Infektionsprävention im Krankentransport und Rettungsdienst

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Notfall Rettungsmed 2010 · [jvn]:[afp]–[alp]
DOI 10.1007/s10049-010-1347-2
Online publiziert: 10. September 2010
© Springer-Verlag 2010
Redaktion
B. Dirks, Ulm
H. Domanovits, Wien
R. Somasundaram, Berlin
C. Waydhas, Essen
A. Nassauer · M. Mielke
Robert Koch-Institut, Berlin
Infektionsprävention
im Kranken­transport und
Rettungsdienst
Hinweise zur Umsetzung von Hygienestandards
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Zusammenfassung
Der Umgang mit Patienten, die an einer Infektion erkrankt oder dessen verdächtig sind, erzeugt
beim Personal nicht selten (unbegründete) Ängste, was wiederum zu überzogenen und damit unnötigen Maßnahmen führt. Dieser Beitrag versucht darzustellen, welche grundsätzlichen Überlegungen zur Einleitung der erforderlichen Maßnahmen anzustellen sind, um eine mögliche Gefährdung zu minimieren. Jeder Patient im Krankentransport und Rettungsdienst ist – auch ohne
Kenntnis einer Diagnose – potenziell infektiös. Dies wiederum erfordert stets die Einhaltung der
Standardhygiene. Sind in Einzelfällen darüber hinaus gehende Maßnahmen angezeigt, bedarf es
besonderer Hinweise, die durch die behandelnden Ärzte und selbstverständlich auch durch qualifiziertes Assistenzpersonal dann eigens angeordnet werden sollten. Nach allen Erfahrungen, die
wir im Robert Koch-Institut im Rahmen von Anfragen gewonnen haben, bedarf es intensiver Fortbildung aller am Rettungsdienst Beteiligten über die für die Übertragung bestimmter Erreger wesentlichen Eigenschaften und Fakten. Neben der Standardhygiene ist z. B. dann Atemschutz erforderlich, wenn der Patient Erreger ausscheidet, die über die Luft übertragen werden.
Die im Beitrag besonders ausgewählten Erreger – MRSA (und andere Erreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen, MRE), Influenzavirus, Meningokokken, Tuberkulose-Erreger und
Noroviren – repräsentieren Erreger mit besonderen Eigenschaften. Die dort geschilderten (erweiterten) Maßnahmen bilden die Grundlage für Hygienepläne, in denen Erkrankungen durch Erreger mit vergleichbaren Eigenschaften zugeordnet werden können. Im Krankentransport und Rettungsdienst sind die Beschäftigten auf solide, umfassende Informationen der entsendenden Stelle oder der versorgenden Notärzte angewiesen. Sehr selten sind dazu mehr als Maßnahmen der
Standardhygiene erforderlich.
Schlüsselwörter
Infektionstransporte · Präventionsmaßnahmen · Schutzmaßnahmen · Standardhygiene · Maßnahmen bei ausgewählten Erregern
Notfall + Rettungsmedizin 6 · 2010 | 482
CME
Der Begriff „Hygiene“ ist individuell durchaus unterschiedlich emotional besetzt. Für die ei­
nen ist er mit der von außen auferlegten Befolgung vermeintlicher „Rituale“ assoziiert, für die
anderen stellt er die selbstverständliche Ergänzung zum therapeutischen und pflegerischen
Tun und eine innere Verpflichtung dar.
Dieser Beitrag widmet sich den Anforderungen an die Hygiene beim bodengebundenen
Trans­port von Patienten. Präventionsmaßnahmen bei Patienten, die durch hoch infektiöse
Er­reger erkrankt sind und die Luftrettung sind nicht Gegenstand dieser Betrachtung. Sie erfor­
dern eigene, spezifische Hinweise, die über die hier geschilderte Thematik hinausgehen [1, 2].
Typische Fragen aus dem Rettungsdienst
Sie betreffen ganz überwiegend Erkrankungen und Krankheitserreger,
1.die bei der stationären Versorgung besondere Maßnahmen erfordern [z. B. Methicillin­resistenter Staphylococcuc aureus (MRSA), Clostridium (C.) difficile, ESBL- (Breitspektrum
B­etalaktamase-) Bildner] oder
2.bei denen der Arbeitsschutz eine besondere Schutzausrüstung verlangt oder eine Schutzimpfung empfohlen ist, um auf den Rettungsmitteln Tätige vor berufsbedingten Erkrankungen zu
schützen (z. B. Tuberkulose, Hepatitis A, Pertussis).
3.Ein dritter Fragenkomplex betrifft Maßnahmen bei meist jahreszeitlich gehäuft auftretenden
(epidemischen) Erkrankungen bzw. Erregern wie Noroviren oder Influenza.
Zwei Beispiele sollen genügen, um die Bandbreite der Probleme noch näher zu erläutern.
Beispiel 1: Eintrag im Internetforum der Berliner Feuerwehr
„Vor einiger Zeit hatte ich mit dem RTW einen Notfalltransport. Im Krankenhaus wurde dann relativ
schnell die Verdachtsdiagnose Meningitis, Tuberkulose und HIV-positiv gestellt. Wohl gemerkt, der
Transport erfolgte ungeschützt, da über die Erkrankung des Patienten nichts bekannt war, und die-
Infection prevention in patient transport and rescue
services · Instructions on applying hygiene standards
Abstract
Dealing with patients with infectious diseases, or suspicion thereof, often arouses (not unjustified)
concern in treating personnel, which can lead to excessive and thereby unnecessary measures. The
current article discusses the basic considerations behind the initiation of necessary measures in order
to minimize risk. All patients transported by ambulance or emergency services are – in the absence
of a diagnosis – potentially infectious. This in turn requires close adherence to hygiene standards. In
individual cases where further measures are indicated, special instructions which can be specifically ordered by the treating physician as well as by qualified assisting personnel are required. According to the knowledge we have gained at the Robert Koch Institute from our inquiries, intensive further training on the characteristics and facts relating to the transmission of specific pathogens is required for all personnel involved in rescue services. In addition to standard hygiene, respiratory protection is required when a patient releases airborne pathogens.
The pathogens specifically discussed in this article – MRSA (among other pathogens with particular resistance and multiresistance, MRE), influenzavirus, meningococcus, M. tuberculosis and noroviruses – represent pathogens with particular characteristics. The measures discussed here form
the standard for hygiene plans for diseases caused by pathogens with comparable characteristics. In
the case of emergency patient transport or rescue services, personnel rely on the solid and comprehensive information of the dispatching centre or the treating emergency physician. Only in rare cases are measures over and above standard hygiene measures necessary.
Keywords
Transport of infected patients · Preventive measures · Protective measures · Standard hygiene ·
Measures for particular pathogens
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7 Betriebsärztlicher Dienst
ser sich dazu auch nicht äußern konnte. Es folgte die Prozedur der Desinfektion in vollem Umfang.
