Erdstrahlen und Wasseradern -- die kunterbunte Welt der Radiästhesie Mo 26 28 Wasseradern Wünschelrutenfreunde versuchen uns einzureden, die Erde sei von Wasseradern, quasi unterirdischen Bächen durchzogen. Das stimmt aber nicht: Das Grundwasser breitet sich flächig aus, nicht in Adern oder Strömen. Wenn man sich nicht gerade im Gebirge über einer wasserführenden Höhle befindet, kann man davon ausgehen, dass das Wasser im Untergrund sehr gleichmäßig verteilt ist. Oft werden Brunnen dort gegraben, wo Radiästheten eine Wasserader vermuten, und wenn dann tatsächlich Wasser hervorsprudelt, wird das als wunderbarer Erfolg der Radiästhesie verkauft. Interessanter wäre es, das Gegenteil auszuprobieren: Dort wo ein Wünschelrutengänger sicher ist, keine Wasserader anzutreffen könnte man einen weiteren Brunnen graben ‒ und man würde dort genauso Wasser finden. Tatsache ist: Wenn man nicht gerade auf einem Hügel steht, wird man immer auf Grundwasser stoßen, wenn man in die Erde bohrt. Erdstrahlen Linien von Nord nach Süd und von Ost nach West. Die Abstände zwischen den Gitterlinien betragen in Nord-Süd Richtung 2 Meter, und in Ost-West-Richtung 2.5 Meter. Diese Abstände sind überall gleich, unabhängig von der geographischen Breite. (Es wäre nun brennend interessant, wie das Hartmanngitter in der Nähe des Nordpols aussieht, wenn dort, wo sich alle Längengrade in einem Punkt treffen, das Hartmanngitter noch immer brav seine 2 mal 2.5 Meter misst.) Zusätzlich dazu gibt es auch noch das Currygitter, das von Nordost nach Südwest und Nordwest nach Südost verläuft. Es schneidet das Hartmanngitter auf der ganzen Welt in einem Winkel von 45 Grad. Versuchen Sie mal, auf einer Orange zwei rechtwinkelige Gitter einzuzeichnen, die sich überall im 45Grad-Winkel schneiden, Sie werden sehr schnell erkennen, dass es so etwas nicht geben kann. Warum Radiästheten so haarsträubend dumme (und leicht zu widerlegende) Behauptungen aufstellen, ist schwer zu verstehen. Wenn man schon eine Theorie frei erfindet, dann sollte sie doch wenigstens auf den ersten Blick glaubwürdig wirken. August Noch spannender als angebliche Wasseradern sind die Erdstrahlen. Von ihnen gibt es unterschiedliche Sorten: Das Hartmanngitter (auch Globalnetz genannt) verläuft in geraden Mi 29 Do Fr 1 30 Sa 2 So 3 4 Erde im Aphel Tag der Gemächlichkeit 5 27 12 28 29 6 7 8 9 10 19 13 14 20 15 21 16 Als Zauberer und Entfesselungskünstler war er ein gefeierter Star. Er entkam aus versperrten Gefängniszellen und befreite sich aus Zwangsjacken, während er an den Füßen aufgehängt über den Niagarafällen baumelte. Auf der Bühne begeisterten seine Tricks die Zuseher so sehr, dass ihm vorgeworfen wurde, er verfüge über echte magische Kräfte. James Randi, der berühmte Zauberkünstler, weiß, wie man mit Illusionen arbeitet. Genau deshalb ist er sehr skeptisch, wenn andere Leute behaupten übernatürliche Fähigkeiten zu haben. Seit Jahren überführt er Wunderheiler, Wünschelrutengänger und andere Scharlatane mit wissen-schaftlicher Präzision. 11 18 17 22 23 24 25 26 27 28 Karl R. Popper geb. 29 30 31 1 Bovis Radiästheten können angeblich nicht nur feststellen, wo Erdstrahlen sind, sie können auch ihre Stärke angeben, und zwar in der Einheit „Bovis“. Mit dieser Einheit wird nicht nur die Strahlung von Orten gemessen, sondern auch der Energiegehalt von Nahrungsmitteln. Um so eine Energiemessung durchführen zu können, braucht man weder besondere Kenntnisse noch Erfahrung, sondern nur eine Bovis-Skala auf einem Stück Papier und ein Pendel. Selbst wenn es die mystischen Strahlungen oder „Energien“, nach denen hier gesucht wird, wirklich gäbe, wäre diese Messung absurd: Der Mensch ist kein geeichtes Messgerät. Wir können keine Zahlen für Sinneseindrücke angeben. Welche Wellenlänge hat das Licht einer grünen Ampel? Wie weit ist der Kirchturm am Horizont entfernt? Wie schwer ist der Kochlöffel, den wir in der Hand halten? ‒ Wenn wir viel Erfahrung haben, können wir für solche Messgrößen vielleicht Schätzungen angeben, aber die Annahme, der Mensch (und ein Pendel oder eine Wünschelrute) könnte von sich aus Strahlungswerte angeben wie ein physikalisches Messgerät, widerspricht jeder Erfahrung darüber, wie unsere Sinne funktionieren. Wellenlängen-Messung Die Sache wird aber noch erstaunlicher: Wie man auf vielen Internetseiten nachlesen kann, entspricht die Einheit „Bovis“ der physikalischen Längeneinheit „Angström“. (Ein Angström ist ein Zehnmilliardstel Meter.) Bovis gibt, so wird behauptet, die Wellenlänge der gemessenen elektromagnetischen Strahlung an. Die Pseudowissenschaft Radiästhesie sieht sich also nicht als spirituelle Theorie, sondern arbeitet mit naturwissenschaftlichen (und naturwissenschaftlich überprüfbaren) Größen wie elektromagnetischen Feldern, Strahlungen und Energien. Gesunde und böse Energie Ein gesunder Mensch, so wird behauptet, hat eine Strahlungsenergie, die 12000 Bovis oder Angström entspricht, Orte oder Lebensmittel mit einer Strahlung unterhalb dieser 12000 Bovis rauben uns Energie, besonders energetisierte, gesunde Nahrungsmittel, oder besondere „Kraftorte“ haben eine Strahlung von über 12000 Bovis und stärken uns. Ein sakraler, energiereicher Ort wie eine Kirche kann schon mal 18000 Bovis oder mehr haben. Warum die offenbar rein intuitiv eingeführte Einheit „Bovis“ nun erstaunlicherweise zufällig genau mit der wohldefinierten Einheit „Angström“ übereinstimmt, konnte noch niemand erklären, aber das spielt eigentlich auch keine Rolle. Wellenlängen von Strahlungen sind in der Physik wohlbekannt, Strahlung in diesem Energiebereich kann problemlos physikalisch gemessen werden. (Der Bereich von etwa 4000-7000 Angström beispielsweise entspricht den Wellenlängen von sichtbarem Licht, daran ist nichts Unerforschliches.) Trotzdem gelingt es mit keinem physikalischen Messgerät, diese