Kritisch gedacht während des 151. Sonnenumlaufs seit

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Erdstrahlen
und Wasseradern
-- die kunterbunte Welt der
Radiästhesie
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Wasseradern
Wünschelrutenfreunde versuchen uns einzureden, die Erde sei
von Wasseradern, quasi unterirdischen Bächen durchzogen.
Das stimmt aber nicht: Das Grundwasser breitet sich flächig
aus, nicht in Adern oder Strömen. Wenn man sich nicht gerade
im Gebirge über einer wasserführenden Höhle befindet, kann
man davon ausgehen, dass das Wasser im Untergrund sehr
gleichmäßig verteilt ist. Oft werden Brunnen dort gegraben, wo
Radiästheten eine Wasserader vermuten, und wenn dann
tatsächlich Wasser hervorsprudelt, wird das als wunderbarer
Erfolg der Radiästhesie verkauft. Interessanter wäre es, das
Gegenteil auszuprobieren: Dort wo ein Wünschelrutengänger
sicher ist, keine Wasserader anzutreffen könnte man einen
weiteren Brunnen graben ‒ und man würde dort genauso
Wasser finden. Tatsache ist: Wenn man nicht gerade auf einem
Hügel steht, wird man immer auf Grundwasser stoßen, wenn
man in die Erde bohrt.
Erdstrahlen
Linien von Nord nach Süd und von Ost nach West. Die
Abstände zwischen den Gitterlinien betragen in Nord-Süd
Richtung 2 Meter, und in Ost-West-Richtung 2.5 Meter. Diese
Abstände sind überall gleich, unabhängig von der geographischen Breite. (Es wäre nun brennend interessant, wie das
Hartmanngitter in der Nähe des Nordpols aussieht, wenn dort,
wo sich alle Längengrade in einem Punkt treffen, das
Hartmanngitter noch immer brav seine 2 mal 2.5 Meter misst.)
Zusätzlich dazu gibt es auch noch das Currygitter, das von
Nordost nach Südwest und Nordwest nach Südost verläuft. Es
schneidet das Hartmanngitter auf der ganzen Welt in einem
Winkel von 45 Grad. Versuchen Sie mal, auf einer Orange zwei
rechtwinkelige Gitter einzuzeichnen, die sich überall im 45Grad-Winkel schneiden, Sie werden sehr schnell erkennen, dass
es so etwas nicht geben kann. Warum Radiästheten so haarsträubend dumme (und leicht zu widerlegende) Behauptungen
aufstellen, ist schwer zu verstehen. Wenn man schon eine Theorie frei erfindet, dann sollte sie doch wenigstens auf den ersten
Blick glaubwürdig wirken.
August
Noch spannender als angebliche Wasseradern sind die
Erdstrahlen. Von ihnen gibt es unterschiedliche Sorten: Das
Hartmanngitter (auch Globalnetz genannt) verläuft in geraden
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Erde im Aphel
Tag der Gemächlichkeit
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Als Zauberer und Entfesselungskünstler war er ein gefeierter Star. Er
entkam aus versperrten Gefängniszellen und befreite sich aus Zwangsjacken, während er an den Füßen aufgehängt über den Niagarafällen
baumelte. Auf der Bühne begeisterten seine Tricks die Zuseher so sehr,
dass ihm vorgeworfen wurde, er verfüge über echte magische Kräfte.
James Randi, der berühmte Zauberkünstler, weiß, wie man mit
Illusionen arbeitet. Genau deshalb ist er sehr skeptisch, wenn andere
Leute behaupten übernatürliche Fähigkeiten zu haben. Seit Jahren
überführt er Wunderheiler, Wünschelrutengänger und andere
Scharlatane mit wissen-schaftlicher Präzision.
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Karl R. Popper geb.
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Bovis
Radiästheten können angeblich nicht nur feststellen, wo
Erdstrahlen sind, sie können auch ihre Stärke angeben,
und zwar in der Einheit „Bovis“. Mit dieser Einheit
wird nicht nur die Strahlung von Orten gemessen,
sondern auch der Energiegehalt von Nahrungsmitteln.
Um so eine Energiemessung durchführen zu können,
braucht man weder besondere Kenntnisse noch
Erfahrung, sondern nur eine Bovis-Skala auf einem
Stück Papier und ein Pendel. Selbst wenn es die
mystischen Strahlungen oder „Energien“, nach denen
hier gesucht wird, wirklich gäbe, wäre diese Messung
absurd: Der Mensch ist kein geeichtes Messgerät. Wir
können keine Zahlen für Sinneseindrücke angeben.
Welche Wellenlänge hat das Licht einer grünen
Ampel? Wie weit ist der Kirchturm am Horizont
entfernt? Wie schwer ist der Kochlöffel, den wir in der
Hand halten? ‒ Wenn wir viel Erfahrung haben, können wir für solche Messgrößen vielleicht Schätzungen
angeben, aber die Annahme, der Mensch (und ein
Pendel oder eine Wünschelrute) könnte von sich aus
Strahlungswerte angeben wie ein physikalisches
Messgerät, widerspricht jeder Erfahrung darüber, wie
unsere Sinne funktionieren.
Wellenlängen-Messung
Die Sache wird aber noch erstaunlicher: Wie man auf
vielen Internetseiten nachlesen kann, entspricht die
Einheit „Bovis“ der physikalischen Längeneinheit
„Angström“. (Ein Angström ist ein Zehnmilliardstel
Meter.) Bovis gibt, so wird behauptet, die Wellenlänge
der gemessenen elektromagnetischen Strahlung an. Die
Pseudowissenschaft Radiästhesie sieht sich also nicht
als spirituelle Theorie, sondern arbeitet mit naturwissenschaftlichen (und naturwissenschaftlich überprüfbaren) Größen wie elektromagnetischen Feldern,
Strahlungen und Energien.
Gesunde und böse Energie
Ein gesunder Mensch, so wird behauptet, hat eine
Strahlungsenergie, die 12000 Bovis oder Angström
entspricht, Orte oder Lebensmittel mit einer Strahlung
unterhalb dieser 12000 Bovis rauben uns Energie,
besonders energetisierte, gesunde Nahrungsmittel, oder
besondere „Kraftorte“ haben eine Strahlung von über
12000 Bovis und stärken uns. Ein sakraler, energiereicher Ort wie eine Kirche kann schon mal 18000
Bovis oder mehr haben. Warum die offenbar rein
intuitiv eingeführte Einheit „Bovis“ nun erstaunlicherweise zufällig genau mit der wohldefinierten Einheit
„Angström“ übereinstimmt, konnte noch niemand
erklären, aber das spielt eigentlich auch keine Rolle.