Nachuntersuchungen oder Prophylaxemaßnahmen des am Einsatz beteiligten Personals haben nicht
stattgefunden. … Der Patient ist vor Kurzem verstorben. Kann es nicht sein, dass ich mich eventuell
infiziert habe, und diese Infektion auch schon in meinem Umfeld verbreitet habe? Mündlich wurde
mir immer mitgeteilt, es sollen sich keine positiven Untersuchungsbefunde ergeben haben (außer,
dass der Patient jetzt tot ist). Ich bat um eine schriftliche Bestätigung dieser Aussage, was mir aber
verwehrt wird. … Habe ich tatsächlich nicht das Recht, schriftlich bestätigt zu bekommen, dass für
mich keine Gefahr mehr besteht?“ (http://www.berliner-feuerwehr/forum/index.php)
Anmerkung: Schon an dieser Stelle darf die Frage gestellt werden, warum der Beschäftigte nicht
den 7 betriebsärztlichen Dienst aufgesucht hat, dort beraten und eine Untersuchung wegen des
Tuber­kulosekontaktes eingeleitet wurde.
Beispiel 2: Verbreitung von Noroviren aus Berliner Seniorenwohnheimen
Die Übertragung von Mensch
zu Mensch kann zum Verteilen
des ­Erregers über Transport- und
­Rettungsdienste führen
Von Oktober bis Dezember 2002 wurden in 11 Seniorenwohnheimen im Südwesten Berlins Ausbrüche von Norovirusinfektionen gemeldet. Insgesamt waren 314 Personen betroffen (und wurden
aus den Einrichtungen in 5 Krankenhäuser verlegt). In der ersten Einrichtung (dem „Indexheim“)
erkrankten die ersten Patienten am 16.10.2002 und wurden in einer Universitätsklinik aufgenommen. In der Folge erkrankten dort auch Beschäftigte in der Pflege. Eine zweite Häufung beim Personal dieses Krankenhauses wurde Anfang November verzeichnet, betroffen war auch ein Notarztwagenfahrer. Die dritte Welle des Ausbruchsgeschehens wurde dort vom 22.11.2002 bis 30.01.2003 registriert. Insgesamt wurden 219 nosokomiale Infektionen erfasst. Darunter waren auch 4 Beschäftigte des Transportdienstes [3]. Die epidemiologischen Kurven des Geschehens deuten nach Ansicht
der Autoren auf eine (ausschließliche) Übertragung von Mensch zu Mensch (und nicht etwa durch
Nahrungsmittel) hin, und sie nehmen an, dass die Krankenhäuser als Verteiler des Erregers fungiert
haben. Eben jenes „Verteilen“ erfolgte letztlich über Transport- und Rettungsdienste.
Infektionsgefahren bei Notfall- und Unfalltransporten
7 Robert Koch-Institut
Auch bei unbekanntem Infektions­
status muss ein hohes Maß an
­Sicherheit geboten werden
Bei Notfällen sind Ärzte wie Assistenzpersonal ganz auf das unmittelbar wahrgenommene Gesundheitsrisiko des Patienten fokussiert; Infektionsrisiken werden dabei meist ausgeblendet und werden
den Erstversorgern erst bewusst, wenn sie – oft zufällig – danach von der Infektion eines Patienten
erfahren. Dies führt dann zu den o. g. Fragestellungen, die sich unter den Schlagworten „Gesundheitsrisiken bei Infektionstransporten“ zusammenfassen lassen. Demzufolge sind die meisten Anfragen an das 7 Robert Koch-Institut (RKI) erregerspezifisch, d. h. es wird von der Kenntnis eines bestimmten Erregers ausgegangen, obwohl die Frage besser lauten sollte: „Wie kann in Unkenntnis des
Erregers Infektionsprävention betrieben werden?“
Ein Grundprinzip allen Handelns muss von folgender Prämisse ausgehen: Aufgrund der meist
fehlenden (gesicherten) Diagnosen müssen im Krankentransport und Rettungsdienst Maßnahmen
etabliert werden, die auch bei unbekanntem Infektionsstatus ein hohes Maß an Sicherheit bieten.
Regelwerke und rechtlicher Rahmen
Die Bitten in den Anfragen an uns stellen meist „Bestimmungen, gesetzliche Regelungen, Vorschriften“ ganz in den Vordergrund. Dass dafür das RKI bemüht wird, ist verständlich aber nicht erfolgreich, weil wir eben nicht der Gesetzgeber und auch keine Behörde sind, die gegenüber „Tätern
Strafen verhängt“ bzw. Sanktionen durchsetzen kann.
Da so häufig das Recht bemüht wird und in Anfragen offen erkennbar ist oder zumindest zu vermuten ist, dass dem vorgetragenen Sachverhalt ein Konflikt zugrunde liegt, bedarf es weniger Bemerkungen zur Klarstellung:
Kontagiöse Patienten – Terminologie des Infektionsschutzgesetzes
Die Terminologie in § 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) – diese Vorschrift enthält die Legaldefinition
wichtiger medizinischer Termini – mag etwas hölzern klingen,
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CME
Faber schon sie weist darauf hin, dass Infektionsgefahren anhand einer übermittelten
(Verdachts-) Diagnose von einem Patienten ausgehen und Präventions- wie Schutzmaßnahmen
gezielt erfolgen können, wenn ein „Kranker“ oder „Krankheitsverdächtiger“, also ein Patient
mit Infektionssymptomen, transportiert werden soll, § 2 Nrn. 4 und 5 IfSG.
FSie beschreibt aber auch, in welchen Fällen die Kontagiosität eines Patienten ungeklärt ist. Sie
kennt neben den beiden o. g. Termini auch den Begriff des Ausscheiders, § 2 Nr. 6 IfSG. Dies
ist eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die
Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein. Dem gleichgestellt ist
über § 31 S. 2 IfSG der „Carrier“ (Personen, die Krankheitserreger so an oder in sich tragen, dass
im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht). Ansteckungsverdächtiger, § 2 Nr. 7
IfSG, ist eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat,
ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein.
Gerade im Rettungsdienst sind nicht selten schwerkranke Patienten unter Zeitdruck zu versorgen.
Nur fest eingeübte Verfahren z. B. bei der Stabilisierung des Patienten und ebenso bei allen Maßnahmen zur Infektionsprävention sichern eine zügige professionelle Versorgung des Patienten und einen zuverlässigen Eigenschutz des Personals.
Nur fest eingeübte Verfahren sichern
einen zuverlässigen Eigenschutz des
Personals
Gefahrenabwehr bei meldepflichtigen Erkrankungen
Tatsächlich spielt bei der Frage „was zu tun oder auch zu unterlassen ist“, die Anwendung weniger gesetzlicher Bestimmungen eine entscheidende Rolle. In § 17 IfSG wird geregelt, dass in den Fällen in denen
Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und
dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, die zuständige Behörde die notwendi­gen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen hat. Eine solche Gefährdungs­
situation kann jedoch dann gar nicht erst entstehen, wenn geschultes Personal durch geeignete Maßnahmen (z. B. Reinigung und Desinfektion) das Rettungsmittel für den nächsten Einsatz vorbereitet.
