblichkeit an Herzinfarkten und Schlaganfällen um ein Drittel (9), verglichen mit Nichtbehandelten. Statin ist nicht gleich Statin. Die einzelnen Statine senken den Cholesterinspiegel in unterschiedlichem Ausmaß (1, 8, 9, 19). Bei Patienten mit Herz-Kreis­ lauf-Erkrankungen kann insbesondere die Wirk­ samkeit der LDL-Cholesterin-Senkung und auch die Schnelligkeit der einsetzenden Wirkung für eine erfolgreiche Therapie entscheidend sein. Die Vorteile von Atorvastatin bei Patienten mit Herz-KreislaufErkrankungen in der Wirksamkeit bei gleichzeitig guter Verträglichkeit werden durch viele klinische Studien gestützt (20, 21). Beispiel FettstoFFwechselstörunGen Der Mensch ist für den heutigen Lebensstil mit Bewegungsarmut und Lebensmittelüberfluss nicht geschaffen. Entsprechend verbreitet sind dadurch verursachte Fettstoffwechselstörungen wie ein zu hoher Cholesterinspiegel. Sie sind anerkanntermaßen ein wesentlicher Risikofaktor für die Arteriosklerose. Aus ihr entwickeln sich Herzkrankheiten bis zum Infarkt, Schlaganfälle oder Gefäßverschlüsse in den Beinen: Cholesterin lagert sich an den Gefäßwänden ab, ruft Entzündungsreaktionen und Gerinnungspro­ zesse hervor, die schließlich das Blutgefäß vollständig verschließen können. Das von der Blutversorgung abgeschnittene Gewebe stirbt ab. Die Substanzen einer Wirkstoffklasse unterscheiden sich beispielsweise hinsichtlich Anflutungszeit am Wirkort, Wirkstärke, Wirkdauer, Ausscheidungsweg, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Alko­ hol oder Nahrungsmitteln sowie hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen. Die einzelnen Aspekte sind für jeden Patienten, aber auch für einzelne Krankheits­ situationen unterschiedlich bedeutsam. Hier ist es vorteilhaft, wenn verschiedene Substanzen zur Verfügung stehen. Mit den verschiedenen Wirkstof­ fen der Klasse der Statine kann der Arzt eine auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Therapieent­ scheidung treffen. 11 Klinischer Wert von Arzneimittel-Verbesserungen 1 Die Entwicklung eines neuen Arzneimittels ist zeit­ aufwändig und risikoreich. Sie kostet zunächst Geld und Ressourcen. Dennoch helfen gerade innovative Medikamente, Kosten einzusparen – beispielsweise durch verringerte Krankenhausaufenthalte, vermin­ derten Pflegebedarf oder geringere Kosten für die Behandlung von Nebenwirkungen. Beispiel BluthochDruck (hypertonie) Es gibt wenige Medikamenten­Neueinführungen, bei denen sich nicht kritische Stimmen zu den damit ver­ bundenen Arzneimittelkosten erheben. Statt nur auf die Arzneimittelkosten zu schauen, sind alle mit der jeweiligen Krankheit verbundenen Kosten im Gesund­ heitswesen zu berücksichtigen. Um dieser Diskussion eine sachliche Grundlage zu geben, werden heutzuta­ ge in Studien umfassende Daten zu diesen Aspekten erhoben – wie beispielsweise im Falle der Alzheimer­ Erkrankung (2, 6, 7, 11, 12). Sie stellen den Kosten des neuen Arzneimittels die üblichen Behandlungs­ kosten eines alternativen Arzneimittels oder anderer Verfahren gegenüber. Zunehmend gelangt auch der tatsächlich realisierte Zugewinn an Nutzen für den Einzelnen ins Visier der Forschung. Beispiele hierfür sind der Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Jeder fünfte Erwachsene in den Industrieländern hat, häufig ohne es zu wissen, einen zu hohen Blutdruck. Bei den über 50­Jährigen ist in Deutschland fast jeder Zweite ein Hypertoniker. Hoher Blutdruck bereitet selbst keine Beschwerden, ist aber ein entscheidender Risikofaktor für einen vorzeitigen Herztod und für den Schlaganfall, der zu Tod oder schwerer Behinderung führen kann. Das Fehlen von Beschwerden beeinträchtigt die Behand­ lungstreue. Die Behandlung ist noch immer unzureichend: Von 100 Patienten mit hohem Blutdruck wird dieser nur bei 50 erkannt und nur bei 25 Patienten behandelt. Auch bei den behandelten Patienten werden die in Leitlinien