Wellenlängen von Strahlungen sind in der Physik
wohlbekannt, Strahlung in diesem Energiebereich kann
problemlos physikalisch gemessen werden. (Der
Bereich von etwa 4000-7000 Angström beispielsweise
entspricht den Wellenlängen von sichtbarem Licht,
daran ist nichts Unerforschliches.) Trotzdem gelingt es
mit keinem physikalischen Messgerät, diese Wellen, die
mit Pendeln und Wünschelruten angeblich so eindeutig
feststellbar sind, nachzumessen. Besonders kurios ist
die Vorstellung, höhere Wellenlängen würden sich auf
besonders energiereiche Strahlung beziehen. Aus der
Physik wissen wir, dass die Energie von Strahlung mit
zunehmender Wellenlänge abnimmt: Hohe BovisZahlen würden demnach also eigentlich zu energiearmer Strahlung gehören, wohingegen besonders ener-
Schon als James Randi in seiner Jugend die ersten Zauberkunststücke
lernte, ärgerte ihn, dass andere Leute mit genau denselben Tricks vorgaben, übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen. Gedankenleser, Wunderheiler, Spiritisten – die Industrie des scheinbar Übersinnlichen verdient
Geld mit Schwindeleien. Als Zauberkünstler würde Randi so etwas nie
tun, versichert er: „Ein Zauberkünstler ist eine völlig ehrliche Person. Er
sagt von vornherein: Ich werde dich täuschen, indem ich Tricks verwende.“ Seit Jahrzehnten macht es sich Randi nun immer wieder zur
Aufgabe, Leuten das Handwerk zu legen, die behaupten, übernatürliche
Fähigkeiten zu besitzen.
giereiche Strahlung (etwa Gammastrahlung) auf dieser
Skala nahe bei Null angesiedelt wäre. Man erkennt
also recht rasch, was hier geschieht: Um Glaubwürdigkeit vorzutäuschen verwenden Radiästheten Begriffe aus der Physik, ohne sie auch nur annähernd zu
verstehen, und zimmern daraus eine Theorie, die in
sich widersprüchlich ist.
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In den Siebzigerjahren wurde James Randi durch seine Kontroversen mit
Uri Geller bekannt. Geller behauptete, durch paranormale Kräfte Löffel
verbiegen und Gedanken lesen zu können. Für Randi freilich war daran
nichts Übernatürliches: Mühelos führte er auf der Bühne dieselben
Tricks vor. Randi schrieb sogar ein Buch, in dem er Uri Gellers Tricks
genau erklärte. Trotzdem hat Geller bis heute niemals zugegeben, statt
mentaler Kräfte einfache Zaubertricks verwendet zu haben.
Blindversuch
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Hätten Wünschelrutengänger echtes Interesse daran,
wissenschaftlich ernst genommen zu werden, müssten sie nur solche überprüfbaren Experimente
durchführen.
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Der vollständige Artikel ist online verfügbar unter:
Nichts als fauler Zauber
Florian Aigner über James Randi
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Die Macht der Muster
"Pattern Recognition" – die Erkennung von Mustern in irgendwelchen Daten, etwa in einem Bild oder akustischen
Aufzeichnungen – ist ein wichtiges Forschungsgebiet in der elektronischen Datenverarbeitung. Für einen Computer
stellt diese Fähigkeit immer noch einen großen Kraftakt dar, während ein anderes Datenverarbeitungssystem, das
menschliche Gehirn, dies anscheinend mit erstaunlicher Leichtigkeit schafft. Diese kognitive Fähigkeit brachte uns
einerseits einen evolutionären Vorteil, indem sie beispielsweise eine effizientere Kommunikation ermöglichte.
Andererseits ist das permanente Muster-erkennen-wollen unseres Gehirns auch Schuld an so manchen Irrtümern.
Schon unsere Vorfahren zogen aus dieser Fähigkeit einen
evolutionären Vorteil. So verschaffte die Möglichkeit,
Gefahren oder Chancen anhand von einfachen, sich
wiederholenden Mustern (etwa dem Verhalten einer Tierherde
beim Nähern eines Raubtiers) im Voraus zu erkennen, eine
erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit und oftmals ein längeres
Leben. Obwohl dieser ursprüngliche Zweck heutzutage an
Bedeutung verloren hat, ist die Tendenz zur Erkennung von
Mustern fest im Verhalten des Menschen verankert – so fest,
dass eine Täuschung oder Ausnutzung leicht möglich ist.
Viele Pseudowissenschaften oder esoterische Lehren
begründen ihre scheinbare Sinnhaftigkeit auf der Neigung des
Menschen, Muster bzw. Zusammenhänge in einer Sammlung
von Daten oder Ereignissen zu sehen, die keinen ursächlichen
Zusammenhang haben. Die Effekte der „Pareidolie“, so der
Name dieses psychologischen Phänomens, gehören zu den
Hauptfaktoren, wieso rational unhaltbare Theorien trotz ihrer
Unwissenschaftlichkeit selbst in Fachkreisen Fuß fassen
können – vom Normalbürger, der nicht über das notwendige
Fachwissen verfügt, ganz zu schweigen.
Die „Gier“ des Gehirns nach Mustern kann auch gezielt
ausgenutzt werden, um Scheinzusammenhänge in Beobachtungsdaten als plausibel zu vermarkten. Zu diesen Methoden
zählen in erster Linie fehlerhafte Anwendungen der Statistik
bei der Analyse dieser Daten - die durchaus auch unabsichtlich stattfinden können! „Cherry Picking“, also das
Peter Krebs
gezielte Heraussuchen von Daten, die mit den eigenen
Vermutungen am Besten zusammenpassen, ist ein häufiger
„methodischer“ Fehler.
Werden vermeintliche Muster voreilig (also ohne Untersuchung der tatsächlichen Zusammenhänge) für die Formulierung einer Hypothese verwendet, so führt dies zum
berüchtigten „Zielscheibenfehler“ – ähnlich einem Pistolenhelden, der zuerst schießt und anschließend Zielscheiben um
die Einschusslöcher malt, nur um sich als Scharfschütze
auszugeben. Die Fehlanwendung der menschlichen Mustererkennung hat zur Entstehung von vielen offensichtlichen und
weniger offensichtlichen Pseudowissenschaften und ähnlichen
irrationalen Theorien geführt.
Ein prominentes Beispiel ist die Astrologie, die in ihrer
modernen Gestalt zunehmend den Anschein von Wissenschaftlichkeit verbreiten will. Anhand einer nicht nachvollziehbaren Datenbasis (die Anzahl und Wichtigkeit der
Himmelskörper ist willkürlich gewählt) wird auf Verhaltensmuster und Persönlichkeitseigenschaften von Personen oder
sogar auf den Eintritt von weltpolitischen Ereignissen
geschlossen. Hier werden schlichtweg Muster in zusammenhangslosen Ereignissen gesucht, in diesem Fall in Geburtsdaten und astronomischen Prozessen – aber irgendwelche
Muster lassen sich immer finden!