§ 18 IfSG beschreibt die Voraussetzungen zur Erstellung der 7 amtlichen Desinfektionsmittel­
liste des RKI und bestimmt darüber hinaus in Abs. 1, dass bei behördlich angeordneten Entseuchungen … nur Mittel und Verfahren anzuwenden sind, die von der zuständigen Behörde in einer
Liste … bekannt gemacht worden sind (http://www.rki.de → Infektionsschutz → Krankenhaushygiene → Desinfektion).
Allein durch eine genaue Lektüre der beiden zitierten Vorschriften wird deutlich, dass es keinen gesetzlich vorgesehenen Automatismus gibt, dass nach einem Infektionstransport nur Mittel und Verfahren nach der so genannten RKI-Liste mit der dort genannten Einwirkzeit von 4 Stunden anzuwenden
sind. Die besonderen Prüfbedingungen, die die Voraussetzung für die Listung von Flächendesinfektionsmitteln darstellen (s. Vorwort zur Liste), machen deutlich, dass die Angaben in der Liste in erster Linie auf gezielte Desinfektionsverfahren in Anwesenheit 7 organischer Verunreinigungen abzielen und
besonders widerstandsfähige Mikroorganismen (z. B. Mykobakterien) berücksichtigen.
Für den Routinefall geprüfte und als wirksam befundene Mittel/Verfahren sind z. B. in der 7 Des­
infektionsmittelliste des Verbundes für angewandte Hygiene (VAH) zusammengestellt (http://
www.vah-online.de; diese Publikation ist allerdings kostenpflichtig). Mittel und Verfahren nach RKIListe sind folglich nur anzuwenden, wenn seitens des Unternehmers das Gesundheitsamt eingeschaltet und von dort entschieden wurde, dass aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles Mittel oder
Verfahren der amtlichen Liste zum Einsatz kommen müssen.
Ist eine Verbreitung einer Krankheit zu
befürchten, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur
Abwendung der Gefahren zu treffen
7 Amtliche Desinfektions­
7 Organische Verunreinigungen
7 VAH-Desinfektionsmittelliste
Länderhoheit für die Gesetzgebung im Rettungsdienst
Krankentransport und Rettungsdienst sind nach der verfassungsmäßigen Ordnung Ländersache und
dort durch eigene Gesetze geregelt. Sofern im Einzelfall dem Recht Geltung zu verschaffen ist – dies­
ist bei Meinungsverschiedenheiten, Konflikten oder schlicht bei fachlichem Dissens durchaus erforderlich – kann nur die für den Rettungsdienst benannte Fachbehörde (z. B. das Gesundheitsamt)
oder auch die Aufsichtsbehörde eine Entscheidung herbeiführen. Der Hinweis durch eine der „streitenden Parteien“, man habe sich beim RKI vergewissert, trägt eher zu einer Verhärtung denn Entspannung der Sachlage bei, weil der „heimlich“ eingeholte Wissensvorsprung eher zur Skepsis denn
zu Einsichten beiträgt.
Krankentransport und Rettungsdienst
sind nach der verfassungsmäßigen
Ordnung Ländersache
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Die angesprochene Transparenz lässt sich am besten durch Offenlegung der herangezogenen Informationen im fachlichen Dialog erreichen.
Arbeitsschutz
7 B
undesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin
Der Arbeitsschutz ist der wahrscheinlich am umfassendsten gesetzlich geregelte Bereich in der
Human­medizin. Relevant sind im thematischen Zusammenhang vor allem die Biostoffverordung
(BioStoffV) und die Richtlinie über die persönliche Schutzausrüstung (PSA-Richtlinie).
Das RKI ist nicht Fachbehörde für den medizinischen Arbeitsschutz. Die zuständige Obere Bundesbehörde ist die 7 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Lokale Behörden sind die Ämter für Arbeitsschutz, die in der Regel der primäre Ansprechpartner sind.
Postexpositionsprophylaxe
7 Ständige Impfkommission
7 Impfpräventable Erkrankungen
§ 20 Abs. 2 IfSG überträgt der 7 Ständigen Impfkommission (STIKO), Empfehlungen zu Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu veröffentlichen. Bisher beschränken sich diese Hinweise auf 7 impfpräventable Erkrankungen (http://
www.rki.de → Infektionsschutz → Impfen → Empfehlungen der STIKO). Weitere Quellen zu einer
möglichen Postexpositionsprophylaxe sind die Ratgeber auf den Internetseiten des RKI, die dazu regelmäßig Hinweise enthalten und vor allen Dingen auch angeben, wenn eine solche nicht zur Verfügung steht (s. z. B. Ratgeber Hepatitis C, http://www.rki.de → Infektionsschutz → Ratgeber).
Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten
7 Sorgfaltspflicht
Der Arbeitskreis „Krankenhaus- & Praxishygiene“ der AWMF unterscheidet
in seiner Empfehlung 4 Risikokategorien für Infektionsgefahren
Um die Verantwortlichen in einer Rettungsstelle bei der Erfüllung ihrer 7 Sorgfaltspflichten zu unterstützen, existieren eine Reihe von Empfehlungen und fachlichen Hilfen.
Eine ältere Mitteilung in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention aus
dem Jahr 1989, die heute nicht mehr Bestandteil dieser Empfehlungen ist, gab vor, dass dem Personal Infektionsgefahren (ohne Nennung der Erkrankung) mitzuteilen seien und nannte 3 Gruppen,
der die Patienten zugeordnet werden sollten, um während des Transports adäquate Schutzmaßnahmen zu etablieren.
1.Patienten ohne Infektionskrankheit,
2.Patienten mit Infektionen, deren Erreger aber unter den Bedingungen des Transports
­üblicherweise nicht übertragen werden,
3.Patienten, bei denen eine Diagnose gesichert ist oder anzunehmen ist, dass sie an einer
­hochkontagiösen und gefährlichen Infektionskrankheit leiden.
Diese Systematik setzt ärztliches Spezialwissen zur Infektiologie voraus, das weithin nicht vorhanden ist oder im Rahmen des Beurteilungsspielraums höchst unterschiedliche Hinweise hervorbringt
[4]. Der Arbeitskreis „Krankenhaus- & Praxishygiene“ der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) unterscheidet in seiner Empfehlung „Hygienemaßnahmen beim Patiententransport“ (http://www.awmf.org → aktuelle Leitlinien → Krankenhaus& Praxishygiene) 4 Risikokategorien für Infektionsgefahren. So praxisnah diese Differenzierung auch
sein mag, unsere alltägliche Erfahrung mit Fachfragen erlaubt keinen anderen Schluss, als dass die
bestehenden Wissensdefizite und die damit verbundene Unsicherheit nicht selten zu abenteuerlichen
Behauptungen und Empfehlungen führen.
