Transformatoren ohne Stromstoss einschalten

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INDUSTRIE & AUTOMATION Stromversorgung
Die Smoothies der
Trafotechnik
Transformatoren ohne Stromstoß einschalten. Eine neuartige Konstruktion kann –
in Verbindung mit einem Schütz – den Einschaltstromstoß eines Transformators
voll­kommen unterbinden. Anders als bisher ist es nicht mehr nötig, die Konstruktionsparameter des Trafos zu verändern, um den Einschaltstrom zu senken.
der 1 und 2) auch bei Energie sparenden
Transformatoren unterbleibt.
Einschaltablauf bei Trafo
mit Hilfswicklung
1 | Trenntrafo mit Zusatzwicklung: Diese liegt permanent am Netzeingang und wird
deshalb beim Verbinden mit der Netzspannung sofort bestromt. Die weitere Vorrichtung besteht aus einem elektromechanischen Schütz, das die Primärwicklung und die
Last einschaltet. Bei Bedarf kann sogar ein flinker, auf den Nennstrom bemessener
Leitungsschutzschalter in die Trafozuleitung gesetzt werden
B
isher werden Transformatoren, zum
Beispiel für den Einsatz vor medizinischen Behandlungsräumen nach
der Norm VDE 0100-710, so gebaut, dass
ihr Einschaltstrom kleiner als das Achtfache des Nennstroms ist. Übliche und besonders verlustarme Transformatoren
haben dagegen deutlich höhere Einschaltströme.
Trafos mit Spitzen von nur dem Achtfachen des Einschaltstroms sind dann um
circa 50 % größer und schwerer, und sie
haben mehr Leerlauf und Laststromverluste.
Bei Transformatoren mit reduziertem
Einschaltstrom treten vermehrt Wirkverluste auf, weil ihre Primärspule zur Einschaltstrombegrenzung einen höheren
Wirkwiderstand aufweist. Bisher führte
eine verlustarme Trafoauslegung immer
zu einem hohen Einschaltstromstoß, der
jedoch dank der neuen Konstruktion (Bil-
Beim Spannunganlegen an die Eingangsklemmen des Trafos entsteht nur ein geringer Einschaltstrom, der nicht höher als
der Nennstrom des Trafos ist, weil der
Strom zuerst nur durch die höherohmige
Zusatzwicklung fließt. Die Magnetisierung im Eisenkern des Trafos läuft schon
nach weniger als einer Netzspannungsvollwelle nach dem Einschalten synchron
zur Netzspannung. An der Primärwicklung liegt dann per Induktion ebenfalls
die Netzspannung an. Über ein Schütz
wird nach einer kurzen Verzögerung die
Primärspule an das Netz geschaltet.
Die Sekundärspule ist bis zu diesem
Zeitpunkt noch von der Last getrennt, und
es kann kein Laststrom fließen. Die dabei
entstehende Verzögerung vom Anlegen
der Spannung an die Eingangsklemmen
bis zum Einschalten der Primärspule und
der Last beträgt, je nach Schützgröße, nur
etwa 10 bis 30 ms.
Sollten Schütze eingesetzt werden, die
größere Ströme als den Trafo-Nennstrom
schalten können, so hat das keinerlei
Nachteile für die Einschaltstromvermeidung. Werden im Fehlerfall, wenn der
Schütz defekt ist, die Primärwicklung und
die Last nicht eingeschaltet, kann die Zu-
KONTAKT
EMEKO Ingenieurbüro für Elektronikentwicklung,
Britzinger Straße 36,
79114 Freiburg im Breisgau,
Tel. 0761 441803,
www.emeko.de
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Stromversorgung INDUSTRIE & AUTOMATION
satzwicklung den Leerlaufstrom beliebig
lange liefern, ohne heiß zu werden. Denn
die Last ist dann noch ausgeschaltet.
Bei der Herstellung der Transformatoren lässt sich die Zusatzwicklung in einfacher Weise aufbringen; der Autor schätzt
die Mehrkosten auf maximal 5 % der Trafokosten.
Messdiagramme vom Einschalten des
Trafos belegen, dass der Einschaltstrom
vollkommen vermieden wird. Die Strommessung mit einem Multimeter beim Test
mit einem 2-kVA-UI-Kerntrafo zeigt, dass
die Zusatzwicklung bei Volllast des Trafos
nur ein Drittel des ihr möglichen
Nennstroms trägt.
Die Testergebnisse im Überblick
Bei mehr als 5000 Test-Einschaltungen hat
die flinke Nennstromabsicherung nie ausgelöst. Auch schnell aufeinanderfolgende
Ein-/Aus- und wieder Einschaltungen
bringen keine Einschaltströme und überlasten den Hilfswickel nicht, wenn die
Schützabfallzeit von circa 40 ms als Pause
eingehalten wird. Die Einschaltverzögerung des Volleinschaltens wird ohne elek-
2 | Klemmen am 2-kVA-UI-Trafo: 1, 2 – Primärwickel; 3, 4 – Sekundärwickel; 5, 6 – Zusatzwickel; 1 bis 5 sind gebrückt. Das Netz wird an den Klemmen 8 und 9 angelegt
ten). Für das Einschalten der Primärwicklung können auch wesentlich größere
Schütze mit mehr Stromtragfähigkeit als
Das sanfte Einschalten ohne Stromstoß
gelingt mithilfe der neuen Konstruktion auch
bei Energie sparenden Transformatoren
tronische Bauelemente herbeigeführt, die
ausfallen könnten. Netzumschaltlücken
oder Netzunterbrechungen von 40 ms
Dauer oder länger werden von der Steuerschaltung beherrscht (siehe Wissenskas-
nötig verwendet werden; diese bringen
eine größere inhärente Verzögerung bis
zum Volleinschalten, die sich nicht negativ auf die Einschaltstromvermeidung
auswirkt. Die Messkurven in Bild 3 zeigen
das sanfte Einschalten des Trafos, wenn
man nur ein Schütz verwendet, dessen
Spule von der Primärwicklung gespeist
wird. Beim Cursor 1 wird das Netz an die
Eingangsklemmen gelegt. Zufällig entsteht kein kleiner Einschaltstrom, der
aber, wenn er auftritt, nie größer ist als der
Laststrom. Nach dem Volleinschalten der
Primärspule mit dem Schütz beim Cursor
2 fließt sofort nur der Laststrom, was auf
die vollkommene Vermeidung der Kernsättigung hinweist.