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Warum
Religionen
absurd
sind
Herbert Haas
Die ersten Religionen ‒ heute nur noch Mythen
genannt ‒ waren vorwissenschaftliche Hypothesen,
um die Welt zu erklären. In dieser vorwissenschaftlichen Zeit, als man praktisch nichts über das
Universum wusste, war es für Fragen über die Herkunft der Welt und des Lebens legitim anzunehmen, dass ein höheres Wesen alles erschaffen
hatte. Es gibt aber heute gute Gründe mit diesen
abergläubischen Traditionen endlich zu brechen.
Das „Buch der Bücher“ ‒ mit Recht?
Die erste Hälfte stammt aus der Bronzezeit, die andere Hälfte
aus mündlichen Überlieferungen, die das erste Mal etwa 100
Jahre nach dem Tode Jesu niedergeschrieben worden sind.
Man stelle sich vor, dass wir von Ereignissen aus den 1910er
Jahren nur durch wiederholte mündliche Überlieferungen,
also „Stille Post“, wüssten. Wieviele Menschen hätten wohl
ihre eigenen Überzeugungen Stück für Stück einfließen
lassen? Wären unbequeme Wahrheiten durch eine solche
Mundpropaganda überhaupt bis heute durchgedrungen?
Wenn bei der Bibel in Wahrheit Gott federführend gewesen
war: Warum widerspricht sie sich an so vielen Stellen?
Warum findet man darin keine klaren Aussagen über die
Natur des Universums, als Beweis für den göttlichen Autor?
Warum strotzt zumindest das alte Testament voller „von oben
angeordneter“ Grausamkeiten?
„So tötet nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle
Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind; aber alle Mädchen, die
unberührt sind, die lasst für euch leben.“ (4. Mose 31,17-18)
„Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen
zerschmettert!“ (Psalm 137,9)
„Es sollen auch ihre Kinder vor ihren Augen zerschmettert, ihre
Häuser geplündert und ihre Frauen geschändet werden.“ (Jesaja
13,16)
Solche und viele ähnliche Passagen liest man in der Bibel.
Man stelle sich vor, ein heutiger Autor würde so etwas in
einem öffentlichen Magazin publizieren ‒ das gäbe mit Recht
einen Skandal wegen Volksverhetzung. Warum duldet der
Vatikan seit Jahrhunderten diese „Kriegsverbrechermoral im
Buch der Bücher?“
Der Glaube als hermetisches
Gedankengebäude
Jede Religion fußt auf einem dogmatischen
Gedankenbzw.
Glaubensgebäude,
welches jede Kritik mit spitzfindigen
Argumenten abschmettert (das skurrilste
ist wohl das „Geheimnis des Glaubens“).
Dogmen wurden so formuliert, dass jede
Überprüfung prinzipiell unmöglich ist.
Hier soll nichts überprüft und kritisiert
werden können, weswegen sämtliche
(heute) überprüfbaren Aussagen (z. B.
unsere Welt sei Mittelpunkt des Kosmos)
mittlerweile entfernt wurden, damit das Glaubensgebäude
wieder stabil und „hermetisch“ von der bedrohlichen wissenschaftlichen Außenwelt abgeschirmt ist. Somit scheint alles
logisch innerhalb dieses Gebäudes. Dogmen werden ähnlich
verstanden wie mathematische Axiome ‒ nur dass letztere
äußerst einfach und unmittelbar einsichtig sind (z. B. die
Identität A=A, oder jede Zahl N hat einen Nachfolger N+1),
während die theologischen Dogmen (wie die unbefleckte
Empfängnis Mariens [1] oder die Unfehlbarkeit des Papstes
[2]) anscheinend willkürliche Annahmen sind.
Die Logik verlangt aber, dass Aussagen sich auf bereits
bewiesene Prämissen gründen. Wenn also religiöse Aussagen
sich auf Dogmen gründen, dann handelt es sich schlicht und
einfach um Zirkelschlüsse! Der Glaube mag zwar mit Logik
nichts zu tun haben, aber auch die innere Logik seiner
Argumentation stimmt nicht. Religionen gründen sich somit
auf unvernünftige bzw. inhaltsleere Aussagen.
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Ernest Rutherford geb.
Ein weiterer Faktor, der die Entstehung von Pseudowissenschaften begünstigt, ist der allzu menschliche Drang,
sich mit Anderen vergleichen zu wollen. Dann werden
Muster falsch gedeutet und unwissenschaftliche Klassifizierungssysteme (Taxonomien) konstruiert, um Rangfolgen
und Klassen abzuleiten, die nur der Bestätigung und Erhöhung
des eigenen Egos dienen. Propaganda-Maschinerien im Lauf
der Geschichte haben dieses Prinzip in Form von
abscheulichen Rassentheorien auf die Spitze getrieben – der
Sozialdarwinismus, eine pervertierte Missinterpretation der
darwinistischen Evolutionstheorie, ist wohl das Paradebeispiel.
Doch auch in der heutigen Zeit finden sich ähnliche
Bestrebungen in Form von unwissenschaftlichen und oftmals
auch unethischen Klassifizierungssystemen. Ein modernes
Beispiel ist die Graphologie, die vorgibt, aufgrund von
Analysen der Handschrift einen Rückschluss auf den Charakter einer Person ziehen zu können. Die Abwesenheit von
empirischen Beweisen für diese Behauptungen halten einige
Personalbüros nicht davon ab, Bewerber auf Basis von Handschriftenanalysen auszuwählen.
Noch kurioser und bedenklicher ist die Lehre der Blutgruppendeutung, die insbesondere in Fernost, vor allem in
Japan, eine breite Akzeptanz gefunden hat. Die
wissenschaftlich unhaltbare Vorstellung von einem Zusammenhang zwischen Blutgruppe und Charaktereigenschaften
mutet wie eine Fortführung der antiquierten und längst widerlegten Konzepte der Phrenologie oder Physiognomik an.
Die Phrenologie versucht(e) geistige
Eigenschaften und Zustände bestimmten,
klar abgegrenzten Hirnarealen zuzuordnen. Dabei wurde ein Zusammenhang
zwischen Schädel- und Gehirnform einerseits und Charakter und Geistesgaben
andererseits unterstellt. Sie ist durch ihre
ideologisch ausgerichtete Herangehensweise das prototypische Beispiel einer
Pseudowissenschaft und Wegbereiter der
Kraniometrie, die bald als Werkzeug der
Rassenkunde eingesetzt wurde.
Die Gefährlichkeit von falschen Mustern und Zusammenhängen zeigt sich auch einmal mehr in der Alternativmedizin.
