Orthopädische Universitätsklinik Essen Klinik und Poliklinik für Orthopädie u. Evangelisches Krankenhaus Werden Direktor Prof. Dr. med. F. A. Löer Fachinformation: Hüftgelenkersatz (Hüft-TEP) Individuelle Versorgung durch die richtige Implantatwahl (von H. Quitmann) Diese Information ist eine allgemeine Erklärung und Darstellung medizinischer Zusammenhänge unserer Klinik ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit, sie spiegelt unsere derzeitige medizinische Auffassung wider. 1890 wurde zum ersten Mal ein krankhaft verändertes Hüftgelenk durch ein Kunstgelenk aus Elfenbein ersetzt. Nach mehreren erfolglosen Versuchen mit anderen Materialien wurde durch Sir John Charnley in Wrightington (England) in den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die moderne Ära der zementierten Hüftendoprothetik (Hüftgelenkersatzes) eingeleitet. Er führte die bis heute am meisten eingesetzte Gleitpaarung zwischen dem ersetzten Hüftkopf aus Metall und einer Pfanne aus Kunststoff ein. Inzwischen werden in Deutschland jährlich ca. 150.000 künstliche Hüftgelenke (HüftTEPs) mit unterschiedlichen Gleitpaarungen eingesetzt. Die Behandlung von Hüftgelenkerkrankungen - nicht nur beim Erwachsenen - stellt einen Schwerpunkt der hiesigen Orthopädischen Universitätsklinik dar. Neben vielen anderen operativen Verfahren werden in der Orthopädischen Universitätsklinik in Essen-Werden, Kliniken Essen-Süd, jährlich ca. 250 Hüftprothesen eingesetzt. Dazu kommen zahlreiche Austauschoperationen bei gelockerten Prothesenteilen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Versorgung von Patienten, bei denen das künstliche Hüftgelenk durch Bakterien infiziert wurde, was meist einen langen Krankenhausaufenthalt nach sich zieht. Gelenkverschleiß Viele krankhafte Veränderungen können dazu führen, dass ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden muß. Die bekannteste und häufigste Ursache, die zur Erkrankung führt, ist die Arthrose, der Gelenkverschleiß, welcher im Bereich des Hüftgelenkes als Coxarthrose (lat. coxa: die Hüfte) bezeichnet wird. Zahlreiche angeborene und erworbene Erkrankungen sowie Verletzungsfolgen können ebenfalls zu einem Gelenkverschleiß oder einem teilweisen Absterben des Hüftkopfes (Femurkopfnekrose) führen. Das Hüftgelenk (lat: Articulatio coxae) ist die gelenkige Verbindung zwischen der Abb. 1: Fortgeschrittener Knorpelverschleiß des rechten Hüftgelenks. Die Orthopädische Universitätsklinik Essen informiert: 2/6 Hüftpfanne und dem Oberschenkelkopf. Die tiefe halbkugelige Pfanne schließt mehr als die Hälfte des Kopfes ein, so dass es sich bei dem Gelenk um eine Sonderform des Kugelgelenkes, ein Nussgelenk, handelt. Die Oberflächen von Hüftpfanne und Hüftkopf sind von Knorpel überzogen. Aufgrund eines krankhaften Verschleißes kommt es zu einem Verlust der Knorpelsubstanz sowohl an der Pfanne als auch am Hüftkopf, welches letztendlich zu Schmerzen bei Belastung und später auch in Ruhe führen kann (Abb. 1). Zunächst werden solche Patienten mit Bewegungsübungen und Medikamenten behandelt. Wenn sämtliche nichtoperative Heilungsmethoden zu keiner Linderung der Schmerzen und Wiederherstellung der Beweglichkeit führen, kann ein künstlicher Hüftgelenkersatz zu einer deutlichen Verbesserung der Gelenkfunktion führen. Künstliches Hüftgelenk Bei einem künstlichen Hüftgelenk kann man zwischen