Wellen, die mit Pendeln und Wünschelruten angeblich so eindeutig feststellbar sind, nachzumessen. Besonders kurios ist die Vorstellung, höhere Wellenlängen würden sich auf besonders energiereiche Strahlung beziehen. Aus der Physik wissen wir, dass die Energie von Strahlung mit zunehmender Wellenlänge abnimmt: Hohe BovisZahlen würden demnach also eigentlich zu energiearmer Strahlung gehören, wohingegen besonders ener- Schon als James Randi in seiner Jugend die ersten Zauberkunststücke lernte, ärgerte ihn, dass andere Leute mit genau denselben Tricks vorgaben, übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen. Gedankenleser, Wunderheiler, Spiritisten – die Industrie des scheinbar Übersinnlichen verdient Geld mit Schwindeleien. Als Zauberkünstler würde Randi so etwas nie tun, versichert er: „Ein Zauberkünstler ist eine völlig ehrliche Person. Er sagt von vornherein: Ich werde dich täuschen, indem ich Tricks verwende.“ Seit Jahrzehnten macht es sich Randi nun immer wieder zur Aufgabe, Leuten das Handwerk zu legen, die behaupten, übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen. giereiche Strahlung (etwa Gammastrahlung) auf dieser Skala nahe bei Null angesiedelt wäre. Man erkennt also recht rasch, was hier geschieht: Um Glaubwürdigkeit vorzutäuschen verwenden Radiästheten Begriffe aus der Physik, ohne sie auch nur annähernd zu verstehen, und zimmern daraus eine Theorie, die in sich widersprüchlich ist. 30 31 Mi Do In den Siebzigerjahren wurde James Randi durch seine Kontroversen mit Uri Geller bekannt. Geller behauptete, durch paranormale Kräfte Löffel verbiegen und Gedanken lesen zu können. Für Randi freilich war daran nichts Übernatürliches: Mühelos führte er auf der Bühne dieselben Tricks vor. Randi schrieb sogar ein Buch, in dem er Uri Gellers Tricks genau erklärte. Trotzdem hat Geller bis heute niemals zugegeben, statt mentaler Kräfte einfache Zaubertricks verwendet zu haben. Blindversuch 39 40 41 Hätten Wünschelrutengänger echtes Interesse daran, wissenschaftlich ernst genommen zu werden, müssten sie nur solche überprüfbaren Experimente durchführen. 42 Der vollständige Artikel ist online verfügbar unter: Nichts als fauler Zauber Florian Aigner über James Randi Do Fr 27 28 29 30 1 12 13 7 www.darwin-era.org Fr 43 151 Sa So 26 27 28 29 30 31 1 2 3 4 5 6 7 8 Die Macht der Muster "Pattern Recognition" – die Erkennung von Mustern in irgendwelchen Daten, etwa in einem Bild oder akustischen Aufzeichnungen – ist ein wichtiges Forschungsgebiet in der elektronischen Datenverarbeitung. Für einen Computer stellt diese Fähigkeit immer noch einen großen Kraftakt dar, während ein anderes Datenverarbeitungssystem, das menschliche Gehirn, dies anscheinend mit erstaunlicher Leichtigkeit schafft. Diese kognitive Fähigkeit brachte uns einerseits einen evolutionären Vorteil, indem sie beispielsweise eine effizientere Kommunikation ermöglichte. Andererseits ist das permanente Muster-erkennen-wollen unseres Gehirns auch Schuld an so manchen Irrtümern. Schon unsere Vorfahren zogen aus dieser Fähigkeit einen evolutionären Vorteil. So verschaffte die Möglichkeit, Gefahren oder Chancen anhand von einfachen, sich wiederholenden Mustern (etwa dem Verhalten einer Tierherde beim Nähern eines Raubtiers) im Voraus zu erkennen, eine erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit und oftmals ein längeres Leben. Obwohl dieser ursprüngliche Zweck heutzutage an Bedeutung verloren hat, ist die Tendenz zur Erkennung von Mustern fest im Verhalten des Menschen verankert – so fest, dass eine Täuschung oder Ausnutzung leicht möglich ist. Viele Pseudowissenschaften oder esoterische Lehren begründen ihre scheinbare Sinnhaftigkeit auf der Neigung des Menschen, Muster bzw. Zusammenhänge in einer Sammlung von Daten oder Ereignissen zu sehen, die keinen ursächlichen Zusammenhang haben. Die Effekte der „Pareidolie“, so der Name dieses psychologischen Phänomens, gehören zu den Hauptfaktoren, wieso rational unhaltbare Theorien trotz ihrer Unwissenschaftlichkeit selbst in Fachkreisen Fuß fassen können – vom Normalbürger, der nicht über das notwendige Fachwissen verfügt, ganz zu schweigen. Die „Gier“ des Gehirns nach Mustern kann auch gezielt ausgenutzt werden, um Scheinzusammenhänge in Beobachtungsdaten als plausibel zu vermarkten. Zu diesen Methoden zählen in erster Linie fehlerhafte Anwendungen der Statistik bei der Analyse dieser Daten - die durchaus auch unabsichtlich stattfinden können! „Cherry Picking“, also das Peter Krebs gezielte Heraussuchen von Daten, die mit den eigenen Vermutungen am Besten zusammenpassen, ist ein häufiger „methodischer“ Fehler. Werden vermeintliche Muster voreilig (also ohne Untersuchung der tatsächlichen Zusammenhänge) für die Formulierung einer Hypothese verwendet, so führt dies zum berüchtigten „Zielscheibenfehler“ – ähnlich einem Pistolenhelden, der zuerst schießt und anschließend Zielscheiben um die Einschusslöcher malt, nur um sich als Scharfschütze auszugeben. Die Fehlanwendung der menschlichen Mustererkennung hat zur Entstehung von vielen offensichtlichen und weniger offensichtlichen Pseudowissenschaften und ähnlichen irrationalen Theorien geführt. Ein prominentes Beispiel ist die Astrologie, die in ihrer modernen Gestalt zunehmend den Anschein von Wissenschaftlichkeit verbreiten will. Anhand einer nicht nachvollziehbaren Datenbasis (die Anzahl und Wichtigkeit der Himmelskörper ist willkürlich gewählt) wird auf Verhaltensmuster und Persönlichkeitseigenschaften von Personen oder sogar auf den Eintritt von weltpolitischen Ereignissen geschlossen. Hier werden schlichtweg Muster in zusammenhangslosen Ereignissen gesucht, in diesem Fall in Geburtsdaten und astronomischen Prozessen – aber irgendwelche Muster lassen sich immer finden! 