Verfahren wie beispielsweise die Iridologie, die anhand der
Regenbogenhaut des Auges (in nicht nachvollziehbarer Weise)
eine Ganzkörperdiagnostik möglich machen will, sind
symptomatisch für den Glauben an die unumstößliche Macht
der Muster und der Scheinzusammenhänge. Andererseits ist
die Existenz von Mustern („Korrelationen“) in bestimmten
Daten für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn entscheidend. In der Wissenschaft werden jedoch gewaltige Anstrengungen unternommen, um konkurrierende Erklärungen
(beispielsweise: Zufall?) auszuschließen und kausale Zusammenhänge aufzuspüren – ohne in die genannten Fallen des
menschlichen Trugschlusses zu tappen. Dieser schwierige und
mühevolle Prozess ist eine der Hauptaufgaben der wissenschaftlichen Arbeitsweise und unterscheidet die empirische
Wissenschaft von der pseudowissenschaftlichen Suche nach
Wolkenfiguren.
Die menschliche
Iris, ein Meer an
Mustern und
grenzenloser
Interpretation...
Quellen und weiterführende Literatur: http://perihel.at/darwinera/151/
DARWIN
ERA
Cargo-Kulte
Nur weil die tatsächlichen Wurzeln der meisten Religionen
„im Dunkeln“ liegen (und damit mystifiziert werden können)
wagen viele (Gläubige) keine profanere Erklärung. Die
Hypothese, Gott hätte einem Propheten die Glaubensvorschriften in einer Vision diktiert, erscheint dann „vernünftiger“, als die viel einfachere Erklärung, die sich z. B. auf
Wahnvorstellungen oder tradiertem Aberglauben gründet.
Dabei gibt es Religionen, deren Wurzeln in jüngster Zeit
liegen. Die sogenannten Cargo-Kulte entstanden, als während
des Zweiten Weltkrieges massenhaft Güter von der US-Armee
auf pazifische Inselgruppen abgeworfen wurden. Nach Kriegsende zogen diese Truppen ab und kein neues „Cargo“ wurde
mehr abgeworfen. Die Einheimischen vermuteten, dass diese
Ausländer einen besonderen Kontakt zu den Ahnen hätten,
die ihnen als die einzigen Wesen mit der Macht erschienen,
solche Reichtümer auszuschütten. Daher begannen sie die
Handlungen zu imitieren, die sie vorher bei den Soldaten
gesehen hatten, um neue Güter „vom Himmel“ zu erhalten.
Der zentrale Messias ihres Glaubens ist ein gewisser John
Frum, ein Amerikaner (!) und Sohn Gottes, der eines Tages
aus dem Vulkankrater Yasur hervorkommen und seine
Anhänger in eine glückliche Zukunft führen werde. Von ihm
stammt auch das Dogma, dass an den Bräuchen unbeirrt
festgehalten werden muss.
Aber die Wissenschaft kann das Gegenteil
nicht beweisen...
Immerhin, die Wissenschaft hat schon einige Glaubensaussagen widerlegt, beispielsweise durch die Kopernikanische
Wende, die nicht-göttlichen Keplerbahnen, oder durch die
www.darwin-era.org
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Evolutionstheorie. In allen Fällen konnte das hermetische
Glaubensgebäude geflickt werden, indem diese Theorien
irgendwie adaptiert wurden (auch wenn es meist Jahrhunderte
gedauert hat). Doch genauer betrachtet bröckeln die Fundamente des Glaubens schon langsam, denn die heutige
Wissenschaft benötigt überhaupt keine übersinnlichen Hypothesen mehr, sondern beruft sich auf viel einfachere Erklärungen.
“[Sire,] je n'ai pas eu
besoin de cette hypothèse.“
Pierre-Simon Laplace („Sire, ich hatte keinen Grund für diese
Hypothese.“) als Antwort auf die Frage Napoleons, warum in
seinen astronomischen Werken Gott keine Erwähnung findet.
Es stimmt, die Wissenschaft kann keine zentralen Dogmen
widerlegen. Aber normalerweise verlangen wir, dass die Beweislast bei dem liegt, der außergewöhnliche Behauptungen
aufstellt ‒ und nicht umgekehrt. Es ist nicht Aufgabe der Wissenschaft zu widerlegen, wenn jemand ruft, er habe ein Einhorn gesehen. (Ein gutes Beispiel für dieses Scheindilemma
ist Russels Teekanne im Monatsblatt März.) Und normalerweise würden wir solche unbewiesenen außergewöhnlichen
Behauptungen auch nicht ernst nehmen; warum werden die
Religionen dann so selten hinterfragt?
Wie geht es weiter?
Mit dem Ende der Götter beginnt eine neue Verantwortung.
Im Universum geht es tatsächlich mit „rechten Dingen“ zu
und wir können lernen sie zu verstehen. Der Atheismus ist das
Kritisch gedacht während
des 151. Sonnenumlaufs
seit Veröffentlichung von Darwins
»On the Origin of Species«
Gegenteil jeder Religion, er steht für
Anti-Theismus. Hier gibt es keine
Führer, Deutungen, Rituale oder
Kirchensteuern. Das Universum ist viel
größer und faszinierender, als es uns die
Religionen einreden wollen.
Florian Freistetter, auch bekannt unter
seinem Blog Astrodicticum Simplex,
schrieb unlängst über den kürzlich
entdeckten „Dunklen Fluss“, welcher
derzeit als starkes Indiz für die Existenz
von Paralleluniversen interpretiert wird.
Er beschließt seinen Artikel mit einem
beinah poetischen Resümee, welches
die Schönheit der modernen Naturwissenschaften wunderbar zum Ausdruck bringt:
...und die zweite Hälfte
Betrachtet man allein die Zahl der ausgestorbenen sowie der
heute existierenden Religionen, dann drängt sich wohl der
Eindruck der Beliebigkeit des Glaubens auf. Beispielsweise
sammelt Adherents.com Statistiken von über 4200 Religionen.
Der Gedanke, dass jede Glaubensrichtung unerschütterlich
davon überzeugt ist, nur sie alleine sei im Besitz der „ewigen
Wahrheit“, verdeutlicht das Absurde in den Religionen. Im
FAQ dieser Seite steht treffend: „I hope people won't judge
any group by its size. Even the largest groups here were at one
time small or nonexistent. Some of the smallest groups here
were at one time the majority faith in some part of the world.“
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Kollisionstag
(Tag der Begegnung)
Quellen und weiterführende Literatur: http://perihel.at/darwinera/151/
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Auch Homöopathie zählt Randi zu den
übernatürlichen Phänomenen. Bei homöopathischen Präparaten ist die Wirksubstanz so
stark verdünnt, dass von ihr statistisch gesehen
nicht einmal mehr ein einziges Molekül im
Präparat vorkommt. Würde so etwas wirken,
wäre das wohl als übernatürlich zu bezeichnen.
