Ernährung bei Schmerzen: Möglichkeiten zur Hilfe Univ.-Doz. Dr. W. KULLICH Ludwig Boltzmann Institut für Rehabilitation interner Erkrankungen, Saalfelden Mit Ernährung gegen Entzündung und Schmerz ?? WA RNU NG WU NDE VOR und RN LÜG EN ! Wunder Diäten..... extremes Fasten..... Vitaminpillen..... Gelatine Drinks..... etc...... es wird viel angeboten ! ! ! Patent-Rezept gibt es aber nicht ! ! ! CAVE extreme und einseitige Diäten „Cantonal Intervention Programme“ Gesundheitsförderung Schweiz Das Nationale Programm Ernährung und Bewegung (NPEB) definiert die langfristigen Ziele und prioritären Handlungsfelder zur Förderung ausgewogener Ernährung und Bewegung in der Schweiz. Probleme: Konsum energiedichter Nahrungsmittel Konsum Süßgetränke Konsum von Gemüse und Obst ! Zu wenig Bewegung Übergewicht förderndes Umfeld J. SCHNEIDER, EUFEP-Kongress 2013 NUTRACEUTICAL [ = nutrition + pharmaceutical ] The Foundation for Innovation in Medicine FIM 1989: „A nutraceutical is any substance that may be considered a food or a part of a food and provides medical or health benefits including the prevention and treatment of disease.“ Direkte Übertragung ins Deutsche nicht möglich, da Zuordnung zu Lebensmitteln oder Arzneimitteln gegeben sein muss! Riesiger Markt in US und Japan Förderung gesunder Ernährung – Besteuerung von Lebensmitteln Strukturpolitische Maßnahmen um gesunden Lebensstil zu fördern Finnland: Sugartax 1999 – verbessert 1/2010 Ungarn: Junk food tax Dänemark: Sugar and chocolate tax seit 1922, Extension 2011/12 Fat tax 2011 – 2012 11/2011 Erhöhung des Preises um 10 % Senkung der Käufe um 3,5 % W. GWOZDZ, EUFEP-Kongress 2013 Ernährung hat Einfluss auf Entzündungsprozesse und Schmerz! Rheumatoide Arthritis - Fleischkonsum Daten von großen Kohortenstudien zum Einfluss von „rotem Fleisch“ (Rind, Schwein, Wild): 1)Geringer aber nachweisbarer Einfluss auf die RAHäufigkeit PATTISON et al., 2004 2)Keine Assoziation von Fleischkonsum an 80.000 Frauen, die 20 Jahre beobachtet wurden BENITO-GARCIA et al., 2007 3)Es gibt diskrete Hinweise, dass Fischkonsum das RA-Risiko vermindert PEDERSEN et al., 2005 Nahrungsfettsäuren und schmerzhafte Entzündungen Forschung der Entzündungsmechanismen der letzen 20 Jahre lieferten Grundlage, dass Entzündungsmediatoren mit Nahrung aufgenommen werden können. ROBINSON & KREMER, 1991 Fettsäuren sind als Vorläufer der Eicosanoide über den Arachidonsäuremetabolismus mit entzündlich-schmerzhaften Erkrankungen verbunden AS kann aus tierischen Fetten aus dem Darm aufgenommen werden Vermeide arachidonsäurehaltige Ernährung bei Entzündung und Schmerz ! alle pflanzlichen Lebensmittel haben keine Arachidonsäure ! Bei Kost ohne Arachidonsäure werden weniger Prostaglandine gebildet Besserung von Schmerz/Entzündung Omega-3-Fettsäuren bei Entzündung und Schmerz Die in Fischöl enthaltene Eicosapentaensäure ist wirksamer Hemmstoff der Eicosanoidbildung, da sie mit Arachidonsäure um die zu verstoffwechselnden Enzyme konkurriert. Dieser Effekt nützbar ?? JA Fischölfettsäure(Omega-3)-reiche Ernährung NSAR-Verbrauch Pflanzensterine Sterine der Pflanzen können Schmerz reduzieren durch IL-4- und IL-6-Verminderung. Antiinflammatorische Eigenschaft: Mäuse mit Phytosterol-reicher Diät: höheres antiinflammatorisches IL-10, niedriges proinflammatorisches IL-6 und TNF Pflanzenöle haben höchste Phytosterinkonzentration, Nüsse und Samen mittlere, Obst und Gemüse den niedrigsten Steringehalt Kräuterextrakte Rosmarin enthält Carnosol mit entzündungshemmenden