Übertragungswege und Krankheitsbilder – Ableitungen für die Praxis
Allgemein können 3 nosokomial bedeutsame Übertragungswege unterschieden werden:
FÜbertragungen über Blut bzw. durch Inokulation [z. B. bei Hepatitis-B-Virus- (HBV-) und HCVInfektion],
Funmittelbarer Haut- oder Schleimhautkontakt (z. B. bei MRSA-Kolonisation oder Infektion)­
sowie
FÜbertragungen über Tröpfchen bzw. Tröpfchenkerne (z. B. bei Streptococcus pyogenes, Influenza
oder Tuberkulose).
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CME
Präventionsmaßnahmen
Infektionspräventive Hygienemaßnahmen im Krankentransport und Rettungsdienst gliedern sich
a)in Standardhygienemaßnahmen (s. unten), welche generell und zu jeder Zeit vom gesamten
­medizinischen Personal eingehalten werden müssen,
b)die Vermeidung oder Dekontamination von potenziell infektiösen Verunreinigungen bzw.
Oberflächen im Patientenumfeld und
c)die sachgerechte Aufbereitung von Medizinprodukten, die unabhängig vom bekannten
­Infektionsstatus des Patienten generell erfolgt.
Standardhygiene
Infektionspräventive Standardmaßnahmen sind solche, die grundsätzlich bei jedem Patienten, unabhängig von der Kenntnis des Infektionsstatus, zur Vermeidung einer Übertragung von Krankheitserregern zur Anwendung kommen. Sie gelten auch und besonders in Phasen epidemischer Ausbreitung
von Erregern. Die konkrete Durchführung wird in 7 Hygieneplänen festgelegt. Sie umfassen:
7 Hygienepläne
Händehygiene
Die Händehygiene dient der Vermeidung der Kontamination der Hand durch geplantes Vorgehen
bzw. Tragen von 7 Schutzhandschuhen, wann immer ein Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten
bzw. Schleimhaut, nicht intakter Haut oder entsprechend kontaminierten Oberflächen zu erwarten
ist. Sie umfasst zudem die 7 Händedesinfektion mit alkoholischen Präparaten:
Fvor direktem Patientenkontakt,
Fnach Patientenkontakt,
Fnach dem Ausziehen von Schutzhandschuhen.
7 Schutzhandschuhe
7 Händedesinfektion
Bei sichtbarer Verschmutzung erfolgt eine gezielte Dekontamination und anschließende hygienische
Händedesinfektion.
Schutzkleidung
Unter diese Bezeichnung fallen einerseits die 7 persönliche Schutzausrüstung im Sinne der PSARichtlinie [5], wie Atemschutzgeräte, Schutzkittel, Schutzhandschuhe usw. Dazu gehören aber auch
Medizinprodukte, wie Mund-Nasen-Schutz, Operationskittel, medizinische Handschuhe usw. Die
Auswahl wird vom Schutzzweck bestimmt [6].
7 Barrieremaßnahmen, wie Schutzkittel, Schutzbrille, geeigneter Atemschutz, dienen im Rahmen der Standardhygiene dazu, direkten Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten zu vermeiden,
wann immer ein entsprechender Kontakt zu erwarten ist.
Beim Ablegen von Schutzkleidung ist darauf zu achten, dass eine Kontamination von Haut und
Arbeitskleidung vermieden wird.
Zum Schutz der Augen- bzw. der Nasen- und Mundschleimhaut werden Brillen/Visiere und Masken getragen, wenn bei medizinischen/pflegerischen Maßnahmen mit dem Verspritzen von Blut, Sekreten oder Exkreten zu rechnen ist.
7 Persönliche Schutzausrüstung
7 Barrieremaßnahmen
Reinigung/Desinfektion der Patientenumgebung
Hand-/Hautkontaktflächen werden in der Regel mit einem Mittel mit nachgewiesener bakterizider
und begrenzt viruzider Wirkung desinfiziert [7].
Textilien und Wäsche sowie Medizinprodukte
Diese werden wie im Bereich des Gesundheitswesens üblich aufbereitet [8].
Schlussfolgerungen
Nachhaltig etablierte Standardhygienemaßnahmen stellen die sicherste Basis zur Minimierung
nosokomialer Infektionsrisiken dar. Sie werden komplettiert durch an das jeweilige Risiko adaptierte Maßnahmen, die dann zum Tragen kommen, wenn die Standardhygienemaßnahmen zur Risikominimierung nicht ausreichen oder spezifische Infektionsrisiken erkennbar oder bekannt sind
Nachhaltig etablierte Standardhygienemaßnahmen stellen die sicherste
Basis zur Minimierung nosokomialer
Infektionsrisiken dar
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Besonderer Informationsbedarf besteht bei MRSA, VRE oder mehrfachresistenten gramnegativen Bakterien
bzw. wenn solche vermutet werden. Erfahrungsgemäß besteht ein besonderer Informationsbedarf bei Konfrontation mit dem Problem besonders antibiotikaresistenter und im Krankenhaus relativ leicht übertragbarer Infektionserreger wie MRSA, VRE (Vancomyin-resistente Enterokokken)
oder mehrfachresistenten (z. B. ESBL-bildenden) gramnegativen Bakterien oder epidemisch auftretenden Infektionen wie z. B. der Influenza. Lässt man die Übertragungswege der durch Blutkontakte übertragenen Erreger Revue passieren, wird klar, dass bei Erregern mit diesen Eigenschaften
(HBV, HCV, HIV) die Maßnahmen der Standardhygiene absolut ausreichend sind!
Maßnahmen bei ausgewählten Erregern
Umgang mit multiresistenten Erregern (MRSA und anderen
multiresistenten Erregern, MRE) im Krankentransport
Wiedergegeben wird hier die nur gering gekürzte Empfehlung des Landesinstitutes für Gesundheit
und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (http://www.mrsa-net.org → Fragen → Krankentransport).
Was sind Staphylokokken?
S. aureus kann schwere Wundinfektionen, Infektionen der Atemwege und
Blutvergiftungen hervorrufen
Bakterien der Art Staphylococcus (S.) aureus kommen bei vielen Menschen als Bestandteil der normalen Flora auf Haut und Schleimhäuten vor. Der vordere Nasenabschnitt ist eine bevorzugte Region der Besiedlung. Dem gesunden Menschen schaden Staphylokokken normalerweise nicht. Erst
wenn der Erreger eine Eintrittspforte in den Organismus findet z. B. durch eine Operationswunde
oder Hautveränderungen kann S. aureus seine krankmachenden Eigenschaften entwickeln und eine
Infektion verursachen. Neben eher harmlosen Furunkeln können schwere Wundinfektionen, Infektionen der Atemwege und Blutvergiftungen hervorgerufen werden.
Was sind MRSA?
