Wunder sind in der Biologie ebenso wie in der Mathematik nicht

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Warum hat der Mensch gleich viel Gene
wie eine Maus? Wieso sind Fehler so wichtig für das Überleben? Wie können Fledermäuse fliegen? Wieso läuft die Entwicklung manchmal rückwärts? Warum hat die
Evolutionslehre nicht alle Antworten auf
die Fragen parat, die sie selber stellt?
Die Schülerinnen und Schüler von
Texas, dem Heimatstaat von George
W. Bush, sollen auf diese komplexen Fragen eine einfache Antwort bekommen:
Weil Gott die Welt erschaffen hat. So jedenfalls will es ein Teil der texanischen
Schulbehörde in die Schulbücher schreiben. Die Debatte zwischen den sogenannten Kreationisten und Vertretern der Evolutionslehre nach Charles Darwin wird
weiter erbittert geführt. Dabei hat die Wis-
Von Jean-Martin Büttner, Bern
In Bern haben Kreationisten
versucht, den Schulunterricht
zur Evolution zu beeinflussen.
Ein neues Lehrmittel erklärt die
wissenschaftlich abgesicherte
Theorie von Charles Darwin.
Das Resultat dieser Auseinandersetzung liegt jetzt vor, «Evolution verstehen», eine 23-seitige Broschüre von Markus Wilhelm, Professor für Naturwissen-
Streit um die Entstehung
senschaft das amerikanische Bundesgericht und haben die Kreationisten die
Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.
Eine landesweite Umfrage im letzten Jahr
ergab, dass zwei Drittel der Amerikaner es
für sicher oder sehr wahrscheinlich halten,
dass der Mensch eine Schöpfung Gottes
ist. Und also vor höchstens 10 000 Jahren
erschaffen wurde.
Wäre es nach Schweizer Kreationisten
gegangen, hätten auch die Schulklassen im
Kanton Bern die Schöpfungslehre zusammen mit der Evolutionstheorie lernen
müssen. Und zwar nicht während der Religionsstunde, sondern im Biologieunterricht. Doch der Einfluss der Konservativen
auf das entsprechende Lehrmittel wurde
publik, und die Berner Erziehungsdirektion reagierte. «Die kreationistische Auffassung basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen», sagte knapp der
grüne Erziehungsdirektor Bernhard Pulver und ordnete eine Korrektur an.
Die Biologie des Lebens auf 23 Seiten,
unterrichtet ab der siebten Klasse und für
13-Jährige: Natürlich geht das nicht ohne
Abkürzungen und Vereinfachungen. Das
Magazin operiert konsequent mit Analogien, Merksätzen und Grafiken. Es spricht
Auffälligkeiten der Evolution an wie etwa
den Umstand, dass die
Zahl der Gene noch nichts
über die Komplexität eines Organismus aussagt;
dass Mensch und Schimpanse sich genetisch weit
mehr gleichen als Schimpanse und Gorilla – und
dass es nur selten gelingt,
den Stammbaum von Lebewesen
herzuleiten.
Dazu kommen die Merkwürdigkeiten der Evolution, dass zum Beispiel der Grünlaubsänger gleichzeitig als
eine Art und als zwei Arten existiert. Oder
dass sich die Asiatischen Elefanten, nicht
zuletzt unter dem Einfluss der menschlichen Besiedlung, immer offensichtlicher
in zwei Arten teilen.
Das beste Beispiel im Heft, wie komplex
die Evolution von Organismen verläuft
und wie fatal sich der menschliche Eingriff
in diese Entwicklung auswirken kann,
Wunder sind in der
Biologie ebenso wie
in der Mathematik
nicht vorgesehen.
schaften und Didaktik an der Pädagogischen Hochschule in Luzern. Man merkt
seiner Schrift den Streit um ihre Entstehung an. Die Einführung «Die Evolution –
eine Theorie ohne Wunder» spricht die
unvereinbaren Vorstellungen behutsam
an, sagt dann aber klar: Wie die Mathematik müsse die Biologie die
Natur erforschen, ohne zu
Wundern zu greifen –
sonst versinke sie in
Chaos. Die Evolutionstheorie baue auf Erkenntnissen auf, «obwohl wir
noch lange nicht für alle
Einzelheiten eine Erklärung gefunden haben».
Auch deshalb müsse es
darum gehen, eine aufgestellte Theorie immer wieder auf ihre
Richtigkeit zu überprüfen. Beiläufig wird
damit nicht nur das Vorgehen der Wissenschaft erklärt, sondern gleich noch die
Wissenschaftstheorie: Richtig ist, was
nicht als falsch bewiesen werden kann. Jedenfalls bis zum Beleg des Gegenteils.
Dann muss die Theorie den neuen Erkenntnissen angepasst werden. Die Wissenschaft sollte fragen, bevor sie antwortet, und nicht umgekehrt.
Markus Wilhelm: Evolution verstehen –
Das Magazin. Schulverlag blmv AG, Bern
2009 (www.schulverlag.ch).
Dennoch verzichtet der Bauer auf Antibiotika, weil nämlich die Bakterien mittelfristig auch dagegen resistent werden. Er
findet es sinnvoller, immer wieder verschiedene Bäume zu pflanzen – weit genug
voneinander entfernt, damit sie einander
nicht anstecken können. Der moderne
Apfelanbau sieht das Gegenteil vor: möglichst viele Bäume derselben Sorte auf engstem Raum. Die Alternative für den Biobauern sind Bäume, die selber gegen die Bakterien resistent werden: dank ihrer eigenen
Evolution. Darwins Kurzformel, dass die
Evolution vom Überleben des Stärkeren
bestimmt wird, lässt sich selbst in friedlich
anmutenden Obstplantagen bestätigen.
Bäume können sich wehren
kommt einem auf den ersten Blick banal
vor. Es ist ein Interview mit einem Biobauern über die Erkrankung seiner Bäume an
Feuerbrand, bei dem aggressive Bakterien
ganze Obstbäume vernichten. Die Evolution erlaubt den Schädlingen, sich äusserst
schnell an neue Apfelsorten anzupassen.
Die Evolutionslehre im Schulbuch erklärt, nicht in der Bibel
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