Die schmalen Spitzen auf den Kurven
entstehen durch die Schaltfunken der
Kontakte, welche in die Messung einkoppeln; dies sind keine realen Signale. Die
WISSENSWERT
3 | Einschaltverhalten: 2-kVA-UI-Trenntrafos mit Zusatzwickel, mit der Ansteuerschaltung
nach Bild 2 und mit angeschlossener Last. Oben: Spannung an der Primärspule (200 V/div);
unten: Strom aus dem Netz (5 A/div); der Zeitmaßstab ist für beide Kurven 10 ms/div
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Netzunterbrechung – kein Problem.
In der Praxis dauern Netzlücken,
etwa beim Umschalten von
Stromnetzen, in der Regel länger
als 40 ms, weshalb Stromstöße bei
Netzwiederkehr dann nicht vorkommen können, wenn die hier
gezeigte Vorrichtung verwendet
wird. Schon das Aus- und
Einschalten mit einem elektromechanischen Schütz, der vor dem
Transformator angeordnet ist,
dauert wegen der Abfall- und
Anzugszeit dieses Schützes länger
als 50 ms.
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4 | Prototyp: Der Trenntrafo ohne Einschaltstrom benötigt dank des neuen Konstruk­
tionsprinzips nicht mehr Platz als ein herkömmlicher Ringkerntrafo, der normalerweise
einen sehr hohen Einschaltstrom verursacht
Spitzen auf der Spannungskurve zeigen
das Netzschalter-Kontaktprellen beim
Netzeinschalten. Eine Schütz-Anzugsverzögerung von nur 14 ms hat hier ­genügt.
Weil der normale Induktionsverlauf
sich schon nach sehr kurzer Zeit einstellt,
kann danach das Einschalten der Primärspule deshalb an einem beliebigen Punkt
des Netzspannungsverlaufs geschehen,
weil die Spannung an der Primärspule
schon vor ihrem Einschalten durch den
Schütz zu jedem Zeitpunkt exakt parallel
zur Netzspannung verläuft.
Prototyp eines Ringkerntrafos
Bei einem Ringkerntrafo kann das notwendige Sanft-Einschaltschütz sogar im
Kern-Restloch untergebracht werden. Bild 4 zeigt einen provisorischen Aufbau.
Der Trenntrafo ohne Einschaltstrom
benötigt damit nicht mehr Platz als ein
herkömmlicher Ringkerntrafo, der normalerweise einen sehr hohen Einschaltstrom
verursacht. Der Trafo mit Zusatzwicklung
kann somit auf geringen Wirkverlust ausgelegt werden, weil der Konstrukteur kei-
ne Rücksicht mehr auf den Einschaltstrom
nehmen muss. Das heißt, der Kernquerschnitt muss nicht vergrößert und die Primärwicklung nicht hochohmiger ausgelegt werden. Auch sind keine zusätzlichen
Luftspalte zur Remanenzverminderung
im Kern erforderlich.
Für Einphasen-Trenntransformatoren
eignet sich diese Vorrichtung besonders,
weil dabei mit nur einem Schütz der Trafoein- und -ausgang mit den Schützkontakten gleicher Strombelastung geschaltet
werden kann – denn der Trafoausgang
liefert ja den gleichen Strom, der in seinen
Eingang fließt.
Transformatoren, deren Ausgangsströme deutlich größer sind als die Eingangsströme, müssen am Ausgang mit
größeren Schützen als für den Eingangsstrom geschaltet werden, weil der Ausgangsstrom die nötigen Kontaktströme
bestimmt. Oder aber ihre Lasten müssen
separat frei geschaltet werden.
ml
Autor
Michael Konstanzer ist Inhaber des
Ingenieurbüros Emeko in Freiburg.
Online-Service
Weitere Infos, Schaltpläne und Messkurven
www.elektronik-informationen.de/26052
FAZIT
Jetzt auch für sparsame Trafos. Einschaltstrom-reduzierte Transformatoren unterliegen
Wirkverlusten, weil ihre Primärspule zur Einschaltstrombegrenzung einen höheren
Wirkwiderstand hat. Umgekehrt führte eine verlustarme Trafoauslegung bisher immer zu
einem hohen Einschaltstromstoß. Ein neues Konstruktionsprinzip mit einer Zusatzwicklung unterbindet diese Stromspitze nun auch bei Energie sparenden Transformatoren.
Hersteller dieser Trafos ist die Firma Tauscher in Freyung.
Foto:
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