empfohlenen Blutdrucksenkungen bei bis zu drei Viertel der behandelten Patienten nicht erreicht. Ein wesentlicher Grund kann die fehlende Mitarbeit der Patienten sein. Es fällt den Betroffenen schwer, die Therapie langfristig und kontinuierlich durchzuhalten. Sie haben keine Beschwerden durch den Bluthochdruck, verspüren subjektiv durch die Tabletteneinnahme keine Besserung, möglicherweise aber eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität durch Nebenwirkungen. Je geringer die Nebenwirkungsrate und je komfortabler die Einnahme (zum Beispiel nur einmal statt dreimal täglich), desto günstiger ist die Patientenmitarbeit, Therapietreue und damit die Prognose. Pro Jahr sterben in Deutschland rund 400.000 Menschen an Herz­ und Gefäßkrankheiten: Bei über 40 Prozent der verstorbenen Männer und bei knapp 60 Prozent der verstorbenen Frauen wurde der Tod durch eine Herz­ oder Gefäßkrankheit verursacht (25). Die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen steigt exponentiell mit der Höhe des arteriellen Blutdrucks. Das muss nicht schicksalhaft sein, denn die Komplika­ tionen des Bluthochdrucks lassen sich mit modernen Arzneimitteln wirksam reduzieren. Selten lässt sich der Bluthochdruck mit nur einem Medikament wie einem Betablocker oder einem Diuretikum (harntreibendem Mittel) ausreichend gut einstellen. Die Entwicklung weiterer Substanzklassen wie der Kalzium­Kanalblocker, der ACE­Hemmer und der AT1­Rezeptorantagonisten erweiterte das Be­ handlungsspektrum deutlich, zumal unterschiedliche Kombinationen möglich werden. Damit wird nicht nur durch die Kombination eine bessere Blutdruckre­ gulierung erlaubt, sondern auch die Behandlung bei häufigen Begleiterkrankungen optimiert. Für die Langzeitprognose ist ausschlaggebend, wie lange der Blutdruck wie stark gesenkt wird – eine kurze, intensive Wirkung kommt diesem Ziel noch nicht nahe. Zudem belastet die Nebenwirkung der rasch wirkenden Ausgangssubstanz, der Pulsanstieg, das Herz. Die nächste Generation der Kalzium­Kanalblocker zeigte zwar eine verlängerte Blutdruckwirkung, aber immer noch blieb die Nebenwirkung des Pulsanstiegs bestehen. Bei der dritten Generation gelang nicht nur, eine Verzögerung des Wirkungseintritts und eine noch länger anhaltende Blutdrucksenkung zu errei­ chen, sondern auch den unerwünschten Pulsanstieg zu vermeiden. Einzelne Substanzklassen machen grundlegende Weiterentwicklungen durch, wie sich am Beispiel der Kalzium­Antagonisten zeigen lässt. Durch konse­ quente Weiterentwicklung wurde das Wirkprinzip optimiert und die Nebenwirkungen verringert. Die Ausgangssubstanz Nifedipin wirkt rasch und effektiv, aber nur kurz. 1 Beispiel DiaBetes Bereits seit Entdeckung des Insulins für die Therapie sucht man nach Alternativen für die Anwendung per Spritze. Die verschiedensten Applikationswege wurden geprüft – und verworfen. Jetzt endlich steht den Patienten die Anwendung per Inhalation zur Verfügung. Die moderne bequeme Lebensweise, Bewegungsman­ gel und ein Nahrungsüberangebot lassen erwarten, dass jeder Dritte einen Typ­2­Diabetes entwickeln wird. Zudem gibt es einen Trend, dass der Typ­2­ Diabetes, einst als Altersdiabetes bezeichnet, schon in jüngeren Jahren auftritt. Bei vielen dieser Pati­ enten wird möglicherweise eine Insulintherapie er­ forderlich sein, da die krankheitsbedingten erhöhten Blutzuckerwerte mit Diät und Tabletten nicht mehr zu regulieren sind. Viele Patienten haben jedoch Vorbehalte gegenüber einer Insulintherapie, weil sie Insulin nicht spritzen wollen. Dadurch wird unter Umständen die prinzipiell sinnvolle Insulintherapie hinausgezögert. Eine solche Verzögerung kann beson­ ders bei jüngeren Typ­2­Diabetikern problematisch sein, denn bei ihnen ist das Risiko am höchsten, dass sich durch einen schlecht eingestellten Stoffwechsel Spätfolgen wie Erblindung, Schlaganfall und Nieren­ versagen entwickeln. 