Gerade deshalb erregte 1988 eine Publikation im
weltberühmten Wissenschaftsjournal „Nature“
großes Aufsehen: Eine Gruppe französischer
Wissenschaftler rund um den Immunologen
Jacques Beneviste verdünnte menschliche
Antikörper so sehr, bis im untersuchten Wasser
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Herbert Haas
Leute behaupten irgendwelche Dinge einfach. Im Sinne der Meinungsfreiheit ist das auch
gut so. In einer offenen, demokratischen Gesellschaft muss es aber auch erlaubt sein,
Behauptungen zu kritisieren. Wenn mühsam erkämpfte wissenschaftliche Erkenntnisse
einfach so ignoriert bzw. über den Haufen geworfen werden, typischerweise um des Profites
willen, dann sollte das die Gesellschaft nicht einfach hinnehmen. Gerade wenn Personen in
der Öffentlichkeit, wie Lehrer, Politiker, Geistliche oder Ärzte, unhaltbare Behauptungen
aufstellen, dann hat das ernstzunehmende Konsequenzen. Es trägt zumindest zur
Volksverdummung bei. Meist aber geht es um Macht und viel Geld.
Die meisten Menschen nehmen die abergläubisch/esoterische Umwelt kaum bewusst wahr,
denn sie gehört zum vertrauten Alltag. Eine aus Platzgründen kleine Auswahl soll die
aktuelle Brisanz des Themas verdeutlichen.
Deren Wissen ist ein Tropfen
Das Grander-Wasser ist eines der Erfolgskapitel
der Esoterik, aber ein trauriger Beleg für die
mangelhafte Bildung (zumindest) seiner Konsumenten. Schließlich wurde Herr Grander
noch ganz offiziell von der österreichischen
Republik mit einem Wissenschaftsorden ausgezeichnet [5]. Als ein Wissenschaftler sich
dagegen öffentlich kritisch zu äußern wagte,
wurde ihm in mehrjährigen Prozessen das
Leben schwer gemacht (siehe Monatsblatt
Februar und [6]).
Voodoo in Apotheken und beim Hausarzt
In den meisten Apotheken (wo wissenschaftlich ausgebildete Menchen arbeiten) werden
magische Mittel in Form von Homöopathie, Schüssler Salzen, Bachblüten, Indianischen
Ohrenkerzen usw. angeboten. Oft wird der „Schulmedizin“, insbesondere der Pharmazie,
Profitgier unterstellt. Aber Alternativmedizin, abgesehen von ihrer bewiesenen
Wirkungslosigkeit, kostet den Patienten meist wesentlich mehr Geld und die Anbieter haben
zuvor nichts in Forschung und mehrjährige Doppelblindstudien investiert.
We know very
little, and yet
it is
astonishing
that we know
so much, and
still more
astonishing
that so little
knowledge can
give us so
much power.
Ö
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Die Macht
der Sterne
Carl Sagan
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Mit freundlicher Unterstützung der österreichischen Gesellschaft für kritisches Denken (GkD)
http://www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht/
Paul Erdös geb.
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www.darwin-era.org
(C)2010, Herbert Haas unter Creative Commons 3.0 cc-by-nd; weitere Hinweise sowie Literatur unter http://www.perihel.at/darwinera/151/
Ein weniger aufwändiges, aber ebenso spektakuläres Experiment führte der Fernsehsender WDR 1997 durch. Er
verschickte kostenlos persönliche Horoskope. 74 Prozent der Teilnehmer fanden, das Horoskop beschreibe ihren
Charakter korrekt, 15 Prozent gaben sogar an: „Perfekt, es stimmt alles!“ Die Teilnehmer wussten allerdings
nicht, dass sie alle dasselbe Horoskop bekommen hatten – das Horoskop des Mörders Fritz Haarmann.
Esoterische Berufsförderung
Die deutsche Bundesagentur für Arbeit bietet
18 Fortbildungskurse mit zweifelhaftem Inhalt
(und Berufsaussichten) an, darunter Reiki,
Anthroposophische Medizin, Bachblütentherapie, Homöopathie, Cranio-Sacral-Therapie
und Kinesiologie/Kinästhetik. Und in Österreich kann man für energethische Berufe
problemlos einen Gewerbeschein lösen [8].
Hirnstrahlung?
Raumenergie-Kletten
Selbst die ehrwürdigen Hallen der Universitäten werden von der Esoterik-Szene missbraucht. Die (Österreichische, Deutsche und
Schweizer) Vereinigung für Raumenergie
versuchte ihr „Tesla-Symposium“ an der Uni
Wien, TU Wien und schließlich an der WU
Wien abzuhalten [11].
Viele Leute meinen felsenfest, dass sie die Diese Liste könnte beinah endlos fortgesetzt
Strahlung von Mobilfunktelefonen spüren werden, aber dem/der interessierten Leser/in
können ‒ aber bislang konnte das kein Einziger sei der Blog der österreichischen Gesellschaft
demonstrieren. Die Wissenschaft sucht sogar für kritisches Denken empfohlen:
vehement nach solchen Leuten [9] ‒ wo seid
http://www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht/
ihr?
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Ehsan Fatahian hingerichtet
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Lise Meitner geb.
Publikation
On the Origin of Species
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Quellen und weiterführende Literatur: http://perihel.at/darwinera/151/
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von Florian Aigner
Das allein ist aber kein Argument gegen Astrologie. Auch die Medizin verwendet Medikamente, deren
Wirkungsweise nicht bekannt ist. Die einzig entscheidende Frage zum Test einer solchen Theorie ist:
Funktioniert sie? Kann die Astrologie Aussagen treffen, die in irgendeiner Weise überprüfbar und nützlich sind?
Auch wenn Astrologen immer wieder stolz auf ihre spektakulären Erfolge verweisen, in echten statistischen
Untersuchungen konnte die Wirksamkeit der Astrologie bisher nicht nachgewiesen werden. Die Liste der
wissenschaftlichen Untersuchungen, in denen die Astrologie spektakulär scheiterte, ist lang: So wurde zum
Beispiel 1985 im Magazin „Nature“ eine Studie über Astrologie veröffentlicht. Astrologen und Wissenschafter
hatten sich gemeinsam auf eine Testmethode geeinigt: Man überprüfte, ob Versuchspersonen aus drei
Horoskopen das ihre herausfinden können, und ob Astrologen anhand der Persönlichkeit der Versuchspersonen
deren Sternzeichen erraten können. Doch obwohl die Astrologen diesen Tests zugestimmt hatten und
zuversichtlich gewesen waren, die Prüfungen zu bestehen, waren die Erfolgsquoten nicht höher als sie bei rein
zufälligem Raten gewesen wären.
James Randi
Carl Sagan geb.
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Des Skeptikers
Klinge
Bei der Ursachenforschung steht man
oft vor dem Problem, dass die
Beobachtungen mehrere Erklärungen
zulassen, von denen jedoch (üblicherweise) nur eine zutreffend sein kann. Wie jedoch soll die Suche nach der wahren
Ursache beginnen? Wie können weniger wahrscheinliche von wahrscheinlicheren
Hypothesen unterschieden werden?