34 35 11 Warum Religionen absurd sind Herbert Haas Die ersten Religionen ‒ heute nur noch Mythen genannt ‒ waren vorwissenschaftliche Hypothesen, um die Welt zu erklären. In dieser vorwissenschaftlichen Zeit, als man praktisch nichts über das Universum wusste, war es für Fragen über die Herkunft der Welt und des Lebens legitim anzunehmen, dass ein höheres Wesen alles erschaffen hatte. Es gibt aber heute gute Gründe mit diesen abergläubischen Traditionen endlich zu brechen. Das „Buch der Bücher“ ‒ mit Recht? Die erste Hälfte stammt aus der Bronzezeit, die andere Hälfte aus mündlichen Überlieferungen, die das erste Mal etwa 100 Jahre nach dem Tode Jesu niedergeschrieben worden sind. Man stelle sich vor, dass wir von Ereignissen aus den 1910er Jahren nur durch wiederholte mündliche Überlieferungen, also „Stille Post“, wüssten. Wieviele Menschen hätten wohl ihre eigenen Überzeugungen Stück für Stück einfließen lassen? Wären unbequeme Wahrheiten durch eine solche Mundpropaganda überhaupt bis heute durchgedrungen? Wenn bei der Bibel in Wahrheit Gott federführend gewesen war: Warum widerspricht sie sich an so vielen Stellen? Warum findet man darin keine klaren Aussagen über die Natur des Universums, als Beweis für den göttlichen Autor? Warum strotzt zumindest das alte Testament voller „von oben angeordneter“ Grausamkeiten? „So tötet nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind; aber alle Mädchen, die unberührt sind, die lasst für euch leben.“ (4. Mose 31,17-18) „Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert!“ (Psalm 137,9) „Es sollen auch ihre Kinder vor ihren Augen zerschmettert, ihre Häuser geplündert und ihre Frauen geschändet werden.“ (Jesaja 13,16) Solche und viele ähnliche Passagen liest man in der Bibel. Man stelle sich vor, ein heutiger Autor würde so etwas in einem öffentlichen Magazin publizieren ‒ das gäbe mit Recht einen Skandal wegen Volksverhetzung. Warum duldet der Vatikan seit Jahrhunderten diese „Kriegsverbrechermoral im Buch der Bücher?“ Der Glaube als hermetisches Gedankengebäude Jede Religion fußt auf einem dogmatischen Gedankenbzw. Glaubensgebäude, welches jede Kritik mit spitzfindigen Argumenten abschmettert (das skurrilste ist wohl das „Geheimnis des Glaubens“). Dogmen wurden so formuliert, dass jede Überprüfung prinzipiell unmöglich ist. Hier soll nichts überprüft und kritisiert werden können, weswegen sämtliche (heute) überprüfbaren Aussagen (z. B. unsere Welt sei Mittelpunkt des Kosmos) mittlerweile entfernt wurden, damit das Glaubensgebäude wieder stabil und „hermetisch“ von der bedrohlichen wissenschaftlichen Außenwelt abgeschirmt ist. Somit scheint alles logisch innerhalb dieses Gebäudes. Dogmen werden ähnlich verstanden wie mathematische Axiome ‒ nur dass letztere äußerst einfach und unmittelbar einsichtig sind (z. B. die Identität A=A, oder jede Zahl N hat einen Nachfolger N+1), während die theologischen Dogmen (wie die unbefleckte Empfängnis Mariens [1] oder die Unfehlbarkeit des Papstes [2]) anscheinend willkürliche Annahmen sind. Die Logik verlangt aber, dass Aussagen sich auf bereits bewiesene Prämissen gründen. Wenn also religiöse Aussagen sich auf Dogmen gründen, dann handelt es sich schlicht und einfach um Zirkelschlüsse! Der Glaube mag zwar mit Logik nichts zu tun haben, aber auch die innere Logik seiner Argumentation stimmt nicht. Religionen gründen sich somit auf unvernünftige bzw. inhaltsleere Aussagen. 13 14 24 November 31 21 25 26 27 28 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 1 2 3 4 Kalender +151 5 Ernest Rutherford geb. Ein weiterer Faktor, der die Entstehung von Pseudowissenschaften begünstigt, ist der allzu menschliche Drang, sich mit Anderen vergleichen zu wollen. Dann werden Muster falsch gedeutet und unwissenschaftliche Klassifizierungssysteme (Taxonomien) konstruiert, um Rangfolgen und Klassen abzuleiten, die nur der Bestätigung und Erhöhung des eigenen Egos dienen. Propaganda-Maschinerien im Lauf der Geschichte haben dieses Prinzip in Form von abscheulichen Rassentheorien auf die Spitze getrieben – der Sozialdarwinismus, eine pervertierte Missinterpretation der darwinistischen Evolutionstheorie, ist wohl das Paradebeispiel. Doch auch in der heutigen Zeit finden sich ähnliche Bestrebungen in Form von unwissenschaftlichen und oftmals auch unethischen Klassifizierungssystemen. Ein modernes Beispiel ist die Graphologie, die vorgibt, aufgrund von Analysen der Handschrift einen Rückschluss auf den Charakter einer Person ziehen zu können. Die Abwesenheit von empirischen Beweisen für diese Behauptungen halten einige Personalbüros nicht davon ab, Bewerber auf Basis von Handschriftenanalysen auszuwählen. Noch kurioser und bedenklicher ist die Lehre der Blutgruppendeutung, die insbesondere in Fernost, vor allem in Japan, eine breite Akzeptanz gefunden hat. Die wissenschaftlich unhaltbare Vorstellung von einem Zusammenhang zwischen Blutgruppe und Charaktereigenschaften mutet wie eine Fortführung der antiquierten und längst widerlegten Konzepte der Phrenologie oder Physiognomik an. Die Phrenologie versucht(e) geistige Eigenschaften und Zustände bestimmten, klar abgegrenzten Hirnarealen zuzuordnen. Dabei wurde ein Zusammenhang zwischen Schädel- und Gehirnform einerseits und Charakter und Geistesgaben andererseits unterstellt. Sie ist durch ihre ideologisch ausgerichtete Herangehensweise das prototypische Beispiel einer Pseudowissenschaft und Wegbereiter der Kraniometrie, die bald als Werkzeug der Rassenkunde eingesetzt wurde. Die Gefährlichkeit von falschen Mustern und Zusammenhängen zeigt sich auch einmal mehr in der Alternativmedizin. Verfahren wie beispielsweise die Iridologie, die anhand der Regenbogenhaut des Auges (in nicht nachvollziehbarer Weise) eine Ganzkörperdiagnostik möglich machen will, sind symptomatisch für den Glauben an die unumstößliche Macht der Muster und der Scheinzusammenhänge. Andererseits