Teil- oder Totalprothesen unterscheiden. Bei einer Teilprothese werden nur der Hüftkopf und der Oberschenkelhals ersetzt, wobei die menschliche Hüftpfanne erhalten bleibt. Bei einer Totalprothese wird zusätzlich auch die Hüftpfanne durch eine Prothese ersetzt, um auch die Schmerzen zu nehmen, die von einer nicht ersetzten Hüftpfanne ausgehen können. In unserer Klinik wird nur das letztgenannte Verfahren eingesetzt. Abb. 2: Oberflächenersatz ("Überkronung") des rechten Hüftgelenkes Bei einer herkömmlichen Totalendoprothese müssen der Hüftkopf und der Oberschenkelhals entfernt werden. Die Prothese wird dann mit einem Stiel im Kanal des Oberschenkelknochens verankert. Bei jungen Patienten mit einer guten Qualität des Knochens im Hüftkopf und im Schenkelhals kann dieser Knochen zum größten Teil erhalten bleiben, da lediglich die krankhafte Oberfläche des Hüftkopfes durch einen Oberflächenersatz wie ein Zahn überkront wird (Abb. 2). Falls die Knochensubstanz des Hüftkopfes nicht ausreichend gut ist oder Kontraindikationen bestehen, um einen Oberflächenersatz durchzuführen, kann bei jungen Patienten auch eine so genannte Kurzschaftprothese eingesetzt werden. Wie auf der Abbildung 3 zu erkennen ist, bleibt auch hier ein großer Teil des Oberschenkelknochens unberührt, so dass im Fall einer Lockerung der intakte Knochen für die Verankerung der neuen Prothese nutzbar ist. Beachten Sie die rechtlichen Hinweise unter www.uni-essen.de/orthopaedie. (C) H. Quitmann, Orthopädische Universitätsklinik Essen, Januar 2005 Die Orthopädische Universitätsklinik Essen informiert: 3/6 zum Teil abgelöste Muskulatur wieder anheilen. Bei jedem Patienten muß individuell entschieden werden, welche Art der Prothese und der Verankerung zu wählen ist. Vorgehen bei der Operation Abb. 3: Kurzschaftprothese links Man kann Prothesenanteile mit und ohne Knochenzement verankern. Bei einer Zementierung wird während der Operation aus zwei Komponenten ein schnellhärtender Kunststoff hergestellt ("Zement"), welcher im Knochen mit der eingesetzten Prothese innerhalb von ca. 15 Minuten aushärtet und so eine optimale Passform zwischen Prothese und Knochen herstellt (Abb. 4). Bei dem Knochenzement handelt es sich um Polymethymetacrylat (PMMA), der dem aus dem Alltag bekannten Acrylglas ähnlich ist. Hier ist eine Vollbelastung des Implantates direkt nach der Operation möglich, wird jedoch in den meisten Fällen nicht erlaubt, da die wenigen bei der Operation abgelösten und wieder angenähten Muskelansätze erst wieder fest anwachsen müssen, um das Gelenk in Zukunft optimal stabilisieren zu können. Wenn Prothesen ohne Knochenzement verankert werden, wachsen Knochenzellen auf die aufgeraute Oberfläche der Prothese (Abb. 5b), um dann eine biologische Fixierung zu erreichen. Auch hier muss die Die Operation wird in Teilnarkose (Rükkenmarksbetäubung) oder in Vollnarkose durchgeführt. Je nach Operation liegt der Patient dabei auf dem Rücken oder auf der Seite und die Narkose dauert je nach Fall zwischen ein und zwei Stunden. Bei Austauschoperationen kann die Operation auch mehrere Stunden dauern. Nach einem Hautschnitt von ca. 15 cm Länge an der Seite der zu operierenden Hüfte wird die Muskulatur zur Seite abgeschoben, zum Teil vom Knochen getrennt und dadurch das Hüftgelenk nach Entfernung der Hüftgelenkkapsel freigelegt. In den Abb. 4: Hüftgelenkersatz