Dem kritischen Beobachter steht hier ein vernünftiges Werkzeug zur Verfügung, mit
dessen Hilfe es möglich ist, weniger sinnvolle Hypothesen zu identifizieren und sich
auf die vielversprechendsten Theorien zu konzentrieren: Das sogenannte (und oft zitierte) Ockhams
Rasiermesser.
Peter Krebs
“Frustra fit
per plura
quod fieri
potest per
pauciora”
Die Bezeichnung geht zurück auf den englischen Franziskanermönch William von Ockham (DE-574 DE-512) und dem von ihm vertretenen Prinzip, unnötiges Beiwerk bei der Formulierung von
Aussagen wegzulassen. Erst in der Neuzeit bildete sich die heute gebräuchliche Interpretation: Liegen
mehrere Theorien über einen Sachverhalt vor, so ist jene zu bevorzugen, die am einfachsten ist ‒ alle
anderen Theorien werden gleichsam wie mit einem Rasiermesser weggeschnitten, fallengelassen.
Bei dieser Definition stellt sich natürlich die Frage, was unter der „einfachsten“ Hypothese zu
verstehen ist. Im Allgemeinen ist damit jene Erklärung gesucht, die mit den wenigsten
Zusatzannahmen auskommt. So könnte man durchaus postulieren, die altertümlichen Zivilisationen
hätten bei der Errichtung ihrer beeindruckenden Bauwerke Unterstützung von Außerirdischen
erhalten. Gegenüber einer einfacheren Erklärung, wie Fortschritte in der Bautechnik und einer großen
Arbeiterschaft hätte diese Hypothese jedoch zusätzlich zu klären, woher die extraterrestrischen Helfer
kamen und wieso sie sonst keine Spuren hinterlassen haben.
Grundlos geschieht
durch mehr, was
durch weniger
geschehen kann.
Auch in der Wissenschaft findet Ockhams Rasiermesser in Form der Parsimonie eine Anwendung.
Dieses „Sparsamkeitsprinzip“ hilft dem Wissenschaftler, bei der Formulierung von Hypothesen nicht
über das Ziel hinauszuschießen. Dass manchmal aber doch die „kompliziertere“ Theorie richtig ist
(wie etwa im Falle der Newtonschen Mechanik und der Relativitätstheorie) zeigt, dass die Parsimonie
nur ein Hilfsmittel zur Priorisierung und nicht allgemein gültig ist.
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
Werner Heisenberg geb.
48
Ausprobieren!
12
Das „Europäische Zentrum für Umweltmedizin“ ist Teil der Niederösterreichischen Landesakademie und „beschäftigt sich mit der
wissenschaftlichen Erforschung des Einflusses
von natürlichen und künstlich erzeugten
Feldern auf die Gesundheit des Menschen.“ Im
Wesentlichen bedeutet das: Radiästhesie (also
Wünschelrutengehen), Geomantie (quasi Feng
Shui) und Elektrosmog. Gefördert wird diese
esoterische Laune unter anderem von der
Niederösterreichischen Landesregierung, den
NÖ
Krankenversicherungsträgern,
der
Landeshauptstadt St. Pölten und der NÖ
Ärztekammer [10].
Do
Nicht nur US-Präsident Ronald Reagan ließ sich von Astrologen beraten. Horoskope findet man
täglich in vielen Zeitungen. Wir können nachlesen, ob der Zeitpunkt günstig ist, eine
Gehaltserhöhung einzufordern, erotische Abenteuer zu wagen oder sich die Fingernägel zu
schneiden. Offensichtlich ist der Glaube an die Macht der Sterne weit verbreitet. In Wien kann man
sich in Kursen des Wirtschaftsförderungsinstitutes zum Diplom-Astrologen ausbilden lassen.
Wissenschaftliche Hinweise darauf, dass unser Leben tatsächlich etwas mit Tierkreiszeichen zu tun
haben könnte, fehlen allerdings.
Die Frage, woher diese Zusammenhänge zwischen Planetenpositionen und persönlichen Talenten oder
Vorlieben kommen, wird von den Astrologen nicht beantwortet. Es gibt keine kosmischen Strahlungen oder
Schwingungen, durch die Himmelskörper Einfluss auf unser Leben haben könnten. Die einzige Kraft, die fremde
Planeten auf uns ausüben, ist die Gravitation – und die ist viel zu gering, um Einfluss auf uns haben zu können.
Jeder Berg in unserer Umgebung hat eine größere Wirkung. Die Astrologen begnügen sich also damit, zu
behaupten, dass diese Wechselwirkung zwischen Mensch und Kosmos einfach da ist, ohne ihren Grund
anzugeben.
So
Beweise sprechen für sich. Glauben bedeutet nichts.
Akademie für Wünschelrutengeher
Mi
Wirkung ohne Grund?
Sa
Obwohl man mittlerweile ‒ laut Gerichtsurteil
‒ das Granderwasser als „aus dem EsoterikMilieu stammender, parawissenschaftlicher
Unfug“ bezeichnen darf und in vielen Staaten
die „Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben“ verboten wurde [7], boomt dieses
Geschäft anscheinend mehr denn je. Viele
Unternehmen, wie Hotelketten oder Mineralwasserhersteller, setzen diese „Technologie“
weiterhin ein.
Di
Wissenschaftlich überholt
„Erst vor knapp 400 Jahren haben wir
gemerkt, dass die Erde und die Sonne
nichts besonderes sind und es noch
unzählige andere Sterne im Universum
gibt. Vor nicht einmal 100 Jahren haben
wir herausgefunden, dass es neben
unserer Milchstraße noch unzählige
andere Galaxien gibt und dass das
Universum viel größer ist, als wir
dachten. Und heute sind wir eventuell
bald in der Lage herauszufinden ob das
Universum selbst einmalig ist oder ob
noch andere Universen existieren!
Wissenschaft ist so cool!“ [4]
151
Mo
Dezember
Bertrand Russell
über die modernen
Wissenschaften
Ein großer Teil der
menschlichen Geschichte
kann als allmähliche und
zuweilen quälende
Befreiung von
rückständigem Denken
angesehen werden, als
aufkommendes
Bewusstsein der
Tatsache, dass in der
Welt mehr ist, als es
unsere Vorfahren
allgemein glaubten.
www.darwin-era.org
Quellen und weiterführende Literatur: http://perihel.at/darwinera/151/
ERA
Übernatürliche Einflüsse aus dem Weltraum:
Wer kennt sie nicht, die Mondkalender vom
richtigen Zeitpunkt? Die Horoskope in fast
allen Zeitungen? Selbst eine staatlich finanzierte
und akkreditierte Astrologie taucht immer
wieder mal auf, zum Beispiel in Form eines
Astrologie-Kurses des Wirtschaftsförderungsinstituts der österreichischen Wirtschaftskammern (WIFI) [2] (ähnliches in Deutschland
[3]). Übrigens, auch Geistheilung kann man am
WIFI lernen [4].