ist die Existenz von Mustern („Korrelationen“) in bestimmten Daten für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn entscheidend. In der Wissenschaft werden jedoch gewaltige Anstrengungen unternommen, um konkurrierende Erklärungen (beispielsweise: Zufall?) auszuschließen und kausale Zusammenhänge aufzuspüren – ohne in die genannten Fallen des menschlichen Trugschlusses zu tappen. Dieser schwierige und mühevolle Prozess ist eine der Hauptaufgaben der wissenschaftlichen Arbeitsweise und unterscheidet die empirische Wissenschaft von der pseudowissenschaftlichen Suche nach Wolkenfiguren. Die menschliche Iris, ein Meer an Mustern und grenzenloser Interpretation... Quellen und weiterführende Literatur: http://perihel.at/darwinera/151/ DARWIN ERA Cargo-Kulte Nur weil die tatsächlichen Wurzeln der meisten Religionen „im Dunkeln“ liegen (und damit mystifiziert werden können) wagen viele (Gläubige) keine profanere Erklärung. Die Hypothese, Gott hätte einem Propheten die Glaubensvorschriften in einer Vision diktiert, erscheint dann „vernünftiger“, als die viel einfachere Erklärung, die sich z. B. auf Wahnvorstellungen oder tradiertem Aberglauben gründet. Dabei gibt es Religionen, deren Wurzeln in jüngster Zeit liegen. Die sogenannten Cargo-Kulte entstanden, als während des Zweiten Weltkrieges massenhaft Güter von der US-Armee auf pazifische Inselgruppen abgeworfen wurden. Nach Kriegsende zogen diese Truppen ab und kein neues „Cargo“ wurde mehr abgeworfen. Die Einheimischen vermuteten, dass diese Ausländer einen besonderen Kontakt zu den Ahnen hätten, die ihnen als die einzigen Wesen mit der Macht erschienen, solche Reichtümer auszuschütten. Daher begannen sie die Handlungen zu imitieren, die sie vorher bei den Soldaten gesehen hatten, um neue Güter „vom Himmel“ zu erhalten. Der zentrale Messias ihres Glaubens ist ein gewisser John Frum, ein Amerikaner (!) und Sohn Gottes, der eines Tages aus dem Vulkankrater Yasur hervorkommen und seine Anhänger in eine glückliche Zukunft führen werde. Von ihm stammt auch das Dogma, dass an den Bräuchen unbeirrt festgehalten werden muss. Aber die Wissenschaft kann das Gegenteil nicht beweisen... Immerhin, die Wissenschaft hat schon einige Glaubensaussagen widerlegt, beispielsweise durch die Kopernikanische Wende, die nicht-göttlichen Keplerbahnen, oder durch die www.darwin-era.org 151 Evolutionstheorie. In allen Fällen konnte das hermetische Glaubensgebäude geflickt werden, indem diese Theorien irgendwie adaptiert wurden (auch wenn es meist Jahrhunderte gedauert hat). Doch genauer betrachtet bröckeln die Fundamente des Glaubens schon langsam, denn die heutige Wissenschaft benötigt überhaupt keine übersinnlichen Hypothesen mehr, sondern beruft sich auf viel einfachere Erklärungen. “[Sire,] je n'ai pas eu besoin de cette hypothèse.“ Pierre-Simon Laplace („Sire, ich hatte keinen Grund für diese Hypothese.“) als Antwort auf die Frage Napoleons, warum in seinen astronomischen Werken Gott keine Erwähnung findet. Es stimmt, die Wissenschaft kann keine zentralen Dogmen widerlegen. Aber normalerweise verlangen wir, dass die Beweislast bei dem liegt, der außergewöhnliche Behauptungen aufstellt ‒ und nicht umgekehrt. Es ist nicht Aufgabe der Wissenschaft zu widerlegen, wenn jemand ruft, er habe ein Einhorn gesehen. (Ein gutes Beispiel für dieses Scheindilemma ist Russels Teekanne im Monatsblatt März.) Und normalerweise würden wir solche unbewiesenen außergewöhnlichen Behauptungen auch nicht ernst nehmen; warum werden die Religionen dann so selten hinterfragt? Wie geht es weiter? Mit dem Ende der Götter beginnt eine neue Verantwortung. Im Universum geht es tatsächlich mit „rechten Dingen“ zu und wir können lernen sie zu verstehen. Der Atheismus ist das Kritisch gedacht während des 151. Sonnenumlaufs seit Veröffentlichung von Darwins »On the Origin of Species« Gegenteil jeder Religion, er steht für Anti-Theismus. Hier gibt es keine Führer, Deutungen, Rituale oder Kirchensteuern. Das Universum ist viel größer und faszinierender, als es uns die Religionen einreden wollen. Florian Freistetter, auch bekannt unter seinem Blog Astrodicticum Simplex, schrieb unlängst über den kürzlich entdeckten „Dunklen Fluss“, welcher derzeit als starkes Indiz für die Existenz von Paralleluniversen interpretiert wird. Er beschließt seinen Artikel mit einem beinah poetischen Resümee, welches die Schönheit der modernen Naturwissenschaften wunderbar zum Ausdruck bringt: ...und die zweite Hälfte Betrachtet man allein die Zahl der ausgestorbenen sowie der heute existierenden Religionen, dann drängt sich wohl der Eindruck der Beliebigkeit des Glaubens auf. Beispielsweise sammelt Adherents.com Statistiken von über 4200 Religionen. Der Gedanke, dass jede Glaubensrichtung unerschütterlich davon überzeugt ist, nur sie alleine sei im Besitz der „ewigen Wahrheit“, verdeutlicht das Absurde in den Religionen. Im FAQ dieser Seite steht treffend: „I hope people won't judge any group by its size. Even the largest groups here were at one time small or nonexistent. Some of the smallest groups here were at one time the majority faith in some part of the world.