MRSA sind nicht aggressiver oder
­infektiöser als die nicht resistenten
Staphylokokken
MRSA sind S. aureus-Stämme, die gegen viele Antibiotika – u. a. gegen Methicillin – durch natürliche Mutationen und Aufnahme von Resistenzgenen unempfindlich geworden sind. Im Lauf der
letzten 40 Jahre ist bei einem Teil der Staphylokokken schrittweise eine Resistenz gegenüber fast allen Antibiotika entstanden. MRSA haben die gleichen krankmachenden Eigenschaften wie die nicht
resistenten Staphylokokken, sind also nicht aggressiver oder infektiöser.
Wie werden MRSA übertragen?
Die Übertragung von MRSA erfolgt hauptsächlich über direkten Kontakt, im medizinischen Bereich
vor allem über die Hände von Patienten und Personal. Da Staphylokokken unempfindlich gegen
Austrocknung sind, können sie Wochen bis Monate auf Oberflächen überleben und von dort weiter übertragen werden. Dabei spielen Handkontaktflächen die wichtigste Rolle. Aus diesem Grund
sind die Hände- und Flächendesinfektion in diesen Bereichen zur Verhinderung der MRSA-Übertragung die wichtigsten Maßnahmen.
Warum sind MRSA im Krankenhaus besonders problematisch?
MRSA werden im Krankenhaus besonders leicht übertragen
7 G
eschwächtes Immunsystem
Im Krankenhaus befinden sich viele z. T. schwer kranke Menschen auf engem Raum zusammen, bei Pflege und Therapie kommt es zu vielen intensiven Kontakten mit vielen Übertragungsmöglichkeiten. Viele
Patienten stehen unter Antibiotikatherapie, was den MRSA einen Selektionsvorteil verschafft. Alle diese
Faktoren tragen dazu bei, dass MRSA im Krankenhaus besonders leicht übertragen werden. Bei Patienten
mit 7 geschwächtem Immunsystem (z. B. Operierte, Patienten mit schweren Grunderkrankungen oder
chronischen Wunden) können dann schwer therapierbare Infektionen verursacht werden.
Bei Patienten mit Besiedlung oder Infektion mit Vancomyin-resistenten Enterokokken (VRE)
oder auch mit Escherichia- (E.-) coli- und Klebsiella-Stämmen mit „Extended-spectrum-Betalaktamasen“ (ESBL-Bildner) werden beim Krankentransport die gleichen Hygienemaßnahmen angewendet wie bei MRSA.
Spezielle Informationen für Rettungs- und Krankentransportdienste
Das Übertragungsrisiko für MRSA ist im Rettungsdienst sowohl für Patienten als auch für Personal
als gering einzustufen. Zu einer Übertragung kann es bei engem Direktkontakt mit einem ­MRSA-
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CME
k­ olonisierten oder infizierten Patienten kommen. Die wichtigste hygienische Maßnahme ist die Händedesinfektion nach Patientenkontakt.
Bei allen Transporten sind unabhängig vom MRSA-Status des Patienten die Grundregeln der Standardhygiene strikt zu beachten.
In einem Hygieneplan sind folgende Maßnahmen zu beschreiben:
Fallgemeine Maßnahmen,
FInformationen des Einsatzpersonals,
FPatientenvorbereitung und Transport,
Fallgemeine Hygienemaßnahmen,
FDesinfektion, Materialentsorgung,
Fweitere Maßnahmen.
Allgemeine Maßnahmen
FAlle Einsatzkräfte müssen über Grundwissen zu MRSA verfügen.
FNur eingewiesenes, geschultes Personal soll MRSA-positive Patienten transportieren und betreuen.
Information des Einsatzpersonals
Das Einsatzpersonal ist vorab von den Ärztinnen/Ärzten, die den Transport veranlassen, über den
Besiedlungs-/Infektionsstatus zu informieren. Dazu dient das 7 Übergabeprotokoll.
7 Übergabeprotokoll
Patientenvorbereitung und Transport
FDer Patient trägt frische Körperwäsche, das Bett ist frisch bezogen.
FWunden sind frisch verbunden und gut abgedeckt.
FBei Besiedlung der Atemwege trägt der Patient einen Mund-Nasen-Schutz (MNS), der am
­Zielort mit Verlassen des Rettungswagens entfernt wird.
FVor dem Transport führt der Patient eine hygienische Händedesinfektion durch.
Vorgehen des Einsatzpersonals
Das Einsatzpersonal trägt beim Abholen des Patienten im Krankenzimmer Schutzhandschuhe,
Schutzkittel und Mund-Nasen-Schutz.
Im Krankenwagen legt das Personal den Mund-Nasen-Schutz ab, außer wenn Verbandswechsel
oder Versorgungsmaßnahmen, bei denen mit 7 Verspritzungen zu rechnen ist, durchgeführt werden müssen. Nach einer solchen Tätigkeit werden die Handschuhe gewechselt und eine hygienische
Händedesinfektion durchgeführt.
Der Fahrer wirft die gesamte Schutzkleidung in einen Müllsack, führt eine Händedesinfektion
durch und fährt in seiner normalen Kleidung den Transport. Am Zielort zieht er für den weiteren Patiententransport wieder Schutzhandschuhe und Einmalkittel an. Der Patientenbegleiter trägt Schutzkittel und Schutzhandschuhe bis zum Abschluss des Transportes. Das Tragen von speziellen Schutzanzügen/Overalls ist beim Transport von MRSA/MRE-positiven Personen aus hygienischer Sicht
weder sinnvoll noch erforderlich und verursacht erfahrungsgemäß nicht kalkulierbare Verunsicherungen. Daher wird ausdrücklich davon abgeraten, dass das Einsatzpersonal derartige Ausrüstungen trägt. Bei Verlegungen von Krankenhaus zu Krankenhaus wird wie bei krankenhausinternen
Transporten verfahren.
7 Verspritzungen
Das Tragen von speziellen Schutzanzügen/Overalls ist beim Transport von
MRSA/MRE-positiven Personen weder
sinnvoll noch erforderlich
Desinfektion und Entsorgung
FSchutzkittel und Schutzhandschuhe der Mitarbeiter werden nach Abschluss des Transports in
einem Müllsack entsorgt. Die Arbeitskleidung wird am Ende der Schicht der Wäsche zugeführt.
FNach Abschluss des Patiententransports müssen alle direkten Kontaktflächen wischdesinfiziert
werden.
FBei sichtbarer Kontamination von Flächen ist sofort eine gezielte Desinfektion durchzuführen.
FAlle benutzten Materialien, Geräte und Instrumente sind desinfizierend zu reinigen bzw. zu
­sterilisieren.
FAbfälle (z. B. benutzte Einmalartikel) sind sachgerecht als Hausmüll zu entsorgen.
FWäsche, Bezüge und Abdeckungen werden in geeigneten Behältnissen gesammelt und
­desinfizierend gewaschen.
FNach Abschluss der Aufbereitungsmaßnahmen ist das Fahrzeug sofort wieder voll einsatzbereit.