Religionen - staatlich subventionierte Esoterik mit Tradition
Die hiesigen Religionen repräsentieren die Esoterik auf staatlichem Niveau. Länder wie
Österreich und die Schweiz sind offensichtlich durchdrungen von einer intensiven christlichen
Kultur. Während unser Bildungssystem sich (mehr oder weniger) um Aufklärung der
Gesellschaft bemüht, brachte die von kirchlichen Kreisen geförderte Debatte um das
„Intelligent Design“ wieder einen Rückschritt. Intelligent Design ist verkappter
Kreationismus und wird an zu vielen Schulen gelehrt. In vielen Ländern der Welt (sowie in
vielen amerikanischen Staaten) ist die Evolutionstheorie schlicht verboten. Kreuze werden
eventuell endlich in den Schulen abgenommen, in den (zumindest österreichischen)
Kindergärten ist das noch keine Selbstverständlichkeit. Blasphemie wird in Österreich immer
noch (gemäß §188 des StGB) mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten geahndet; in
der Schweiz und in Deutschland gibt es ähnliche Paragraphen. Religionen genießen
Steuervorteile sowie öffentliche Subventionen und der Staat sorgt für eine kontinuierliche
religiöse Grundausbildung ‒ quasi für den Mitgliedernachwuchs. Am Rande: „Seit 1960 sind
vermutlich mehr Menschen wegen Hexerei hingerichtet oder umgebracht worden als
während der gesamten europäischen Verfolgungsperiode.“ [1]
Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers (1766)
DARWIN
Naturwissenschafter kritisieren an der Astrologie, dass manche ihrer Grundannahmen im
Widerspruch zur modernen Wissenschaft stehen. Die zwölf Sternzeichen, die in der Astrologie
verwendet werden, entsprechen längst nicht mehr dem Sternenhimmel, den wir heute beobachten
können. Die Rotationsachse der Erde verschiebt sich langsam, sodass unser Sternenhimmel heute
anders aussieht als der, den die ersten Astronomen vor Jahrtausenden als Grundlage für die
Erfindung der Tierkreiszeichen verwendeten. Eigentlich müsste man also heute das Jahr ganz
anders in Tierkreiszeichen einteilen als damals. Sogar ein dreizehntes Zodiac-Zeichen, der
„Schlangenträger“, müsste heute eigentlich mitberücksichtigt werden. Den Astrologen freilich ist
das egal. Bekannte Astrologen wie Peter Fraiss, Berufsgruppensprecher der Astrologen in der
Wirtschaftskammer Wien, oder Maria Luise Mathis, Leiterin des Astrologie-Kurses am WIFI
Niederösterreich, behaupten nicht, dass die Astrologie mit wissenschaftlicher Astronomie etwas zu
tun zu hat. Sie bestreiten gar nicht, dass die moderne Sternenkunde nicht mit ihren
Tierkreiszeichen zusammenpasst. Astrologie funktioniert einfach, behaupten sie, egal ob ihre
Sternkarten nun mit jenen der Wissenschaftler zusammenpassen oder nicht.
Die 12 antiken Tierkreiszeichen - vorwissenschaftliche
Hypothesen
Gründung des CERN
39
15
„Denn es ist zu allen Zeiten so gewesen und wird auch wohl künftighin so bleiben, dass gewisse widersinnige Dinge, selbst bei Vernünftigen Eingang finden, bloß darum, weil allgemein davon gesprochen wird. Dahin gehören die Sympathie, die Wünschelrute, die Ahndungen, die Wirkung der Einbildungskraft schwangerer Frauen, die Einflüsse der Mondwechsel auf Tiere und Pflanzen und dergleichen.“
Hat Wasser ein Gedächtnis?
Geschichtlich haben Astrologie und Astronomie dieselben Wurzeln. Manche historische Astronomen wie etwa Johannes Kepler haben auch als Sterndeuter
ihr Geld verdient. Heute haben diese beiden Disziplinen kaum mehr etwas miteinander zu tun. Die Astronomie ist eine Naturwissenschaft, die eindeutige,
überprüfbare Vorhersagen liefert, ihre Werkzeuge sind mathematische Formeln. Die meisten Astrologen hingegen behaupten gar nicht erst, exakte
Vorhersagen zu liefern. Sie erheben aber den Anspruch, qualitative Zusammenhänge zwischen den Planetenbahnen und dem Leben der Menschen
aufzeigen zu können.
Start von Voyager 1
6
Warum Skeptizismus?
Naturwissenschaft versus Esoterik
Die Beliebigkeit des Glaubens
Schaut man sich die Geschichte einer Religion an, beispielsweise die des Christentums, dann strotzt diese vor Auslegungen und Umdeutungen. Kürzlich hat Papst Benedikt XVI
das Fegefeuer für ungetaufte tote Kinder abgeschafft: Nach
einer dreijährigen intensiven Beratung einer internationalen
Theologenkommission hat der Vatikan im April 2007
„beschlossen“, dass ungetaufte Kinder doch ins Paradies
dürfen. [1] Theologen suchen also nach „Glaubenswahrheiten“ ‒ und das immer in denselben uralten Dokumenten
und Büchern aus zweifelhaften Quellen. Seit Jahrhunderten
werden hier dieselben Texte zerkaut und neu ausgelegt. Kann
man hier von einer Wissenschaft im wahren Sinne des Wortes
sprechen? Wird hier Wissen vermehrt?
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Unendliche Weiten und
grenzenlose Dummheit
Erwin Schrödinger geb.
September
(C) Dongio/Wikipedia cc-by
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Auch viele Haus- und Fachärzte haben Magie
im Programm. Neben den rezeptpflichtigen
Medikamenten werden schnell mal ein paar
Globuli verschrieben (die bereits von deutschen
Krankenkassen bezahlt werden) und die LaserAkupunktur kommt auch nicht zu kurz.
(C) Petr Novak, Wikipedia cc-by-sa
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Ein Interview mit James Randi „Das Recht, dumm zu sein – Über
die Gefahr, sich auf Übersinnliches zu verlassen“ ist online zu
lesen unter: http://www.naklar.at/content/features/randi_interview/
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CERN macht WWW publik
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John Maddox, der Herausgeber von „Nature“, blieb skeptisch. Obwohl
er die erstaunlichen Resultate veröffentlicht hatte, bat er Randi, die
Sache näher zu untersuchen. Randi änderte gemeinsam mit den
Wissenschaftlern den Testmodus, so dass diesmal während des
Experimentes niemand wusste, welche Wasserproben homöopathisch
behandelt worden waren und welche nicht. Erst am Ende des Versuchs
wurde aufgedeckt, welche Probe zu welcher Gruppe gehörte –
Schwindelei war somit ausgeschlossen. Zur Überraschung der Wissenschaftler war diesmal der geheimnisvolle Effekt verschwunden.