links mit einer zementierten Totalendoprothese Beachten Sie die rechtlichen Hinweise unter www.uni-essen.de/orthopaedie. (C) H. Quitmann, Orthopädische Universitätsklinik Essen, Januar 2005 Die Orthopädische Universitätsklinik Essen informiert: 4/6 meisten Fällen muß der Oberschenkelhals mit dem Hüftkopf mit einer Säge entfernt werden. Zunächst wird dann die Hüftpfanne zur Vorbereitung für den Einsatz der künstlichen Pfanne mit passenden Fräsen aufgefräst. In diesem Haus werden Pfannen eingesetzt, die entweder zementiert eingesetzt oder so eingeschlagen werden, dass diese durch eine zirkuläre Spannung im Knochen gehalten werden ("press-fit"), so dass dann die Knochenzellen auf die Prothese anwachsen können. Bei zementfreien Pfannen wird anschließend ein Kunststoffeinsatz in die Titanschale eingeklemmt. Zementfreie Schalen können hier auch mit Hilfe eines Navigationssystems exakt positioniert werden. Dazu ist zurzeit noch eine Computertomographie des Beckens vor der Operation notwendig. Danach wird der Markraum des Oberschenkelknochens so präpariert, dass der Schaft exakt mit oder ohne Zement richtig sitzt. Zunächst wird durch einen Probeschaft und einen aufgesetzten Probeprothesenkopf überprüft, ob eine regelrechte Funktion gewährleistet ist. Dabei wird auch auf eine möglichst exakte Beinlänge geachtet. Wesentlich ist jedoch, dass der Kunstkopf nicht aus der Pfanne herausspringt. Um die Weichteilspannung, die im Wesentlichen durch die Muskulatur gewährleistet wird, bestmöglich austarieren zu können, gibt es Prothesenköpfe in verschiedenen Längen. Nachdem eine Röntgenkontrolle einen regelrechten Sitz des Probeschaftes gezeigt hat und durch die funktionelle Untersuchung das gewünschte Ergebnis erzielt wurde, kann der Originalschaft mit oder ohne Knochenzement verankert werden (Abb. 5 a/b). Nach Aushärtung des Knochenzementes kann dann der Originalkopf aus Metall oder Keramik aufgesetzt und die Prothese in die vorbereitete Kunstpfanne reponiert werden. Nach einer nochmaligen Funktionsüberprüfung wird die Wunde ausgespült und Wundschläuche eingelegt. Dadurch kann ein möglicher Bluterguss nach außen ausgeleitet werden. Die Schläuche werden spätestens zwei Tage nach der Operation wieder entfernt. Nach der Operation Abb. 5: Modell eines zementfreien Schaftes links mit Keramikkopf (5a) und eines zementiert einzubauenden Hüftschaftes rechts mit Metallkopf (5b) Zunächst wird der Patient für eine Nacht zur Überwachung auf die Anästhesiologische Intensivstation verlegt. Am nächsten Beachten Sie die rechtlichen Hinweise unter www.uni-essen.de/orthopaedie. (C) H. Quitmann, Orthopädische Universitätsklinik Essen, Januar 2005 Die Orthopädische Universitätsklinik Essen informiert: 5/6 Tag wird der Patient je nach körperlichem Zustand bereits an der Bettkante sitzen und erste Schritte mit Hilfe der Krankengymnasten laufen können. Nach einem stationären Aufenthalt von etwa zwei Wochen werden die Patienten ambulant oder stationär in einer RehaKlinik nachbehandelt. Meistens ist eine Teilbelastung des operierten Beines mit zwanzig Kilogramm für sechs Wochen notwendig. Bei größeren Operationen, und wenn eventuell fehlender eigener Knochen (etwa durch Auslockerung der Prothese) durch Knochen aus der Knochenbank ersetzt werden musste, wird auch eine längere Teilbelastung über mehrere Monate notwendig. Jeder Patient erhält