Notfall + Rettungsmedizin 6 · 2010 | 489
Personentransport in Taxen
Bei Transporten von MRSA-Trägern in Taxen oder öffentlichen Verkehrsmitteln besteht für das Personal oder andere Kunden kein besonderes Risiko. Für den Fahrer und den Innenraum des Taxis sind
nach Abschluss des Transportes keine besonderen Maßnahmen nötig.
(Gliederung und Text der vorgenannten Empfehlung beinhalten bestens geeignete „Bausteine“ für
weitere Hygienepläne zur Prävention auch anderer Infektionserreger.)
Influenza
Saisonale Influenza – pandemische Influenza
Während der jährlichen Grippewellen
werden schätzungsweise 10–20% der
Bevölkerung infiziert
Im Fall einer Pandemie steht zunächst kein wirksamer Impfstoff zur
­Verfügung
Die Influenza ist eine weltweit verbreitete Erkrankung. Während der jährlichen Grippewellen werden
schätzungsweise 10–20% der Bevölkerung infiziert. „Pandemien“ durch Influenza sind gekennzeichnet durch das Auftreten oder Wiederauftreten eines Influenza-A-Subtyps, gegen den die Mehrheit
der menschlichen Bevölkerung nicht immun ist und der sich in einer globalen Epidemie verbreitet.
In diesen Fällen können bis zu 50% der Bevölkerung (apparent oder inapparent) infiziert sein.
Als infektionsverdächtig gelten daher, insbesondere in Zeiten bekannter Ausbreitung, neben den
Personen mit Influenza-typischer Symptomatik, auch deren Kontaktpersonen. Die Kontagiosität besteht danach gewöhnlich für 3 bis 5 Tage.
Es besteht kein Zweifel, dass die Impfung die Maßnahme mit dem höchsten präventiven Potenzial
darstellt. Allerdings steht im Fall einer Pandemie definitionsgemäß zunächst kein wirksamer Impfstoff zur Verfügung. Bis dahin kommt den übrigen Präventionsmaßnahmen wie
FDistanzierung (Isolierung),
F(Hände-) Hygiene,
FAtemschutz
die wesentliche Bedeutung in der Verzögerung der Ausbreitung sowie der Verringerung der Morbidität und Letalität der Bevölkerung zu.
Schulung und Information von Personal und Patienten
Die Unterweisung des Patienten hinsichtlich eines hygienischen Verhaltens ist eine wichtige infektionspräventive Maßnahme
Das für die Erstversorgung und die Versorgung von Patienten mit Influenza oder von Verdachtsfällen
eingesetzte Personal ist hinsichtlich der Übertragungswege und der zu beachtenden Schutzmaßnahmen
zu unterweisen. Besteht die Möglichkeit einer Schutzimpfung, erstreckt sich die Unterweisung auch hierauf. Da auch die Vermeidung der Kontamination der Umgebung durch den von der Infektion Betroffenen zur Vermeidung der Weiterverbreitung beiträgt, stellt auch die Unterweisung des Patienten hinsicht­
lich eines hygienischen Verhaltens [Umgang mit Sekreten, „Husten-Etikette“ (Bedecken von Mund und
Nase beim Husten/Niesen und Beachtung der Händehygiene), Verzicht auf Nähe/Hände geben, Bereitstel­
len von Papiertüchern und eines geeigneten Abwurfes usw.] eine infektionspräventive Maßnahme dar.
Für die Übertragung wesentliche Erregereigenschaften und Fakten
Die Übertragung von Influenzaviren
erfolgt überwiegend durch kontaminierte Sekrete bzw. Tröpfchen
7 Infektionstüchtige
­Tröpfchenkerne
Die Übertragung von Influenzaviren erfolgt vermutlich überwiegend durch kontaminierte Sekrete bzw.
Tröpfchen (>5 µm), wie sie z. B. beim Sprechen, insbesondere aber beim Husten oder Niesen entstehen
und dann über eine geringe Distanz auf die Schleimhäute von Kontaktpersonen gelangen können. Einzelne Publikationen legen aber auch die Möglichkeit einer aerogenen Übertragung nahe. Diese beruht
auf der Bildung 7 infektionstüchtiger Tröpfchenkerne, die kleiner sind (<5 µm) und länger in der Luft
schweben können. Entscheidend hierfür ist die Fähigkeit des Erregers, den auf Austrocknung ­beruhen­den
Prozess der Bildung von Tröpfchenkernen infektionstüchtig zu überstehen. Die Übertragung kann aber
auch durch direkten Kontakt der Hände zu mit virushaltigen Sekreten kontaminierten Oberflächen und
anschließendem Hand-Mund-/Hand-Nasen-Kontakt erfolgen (z. B. durch Händeschütteln).
Barrieremaßnahmen
Die Verbreitung des Erregers durch den Infizierten/Patienten kann durch
FTragen eines Mund-Nasen-Schutzes (sofern dies vom Erkrankten toleriert wird) oder
Fzumindest das Bedecken von Mund und Nase beim Husten/Niesen und
FBeachtung der Händehygiene
vermindert werden.
490 | Notfall + Rettungsmedizin 6 · 2010
CME
Grundsätzlich sollen 7 respiratorische Sekrete in Einwegtüchern aufgenommen und anschließend z. B. in dichten Kunststoffsäcken/-beuteln hygienisch entsorgt werden.
7 Respiratorische Sekrete
Schutzkleidung und Schutzhandschuhe
Persönliche Schutzausrüstung dient dazu, den Träger vor der Kontamination mit infektiösem Material (z. B. Ausscheidungen) zu schützen. Anforderungen an die Schutzkleidung sind in Anlage 3 des
die Influenza betreffenden ABAS- (Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe-) Beschlusses 609 formuliert (http://www.baua.de → Themen A–Z → Biologische Arbeitsstoffe → TRBA 609).
Die Entsorgung der Schutzkittel erfolgt durch Sammlung in einem dafür vorgesehenen Wäschesack und Zuführung zu einem desinfizierenden Waschverfahren (Aufgrund der Empfindlichkeit von
Influenzaviren sind dafür im häuslichen Umfeld auch Waschverfahren bei Temperaturen >60°C unter Verwendung eines Vollwaschmittels geeignet).
Vor direktem Kontakt mit dem Patienten werden Schutzhandschuhe angezogen, die anschließend
in einem geeigneten Plastiksack abgelegt werden. Danach erfolgt eine hygienische Händedesinfektion mit einem alkoholischen Händedesinfektionsmittel mit nachgewiesener „begrenzt viruzider“
Wirkung (s. entsprechende Deklaration).
Die Händedesinfektion erfolgt mit
einem alkoholischen Händedesinfektionsmittel mit nachgewiesener „begrenzt viruzider“ Wirkung
Schutzbrillen
Das Tragen von Schutzbrillen (mindestens Gestellbrillen mit Seitenschutz) wird empfohlen, wenn
die Gefahr von Spritzern oder Tröpfchen, die Infektionserreger enthalten, auf die Augenschleimhäute besteht. Das ist z. B. der Fall bei medizinischen Maßnahmen, die mit 7 Aerosolbildung einhergehen (Absaugen aus dem Tubus bei Beatmung, Gewinnung eines Rachenabstrichs für die Diagnostik, zahnärztliche Maßnahmen).
