F-Praktikum: Vortrag über die Entstehung von Teilchenmassen

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F-Praktikum: Vortrag über die Entstehung von Teilchenmassen Zusammenfassung
Frieder Koch
14. Dezember 2007
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In diesem Text soll ein kurzer Überblick über die Entstehung von Teilchenmassen im Standardmodell mittels
des Higgs-Kibble-Mechanismus und den möglichen Nachweis des damit verbundenen Higgs-Bosons am Large
Hadron Collider gegeben werden.
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Theorie
Zur Beschreibung von Phänomenen in der Elementarteilchenphysik wird das sog. Standardmodell der Teilchen-
physik (SM) verwendet. Dieses ist eines der am besten experimentell bestätigten Modelle in der Physik und
enthält drei Familien von Fermionen, aus denen alle Materie aufgebaut ist, die erste Familie besteht aus dem
Elektron
e−
und dem zugehörigen Neutrino
νe
als Leptonen und den up- und down-Quarks.
Die starke und elektroschwache Wechselwirkung dieser Teilchen wird durch lokale Eichtheorien beschrieben,
wobei stets lokale Eichinvarianz der Lagrangedichte gefordert wird. Für ein freies Dirac-Teilchen lautet diese:
L=i ψ̄γ µ ∂µ ψ − mψ̄ψ .
Sie ist allerdings nicht invariant unter lokalen Eichtransformationen der Form
führung einer kovarianten Ableitung mit dem neuen Feld
Aµ
ψ → eiθ(x) ψ .
Über die Ein-
erhält man die neue Lagrangedichte
L=ψ̄(iγ µ ∂µ − m) − j µ Aµ − 14 Fµν F µν ,
die die Kopplung von Elektronen und Photonen mit dem Feldtensor
Fµν
beschreibt und lokal eichinva-
riant ist. Dieses Vorgehen lässt sich auch für die schwache WW durchführen, führt allerdings aufgrund der
daraus folgenden masselosen W- und Z-Bosonen zu einem Widerspruch zur Realität der schweren Eichbosonen
(MW
= (80, 392 ± 0, 029)
GeV,
MZ = (91, 1898 ± 0, 0031)
GeV).
Um dieses Problem zu lösen, schlugen Peter Higgs und Tom Kibble 1964 die Einführung eines skalaren Feldes (Higgs-Feld) vor. Dieses Feld durchdringt das gesamte Universum und besitzt insbesondere einen nicht
verschwindenden Vakuumerwartungswert, seine allgemeine Form ist:
2
V=-µ
ψ 2 + λψ 4 .
Abbildung 1: Form des Higgs-Potenzials
Bei geeigneter Wahl der Parameter
µ
und
λ
hat dieses Potential unendlich viele Minima (siehe Abb.1),
die Auswahl eines speziellen Punktes führt zu einer sog. spontanen Symmetriebrechung. Durch die verschieden
starke Kopplung an dieses Feld erhalten die Elementarteilchen ihre Massen, das Higgs-Feld stellt sich sozusagen
den Teilchen in den Weg und verleiht ihnen dadurch Trägheit. Seine Selbstwechselwirkung führt auf ein weiteres
Teilchen, das sog. Higgs-Boson, das aber bisher nicht entdeckt werden konnte.
Die Masse des Higgs ist ein freier Parameter im SM, es gibt jedoch Einschränkungen, sowohl aus der Theorie
als auch aus bereits durchgeführten Experimenten.
[A]
[B]
Abbildung 2: Theoretische und experimentelle Grenzen für die Higgs-Masse
In Abb. 2[A] sind die theoretischen Grenzen in Abhängigkeit der Skala, für die die Gültigkeit des SM gefordert wird, aufgetragen. Dies ist die wesentlichste Einschränkung aus der Theorie, man erkennt, dass diese
umso schärfer wird, je gröÿer der geforderte Gültigkeitsbereich wird. Bei den bisherigen Experimenten ist vor
allem der LEP (Large Electron Positron Collider) zu nennen, aus den dort gewonnenen Daten lässt sich eine
Untergrenze von
MH > 114
GeV ableiten. In Abb.2[B] symbolisiert die gelb hinterlegte Fläche den bereits
ausgeschlossenen Bereich, die parabelförmige Kurve ist ein
∆χ2 -Fit
für die Wahrscheinlichkeit der Gröÿe der
Higgsmasse, ein kleiner Wert bedeutet hier eine groÿe Wahrscheinlichkeit. Da dieser Fit von vielen Paramtern
abhängig ist, ist seine Unsicherheit relativ groÿ, man kann allerdings schlieÿen, dass die Higgs-Masse, falls es
existiert, nicht sehr weit oberhalb des ausgeschlossenen Bereichs liegt.
