:: Prävention Prävention der Hüftarthrose durch gelenkerhaltende Hüftchirurgie Von Hans Gollwitzer Keywords: Koxarthrose, gelenkerhaltende Eingriffe, Umstellungsosteotomie, Hüftarthroskopie, Hüftarthrose Die Arthrose des Hüftgelenkes stellt in den Industrienationen eine der häufigsten Gelenkerkrankungen dar. Allein in Deutschland werden aufgrund einer Arthrose jährlich deutlich mehr als 200.000 künstliche Hüftgelenke implantiert. Trotz der exzellenten Ergebnisse haben künstliche Gelenke vor allem bei jungen und aktiven Patienten eine erhöhte Versagensrate. So zeigen Auswertungen des finnischen Endoprothesenregisters, dass die Revisionsrate bei Patienten unter 55 Jahren nach 15 Jahren bereits ca. 40 % beträgt. Daher sollten gerade bei jungen Patienten alle Anstrengungen unternommen werden, das natürliche Gelenk zu erhalten. Epidemiologie Bei der Hüftgelenksarthrose handelt es sich zwar um ein multifaktorielles Geschehen, jedoch ist die Mehrzahl der Arthrosefälle als „sekundär“ einzustufen. Dies bedeutet, dass die Arthrose zu einem wesentlichen Anteil auf eine identifizierbare Ursache – wie beispielsweise auf eine so genannte präarthrotische Deformität – zurückzuführen ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass eine rechtzeitige Behandlung der zu Grunde liegenden Ursache eine spätere Arthrose potenziell verhindern kann. Die folgenden Hüftgelenkserkrankungen stellen die häufigsten Ursachen einer Hüftgelenksarthrose dar: - Instabilitäten bei Hüftdysplasie, Coxa valga et antetorta, kapsulärer Hüftinstabilität - Kongruenzstörungen bei femoroazetabulärem Impingement, Epiphysiolysis capitis femoris, M. Perthes - Rheumatische Erkrankungen - Hüftkopfnekrose - Synoviale Erkrankungen - Septische Arthritis Die entzündlichen Gelenkerkrankungen mit rheumatischer Ursache können heute sehr | 10 erfolgreich medikamentös behandelt werden und bedürfen nur noch selten einer operativen Therapie. Hingegen ist eine konservative Therapie der deutlich häufigeren mechanischen Pathologien langfristig ineffektiv. Für eine kausale Therapie der präarthrotischen Instabilität bzw. Kongruenzstörung wird dann eine operative Korrektur der knöchernen Fehlstellung notwendig. In der a Abb. 1: (a) Röntgenaufnahme einer beiderseitigen Hüftdysplasie mit verminderter Überdachung des Hüftkopfes und kurzer, flach ausgeprägter und steil stehender Pfanne: rechts unbehandelter Befund, links nach Korrektur der Überdachung mittels dreifacher Becken osteotomie. Folge werden die häufigsten operativ therapierbaren Ursachen sekundärer Koxarthrosen vorgestellt. Hüftinstabilität: Hüftdysplasie, Coxa valga et antetorta, kapsuläre Instabilität Bei der Hüftgelenksdysplasie handelt es sich um eine angeborene Reifungsstörung des b (b) Hüftinstabilität bei Coxa valga et antetorta: präoperative Röntgenaufnahme mit deutlicher Verkippung des Beckens nach ventral (erkennbar u.a. an der verzerrten Darstellung des Foramen ovale (Pfeil)), und Normalisierung der Beckenstellung nach varisierender und derotierender intertrochantärer Umstellungsosteotomie (ITO). ATOSnews a b c d e f Abb. 2: (a) Präoperative Röntgenaufnahme der Hüfte bei FAI mit fehlender Taillierung des anterioren und lateralen Oberschenkelhalses (Pfeile); (b) Typischer arthroskopischer Befund bei FAI mit chondrolabaler Separation des Labrums (L) vom azetabulären Knorpel (A) und zugleich lappenartiger Knorpeldelamination; H = Hüftkopf, A = azetabulärer Knorpel; (c) arthroskopischer Befund nach Knorpelstabilisierung; (d) postoperative