Eigenschaften über Hemmung von NF-κb und iNOS Andrographis (= Kalmegh; „King of Bitter“) Entzündungshemmende Medizin in Asien (Extrakt aus Blättern), verhindert die NF-κb Oligonucleotid-Bindung und die nucleäre NF-κb-Transkription. Analgetische Wirkung besser als Paracetamol ! Strategie zur Beeinflussung von Zytokinen durch die Ernährung: Antioxidantien Viele Nahrungsmittel und Vitamine, die günstig für chronische Schmerzpatienten sind, haben eine antioxidative Aktivität. Proinflammatorische Zytokine wie IL-1, TNF, TGF-β können durch eine antioxidantienreiche Diät modifiziert werden. GEMMA et al., 2002 Verschlechterte Antioxidative Abwehr Ursache für altersbezogenen funktionellen Abfall und degenerative Erkrankungen Niedriger Antioxidantienspiegel im Serum als Risikofaktor für Rheumatoide Arthritis nachgewiesen. HELIOVAARA et al., 1994 Die zelluläre Regulation und die Immunregulation sind sensitiv auf d. Gleichgewicht zwischen Antioxidantien u. Oxidantien im Körper. Heute Evidenz, dass erhöhte Aufnahme von Obst und Gemüse oxidativen Stress reduziert. THOMPSON et al., 2005 Vermutung, dass durch ein vermindertes Antioxidantien-Abwehrsystem RA Patienten erhöhtem oxidativem Stress ausgesetzt sind ! erhöhte Lipidperoxidation bei Rheumatoider Arthritis ROWLEY et al, 1984; GAMBHIR et al., 1997 gestörte Aktivität antioxidativer Enzyme wie Superoxiddismutase, GSH-Px, Xanthin Oxidase BIEMOND et al., 1984; MAZETTI et al., 1996 • XO u. SOD Aktivitäten erhöht ➼ erhöhte H2O2 Bildung • und Nicht enzymatische Superoxid radical Scavenger Aktivität (NSSA) und Oxidantien Resistenz vermindert Exzessive Radikalbildung kann wichtiger Faktor bei RA sein CIMEN et al., 2000 α-Liponsäure Coenzym, im Fett-, Kohlehydrat- und Energiestoffwechsel wichtig „Universal Antioxidans“, Regeneration verbrauchter Antioxidantien, schützt Proteine, Lipide und DNA vor oxidativer Zerstörung durch Radikale Greift regulierend in Entzündungsvorgänge ein Vorkommen: Spinat, Kartoffel, Fleisch In der Behandlung diabetischer Neuropathien erfolgreich als Therapeutikum eingesetzt (kann Nervenschäden aufhalten) Schmerzreduktion Verbesserung neuropathischer Defizite Reduktion des Taubheitsgefühls Bei bestimmten Erkrankungen kann höhere Einnahme in natürlicher Form oder als Polypräparat günstig sein PRO Antioxidantiensupplementierung CONTRA Massive Überdosierung: Antioxidantien können normale zelluläre Funktionen unterbinden !! Achtung bei Einnahme hoch dosierter chemischer Monopräparate! Antioxidantienexzess mit Nahrungsergänzungsmitteln Bereits in Lebensmitteln sehr viele Antioxidantien zugesetzt (Haltbarkeit) Anregung des endogenen Antioxidantiensystems gehemmt Hemmung der Ausschüttung der die Sättigung steuernden Adipozytokine (Leptin etc.) bei Übergewicht Nur in physiologischen Mengen haben Antioxidantien durchaus ihre Berechtigung! Philippus Aureolus Theophrastus Bombast von Hohenheim, Hohenheim genannt Paracelsus * vermutlich Ende 1493 in Einsiedeln, heutige Schweiz; † 24. September 1541 in Salzburg „Alle Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, das ein Ding' kein Gift ist.