“ Mo 35 36 37 38 30 Di 31 Mi 1 Do 2 Fr 3 13 20 7 14 21 8 15 22 9 16 23 10 17 24 27 28 29 Kollisionstag (Tag der Begegnung) Quellen und weiterführende Literatur: http://perihel.at/darwinera/151/ 30 1 Auch Homöopathie zählt Randi zu den übernatürlichen Phänomenen. Bei homöopathischen Präparaten ist die Wirksubstanz so stark verdünnt, dass von ihr statistisch gesehen nicht einmal mehr ein einziges Molekül im Präparat vorkommt. Würde so etwas wirken, wäre das wohl als übernatürlich zu bezeichnen. Gerade deshalb erregte 1988 eine Publikation im weltberühmten Wissenschaftsjournal „Nature“ großes Aufsehen: Eine Gruppe französischer Wissenschaftler rund um den Immunologen Jacques Beneviste verdünnte menschliche Antikörper so sehr, bis im untersuchten Wasser 22 29 30 Herbert Haas Leute behaupten irgendwelche Dinge einfach. Im Sinne der Meinungsfreiheit ist das auch gut so. In einer offenen, demokratischen Gesellschaft muss es aber auch erlaubt sein, Behauptungen zu kritisieren. Wenn mühsam erkämpfte wissenschaftliche Erkenntnisse einfach so ignoriert bzw. über den Haufen geworfen werden, typischerweise um des Profites willen, dann sollte das die Gesellschaft nicht einfach hinnehmen. Gerade wenn Personen in der Öffentlichkeit, wie Lehrer, Politiker, Geistliche oder Ärzte, unhaltbare Behauptungen aufstellen, dann hat das ernstzunehmende Konsequenzen. Es trägt zumindest zur Volksverdummung bei. Meist aber geht es um Macht und viel Geld. Die meisten Menschen nehmen die abergläubisch/esoterische Umwelt kaum bewusst wahr, denn sie gehört zum vertrauten Alltag. Eine aus Platzgründen kleine Auswahl soll die aktuelle Brisanz des Themas verdeutlichen. Deren Wissen ist ein Tropfen Das Grander-Wasser ist eines der Erfolgskapitel der Esoterik, aber ein trauriger Beleg für die mangelhafte Bildung (zumindest) seiner Konsumenten. Schließlich wurde Herr Grander noch ganz offiziell von der österreichischen Republik mit einem Wissenschaftsorden ausgezeichnet [5]. Als ein Wissenschaftler sich dagegen öffentlich kritisch zu äußern wagte, wurde ihm in mehrjährigen Prozessen das Leben schwer gemacht (siehe Monatsblatt Februar und [6]). Voodoo in Apotheken und beim Hausarzt In den meisten Apotheken (wo wissenschaftlich ausgebildete Menchen arbeiten) werden magische Mittel in Form von Homöopathie, Schüssler Salzen, Bachblüten, Indianischen Ohrenkerzen usw. angeboten. Oft wird der „Schulmedizin“, insbesondere der Pharmazie, Profitgier unterstellt. Aber Alternativmedizin, abgesehen von ihrer bewiesenen Wirkungslosigkeit, kostet den Patienten meist wesentlich mehr Geld und die Anbieter haben zuvor nichts in Forschung und mehrjährige Doppelblindstudien investiert. We know very little, and yet it is astonishing that we know so much, and still more astonishing that so little knowledge can give us so much power. Ö 44 Die Macht der Sterne Carl Sagan 4 5 11 18 25 19 26 Mit freundlicher Unterstützung der österreichischen Gesellschaft für kritisches Denken (GkD) http://www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht/ Paul Erdös geb. 2 3 www.darwin-era.org (C)2010, Herbert Haas unter Creative Commons 3.0 cc-by-nd; weitere Hinweise sowie Literatur unter http://www.perihel.at/darwinera/151/ Ein weniger aufwändiges, aber ebenso spektakuläres Experiment führte der Fernsehsender WDR 1997 durch. Er verschickte kostenlos persönliche Horoskope. 74 Prozent der Teilnehmer fanden, das Horoskop beschreibe ihren Charakter korrekt, 15 Prozent gaben sogar an: „Perfekt, es stimmt alles!“ Die Teilnehmer wussten allerdings nicht, dass sie alle dasselbe Horoskop bekommen hatten – das Horoskop des Mörders Fritz Haarmann. Esoterische Berufsförderung Die deutsche Bundesagentur für Arbeit bietet 18 Fortbildungskurse mit zweifelhaftem Inhalt (und Berufsaussichten) an, darunter Reiki, Anthroposophische Medizin, Bachblütentherapie, Homöopathie, Cranio-Sacral-Therapie und Kinesiologie/Kinästhetik. Und in Österreich kann man für energethische Berufe problemlos einen Gewerbeschein lösen [8]. Hirnstrahlung? Raumenergie-Kletten Selbst die ehrwürdigen Hallen der Universitäten werden von der Esoterik-Szene missbraucht. Die (Österreichische, Deutsche und Schweizer) Vereinigung für Raumenergie versuchte ihr „Tesla-Symposium“ an der Uni Wien, TU Wien und schließlich an der WU Wien abzuhalten [11]. Viele Leute meinen felsenfest, dass sie die Diese Liste könnte beinah endlos fortgesetzt Strahlung von Mobilfunktelefonen spüren werden, aber dem/der interessierten Leser/in können ‒ aber bislang konnte das kein Einziger sei der Blog der österreichischen Gesellschaft demonstrieren. Die Wissenschaft sucht sogar für kritisches Denken empfohlen: vehement nach solchen Leuten [9] ‒ wo seid http://www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht/ ihr? Fr Sa 1 2 3 4 5 6 So 7 Konrad Lorenz geb. 8 45 9 10 Day of the Billions 46 47 15 16 22 23 48 29 30 12 13 14 18 19 20 21 11 Ehsan Fatahian hingerichtet 17 Lise Meitner geb. Publikation On the Origin of Species General Relativity Day 25 26 27 28 1 2 3 4 5 24 www.darwin-era.org Quellen und weiterführende Literatur: http://perihel.at/darwinera/151/ DARWIN ERA von Florian Aigner Das allein ist aber kein Argument gegen Astrologie. Auch die Medizin verwendet Medikamente, deren Wirkungsweise nicht bekannt ist. Die einzig entscheidende Frage zum Test einer solchen Theorie ist: Funktioniert sie? Kann die Astrologie Aussagen treffen, die in irgendeiner Weise überprüfbar und nützlich sind? Auch wenn Astrologen immer wieder stolz auf ihre spektakulären Erfolge verweisen, in echten statistischen Untersuchungen konnte die Wirksamkeit der Astrologie bisher nicht nachgewiesen werden. Die Liste der wissenschaftlichen Untersuchungen, in denen die Astrologie spektakulär scheiterte, ist lang: So wurde zum Beispiel 1985 im Magazin „Nature“ eine Studie über Astrologie veröffentlicht. Astrologen und Wissenschafter hatten sich gemeinsam auf eine Testmethode geeinigt: Man überprüfte, ob Versuchspersonen aus drei Horoskopen das ihre herausfinden können, und ob Astrologen anhand der Persönlichkeit der Versuchspersonen deren Sternzeichen erraten können. Doch obwohl die Astrologen diesen Tests zugestimmt hatten und zuversichtlich gewesen waren, die Prüfungen zu bestehen, waren die Erfolgsquoten nicht höher als sie bei rein zufälligem Raten gewesen wären. James Randi Carl Sagan geb. Mo 151 Des Skeptikers Klinge Bei der Ursachenforschung steht man oft vor dem Problem, dass die Beobachtungen mehrere Erklärungen zulassen, von denen jedoch (üblicherweise) nur eine zutreffend sein kann. Wie jedoch soll die Suche nach der wahren Ursache beginnen? Wie können weniger wahrscheinliche von wahrscheinlicheren Hypothesen unterschieden werden? Dem kritischen Beobachter steht hier ein vernünftiges Werkzeug zur Verfügung, mit dessen Hilfe es möglich ist, weniger sinnvolle Hypothesen zu identifizieren und sich auf die vielversprechendsten Theorien zu konzentrieren: Das sogenannte (und oft zitierte) Ockhams Rasiermesser. Peter Krebs “Frustra fit per plura quod fieri potest per pauciora” Die Bezeichnung geht zurück auf den englischen Franziskanermönch William von Ockham (DE-574 DE-512) und dem von ihm vertretenen Prinzip, unnötiges Beiwerk bei der Formulierung von Aussagen wegzulassen. Erst in der Neuzeit bildete sich die heute gebräuchliche Interpretation: Liegen mehrere Theorien über einen Sachverhalt vor, so ist jene zu bevorzugen, die am einfachsten ist ‒ alle anderen Theorien werden gleichsam wie mit einem Rasiermesser weggeschnitten, fallengelassen. Bei dieser Definition stellt sich natürlich die Frage, was unter der „einfachsten“ Hypothese zu verstehen ist. Im Allgemeinen ist damit jene Erklärung gesucht, die mit den wenigsten Zusatzannahmen auskommt. So könnte man durchaus postulieren, die altertümlichen Zivilisationen hätten bei der Errichtung ihrer beeindruckenden Bauwerke Unterstützung von Außerirdischen erhalten. Gegenüber einer einfacheren Erklärung, wie Fortschritte in der Bautechnik und einer großen Arbeiterschaft hätte diese Hypothese jedoch zusätzlich zu klären, woher die extraterrestrischen Helfer kamen und wieso sie sonst keine Spuren hinterlassen haben. Grundlos geschieht durch mehr, was durch weniger geschehen kann. Auch in der Wissenschaft findet Ockhams Rasiermesser in Form der Parsimonie eine Anwendung. Dieses „Sparsamkeitsprinzip“ hilft dem Wissenschaftler, bei der Formulierung von Hypothesen nicht über das Ziel hinauszuschießen. Dass manchmal aber doch die „kompliziertere“ Theorie richtig ist (wie etwa im Falle der Newtonschen Mechanik und der Relativitätstheorie) zeigt, dass die Parsimonie nur ein Hilfsmittel zur Priorisierung und nicht allgemein gültig ist. Di Mi Do Fr Sa So Werner Heisenberg geb. 48 Ausprobieren! 12 Das „Europäische Zentrum für Umweltmedizin“ ist Teil der Niederösterreichischen Landesakademie und „beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Erforschung des Einflusses von natürlichen und künstlich erzeugten Feldern auf die Gesundheit des Menschen.“ Im Wesentlichen bedeutet das: Radiästhesie (also Wünschelrutengehen), Geomantie (quasi Feng Shui) und Elektrosmog. Gefördert wird diese esoterische Laune unter anderem von der Niederösterreichischen Landesregierung, den NÖ Krankenversicherungsträgern, der Landeshauptstadt St. Pölten und der NÖ Ärztekammer [10]. Do Nicht nur US-Präsident Ronald Reagan ließ sich von Astrologen beraten. Horoskope findet man täglich in vielen Zeitungen. Wir können nachlesen, ob der Zeitpunkt günstig ist, eine Gehaltserhöhung einzufordern, erotische Abenteuer zu wagen oder sich die Fingernägel zu schneiden. Offensichtlich ist der Glaube an die Macht der Sterne weit verbreitet. In Wien kann man sich in Kursen des Wirtschaftsförderungsinstitutes zum Diplom-Astrologen ausbilden lassen. Wissenschaftliche Hinweise darauf, dass unser Leben tatsächlich etwas mit Tierkreiszeichen zu tun haben könnte, fehlen allerdings. Die Frage, woher diese Zusammenhänge zwischen Planetenpositionen und persönlichen Talenten oder Vorlieben kommen, wird von den Astrologen nicht beantwortet. Es gibt keine kosmischen Strahlungen oder Schwingungen, durch die Himmelskörper Einfluss auf unser Leben haben könnten. Die einzige Kraft, die fremde Planeten auf uns ausüben, ist die Gravitation – und die ist viel zu gering, um Einfluss auf uns haben zu können. Jeder Berg in unserer Umgebung hat eine größere Wirkung. Die Astrologen begnügen sich also damit, zu behaupten, dass diese Wechselwirkung zwischen Mensch und Kosmos einfach da ist, ohne ihren Grund anzugeben. So Beweise sprechen für sich. Glauben bedeutet nichts. Akademie für Wünschelrutengeher Mi Wirkung ohne Grund? Sa Obwohl man mittlerweile ‒ laut Gerichtsurteil ‒ das Granderwasser als „aus dem EsoterikMilieu stammender, parawissenschaftlicher Unfug“ bezeichnen darf und in vielen Staaten die „Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben“ verboten wurde [7], boomt dieses Geschäft anscheinend mehr denn je. Viele Unternehmen, wie Hotelketten oder Mineralwasserhersteller, setzen diese „Technologie“ weiterhin ein. Di Wissenschaftlich überholt „Erst vor knapp 400 Jahren haben wir gemerkt, dass die Erde und die Sonne nichts besonderes sind und es noch unzählige andere Sterne im Universum gibt. Vor nicht einmal 100 Jahren haben wir herausgefunden, dass es neben unserer Milchstraße noch unzählige andere Galaxien gibt und dass das Universum viel größer ist, als wir dachten. Und heute sind wir eventuell bald in der Lage herauszufinden ob das Universum selbst einmalig ist oder ob noch andere Universen existieren! Wissenschaft ist so cool!