Röntgen- Hüftgelenkes mit einer unreifen, flach ausgeprägten und steil stehenden Hüftpfanne sowie einem steil stehenden und nach vorne rotierten Oberschenkelhals (Coxa valga et antetorta, Abb. 1). Die einzelnen Komponenten können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und auch lediglich das proximale Femur betreffen (Coxa valga et antetorta). Auch isolierte kapsuläre Instabilitäten sind keine Seltenheit, wobei deren Diagnostik ein hohes Maß an klinischer Erfahrung erfordert. Im Ergebnis führt die Instabilität des Hüftgelenkes zu einer anterolateralen Dezentrierung des Hüftkopfes, welche bis zu einer kompletten Luxation des Hüftkopfes aus der Pfanne führen kann. Durch die Dezentrierung des Hüftkopfes sowie die pathologische Krafteinleitung kommt es zu einer Überlastung des anterolateralen Pfannenrandes mit der Folge kontrolle nach Taillierung des Kopf-Hals-Übergangs (Pfeil); (e) intraoperatives Bild eines Hüftkopfes mit ausgeprägter nockenwellenförmiger Entrundung des Kopf-Hals-Übergangs (cam-Deformität) im Rahmen einer chirurgischen Hüftluxation. Der Bereich des Hüftkopfes, der rezidivierend am Azetabulum anschlägt, zeigt eine rötliche Verfärbung (*); (f) Zustand nach offener cam-Resektion mit Taillierung des proximalen Femurs von Knorpel- und Labrumschäden („Azetabular rim syndrome“). Dies führt unbehandelt – abhängig vom Grad der Instabilität – früher oder später zur Hüftarthrose. Da es sich um eine knöcherne Fehlstellung handelt und die Hüftgelenksinstabilität in den allermeisten Fällen auch nicht muskulär kompensierbar ist, wird für eine langfristige Therapie eine operative Korrektur der pathologischen Pfannenposition und/ oder der pathologischen Oberschenkelstellung notwendig. Die wesentlichen Ziele der gelenkerhaltenden Chirurgie sind die Verbesserung der Gelenkkongruenz, die Normalisierung der Hüftkopfüberdachung, die Zentrierung des Hüftkopfes in der Pfanne sowie die Optimierung des radiologischen Gelenkspalts. Dabei kann entweder eine Korrekturosteotomie des Beckens, des proxima- len Femurs oder beides notwendig werden. Für einen alleinigen weichteiligen Eingriff mit Kapselraffung oder Rekonstruktion des Lig. capitis femoris liegen noch keine überzeugenden Daten vor. Eine detaillierte klinische Untersuchung stellt die wesentliche Grundlage für die geplante Deformitätenkorrektur dar. Unterstützt wird die klinische Diagnostik durch eine standardisierte Röntgenanalyse mit Funktionsaufnahmen, mittels welcher sowohl die knöcherne Situation, die Gelenkkongruenz, die Überdachung des Hüftkopfes als auch der radiologische Gelenkspalt nach Korrektur simuliert werden können. Die Korrekturrichtung als auch das Korrekturausmaß werden anhand der präoperativen Fehlstellung und dem Bewegungsumfang individuell festgelegt. ! 11 | :: Prävention a b Abb. 3: Therapie der Hüftkopfnekrose stadienabhängig mit (a) Anbohrung und Implantation einer bipolaren Induktionsschraube (rechts in Kombination mit einer Femurosteotomie). Die spezielle Schraube besitzt zwei Elektroden und eine Spule. Über ein externes Magnetfeld kann dann ein Stromfluss innerhalb des Knochens angeregt werden, welcher die Knochenregeneration stimuliert (Stromfeld = rotes Areal). (b) Teilersatz des Hüftkopfes (Hemicap) bei ausgedehnter und großflächig eingebrochener Hüftkopfnekrose. Die klassischen Korrekturoperationen sind auf Seite des knöchernen Beckens die Beckendreifachosteotomie nach Tönnis (Abb. 1) bzw. die periazetabuläre Osteotomie nach