einen Prothesen-Pass, in dem die verwendeten Prothesenteile bezeichnet sind. Sehr wichtig ist, dass die Patienten mit ihrer Prothese bewusst umgehen, um so eine möglichst lange Haltbarkeit zu erreichen. Während der Nachbehandlung direkt nach der Operation werden von unseren Krankengymnastinnen und unserer Ergotherapeutin die Patienten lernen, welche Bewegungen sie mit ihrem neuen Hüftgelenk durchführen dürfen und welche nicht. So dürfen die Patienten am Anfang nicht im Bett auf der Seite liegen, später nur mit einem Kissen zwischen den Beinen. Es muß gelernt werden, dass man die Schuhe richtig anziehen soll. Während der ersten zwölf Wochen ist die Gefahr einer Ausrenkung des Kunstgelenkes deutlich erhöht. Während dieser Zeit bildet sich durch Narbengewebe eine neue Hüftgelenkkapsel, die eine Ausrenkung in der Zeit danach in den meisten Fällen verhindern kann. Vermieden werden sollte in der Folgezeit nach einer Hüftgelenkoperation das Heben von schweren Lasten, das Sitzen und Liegen mit übereinandergeschlagenen Beinen sowie das Sitzen auf niedrigen Stühlen. Wieder im Alltag Mit einem Kunstgelenk ist eine dosierte sportliche Betätigung möglich und wichtig, um so eine günstige Belastung des Knochens zu gewährleisten. Empfohlen werden daher regelmäßige Bewegungen ohne übermäßige und stoßartige Belastung, wie z.B. regelmäßige Spaziergänge, Fahrrad fahren und Schwimmübungen. Das Tragen von Schnürschuhen mit weichen und elastischen Sohlen ist zu bevorzugen. Leichte Gymnastik, Tanzen sowie Skilanglauf sind ebenfalls möglich. Sportarten mit ruckartigen Stoß- und schweren Belastungen auf das Hüftgelenk, wie z. B. Tennis, alpiner Skilauf, Jogging, Sprungsportarten und Fahrrad fahren gegen großen Widerstand, sind nicht zu empfehlen. Auch das Tragen von sehr schweren Lasten und schwere körperliche Arbeiten sollten unterlassen werden. In fast allen Fällen kann durch die Hüftgelenkoperation eine schmerzfreie Bewegung des operierten Gelenkes erreicht werden. Das künstliche Hüftgelenk sollte im Folgenden alle zwei Jahre durch einen Orthopäden durch Anfertigung eines Röntgenbildes kontrolliert werden, um Beachten Sie die rechtlichen Hinweise unter www.uni-essen.de/orthopaedie. (C) H. Quitmann, Orthopädische Universitätsklinik Essen, Januar 2005 Die Orthopädische Universitätsklinik Essen informiert: 6/6 frühzeitige Komplikationen erkennen zu können, da eine Lockerung häufig nicht schmerzhaft ist und zu schwer behandelbarem Knochenverlust führen kann. Heutzutage kann man davon ausgehen, dass nach ca. 10 Jahren noch über 95% der Hüftprothesen fest sitzen. Navigationssysteme den Operateur immer mehr unterstützen können. Es handelt sich dabei nicht um selbst operierende Roboter, welche aktuell in die Kritik geraten sind und kaum noch angewendet werden. Bei Verwendung eines Navigationssystemes wird dem Operateur nur ein Vorschlag gemacht – operieren muss der Chirurg noch selber. Oder lassen Sie sich von Ihrem Navigationssystem im Auto fahren? Ausblick Durch neue Implantatmaterialien und verbesserte chirurgische Techniken sind weitere Verbesserungen zu erwarten, die eine schnellere Rehabilitation nach sich ziehen und die Haltbarkeit der Prothesen weiter verlängern können. Ebenso werden Beachten Sie die rechtlichen Hinweise unter www.uni-essen.de/orthopaedie. (C) H. Quitmann, Orthopädische Universitätsklinik Essen, Januar 2005