“ [4] 151 Mo Dezember Bertrand Russell über die modernen Wissenschaften Ein großer Teil der menschlichen Geschichte kann als allmähliche und zuweilen quälende Befreiung von rückständigem Denken angesehen werden, als aufkommendes Bewusstsein der Tatsache, dass in der Welt mehr ist, als es unsere Vorfahren allgemein glaubten. www.darwin-era.org Quellen und weiterführende Literatur: http://perihel.at/darwinera/151/ ERA Übernatürliche Einflüsse aus dem Weltraum: Wer kennt sie nicht, die Mondkalender vom richtigen Zeitpunkt? Die Horoskope in fast allen Zeitungen? Selbst eine staatlich finanzierte und akkreditierte Astrologie taucht immer wieder mal auf, zum Beispiel in Form eines Astrologie-Kurses des Wirtschaftsförderungsinstituts der österreichischen Wirtschaftskammern (WIFI) [2] (ähnliches in Deutschland [3]). Übrigens, auch Geistheilung kann man am WIFI lernen [4]. Religionen - staatlich subventionierte Esoterik mit Tradition Die hiesigen Religionen repräsentieren die Esoterik auf staatlichem Niveau. Länder wie Österreich und die Schweiz sind offensichtlich durchdrungen von einer intensiven christlichen Kultur. Während unser Bildungssystem sich (mehr oder weniger) um Aufklärung der Gesellschaft bemüht, brachte die von kirchlichen Kreisen geförderte Debatte um das „Intelligent Design“ wieder einen Rückschritt. Intelligent Design ist verkappter Kreationismus und wird an zu vielen Schulen gelehrt. In vielen Ländern der Welt (sowie in vielen amerikanischen Staaten) ist die Evolutionstheorie schlicht verboten. Kreuze werden eventuell endlich in den Schulen abgenommen, in den (zumindest österreichischen) Kindergärten ist das noch keine Selbstverständlichkeit. Blasphemie wird in Österreich immer noch (gemäß §188 des StGB) mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten geahndet; in der Schweiz und in Deutschland gibt es ähnliche Paragraphen. Religionen genießen Steuervorteile sowie öffentliche Subventionen und der Staat sorgt für eine kontinuierliche religiöse Grundausbildung ‒ quasi für den Mitgliedernachwuchs. Am Rande: „Seit 1960 sind vermutlich mehr Menschen wegen Hexerei hingerichtet oder umgebracht worden als während der gesamten europäischen Verfolgungsperiode.“ [1] Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers (1766) DARWIN Naturwissenschafter kritisieren an der Astrologie, dass manche ihrer Grundannahmen im Widerspruch zur modernen Wissenschaft stehen. Die zwölf Sternzeichen, die in der Astrologie verwendet werden, entsprechen längst nicht mehr dem Sternenhimmel, den wir heute beobachten können. Die Rotationsachse der Erde verschiebt sich langsam, sodass unser Sternenhimmel heute anders aussieht als der, den die ersten Astronomen vor Jahrtausenden als Grundlage für die Erfindung der Tierkreiszeichen verwendeten. Eigentlich müsste man also heute das Jahr ganz anders in Tierkreiszeichen einteilen als damals. Sogar ein dreizehntes Zodiac-Zeichen, der „Schlangenträger“, müsste heute eigentlich mitberücksichtigt werden. Den Astrologen freilich ist das egal. Bekannte Astrologen wie Peter Fraiss, Berufsgruppensprecher der Astrologen in der Wirtschaftskammer Wien, oder Maria Luise Mathis, Leiterin des Astrologie-Kurses am WIFI Niederösterreich, behaupten nicht, dass die Astrologie mit wissenschaftlicher Astronomie etwas zu tun zu hat. Sie bestreiten gar nicht, dass die moderne Sternenkunde nicht mit ihren Tierkreiszeichen zusammenpasst. Astrologie funktioniert einfach, behaupten sie, egal ob ihre Sternkarten nun mit jenen der Wissenschaftler zusammenpassen oder nicht. Die 12 antiken Tierkreiszeichen - vorwissenschaftliche Hypothesen Gründung des CERN 39 15 „Denn es ist zu allen Zeiten so gewesen und wird auch wohl künftighin so bleiben, dass gewisse widersinnige Dinge, selbst bei Vernünftigen Eingang finden, bloß darum, weil allgemein davon gesprochen wird. Dahin gehören die Sympathie, die Wünschelrute, die Ahndungen, die Wirkung der Einbildungskraft schwangerer Frauen, die Einflüsse der Mondwechsel auf Tiere und Pflanzen und dergleichen.“ Hat Wasser ein Gedächtnis? Geschichtlich haben Astrologie und Astronomie dieselben Wurzeln. Manche historische Astronomen wie etwa Johannes Kepler haben auch als Sterndeuter ihr Geld verdient. Heute haben diese beiden Disziplinen kaum mehr etwas miteinander zu tun. Die Astronomie ist eine Naturwissenschaft, die eindeutige, überprüfbare Vorhersagen liefert, ihre Werkzeuge sind mathematische Formeln. Die meisten Astrologen hingegen behaupten gar nicht erst, exakte Vorhersagen zu liefern. Sie erheben aber den Anspruch, qualitative Zusammenhänge zwischen den Planetenbahnen und dem Leben der Menschen aufzeigen zu können. Start von Voyager 1 6 Warum Skeptizismus? Naturwissenschaft versus Esoterik Die Beliebigkeit des Glaubens Schaut man sich die Geschichte einer Religion an, beispielsweise die des Christentums, dann strotzt diese vor Auslegungen und Umdeutungen. Kürzlich hat Papst Benedikt XVI das Fegefeuer für ungetaufte tote Kinder abgeschafft: Nach einer dreijährigen intensiven Beratung einer internationalen Theologenkommission hat der Vatikan im April 2007 „beschlossen“, dass ungetaufte Kinder doch ins Paradies dürfen. [1] Theologen suchen also nach „Glaubenswahrheiten“ ‒ und das immer in denselben uralten Dokumenten und Büchern aus zweifelhaften Quellen. Seit Jahrhunderten werden hier dieselben Texte zerkaut und neu ausgelegt. Kann man hier von einer Wissenschaft im wahren Sinne des Wortes sprechen? Wird hier Wissen vermehrt? 10 Unendliche Weiten und grenzenlose Dummheit Erwin Schrödinger geb. September (C) Dongio/Wikipedia cc-by 12 9 Auch viele Haus- und Fachärzte haben Magie im Programm. Neben den rezeptpflichtigen Medikamenten werden schnell mal ein paar Globuli verschrieben (die bereits von deutschen Krankenkassen bezahlt werden) und die LaserAkupunktur kommt auch nicht zu kurz. (C) Petr Novak, Wikipedia cc-by-sa 33 10 8 Ein Interview mit James Randi „Das Recht, dumm zu sein – Über die Gefahr, sich auf Übersinnliches zu verlassen“ ist online zu lesen unter: http://www.naklar.at/content/features/randi_interview/ 3 23 20 CERN macht WWW publik 9 2 17 19 John Maddox, der Herausgeber von „Nature“, blieb skeptisch. Obwohl er die erstaunlichen Resultate veröffentlicht hatte, bat er Randi, die Sache näher zu untersuchen. Randi änderte gemeinsam mit den Wissenschaftlern den Testmodus, so dass diesmal während des Experimentes niemand wusste, welche Wasserproben homöopathisch behandelt worden waren und welche nicht. Erst am Ende des Versuchs wurde aufgedeckt, welche Probe zu welcher Gruppe gehörte – Schwindelei