Autogenes Training Dieses von J.H. Schultz, Psychiater in Berlin, 1932 erstmals publizierte Verfahren bezweckt durch bestimmte autosuggestiv wirkende Übungen eine Umstellung der menschlichen Persönlichkeit im emotionalen, körperlichen und vor allem vegetativen Bereich. Grundlage dazu ist ein durch Autosuggestion erzielter, schlafähnlicher Zustand. Das der Hypnose nahestehende, aber im Gegensatz dazu von der ausübenden Person selbst praktizierte Verfahren des Autogenen Trainings ist somit eine Art Selbsthypnose und wurde von seinem Autor auch als „konzentrative Selbstentspannung“ bezeichnet. Dabei vereinigen sich zwei scheinbar gegensätzliche Elemente, Entspannung und Konzentration. Das Autogene Training stellt nicht eine Art Gymnastik, sondern eher eine Psychotherapie dar. Grundsätzlich besteht das Autogene Training aus zwei Teilen, einer Unter- und einer Oberstufe, welche vorwiegend meditativen Charakter besitzt und nur unter speziellen Umständen zur Anwendung gelangt. Die immer mehr verbreitete Unterstufe bezieht sich zunächst auf den körperlichen Bereich des menschlichen Organismus und bezweckt, von ihm ausgehend, eine Beeinflussung auch psychischer Funktionen. Dabei sind Leib und Seele als eine Ganzheit anzusehen, deren beide Einzelkomponenten gegenseitig aufeinander Einfluss nehmen. Die Unterstufe des Autogenen Trainings setzt sich aus sechs Übungen zusammen, die sich auf verschiedene Körperregionen und Funktionen beziehen. Die Schwereübung Schrittweise, von einem Arm ausgehend, wird durch Konzentration versucht, die gesamte Muskulatur des Körpers zu entspannen, was meist mit einem Schweregefühl identifiziert wird. Als Formel: „Ich bin ganz ruhig, mein Arm wird schwer“ oder im weiteren Verlauf der Übung „Der ganze Körper ist schwer“. Endziel der Schwereübung, welche die Grundlage zu fünf weiteren Übungen darstellt, ist die Entspannung des gesamten Körpers, die sich ihrerseits positiv auf die seelische Befindlichkeit auswirkt. Wer körperlich entspannt ist, kann nicht von seinen Emotionen überwältigt werden. Die Wärmeübung Sie bezweckt durch Konzentration auf die Extremitäten - Arme und Beine - deren entspannende Erwärmung („ Beine und Arme angenehm warm“). Dieses Gefühl ist häufig mit einer auch objektiv nachweisbaren Mehrdurchblutung der betreffenden Extremitäten verbunden. Die Atemübung Atmung und Kreislauf sind in ihrer Funktion eng miteinander verbunden, und Störungen treten oft gekoppelt in beiden Systemen auf. Bei der Atemübung wird versucht, den Atemvorgang möglichst sich selbst zu überlassen. Nach dem Prinzip „es atmet mich“ sollte die Versuchsperson den ihr eigenen Atmungsrhythmus und - typus in Ruhe und Entspannung ausfindig machen. Die Herzübung Normalerweise wird der Herzschlag höchstens bei körperlicher Belastung oder starken Emotionen wahrgenommen. Durch ängstliche Selbstbeobachtung kann aber eine erhöhte Sensibilität gegenüber der Herzaktion entstehen. Die Herzübung führt zu einem durch Konzentration zu erreichenden Erleben der eigenen Herztätigkeit, die mit einem Gefühl von Ruhe verbunden wird („mein Herz schlägt ruhig“). Bei organischen Herzkrankheiten, insbesondere bei Kranzgefässstörungen, ist mit dieser Übung Vorsicht geboten (Rücksprache mit dem Arzt ). Die „Sonnengeflecht“- Übung Das Sonnengeflecht ist ein weitläufiges Netz von Nervenfasern und Nervenzellen, welche die Durchblutung der Bauchorgane regeln. Die Sonnengeflechtübung dient der Durchwärmung der Abdominalorgane, wobei die Formel „Sonnengeflecht angenehm warm“ angewandt wird. Der Darm und die Unterleibsorgane werden dabei besser durchblutet und entspannt. Die Stirnkühle Diese Übung befasst sich mit der Stirn- und Gesichtsregion und führt mit der Übungsformel „Stirn angenehm kühl“ zu einer Regelung der Durchblutung im Kopf- und Gesichtsbereich. Grundsätzlich führt die Stirnübung zur Entspannung in der gesamten Gesichtsregion und sollte auch zur Beseitigung von dort vorhandenen