Ganz, wobei bei beiden Operationen das Azetabulum über den Hüftkopf geschwenkt wird. Auf Seiten des koxalen Femurendes ist häufig eine varisierende und/oder derotierende intertrochantäre Umstellungsosteotomie notwendig, welche individuell mit einer dreidimensionalen Korrektur modifiziert wird (Abb. 1). Wie bei allen gelenkerhaltenden Operationen ist auch bei der Therapie der Hüftinstabilität der vorbestehende Knorpelschaden von entscheidender Bedeutung für das postoperative Ergebnis. So korrelieren klinische Scores im postoperativen Verlauf mit dem initialen Arthrosestadium. Die zuverlässig besten Ergebnisse werden bei Arthrosegrad 0 und 1 nach Tönnis erreicht. Bei diesen frühen Arthrosestadien wurden regelhaft gute und sehr gute Ergebnisse mit Erhalt des natürlichen Gelenkes in über 90 % der Fälle nach 10 und mehr Jahren berichtet. Einzelne Studien bestätigen die langfristig erfolgreiche Therapie mit Vermeidung einer Koxarthrose auch nach deutlich mehr als 20 Jahren. Hingegen zeigt der natürli- | 12 che Verlauf bei unbehandelter Dysplasie einen hohen Anteil an Patienten, die bereits im jungen Erwachsenenalter eine manifeste Koxarthrose entwickeln und ein künstliches Hüftgelenk benötigen. Somit können die Korrekturosteotomien bei Hüftdysplasie bzw. Hüftinstabilität als wirksame Therapie zur Prävention der Koxarthrose betrachtet werden. Kongruenzstörungen: Femoroazetabuläres Impingement, Epiphysiolysis capitis femoris, Morbus Perthes Das Konzept des femoroazetabulären Impingement (FAI) nach Ganz beschreibt einen rezidivierenden pathologischen Kontakt zwischen hüftnahem Oberschenkelknochen und knöchernem Pfannenrand. Voraussetzungen sind knöcherne Deformitäten des Femurs (Abb. 2) und/oder des Azetabulums sowie ein entsprechender Bewegungsumfang, der zum pathologischen Kontakt führt. Durch das chronische Anschlagen kommt es über die Jahre zu einer Schädigung von Labrum acetabulare und Gelenkknorpel mit der Folge einer Hüftgelenksarthrose. Hüfterkrankungen des Kindes- und Jugendalters wie die Epiphysiolysis capitis femoris bzw. der M. Perthes führen über eine Entrundung des Hüftkopfes und folgende Kongruenzstörung zwischen Hüftkopf und Hüftpfanne ebenfalls zum mechanischen Phänomen des FAI. Da es sich um einen mechanischen Konflikt aufgrund einer knöchernen Deformität handelt, kann eine kausale Therapie ausschließlich durch eine operative Korrektur der knöchernen Pathologie erreicht werden. Je nach Ausdehnung des Befundes kann die Korrektur minimal-invasiv arthroskopisch oder offen-chirurgisch durchgeführt werden. Die meisten FAI-Deformitäten können heute durch erfahrene Hüftchirurgen arthroskopisch behandelt werden (Abb. 2). Das offene Verfahren ist die Therapie der Wahl bei ausgedehnten und weit nach dorsal und inferior reichenden Deformitäten, da nur durch die chirurgische Hüftluxation eine komplette Übersicht über die Zirkumferenz der Hüftpfanne als auch das proximale Femur (Abb. 2) erreicht wird. Die vorliegenden Studien zeigen durchgehend, dass das postoperative Ergebnis wesentlich mit dem zum Zeitpunkt der Operation vorliegenden Knorpelschaden korreliert. So werden regelmäßig gute und sehr gute Ergebnisse mit wesentlicher Beschwerdebesserung erreicht, wenn die operative ATOSnews Therapie rechtzeitig durchgeführt wird, d. h. wenn noch kein ausgedehnter Knorpelschaden bzw. bereits eine Arthrose vorliegt. Erste mittelfristige Ergebnisse zeigen, dass die früh postoperativ erreichten guten Ergebnisse auch 10 Jahre nach der Operation noch anhalten. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass durch eine konsequente Behandlung des FAI eine Hüftarthrose auch langfristig verhindert werden kann. Hüftkopfnekrose Bei der Hüftkopfnekrose handelt es sich um eine Durchblutungsstörung des Hüftkopfes mit Absterben des subchondralen Knochens. Dies führt im natürlichen Verlauf schließlich zu einem Einbruch der Gelenkfläche und in der Folge zur Hüftarthrose. Bekannte Risikofaktoren sind toxische Substanzen (z. B. Kortison, Nikotin, Chemotherapeutika), Stoffwechselstörungen (z. B. Hyperlipoproteinämie), Bluterkrankungen (z. B. Sichelzellanämie) oder traumatische Durchblutungsstörungen. Die Hüftkopfnekrose hat typischerweise einen stadienhaften Verlauf, entsprechend wird eine stadiengerechte Therapie notwendig. Diese ist abhängig von der Größe der Nekrose, der Lokalisation der Nekrose im Hüftkopf, der Integrität der subchondralen Knochenlamelle, der Qualität des Gelenkknorpels sowie dem Fortbestehen von Risikofaktoren. Die folgenden Therapiemöglich- keiten werden stadienabhängig – auch in Kombination – in der Therapie der Hüftkopfnekrose eingesetzt: - Medikamentöse Therapie (Iloprost®, ggf. mit Bisphosphonat) bei der „Vorstufe“ der Hüftkopfnekrose (Knochenmarködemsyndrom) - Anbohrung des Nekroseherdes („Core decompression“) zur Druckentlastung und Stimulation der Knochenneubildung - Stimulation der Knochenregeneration durch eine elektromagnetische bipolare Induktionsschraube (Abb. 3) - Ausräumung des Nekroseherdes und Auffüllung mit autologer Spongiosaplastik - Transplantation einer gefäßgestielten Fibula zur Vaskularisation des Nekroseherdes - Korrekturosteotomie zur Schwenkung des (eingebrochenen) Nekroseherdes aus der Belastungszone - Teilersatz des Hüftkopfes (Hemicap) bei großen, nicht aus der Belastungszone schwenkbaren und eingebrochenen Nekrosearealen (Abb. 3) - Hüfttotalendoprothese. Unbehandelt wird bei manifester Hüftkopfnekrose im natürlichen Verlauf in über 80 % die Implantation einer Prothese notwendig. Bei stadiengerechter Therapie hingegen kann die Rate der „Therapieversager“ je nach Aesculap® Methaa® Der Kurzschaft. Q Q Q Knochenerhaltende und weichteilschonende nde Operationstechnik sensortiment Vielfältigkeit durch umfangreiches Prothesensortiment ch spezielle Beschichtung Förderung der knöchernen Integration durch A-OT13003 de Weitere Informationen unter www.kurzschaft.de Aesculap AG | 78532 Tuttlingen | www.aesculap.de Ausdehung und Stadium der Hüftkopfnekrose auf unter 20–30 % reduziert werden. Fazit Der wesentliche prognostische Faktor für den Erfolg einer gelenkerhaltenden Operation ist der vorbestehende Knorpelschaden. Bei bereits vorliegender Arthrose verschlechtert sich die Prognose kontinuierlich. Daher ist eine frühzeitige präzise Diagnostik und Intervention mit Behandlung der zugrunde liegenden Arthroseursache für einen langfristigen Gelenkerhalt entscheidend. Die gelenkerhaltende Hüftchirurgie erfordert durch das große Spektrum der Erkrankungen eine individuelle und spezialisierte Behandlung, um eine optimale Ergebnisqualität mit niedriger Komplikationsrate zu erreichen. Aktuelle Studien zeigen auch in den langfristigen Nachuntersuchungen den Erfolg der vorgestellten Therapiemaßnahmen in der Prävention der Koxarthrose und im langfristigen Erhalt des natürlichen Gelenkes. Literatur beim Verfasser PD Dr. Hans Gollwitzer Leitender Arzt Hüftchirurgie und Knieendoprothetik ATOS Klinik München [email protected] www.drgollwitzer.de