Da das Standardmodell trotz seiner bisher guten Bestätigung noch einige Schwächen, wie z.B. den beschränkten Gültigkeitsbereich oder die nicht enthaltene Gravitation, besitzt, gibt es verschiedene Vorschläge für eine
Erweiterung mittels supersymmetrischer Theorien, die z.T. die Existenz von mehreren Higgs-Teilchen fordern.
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LHC - Large Hadron Collider
Der LHC am CERN in Genf ist ein Proton-Proton-Speicherring mit einer sehr hohen Schwerpunktsenergie von
√
s = 14
TeV. Er bendet sich im Tunnel des ehemaligen LEP, der einen Umfang von ca. 27 km hat. Im Ring
benden sich etwa 9000 Magneten, die stärksten können ein Magnetfeld von maximal 9 T erzeugen. Sie dienen
zur Umlenkung und Fokussierung der gegenläugen Protonenstrahlen, die an vier Punkten aufeinander treen,
an einem von ihnen steht der ATLAS-Detektor (A Toroidal LHC Apparatus), der mit 46
× 25 m gröÿte Detektor
am LHC. Er besteht aus Spurdetektoren im Inneren, Kalorimetern und einem Myonenspektrometer als äuÿere
Komponente. Aufgrund der hohen Ereignisrate (40 Mio. Kollisionen pro Sekunde) besitzt er ein aufwendiges
Triggersystem, um die interressanten Ereignisse heraus zu ltern. Betriebsbeginn ist voraussichtlich 2008.
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Zerfalls- und Produktionsmechanismen des Higgs
Der dominante Kanal zur Higgs-Produktion am LHC ist der der Gluon-Gluon-Fusion, wichtig ist auch die
Vektorbosonen-Fusion (Wirkungsquerschnitte
σ
siehe Abb.3[A]). Da das Higgs aber aufgrund seiner kurzen
Lebensdauer nicht direkt detektiert werden kann, muss man für seinen Nachweis auch seine Zerfallskanäle
untersuchen, die wichtigsten sind hier aufgelistet (relative Häugkeit siehe Abb.3[B]; alle Werte in Abb.3 in
Abhängigkeit der Higgs-Masse):
H → γγ,
H → f f¯,
H → V V (∗) .
[B]
[A]
Abbildung 3:
σ
der Produktions- und relative Häugkeit der Zerfalls-Mechanismen des Higgs
Ab einer Higgsmasse von etwa 130 GeV wird besonders der dort dominante Zerfall in zwei Vektorbosonen
interessant, da sich durch deren Zerfall in jeweils zwei Fermionen das Higgs am LHC sehr gut nachweisen lässt. Es
müssten dann vier aus einem einzigen Higgs-Zerfall stammende Leptonen, z.B. Myonen, detektiert werden, die
sich vom überwiegend aus Quark-Antiquark-Paaren bestehenden Hintergrund sehr gut unterscheiden lassen und
somit zu einem sicheren Nachweis des Higgs führen würden. Man spricht daher vom goldenen Zerfallskanal.
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Zusammenfassung
Der Higgs-Kibble-Mechanismus ist eine Möglichkeit, die Entstehung von Teilchenmassen im SM zu erklären,
die Selbstwechselwirkung des neu eingeführten Higgs-Feldes führt dabei auf das Higgs-Boson, dessen Nachweis
noch aussteht. Am LHC wird dieses Teilchen erzeugt und detektiert werden, falls es in der geforderten Form
existiert. In jedem Fall sind, durch den Vorstoÿ in neue Gröÿenordnungen bei der Energie, neue Erkenntnisse
aus den Messdaten des LHC zu erwarten, die zur Klärung der oenen Fragen im SM beitragen können.
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