Empfindungen - wie Kopfschmerz, Verkrampfung der Gesichtsmuskulatur - führen. Oft kann die Übung durch die Vorstellung eines leichten kühlenden Luftstroms im Stirnbereich eingeleitet werden. Die Gesamtheit der dargestellten Übungen stellt die Unterstufe des ATs dar. Sie können in einer Zeitspanne von ungefähr drei Monaten erlernt werden, wobei allerdings täglich eine zweimalige Übung vorausgesetzt ist. Auch später sollte durch dauerndes Training eine weitere Intensivierung und ständige Anwendbarkeit des Autogenen Trainings erzielt werden. Im Mittelpunkt des Autogenen Training stehen Entspannung und Konzentration. Entspannung wird sich nicht nur auf die körperliche Sphäre des Organismus auswirken, sondern auch der gesamten Persönlichkeit ein angenehmes Gefühl von Ruhe und Gelassenheit verschaffen. Zuweilen wird aber ein solches für den modernen, ständig dem Stress ausgesetzten Menschen paradoxerweise nur schwer erträglich sein. Durch Konzentration andrerseits gelingt es, sich auf gewisse Denkziele einzustellen, welche ihrerseits körperliche Abläufe oder seelische Vorstellungen beeinflussen. Es wird möglich, ohne Verkrampfung sich auf seinen Organis- mus einzustellen, die ihm eigenen Gesetzmässigkeiten kennenzulernen und selbst auf sonst unwillkürliche Funktionen wie die Durchblutung der Extremitäten, die Herzfrequenz oder die Darmtätigkeit einzuwirken. Durch „formelhafte“ Vorsatzbildung können auch bestimmte Verhaltensweisen und Lebenssituationen besser bewältigt werden. Im Versenkungszustand des Autogenen Trainings kann man sich beispielsweise ein frisches Erwachen , einen entspannenden Schlaf oder die Ruhe in einem bewegten Gespräch suggerieren. Je öfter man übt, desto eher wird das Autogene Training auch in schwierigen Lebenssituationen anwendbar. Schulz beschreibt die Wirkung des Autogenen Trainings als Erholung, Ruhigstellung, Intensitäts- oder Leistungssteigerung und Selbstbestimmung. Es ermöglicht auch Selbstreflexion. In der Trainingsphase können sich allerdings verschiedene Umstellreaktionen vegetativer und emotionaler Art bemerkbar machen ( Herzklopfen, Angstgefühle, Muskelzittern und Lachkrämpfe). Die therapeutische Anwendung des AT ist breit gefächert. Grösstes Applikationsgebiet sind funktionelle Störungen des vegetativen Nervensystems und einzelner Organe wie Kopfschmerz, Migräne, Schwitzen, Herzklopfen- und stolpern, Magen- Darmstörungen, Blasen - und Periodenstörungen. Besondere Bedeutung hat die Behandlung von Schlafstörungen erlangt. Schon die generellen Auswirkungen des Autogenen Trainings bedingen eine Ruhigstellung des Organismus im Schlaf. Er wird tiefer, harmonischer und länger. Durch formelhafte Vorsatzbildungen („Ich schlafe ruhig und entspannt“) kann sich ein zusätzlicher Effekt ergeben. Auch bei psychosomatisch und vegetativ bedingten Schmerzzuständen leistet das Autogene Training wertvolle Hilfe. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind psychosomatische Erkrankungen wie gewisse Arten von hohem Blutdruck, Lungenasthma, Magengeschwür und Weichteilrheumatismus. Selbst bei organischen Krankheiten, vor allem bei spastischen Zuständen im Falle neurologischer Erkrankungen, kann Autogenes Training entspannend wirken. Eine weitere Indikation stellen Verhaltensstörungen und Angst nicht psychotischer Art dar. Namentlich kann bei Hypochondrie die ängstliche Selbstbeobachtung in ein positives Vertrauen zum Organismus umgewandelt werden. Auch bei süchtigen und sexuellen Störungen ( Rauchen, übermässiges Essen, Störungen beim Geschlechtsverkehr...) zeigen sich oft positive Resultate. Das Autogene Training kann einzeln oder in Gruppen eingeübt werden, gewöhnlich einmal alle ein bis zwei Wochen; dazwischen ist tägliches Üben nötig. Wichtig ist auch die Besprechung über im Autogenen Training festgestellte Empfindungen. ( nach Prof. Dr. Felix Labhardt, Basel ) Dr.med.Urs Schönenberger, Schulhausstrasse 1, 6048 Horw 041 – 340 35 34