PRESSEKONFERENZ «Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrages der schweizerischen Uhren­ und Mikrotechnikindustrie » Mittwoch 25. Oktober 2006 Hôtel DuPeyrou ­ 2000 Neuchâtel 13 SITZUNGEN UND 150 ARBEITSSTUNDEN EIN GAV MIT EINER NEUEN PHYSIOGNOMIE Die je rund 15­köpfigen Verhandlungsdelegationen der Convention patronale CP und der Gewerkschaft Unia haben sich zwischen Oktober 2005 und September 2006 insgesamt 13 Mal getroffen. Die Verhandlungen dauerten rund 150 Stunden. Zudem wurden einige spezifische Probleme in kleineren, aus Arbeitnehmenden und Arbeitgebern paritätisch zusammengesetzten Arbeitsgruppen mit rund 10 Mitgliedern behandelt. Auf beiden Seiten gab es gewisse Forderungen, auf die überhaupt nicht eingetreten wurde. Nachfolgend die ausführlichen Verhandlungsergebnisse : 1. GAV­ÄNDERUNGEN AUFGRUND VON FORDERUNGEN DER CONVENTION PATRONALE 1.1 Subventionierung von Bildungskosten durch PREVHOR Die ausschliesslich von den Arbeitgebern finanzierte Vorsorge­ und Berufsbildungsstiftung PREVHOR zahlt den organisierten Arbeitnehmenden und auch gewissen nicht organisierten Arbeitnehmenden eine Art 3. Säule aus. Seit 2001 wird zudem ein Teil der jährlich zugeführten Mittel (5,828 Mio. Franken) für die teilweise Finanzierung der Bildungskosten der Betriebe und der Gewerkschaften eingesetzt. In den letzten Verhandlungen wurde beschlossen, diesen Anteil auf 800'000 Franken zu erhöhen, wovon die Gewerkschaften einen Viertel und die Betriebe drei Viertel erhalten. 1.2 Ferien Die Ferien in der Uhrenindustrie, eine Besonderheit der Branche, werden in der Periode zwischen 1. Juli und 30. Juni festgelegt. Diese Periode wird „Uhrenindustriejahr“ genannt. Da es mehr und mehr verschwindet, beschlossen die Parteien, dass neu das Kalenderjahr (1. Januar ­ 31. Dezember) die Regel, das Uhrenindustriejahr die Ausnahme sein soll. ­ 1 ­ Mit dieser Änderung, die natürlich am System der Ferien (5 und 6 Wochen) nichts ändert, verschwindet lediglich ein Relikt aus vergangenen Zeiten und die in der Branche übliche Praxis wird „normalisiert“. 1.3 Krankheit und Unfall Die wichtigste Neuerung besteht darin, dass die Bestimmung gestrichen wurde, gemäss welcher der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag während Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder Unfall ab dem 10. Dienstjahr im Betrieb nicht kündigen darf. 1.4 Lohnpolitik Der GAV legt die Kompetenzen im Bereich der Löhne zwischen den Parteien klar fest. Beziehungsweise verfügen die Betriebe über einen Spielraum bei der Lohngestaltung, der aber durch die kollektiven Verhandlungen über den Teuerungsausgleich, die Verhandlungen über die Mindestanfangslöhne und die gesetzlichen Bestimmungen über die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden aus Nicht­EU­ oder Nicht­EFTA­Ländern eingeschränkt wird. 2. GAV­ÄNDERUNGEN AUFGRUND VON FORDERUNGEN DER GEWERKSCHAFT UNIA 2.1 Unterstellung unter den GAV Der Organisationsgrad und die Quote der dem GAV unterstellten Betriebe sind in der Branche hoch. Trotzdem ist es notwendig, unablässig Anstrengungen zur Information und zur Mitgliederwerbung zu unternehmen. Dazu stimmten die Parteien folgender Bestimmung zu: Mit dem Ziel, den Geltungsbereich des vorliegenden GAV zu erweitern, bemühen sich die Convention patronale, Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaft Unia, ihre jeweilige Werbung zu verbessern. Es finden regelmässige Aussprachen statt, insbesondere zur Förderung der Unterstellung neuer Betriebe unter den GAV und zur Erleichterung der Erfüllung der gewerkschaftlichen Aufgaben im Zusammenhang mit Information und Werbung. 2.2 Leiharbeit (= Temporärarbeit) Wie zahlreiche andere Industriebranchen, doch in einem geringeren Ausmass, zieht die Uhrenindustrie temporäre Arbeitskräfte bei. Formell sind die temporär Beschäftigten der Temporärfirma unterstellt, die sie beschäftigt, und nicht dem Betrieb, der sie anstellt. ­ 2 ­ Um die Gleichbehandlung aller Mitarbeitenden zu fördern, stimmten die Parteien folgendem Text zu Schliesst der Arbeitgeber mit einer Temporärfirma einen Leiharbeitsvertrag ab, achtet er darauf, dass die Anwendung der Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrags auf die betroffenen Arbeitnehmenden in folgenden Bereichen gewährleistet ist: 13. Monatslohn, Mindestanfangslöhne, Ferien, bezahlte Feiertage, Arbeitszeit, Überstundenregelung. Zu diesem Zweck bemüht sich der Arbeitgeber insbesondere, Leiharbeitsverträge nur mit Temporärfirmen abzuschliessen, welche die oben erwähnten GAV­ Bestimmungen einhalten. 