7 Aerosolbildung
Reinigung und Desinfektion
Der Effekt von Reinigungs-/Desinfektionsmaßnahmen im Hinblick auf die Unterbrechung von Infektionsketten wird wesentlich davon bestimmt, ob die 7 Tenazität der Erreger die üblichen Reinigungsintervalle überschreitet, da dann durch die Maßnahmen eine Akkumulation vermieden und eine zusätzliche Abreicherung erreicht werden kann. Im Falle der Influenzaviren ist eine Inaktivierung aufgrund der
empfindlichen Lipidhülle relativ leicht, z. B. auch durch Tenside (waschen), zu erreichen. Unter­suchungen
zur Tenazität zeigen, dass Influenzaviren, je nach Stamm und Umgebungsbedingungen (Temperatur,
Feuchtigkeit, pH-Wert, Schutzkolloide, glatte/poröse Oberflächen) sowie der Sensi­ti­vität der Verfahren
zum Nachweis der Infektionstüchtigkeit nach Anwendung des zu prüfenden Verfah­rens, zwischen einigen Stunden bis zu mehreren Wochen (auf glatten Oberflächen) infektionstüchtig bleiben können [9].
7 Tenazität
Im Falle der Influenzaviren ist eine
­Inaktivierung aufgrund der empfindlichen Lipidhülle relativ leicht zu erreichen
Händewaschung und Händedesinfektion
Die Hände des Personals sind der häufigste Überträger von Krankheitserregern. Im Alltag findet häufig ein Kontakt zwischen der potenziell kontaminierten Hand und dem Gesicht (Konjunktiven, Nase,
Mund) statt. Dies macht verständlich, warum der Händehygiene eine so bedeutende Rolle bei der Infektionsprävention zukommt. Da Orthomyxoviren aufgrund ihrer Lipidhülle sensibel gegen Tenside sind,
hat bereits das Händewaschen eine erhebliche Abreicherung von Influenzaviren zur Folge [10].
Die Hände des Personals sind der
häufigste Überträger von Krankheitserregern
Schlussfolgerungen
Der Abschnitt zu MRSA enthält Empfehlungen zu einem Erreger, der vorwiegend über Kontakte
(meist der Hände) übertragen wird. Der Abschnitt zur Influenza nimmt Stellung zu Erregern, deren Übertragung über Tröpfen und ggf. auch über Tröpfchenkerne erfolgt. Damit sind die wesentlichen Informationen zu relevanten Übertragungswegen gegeben. Es genügt also, im Folgenden
nur noch auf Eigenschaften, Besonderheiten, Mythen und oft wenig bekannte Eigenheiten bei weiteren im Rettungsdienst besonders relevanten Erkrankungen einzugehen.
Meningokokken-Erkrankungen
Für die Übertragung wesentliche Eigenschaften und Fakten
Meningokokken sind weltweit verbreitet. Große Epidemien ereignen sich in Afrika und Asien. In
Industrieländern (also auch Deutschland) treten Erkrankungen nur noch als Einzelereignis oder in
Notfall + Rettungsmedizin 6 · 2010 | 491
Die dramatisch erkrankten Patienten
erzeugen Ängste beim Personal
Form von kleinen Ausbrüchen auf. 40% der Erkrankungen ereignen sich im Alter bis zu 5 Jahren;
ein zweiter Altersgipfel betrifft Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren. Es sind die dramatisch erkrankten Patienten, die Ängste beim Personal erzeugen – obwohl bis zu diesem Zeitpunkt meist nur
die (Verdachts-) Diagnose Meningitis oder Sepsis gestellt werden kann, also unklar ist, um welchen
Erreger es sich handelt.
Da die Erreger außerhalb des Körpers gewöhnlich rasch absterben, ist für eine Infektion ein enger­
Kontakt („face-to-face“, von Angesicht zu Angesicht) mit einem Träger erforderlich. Dies ist freilich
im Rettungsdienst häufiger gegeben und nährt die angeführte Besorgnis.
Präventive Maßnahmen
Eine Schutzimpfung wird nur für gefährdetes Laborpersonal und für enge
Kontaktpersonen empfohlen
Für Personal im Gesundheitsdienst wird eine Schutzimpfung nur für gefährdetes Laborpersonal und
für enge Kontaktpersonen bei Ausbrüchen nach Rücksprache bei den örtlichen Gesundheitsbehörden empfohlen. Auch diese seit Jahren gleichlautende Empfehlung der STIKO beschreibt präzise,
dass es keine Daten gibt, die eine konkrete Gefährdung des Personals durch direkte Kontakte im Rettungsdienst begründeten.
Standardhygiene und Atemschutz
Das Rettungsmittel ist nach Einhalten der Einwirkzeit sofort wieder einsatzfähig
Es genügen definitiv die oben beschriebenen Maßnahmen der Standardhygiene und zur Desinfektion nach Transport sowie die üblichen Verfahren bei patientennahen Flächen. Das Rettungsmittel ist
nach Einhalten der Einwirkzeit sofort wieder einsatzfähig. Keinem Beschäftigten ist es verwehrt, während des Transports einen geeigneten Atemschutz (z. B. eine FFP2-Maske) zu tragen. Ist dies mangels Kenntnis des Erregers unterblieben, führt dies nicht notwendigerweise zur Einnahme einer medikamentösen Prophylaxe. Aufgrund der oben geschilderten Fakten sind eher eine betriebsärztliche
Konsultation und Gelassenheit angebracht.
Tuberkulose
Für die Übertragung wesentliche Eigenschaften und Fakten
Eine Infektion geht in der Regel von
Menschen aus, die an einer offenen
Lungentuberkulose erkrankt sind
Beschäftigte im Gesundheitswesen haben ein berufliches Risiko, an Tuberkulose zu erkranken. Dieses
ist aber tatsächlich gering, und belastbare Daten, ob auch Beschäftigte im Rettungsdienst in Deutschland erkrankt sind, liegen nicht vor [11].
Für eine Risikobeurteilung können folgende Erkenntnisse herangezogen werden: Eine Infektion
geht in der Regel von Menschen aus, die an einer offenen Lungentuberkulose erkrankt sind. Darunter sind Erkrankungen zu verstehen, bei denen der Herd Anschluss an die Luftwege hat. Die Infektion erfolgt fast immer aerogen, d. h. durch feinste erregerhaltige Tröpfchenkerne in der ausgeatmeten
Luft, die von erkrankten Personen insbesondere beim Husten und Niesen freigesetzt werden. Aber
auch durch Lachen, lautes Singen oder Sprechen können die Tuberkulosebakterien aus der Lunge
über die Atemwege nach außen befördert werden.