1 Fast ebenso lange, wie Insulin in der Diabetes­ Behandlung eingesetzt wird, versuchen Forscher, einen anderen Applikationsweg als die Spritze zu finden. Das erste inhalative Insulin ist seit Mai 2006 in Deutschland erhältlich. Es wird mit Hilfe eines speziellen Dosiersystems eingeatmet, so dass das Insulin über die Lungenbläschen die Blutbahn erreichen kann. Die Anwendung über das Einatmen bietet vor allem den Vorteil, dass die psychologische Hemmschwelle entfällt, sich selbst eine Spritze geben zu müssen. Die Entwicklung des inhalativen Insulins war nicht einfach. Ihr Beginn reicht bereits Jahrzehnte zurück und scheiterte meist an den seinerzeit noch nicht verfügbaren technischen Möglichkeiten. Wird Insulin nach Gabe mit dem Inhalator über die Lunge ins Blut aufgenommen, ist die Wirkung vergleichbar mit injiziertem Insulin. Viele Patienten empfinden das Spritzen als unan­ genehm und versuchen vermutlich, es so lange wie möglich hinauszuzögern. Das kann bedeuten, dass der Blutzucker nicht optimal eingestellt wird und mögliche negative Folgen für die Patienten durch die Entwicklung diabetestypischer Komplikationen nicht auszuschließen sind. Die Widerstände der Patienten gegen eine Insulin­ behandlung, die mit dem Spritzen verbunden sind, könnten durch inhalatives Insulin bei Typ­2­Diabeti­ kern möglicherweise verringert werden. Wenn sie ein solches innovatives Produkt zur Auswahl bekä­ men, stimmten in einer Untersuchung 43 Prozent der befragten Patienten einer Insulintherapie zu, jedoch waren es nur 16 Prozent, wenn allein die konventio­ nellen Spritzen angeboten würden (26). Kontinuierliche Arzneimittelverbesserungen sind die Basis für eine effektivere und damit kostengünstigere Behandlung. Die Kosteneinsparungen ergeben sich beispielsweise durch Vermeidung oder Verringerung von Folgeschäden, durch seltenere oder verkürzte Krankenhausaufenthalte, weniger Nebenwirkungen, die unter Umständen eine Behandlung erfordern, geringere Fehlzeiten durch Arbeitsunfähigkeit oder eine längere Lebensarbeitszeit. Arzneimittelver­ besserungen tragen nicht nur zu Einsparungen der Behandlungskosten bei, sondern wirken sich auch auf andere Bereiche der Sozialversicherung positiv aus. Beispielsweise kann sich der Pflegeaufwand verringern oder Frühberentungen und Kosten für die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt können vermieden werden. 1 Forschende Arzneimittelindustrie und ihr Beitrag für das Gesundheitswesen Innovationen, die von der forschenden Arzneimittel­ industrie entwickelt werden, kommen dem Gesund­ heitswesen zugute. Innovation bedeutet nicht nur Entwicklung neuer Therapieprinzipien, sondern auch deren Weiterentwicklung. Zum Beispiel durch gestei­ gerte Wirkung oder Fokussierung auf einzelne Krank­ heitsbilder. Das Gesundheitswesen profitiert darüber hinaus auch vom Wettbewerb der Forscher um die beste Lösung. Unterschiedliche Anbieter garantieren einen marktgerechten Preis. Erfahrungsgemäß dreht sich durch konkurrierende Neueinführungen die Preisspirale nach unten, also in Richtung kostengün­ stiger Behandlung (3, 5, 10). Die Entwicklung eines neuen Medikamentes erfordert immer mehr Zeit, unter anderem durch die stetig ansteigenden Anforderungen an Prüfungen und die immer umfangreicheren Testungen in Frage kommen­ der Moleküle. Die Grundlagenforschung eröffnet neue Behandlungswege, die meist von mehreren Firmen gleichzeitig verfolgt werden. So entsteht zwischen verschiedenen Firmen ein Wettlauf mit der Zeit. Das erste zur Marktreife gelangende Produkt ist jedoch nicht unbedingt das beste. Wie in den vorangegan­ genen Beispielen geschildert, hat jede Substanz einer Wirkstoffklasse ein eigenes Profil, mit bestimmten Vor­ und möglicherweise auch Nachteilen. Pauschal ein Urteil „reines Nachahmer­Präparat“ oder „inno­ vative Neuerung“ zu fällen, ist vor dem Ziel einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung und einer am Individuum orientierten Gesundheitsversorgung nicht geeignet. 