2.3 Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz Die Parteien tragen den gegenwärtigen Bemühungen Rechnung, einem erkrankten oder verunfallten Arbeitnehmenden zu ermöglichen, so rasch als möglich wieder ins Arbeitsleben integriert zu werden. Die Erfahrung zeigt, dass je länger die Abwesenheit vom Arbeitsplatz dauert, desto schwieriger ist die Wiedereingliederung. Die Parteien stimmten folgender Bestimmung zu: Sobald die Wiedereingliederung des erkrankten oder verunfallten Arbeitnehmenden aus medizinischen Gründen ins Auge gefasst werden kann, prüft der Betrieb objektiv, welche Wiedereingliederungsmassnahmen im Betrieb möglich sind. Er berücksichtigt dabei die Meinung des Arbeitnehmenden, des Arztes und der betroffenen Versicherer sowie die betrieblichen Möglichkeiten. 2.4 Lohnpolitik Die Kriterien für die Festlegung der Mindestanfangslöhne wurden präzisiert. Künftig müssen die unterzeichnenden Vertragsparteien folgende Punkte berücksichtigen : § Ergebnis der Verhandlungen über den Teuerungsausgleich § Abstand zwischen Mindestanfangslöhnen und Medianlöhnen in der Uhrenindustrie § Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik § Entwicklung der Löhne in der Uhrenindustrie in den letzten Jahren § Entwicklung der Löhne in den andern Industriebranchen § Entwicklung der Uhrenindustrieexporte, der Bestellungseingänge sowie des Auftragsvorrates § Situation auf dem Arbeitsmarkt ­ 3 ­ 2.5 Arbeitgeberbeitrag an die Krankenkassenprämien Den für Arzt­, Arznei­ und Spitalkosten versicherten Arbeitnehmern steht ein Arbeitgeberbeitrag von monatlich 130 Franken zu (100 Franken gemäss altem GAV). Der Arbeitgeberbeitrag für Kinder wird von 30 auf 60 Franken erhöht. 2.6 Adoptionsurlaub Der bisher nur der Adoptivmutter zustehende Adoptionsurlaub wird nun auch den Adoptivvätern gewährt. Arbeiten beide Elternteile in der Uhrenindustrie, kann der Adoptionsurlaub nicht kumuliert werden. Analog dem Modell des Mutterschaftsurlaubs dauert der Adoptionsurlaub 10 Wochen und wird zu 100 Prozent bezahlt. 2.7 Vaterschaftsurlaub für Väter Bei der Geburt eines Kindes hat der Vater Anspruch auf 3 Tage Vaterschaftsurlaub (Grundregel). Vom zweiten Kind an beträgt er 4 Tage. 2.8 AHV­Überbrückungsrente Die AHV­Überbrückungsrente wird von 18'000 auf 24'000 Franken jährlich erhöht. Da die AHV­Überbrückungsrente ein Jahr im Voraus beantragt werden muss, wird diese Änderung ab 1. Januar 2008 wirksam. Bisher war der Anspruch auf eine AHV­Überbrückungsrente an die Bedingung geknüpft, zehn Jahre im selben Betrieb oder in derselben Gruppe gearbeitet zu haben. Neu ist der Rentenbezug nach zehn Dienstjahren innerhalb von einer Frist von zwölf Jahren in einem dem GAV unterstellten Betrieb möglich. Dank dieser gelockerten Kriterien wird es einem Arbeitnehmenden, der die Stelle wechseln musste oder arbeitslos war, möglich sein, am Ende seines Berufslebens trotzdem auf eine AHV­Überbrückungsrente Anspruch zu haben. ­ 4 ­ 3. GAV­ÄNDERUNGEN AUFGRUND GEMEINSAMER FORDERUNGEN VON CP UND UNIA 3.1 Militärdienst Im Zusammenhang mit den von den Betrieben bezahlten Zulagen und Zuschlägen wird künftig von «obligatorischem schweizerischem Militärdienst» gesprochen und nicht mehr von «Militärdienst in der Schweiz». 3.2 Gründliche redaktionelle Überarbeitung Der GAV 2002 enthielt noch zahlreiche alte, zum Teil überholte Bestimmungen und die Systematik basierte eher auf einer chronologischen Ordnung als auf Benutzerfreundlichkeit, die Grundlage jedes Handbuchs sein sollte, was ein GAV ja auch ist. Deshalb nahmen CP und Unia nach Abschluss der Verhandlungen eine gründliche Überarbeitung des Textes vor. Die Systematik wurde überprüft, Anachronismen abgeschafft, die verschiedenen Artikel nach Themen gegliedert. Somit wird die Lektüre des neuen GAV 2007 erleichtert, der Text ist verständlicher als vorher. 4. GAV­ÄNDERUNGEN INFOLGE ÄNDERUNGEN DER BUNDESGESETZGEBUNG 4.1 Mutterschaft Bei der Niederkunft hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf 16 Wochen Mutterschaftsurlaub (wie bisher), wenn sie Anspruch auf die Eidgenössische Mutterschaftszulage hat (bisher war dies nur der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis zehn Monate gedauert hatte). Mindestens 14 Wochen des Mutterschaftsurlaubs müssen nach der Niederkunft bezogen werden. ­ 5 ­