„Wissenschaftler sind eben auch nur Menschen wie du und ich“, meint
Randi – wer fest an etwas glaubt, lässt sich leicht dazu verleiten,
Beobachtungen und Messdaten einseitig zu interpretieren.
So
Nietzsche geb.
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Doppel-blind-Versuch
Bei diesen Versuchen ist es keineswegs Randi selbst, der die Regeln
vorgibt. Gemeinsam mit den Bewerbern wird ein Testmodus
ausverhandelt, der dann von Wissenschaftlern überwacht wird. Mit den
Experimenten selbst hat James Randi nichts zu tun. Doch auch, wenn die
Kandidaten anfangs noch so überzeugt sind, die
gestellten Aufgaben bewältigen zu können –
letztlich scheiterten sie alle. Randi geht es nie
darum, die Kandidaten zu demütigen. Er ist um
ehrliche wissenschaftliche Tests bemüht. „Ich
beginne meine Untersuchungen nicht, indem ich
sage, dass das, was diese Leute behaupten,
falsch ist. Das weiß ich ja noch gar nicht. Ich
versuche neutral zu sein, auch wenn das
manchmal schwer ist.“
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Ö
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Sa
Rückkehr der HMS Beagle
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George Bernard Shaw
Wissenschaftlich und sauber
Mi
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The fact that a believer is happier than a skeptic is no more to the point
than the fact that a drunken man is happier than a sober one. Um das blinde Vertrauen in übernatürliche Fähigkeiten zu bekämpfen,
gründete Randi die „James Randi Educational Foundation“. Diese
Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, paranormale Phänomene
wissenschaftlich zu untersuchen. Egal ob Wunderheiler, Wünschelrutengänger oder Spiritist – wer auch immer der Meinung ist, Übernatürliches leisten zu können, hat die Chance sich von der „James Randi
Foundation“ testen zu lassen. James Randi bietet jedem, der es schafft,
solche Fähigkeiten unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen zu
demonstrieren, eine Million Dollar. Über tausend Mal wurde das bereits
versucht, doch das Geld hat Randi noch immer. Und er hat keine Angst,
dass die Million tatsächlich jemand abholen könnte: „Ich habe in
meinem Leben alle nur denkbaren Spielarten der Tricks gesehen, die
diese Leute benützen. Sie sind für mich eigentlich immer sofort
durchschaubar.“
Di
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kein einziger Antikörper mehr vorhanden war. Trotzdem – so
behaupteten die Wissenschaftler in ihrer Publikation – blieb die
Wirkung bestehen. Es schien, als hätten sie das geheimnisvolle
„Gedächtnis des Wassers“, dessen Existenz Homöopathen als Grundlage ihrer Theorien betrachten, endlich wissenschaftlich nachgewiesen.
Der amerikanische Fernsehprediger Peter Popoff begeisterte seine
Anhänger, indem er scheinbar durch göttliche Eingebung Namen,
Krankheiten und persönliche Details von einzelnen Zuschauern nennen
konnte. Randi beendete Popoffs Predigerlaufbahn abrupt, indem er
nachwies, dass die Eingebungen nicht von Gott kamen, sondern von
einer Assistentin Popoffs, die ihm über Funk die Daten durchgab. In
seinem Ohr hatte Popoff einen kleinen Empfänger versteckt, seine
Assistentin musste nur die Gebetskarten vorlesen, die von den Zusehern
vor der Show ausgefüllt worden waren.
Eine Million Dollar für ein Wunder
Mo
4
Funkkontakt mit Gott?
Ö
ERA
Di
Zaubern, nicht schwindeln
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Radiästhesie gibt es viele. Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften
(GWUP) testete Wünschelrutengänger und Pendler
mit Hilfe eines einfachen Experimentes: Zehn Eimer
wurden in einer Reihe aufgestellt. Einer von ihnen
wurde mit Wasser gefüllt, alle anderen blieben leer.
Nachdem die Eimer abgedeckt worden waren, sollten
die Radiästheten herausfinden, wo sich das Wasser
befand. Mit großer Selbstsicherheit gingen sie ans
Werk, deutlich und unverkennbar schlugen die Wünschelruten aus ‒ allerdings fast nie bei den Eimern, die
tatsächlich mit Wasser gefüllt waren. Nach stundenlangen Messreihen zeigte sich: Die Radiästheten hatten
eine Trefferquote, wie man sie auch durch bloßes
Raten gehabt hätte.
DARWIN
Mo
ERA
Zaubern, nicht schwindeln
Ludwig von Feuerbach geb.
30
Oktober
James Randi ist Zauberer und Skeptiker. Er kämpft gegen
Aberglauben und Mentalisten wie Uri Geller
Jan Hus hingerichtet
Florian Aigner
Die Suche nach Erdstrahlen und Wasseradern ist vielleicht die
populärste unter den esoterischen Pseudowissenschaften.
Selbst durchaus rational denkende Menschen lassen sich oft
einreden, dass sie ihr Bett unbedingt in eine andere Ecke ihres
Schlafzimmers schieben müssen, weil sich sonst genau unter
ihrem Kopf eine heimtückische Wasserader mit bösartigsten
Erdstrahlen kreuzt. Doch auch wenn Wünschelrutengänger und
Pendler noch so viel Geschäft damit machen: Radiästhesie, die
Suche nach diesen mysteriösen Strahlungen, ist wissenschaftlich betrachtet purer Unfug.
Das Interessante an Radiästheten ist, dass sie sich sehr bemühen, wissenschaftlich zu
wirken. Vermutlich ist das der Grund dafür, dass so viele Leute an diese Dinge glauben. Bei
Radiästheten finden wir saubere Tabellen, Zahlen und Theorien. Wenn man Webseiten über
Erdstrahlungen liest, könnte man manchmal beinahe glauben, es handle sich dabei um
anerkannte Physik ‒ doch mit echter Physik hat es wenig zu tun.
Radiästhesie kann wissenschaftlich leicht untersucht werden, doch so einer Untersuchung
hat sie noch nie standgehalten. Um das verstehen zu können, muss man sich zunächst
ansehen, was Wünschelrutengänger überhaupt machen.
Di
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DARWIN
(C) James Randi Educational Foundation http://www.randi.org
ERA
http://darwin-era.org
(C) 2010, PANSPICS.COM
Juli
DARWIN
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Tag der Unschärfe
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Arthur C. Clarke geb.
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Wintersolstition
Johannes Kepler geb.
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Start der Reise der
HMS Beagle
Für den vollständigen Artikel und mehr zu diesem Thema siehe http://naklar.at
www.darwin-era.org
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