“ (lat.: Sola dosis facit venenum). Antioxidantienreiche Diät = Bioaktive Ernährung Bioaktive vegetarische Ernährung („living food“) aus Beeren, Früchten, Gemüse, Wurzeln, Nüssen, Sprossen bewirkt 3 fache Aufnahme an Polyphenolen im Vergleich zu omnivorer Kost. Fernsehen fördert ungesunde Ernährung! Mehr Obst und Gemüse werden gegessen von Kindern, die weniger fernsehen. Die Fernsehdauer stand in direktem Zusammenhang mit vermehrtem Griff zu süßen und fetten Nahrungsmitteln erhöhtes Krankheitsrisiko W. AHRENS, Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie, Universität Bremen, EUFEP-Kongress 2013 Mediterrane Ernährungsformen („Mittelmeerdiät“) mit Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel reich an Antioxidantien und Vitaminen besitzen nicht nur auf kardiovaskuläre Erkrankungen positive Effekte, sondern können nachweislich Krankheitsaktivität und Schmerz bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen bessern ! „ “ ., 2009 Es ist belegt, dass ein moderater Alkoholkonsum von etwa 1 – 5 alkoholische Getränke/Woche das Risiko an einer Rheumatoiden Arthritis zu erkranken senkt – dies gilt vorrangig für Personen, die das sogenannte Shared Epitope als genetischen Risikofaktor tragen KALLBERG et al., ARD 2009 Sekundäre Pflanzenstoffe Karotinoide Phytosterine Glycosinolate Sulfide Polyphenole ~ 10.000 verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe werden mit der Nahrung aufgenommen ! Gesundheitseffekte durch Polyphenole ? Einteilung der Polyphenole Vorkommen Phenolsäuren Schalen, Blätter, Kaffee, Olivenöl, Weizenvollkorn (z.B. Kaffeesäure etc.) Kaffee, Wein, Walnüsse, Hydroxybenzolsäuren (Gallussäure, Ellagsäure, Vanillinsäure, Gentisinsäure etc.) Tee, Kohl Hydroxyzimtsäuren Flavonoide Flavonole (Quercetin, Rutin, Kampferol etc.) Salat, Zwiebel, Rotwein Flavone (Apigenin, Luteolin) Sellerie, Paprika Flavonole/Catechine (Catechin, Epicatechin) Rotwein, Äpfel, Tee Isoflavonoide Sojabohnen Anthocyane (Malvidin, Cyanidin) blaue Trauben, Kirschen FLAVONOIDE beeinflussen Krankheitsgeschehen hemmen die Cyclooxigenasen ➘ Einfluss auf Schmerz Hemmung von IL-1 und Leukocytenadhäsion GERRITSEN et al., 1995 ➘ Antiinflammatorischer Effekt Flavonoide beeinflussen Schmerzempfindung durch Cyclooxigenasehemmung HAUSTEEN, 1983 Bei Arthrose: Flavonoide + Lachs-Calcitonin besser als Naproxen nach 3 Monaten! BADURSKI et al., 1995 Isoflavone Gehören zu Polyphenolen Vorkommen überwiegend in Hülsenfrüchten (z.B. Soja) Östrogene Aktivität über Östrogenrezeptoren = Phytoöstrogene verhindern Osteoporose (MORITO et al., 2002) modulieren Enzymaktivitäten (vermuteter antikanzerogener Mechanismus) Antioxidative Eigenschaften Isoflavone und Schmerz widersprüchliche Studien - Kein Einfluss auf Nozizeption gefunden (BU et al., 2005) - Dosisabhängige Unterdrückung von neuropathischen Schmerzen (SHIR et al., 2002) - Vorteilhaft bei menstrueller Migräne und prämenstruellem Kopfschmerz (ALLAIS et al., 2005; BRYANT et al., 2005) Sulfide der Zwiebel Lipoxigenasehemmung durch Umwandlungsprodukte des Allicins (enzymatisches Abbauprodukt des Alliins) Thiosulfinate + Cepaene (= alpha-Sulfinyldisulfide) besitzen hemmende Wirkung auf Arachidonsäurestoffwechsel B-Vitamine bei Schmerzen Vitamin B6 (Pyritoxin) : a) Hemmende Wirkung auf Schmerzzustände b) Bei rheumatoider Arthritis mit Schmerz und Entzündung erniedrigte Vit.B6-Spiegel c) Vit.B6 kann Knochenstoffwechsel und Knorpelqualität positiv beeinflussen (MIEHLKE et al., 1985; BERMOND, 1989) Vitamin B12 (Cobalamin): Analgetische Wirkung von Vit.B12 bekannt Rolle bei Aufbau der Myelinscheide von Nerven Besserung von Arthroseschmerz durch Vit.B6/B12-Kombination NSAR-Dosisreduktion möglich Vitamine und RA-Risiko • Protektiver Effekt des Carotinoids BetaCryptoxanthin, einer Vitamin A-Vorstufe (pflanzliche Nahrungsmittel – Obst: Orange, Apfel, Physalis etc.) • Aufnahme von Vitamin D korreliert invers