war somit ausgeschlossen. Zur Überraschung der Wissenschaftler war diesmal der geheimnisvolle Effekt verschwunden. „Wissenschaftler sind eben auch nur Menschen wie du und ich“, meint Randi – wer fest an etwas glaubt, lässt sich leicht dazu verleiten, Beobachtungen und Messdaten einseitig zu interpretieren. So Nietzsche geb. 18 Doppel-blind-Versuch Bei diesen Versuchen ist es keineswegs Randi selbst, der die Regeln vorgibt. Gemeinsam mit den Bewerbern wird ein Testmodus ausverhandelt, der dann von Wissenschaftlern überwacht wird. Mit den Experimenten selbst hat James Randi nichts zu tun. Doch auch, wenn die Kandidaten anfangs noch so überzeugt sind, die gestellten Aufgaben bewältigen zu können – letztlich scheiterten sie alle. Randi geht es nie darum, die Kandidaten zu demütigen. Er ist um ehrliche wissenschaftliche Tests bemüht. „Ich beginne meine Untersuchungen nicht, indem ich sage, dass das, was diese Leute behaupten, falsch ist. Das weiß ich ja noch gar nicht. Ich versuche neutral zu sein, auch wenn das manchmal schwer ist.“ 16 14 Ö 32 Sa Rückkehr der HMS Beagle 11 George Bernard Shaw Wissenschaftlich und sauber Mi 6 The fact that a believer is happier than a skeptic is no more to the point than the fact that a drunken man is happier than a sober one. Um das blinde Vertrauen in übernatürliche Fähigkeiten zu bekämpfen, gründete Randi die „James Randi Educational Foundation“. Diese Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, paranormale Phänomene wissenschaftlich zu untersuchen. Egal ob Wunderheiler, Wünschelrutengänger oder Spiritist – wer auch immer der Meinung ist, Übernatürliches leisten zu können, hat die Chance sich von der „James Randi Foundation“ testen zu lassen. James Randi bietet jedem, der es schafft, solche Fähigkeiten unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen zu demonstrieren, eine Million Dollar. Über tausend Mal wurde das bereits versucht, doch das Geld hat Randi noch immer. Und er hat keine Angst, dass die Million tatsächlich jemand abholen könnte: „Ich habe in meinem Leben alle nur denkbaren Spielarten der Tricks gesehen, die diese Leute benützen. Sie sind für mich eigentlich immer sofort durchschaubar.“ Di 5 151 kein einziger Antikörper mehr vorhanden war. Trotzdem – so behaupteten die Wissenschaftler in ihrer Publikation – blieb die Wirkung bestehen. Es schien, als hätten sie das geheimnisvolle „Gedächtnis des Wassers“, dessen Existenz Homöopathen als Grundlage ihrer Theorien betrachten, endlich wissenschaftlich nachgewiesen. Der amerikanische Fernsehprediger Peter Popoff begeisterte seine Anhänger, indem er scheinbar durch göttliche Eingebung Namen, Krankheiten und persönliche Details von einzelnen Zuschauern nennen konnte. Randi beendete Popoffs Predigerlaufbahn abrupt, indem er nachwies, dass die Eingebungen nicht von Gott kamen, sondern von einer Assistentin Popoffs, die ihm über Funk die Daten durchgab. In seinem Ohr hatte Popoff einen kleinen Empfänger versteckt, seine Assistentin musste nur die Gebetskarten vorlesen, die von den Zusehern vor der Show ausgefüllt worden waren. Eine Million Dollar für ein Wunder Mo 4 Funkkontakt mit Gott? Ö ERA Di Zaubern, nicht schwindeln Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Radiästhesie gibt es viele. Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) testete Wünschelrutengänger und Pendler mit Hilfe eines einfachen Experimentes: Zehn Eimer wurden in einer Reihe aufgestellt. Einer von ihnen wurde mit Wasser gefüllt, alle anderen blieben leer. Nachdem die Eimer abgedeckt worden waren, sollten die Radiästheten herausfinden, wo sich das Wasser befand. Mit großer Selbstsicherheit gingen sie ans Werk, deutlich und unverkennbar schlugen die Wünschelruten aus ‒ allerdings fast nie bei den Eimern, die tatsächlich mit Wasser gefüllt waren. Nach stundenlangen Messreihen zeigte sich: Die Radiästheten hatten eine Trefferquote, wie man sie auch durch bloßes Raten gehabt hätte. DARWIN Mo ERA Zaubern, nicht schwindeln Ludwig von Feuerbach geb. 30 Oktober James Randi ist Zauberer und Skeptiker. Er kämpft gegen Aberglauben und Mentalisten wie Uri Geller Jan Hus hingerichtet Florian Aigner Die Suche nach Erdstrahlen und Wasseradern ist vielleicht die populärste unter den esoterischen Pseudowissenschaften. Selbst durchaus rational denkende Menschen lassen sich oft einreden, dass sie ihr Bett unbedingt in eine andere Ecke ihres Schlafzimmers schieben müssen, weil sich sonst genau unter ihrem Kopf eine heimtückische Wasserader mit bösartigsten Erdstrahlen kreuzt. Doch auch wenn Wünschelrutengänger und Pendler noch so viel Geschäft damit machen: Radiästhesie, die Suche nach diesen mysteriösen Strahlungen, ist wissenschaftlich betrachtet purer Unfug. Das Interessante an Radiästheten ist, dass sie sich sehr bemühen, wissenschaftlich zu wirken. Vermutlich ist das der Grund dafür, dass so viele Leute an diese Dinge glauben. Bei Radiästheten finden wir saubere Tabellen, Zahlen und Theorien. Wenn man Webseiten über Erdstrahlungen liest, könnte man manchmal beinahe glauben, es handle sich dabei um anerkannte Physik ‒ doch mit echter Physik hat es wenig zu tun. Radiästhesie kann wissenschaftlich leicht untersucht werden, doch so einer Untersuchung hat sie noch nie standgehalten. Um das verstehen zu können, muss man sich zunächst ansehen, was Wünschelrutengänger überhaupt machen. Di 151 DARWIN (C) James Randi Educational Foundation http://www.randi.org ERA http://darwin-era.org (C) 2010, PANSPICS.COM Juli DARWIN 29 30 1 2 3 4 5 Tag der Unschärfe Ö 49 50 6 7 8 13 14 15 9 10 11 12 16 17 18 19 Arthur C. Clarke geb. Ö 51 20 D CH Ö D CH 21 22 23 24 25 26 28 29 30 31 1 2 Wintersolstition Johannes Kepler geb. 52 27 Start der Reise der HMS Beagle Für den vollständigen Artikel und mehr zu diesem Thema siehe http://naklar.at www.darwin-era.org