1 Eine besonders wichtige Phase für die Vermarktung eines neu erforschten Arzneimittels ist der Zeit­ raum des Patentschutzes. In dieser auf wenige Jahre begrenzten Zeit dürfen andere Firmen den gleichen Wirkstoff nicht herstellen. Läuft der Patentschutz ab, ist anderen Firmen die Möglichkeit gegeben, das gleiche Produkt herzustellen, ohne Geld in die Ent­ wicklung investiert zu haben. Die Entwicklungskosten sind nicht zuletzt deshalb so hoch, weil sie immer auch für die anfangs synthetisierten Substanzen an­ fallen, die sich im Laufe der klinischen Testphasen als ungeeignet erweisen. Hinzu kommt, dass die Kosten für die Sicherheitsprüfungen nach abgelaufenem Patentschutz nicht mehr so hoch sind. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass die Forschungskosten in verschiedenen Krank­ heitsbereichen besonders hoch sind. Dazu gehört zum Beispiel die Entwicklung von Präparaten gegen lebensbedrohliche Pilzinfektionen, die infolge einer Immunschwäche durch Chemotherapie, Organtrans­ plantation oder schwere Erkrankungen wie AIDS auftreten können. Im Vergleich dazu liegen die Entwicklungskosten beispielsweise bei Antibiotika oder Medikamenten zur Behandlung von Herz­Kreis­ lauf­Erkrankungen im Durchschnitt niedriger. Auf weitere Bereiche der Kosteneinsparungen durch innovative Arzneimittel wurde in den vorangegangenen Beispielen hingewiesen. Verkürzte oder gänzlich entfallende Krankenhausaufenthalte schlagen sich in geringeren Ausgaben der Krankenkassen nieder, selbst wenn dadurch im Sektor Arzneimittel höhere Kosten entstehen. Weitere wichtige Dimensionen zur Einsparung in den sozialen Sicherungssystemen sind verkürzte Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie eine erst später eintretende Pflegebedürftigkeit (Beispiel Alzheimer­Krankheit) oder Vermeidung von Frühberentung. Auch können verordnete, aber nicht eingenommene Medikamente mitunter hohe Folgekosten verursachen, da die Krankheiten zunächst unbehandelt bleiben und zu behandlungs­ bedürftigen Komplikationen, unnötigen Krankenhaus­ aufenthalten usw. führen können. Ein teureres, aber der besseren Therapietreue dienendes Medikament erhöht daher nur auf den ersten Blick die Kosten. Die große Bedeutung der Forschung und Entwicklung (FuE) im Arzneimittelbereich wird deutlich, wenn man die Ausgaben für diesen Sektor betrachtet. Um ein einziges neues Medikament zu entwickeln, müssen etwa 800 Millionen Euro aufgewendet werden. Auf etwa 5.000 synthetisierte Substanzen kommt nur ein Stoff, der die Zulassung als Arzneimittel erhält. Mit einem Anteil der FuE­Ausgaben am Umsatz in Höhe von 12,1 Prozent im Jahr 2001 nimmt die pharmazeutische Industrie eine absolute Spitzenposi­ tion unter allen Wirtschaftssektoren ein (23). Diesen Investitionen steht eine relativ geringe Ausbeute gegenüber: Lediglich 6,6 Prozent der Substanzen erreichen die Produktzulassung und dies unter Umständen nur mit einem erheblichen Zeitaufwand, wie das folgende Beispiel Fluconazol zeigt. Pfizer rief 1970 ein Spezialprogramm zur Erfindung einer neuen Gruppe von Antimykotika ins Leben, weil erwartet wurde, dass die Häufigkeit lebensgefähr­ licher Pilzinfektionen aufgrund des zunehmenden Einsatzes von Immunsuppressiva beträchtlich anstei­ gen würde. Diese Einschätzung erwies sich als richtig. Der Prozess von der Idee bis zum fertigen Wirkstoff Fluconazol dauerte rund 20 Jahre. Trotz der FuE­Investitionen ist es für kein pharma­ zeutisches Unternehmen möglich, alle Indikationen abzudecken. Die steigende Zahl neuer Forschungs­ felder wie Stammzellforschung, Genforschung (zum Beispiel Genomik) und Erforschung von menschlichen Eiweißen (zum Beispiel Proteomik) macht eine weitere Spezialisierung und Flexibilisierung notwendig. Aus diesem Grund haben sich weltweite Wissens­ netzwerke und Kooperationen mit Hochschulen und Biotechnologie­Unternehmen gebildet, die es erleichtern, innovative Entwicklungen schnell und zum Wohle des Patienten auf den Weg zu bringen. Die Debatte über die Leistungen der Arzneimittel­ hersteller sollte neben den Kosten vor allem auch den tatsächlich erreichten gesundheitlichen Gewinn durch innovative Medikamente zum Gegenstand machen. Wenn durch frühzeitige Blutzuckerkontrolle der Eintritt von Komplikationen bei Typ­2­Diabe­ tikern hinausgezögert wird, wenn durch eine gute Blutdruckeinstellung dreißig Prozent der Herzinfarkte und Schlaganfälle verhindert werden, wenn durch Cholinesterasehemmer die Symptomatik bei Alzhei­ mer­Kranken für einige Zeit gebessert werden kann, ist das für den Einzelnen ein Gewinn an Lebensjahren sowie an Lebensqualität, wovon auch die Angehöri­ gen profitieren. Dass Menschen heute immer älter und überdies immer „gesünder“ älter werden, ist nicht zuletzt Arzneimittelinnovationen zu verdan­ ken. Verantwortliche in Gesundheitswesen, Politik, Forschung und Wissenschaft sind aufgerufen, die Weichen für die Zukunft so zu stellen, dass der kontinuierliche Nachschub von Innovationen sicher­ gestellt wird. 1 Zusammenfassung Pharmakologischer Fortschritt wird durch zweierlei Vorgehen möglich: durch die Suche nach gänzlich neuen Behandlungswegen und durch die kontinuier­ liche Fortentwicklung von Behandlungsprinzipien. Die durch kleine Schritte erreichten Verbesserungen eines Wirkstoffes können in der Summe das gleiche Ausmaß annehmen wie die einzelnen Quantensprün­ ge durch Einführen eines neuen Behandlungsprinzips. Das erste – eine neue Substanzklasse begründende – Medikament ist nicht immer auch das beste. Die Behandlung erlangt vielfach mit der zweiten oder dritten Generation von Wirkstoffen deutlich verbes­ serte Nutzen­Risiko­Verhältnisse. Trotz hoher Entwicklungskosten kann durch innova­ tive Arzneimittel und den bestehenden Wettbewerb der Kostenrahmen für die Behandlung bestimmter Krankheiten reduziert werden – durch verkürzte, seltenere oder entbehrlich werdende Krankenhaus­ aufenthalte, erhaltene Arbeitsfähigkeit, aber auch durch wettbewerbsbedingt sinkende medikamentöse Behandlungskosten selbst. Die Fortentwicklung der Arzneimittel einer Gruppe verbessert die Behandlungsergebnisse. Zudem sichert die Vielfalt der Medikamente einer Gruppe das Thera­ pieprinzip, wenn eine Substanz der Gruppe ausfällt. Da sich unerwünschte Wirkungen oft erst nach län­ gerer therapeutischer Anwendung des Medikamentes zeigen, insbesondere wenn sie nur sehr selten auf­ treten, erweist es sich vielfach als entscheidend für die Sicherung eines Therapieprinzips, Weiter­ oder Parallelentwicklungen verfügbar zu haben. 1 Auch bei identischem Krankheitsbild ist nicht bei allen Patienten die gleiche Substanz zur Behandlung angemessen. Im Hinblick auf eine individuell orien­ tierte Therapie erweist es sich als vorteilhaft, wenn es innerhalb einer Wirkstoffgruppe mehrere Substan­ zen mit unterschiedlichen Eigenschaften gibt. Der Fortschritt auf dem Gebiet der Arzneimittelfor­ schung ist beachtlich. Die moderne Medizin hat in den vergangenen 50 Jahren in zahlreichen Krank­ heitsbereichen erstmals Therapiemöglichkeiten geschaffen. Erst die Vielfalt der Forschungsansätze – kontinuierliche Verbesserungen gemeinsam mit Neuentwicklungen – machte ihn möglich. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass neue For­ schungsansätze (zum Beispiel Genomik und Proteo­ mik) in den nächsten 50 Jahren zu bedeutsamen Fortschritten in Krankheitsbereichen führen, die heute nur unzureichend oder kaum durch Medika­ mente behandelt werden können. Literatur 1 Branchi A et al.: Effects of low doses of simvastatin and atorvastatin on high-density lipoprotein cholesterol levels in patients with hypercholesterolemia. 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