mit der RA-Inzidenz (Iowa Women Health Study) MERLINO et al., 2004 Beachte: Empfindlichkeit von Vitaminen führt zu Verlusten ! Nahrungsergänzung sinnvoll ? Eine ausgewogene Ernährung stellt die Basis für die Versorgung mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen dar ! Nur wenn gesunde Ernährung nicht oder nur bedingt möglich ist oder bei krankheitsbedingtem Mangel ist eine Nahrungsmittelergänzung anzuraten. Nahrungsergänzungsmittel im Schmerzmanagement Bromelain Kapsaicin (Cayenne-Pfeffer) Magnesium Omega-3-Fettsäuren (Fischöl) Antioxidantien (Polyphenole, Saponine, Selen, Vitamine) Aminosäuren (Arginin, Phenylalanin, Tyrosin) Wirkung von Aminosäuren auf Schmerz Phenylalanin und Tyrosin liefern dem Körper den Benzolring für die Synthese der Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin, Serotonin und beeinflussen das Schmerzgeschehen. Phenylalanin kann Enzyme im ZNS blockieren, die die körpereigenen Endomorphine (z.B. Enkephalin) abbauen. Hohe Phenylalaninkonzentrationen in Kürbiskernen und Hülsenfrüchten (Erbsen, Soja etc.). Über den Zimtsäureweg synthetisieren Pflanzen Flavonoide aus Phenylalanin. Wirkung von Aminosäuren auf Schmerz Verringerung von Kortison und Angst durch Aminosäuresupplement (L-Lysin + L-Arginin) in vitro (SRINONGKOTE et al., 2003) und in einer Studie an 108 Japanern (JEZOVA et al., 2005) Die Verabreichung von Arginin führt zu einer Bildung eines analgetischen Peptids (L-Tyrosinyl-L-Arginin), welches das Endorphinsystem beeinflusst. (HARIMA et al., 1991) Glycin hat sich sehr gut als inhibitorischer Neurotransmitter bei Schmerzpatienten erwiesen, wie Studien an der Universität Granada an einem größeren Kollektiv (n=600) zeigen konnten. N-arachidonyl-glycin besitzt spinale analgetische Effekte (JEONG et al., 2010) Nahrungsergängzungsmittel Magnesium Essentielles Mineral Wichtige Bedeutung für viele Schmerzkonditionen Wird für Knochen, Protein- und Säure-Produktion und auch für Hämatopoese, Muskelkontraktion, ATP-Bildung benötigt Evident für den Einsatz bei Migräne-Kopfschmerz und anderen Schmerzbedingungen Magnesiummangel Stört biologischen Rhythmen über Dysfunktion des Nucleus suprachiasmaticus korreliert mit Melatoninabfall Migräne-Kopfschmerz Verschiedenste Ursachen einschließlich Trigger in der Nahrung Diätrichtlinien Eliminiere Allergene der Nahrung Häufige Migräneauslöser: Schokolade, Milch, Karotten, Erdbeeren, Bananen, Kartoffeln, Weizen, Schweinefleisch, Erdnüsse, Kaffee, Walnüsse Weglassen: Schokolade, Alkoholika, Koffein, Käse, Zitrusfrüchte, Nitrate Hohe Aufnahme von Gemüse Niedrige Aufnahme tierischer Fette, die eine Aminreaktion im Gefäßsystem auslösen können Iss Fischöl, Fisch, Zwiebel, Knoblauch Migräne-Kopfschmerz Nahrungsergänzungsmittel 5-HTP hochdosiert bis 300–600 mg/die (5-Hydroxytryptophan, Aminosäure, Vorstufe von Serotonin) Omega-3-Fettsäuren über lange Zeit bis signifikante Migränereduktion Magnesium – i.v.-Injektionen bei akuter Migräne Vitamin B1 (100 mg/die), Vit. B6 (25-50 mg/die) und Vit. B12 (2-3 mg/die) zur verbesserten Magnesiumaufnahme Enzymtherapie, insbesondere bei Obstipation Ingwer 500–1000 mg oral verringert Schmerz i.v. Glutathion bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten zur schnelleren Entgiftung Einige Personen profitieren von einer Medikamenten-Kombination aus Propranolol-Acetylsalicylsäure-Clonidin- und/oder Kalziumkanalblocker Man hat mir eine tolle Diät empfohlen. Ich fresse nur noch vierblättrigen Klee! …und gleich geht‘s weiter…