Standardhygiene und Atemschutz
Beim Transport sind die Lüftung (Klimaanlage) auszuschalten und Fenster zu öffnen
7 FFP2-Masken
Da Mycobacterium (M.) tuberculosis nicht über Kontakte zu Flächen übertragen wird, stehen Aspekte
des Atemschutzes ganz im Vordergrund. Gerne übersehen wird der Hinweis, dass häufiges Lüften die
Zahl infektiöser, schwebender Partikel erheblich senken kann. Für das Rettungsmittel bedeutet dies,
dass die Lüftung (Klimaanlage) beim Transport auszuschalten ist und Fenster zu öffnen sind [12].
Der Patient sollte – wenn tolerabel – einen Mund-Nasen-Schutz erhalten [13]. Zum Schutz des Personals sind 7 FFP2-Masken erforderlich. Die Desinfektion der patientennahen Flächen erfolgt mit
einem vom Hersteller als wirksam gegen M. tuberculosis deklarierten Mittel.
Schlussfolgerungen
Bei Meningokokken-Erkrankungen und der Tuberkulose stehen Aspekte des Arbeitsschutzes ganz
im Vordergrund, und diese sind eigentlich nicht Gegenstand dieses Beitrags. Kernsatz hier ist dennoch die Empfehlung, dass für betroffene und (zumeist zu Unrecht) besorgte Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter eine direkte Konsultation der Betriebsärztin/des Betriebsarztes möglich sein muss.
492 | Notfall + Rettungsmedizin 6 · 2010
CME
Noroviren
Für die Übertragung wesentlichen Eigenschaften und Fakten
Noroviren sind weltweit verbreitet. Die Meldedaten des IfSG bestätigen, dass Kinder unter 5 Jahren und
ältere Personen über 70 Jahre besonders häufig betroffen sind. Dies trägt dazu bei, dass Norovirus-Erkrankungen die überwiegende Ursache von akuten Gastroenteritis-Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen sind. Infektionen mit Noroviren können das ganze Jahr
über auftreten, wobei ein saisonaler Gipfel in den Monaten Oktober bis März zu beobachten ist. Die Viren
werden über den Stuhl und das Erbrochene des Menschen ausgeschieden. Die Infektiosität ist sehr hoch.
Die Übertragung erfolgt fäkal-oral (z. B. Handkontakt mit kontaminierten Flächen) oder durch die orale
Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die im Rahmen des schwallartigen Erbrechens entstehen.
Kinder unter 5 Jahren und ältere Personen über 70 Jahre sind von Noroviren besonders häufig betroffen
Die Übertragung erfolgt fäkal-oral
oder durch die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen bei schwallartigem
Erbrechen
Standardhygiene und Atemschutz
Maßnahmen zum Schutz von Patienten und Kontaktpersonen sollten bei begründetem Verdacht sofort eingeleitet werden, d. h. ohne eine Laborbestätigung abzuwarten. Zur Vermeidung einer Übertragung auf fäkal-oralem Wege oder beim Erbrechen sind die Hygienemaßnahmen auszuweiten: Tragen von Schutzhandschuhen, Schutzkittel, ggf. geeigneter Atemschutz zur Vermeidung einer Infektion im Zusammenhang mit Erbrechen, konsequente Händehygiene, Desinfektion von patientennahen Flächen, aber auch von Toiletten, Waschbecken, Türgriffen (http://www.rki.de → Infektionsschutz → Ratgeber → Noroviren).
Zur sicheren Desinfektion sind nur Präparate mit nachgewiesener 7 viruzider Wirksamkeit
­(http://www.rki.de → Infektionsschutz → Krankenhaushygiene → Informationen zu ausgewählten
Erregern → Norovirus → FAQ) geeignet.
7 Viruzide Wirksamkeit
Die wichtigsten Maßnahmen speziell für den Krankentransport
FUnterweisung der Patienten und des Personals hinsichtlich korrekter Händehygiene, Hände­
desinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel und Kontakte zum Patienten mit Einweghandschuhen, Schutzkittel und ggf. geeignetem Atemschutz zur Vermeidung
einer Infektion im Zusammenhang mit Erbrechen.
FDurchführung einer sorgfältigen Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid
­wirksamen Händedesinfektionsmittel nach Ablegen der Einweghandschuhe.
FWischdesinfektion aller patientennahen Kontaktflächen inklusive Türgriffe des Rettungsmittels
mit einem Flächendesinfektionsmittel mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit (als Wirkstoffe sollten Perverbindungen oder Aldehyde bevorzugt werden).
FKontaminierte Flächen (z. B. mit Stuhl oder Erbrochenem) sofort nach Anlegen eines
­Atemschutzes gezielt desinfizierend reinigen.
FTextile Auflagen der Tragen als infektiöse Wäsche in einem geschlossenen Wäschesack transportieren und in einem (chemothermischen) Waschverfahren ≥60°C reinigen.
FStrenge Indikationsstellung bei akut Erkrankten hinsichtlich der Verlegungen innerhalb von
­stationären Bereichen, Altenheimen oder Gemeinschaftseinrichtungen. Die aufnehmende
­Institution ist vorab zu informieren.
Händedesinfektion
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Auswahl geeigneter Händedesinfektionsmittel (Verbindung von Wirksamkeit und Hautverträglichkeit), da nur wenige Händedesinfektionsmittel eine umfassende viruzide Wirksamkeit (Wirksamkeit gegen behüllte und unbehüllte Viren) aufweisen. Neben den für den Wirkungsbereich B (umfassende Viruzidie) in der „RKI-Liste“ gelisteten Mittel können auch weitere vom Hersteller als viruzid deklarierte Händedesinfektionsmittel und solche auf der
Basis von 7 Peressigsäure verwendet werden.
Nur wenige Händedesinfektionsmittel weisen eine umfassende viruzide
Wirksamkeit auf
7 Peressigsäure
Notfall + Rettungsmedizin 6 · 2010 | 493
Korrespondenzadresse
Dr. A. Nassauer
Robert Koch-Institut
Nordufer 20, 13353 Berlin
[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
  1. Fock R, Wirtz A, Peters M et al (1999)
Management und Kontrolle lebensbedrohender hochkontagiöser Infektionskrankheiten. Bundesgesundheitsblatt 42:389–401
  2. Mrugalla H-R, Görlich R, Linde H-J et
al (1999) Hygienische Kautelen beim
luftgestützten Interhospitaltransfer.
Anästhesiol Intensivmed 40:567–575
  3. Jansen A, Beyer A, Brandt C et al (2004)
Die Norovirus-Epidemie in Berlin – Klinik, Epidemiologie und Prävention. Z
Gastroenterol 42:311–316
  4. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (1989)
Anforderungen der Hygiene an den
Krankentransport einschließlich Rettungstransport. Bundesgesundheitsblatt 32:169–170
  5. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften (1989) Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen. In: Gemeinschaften RdE (Hrsg)
89/686/EWG. Amtsblatt:18–38
  6. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2007)
Anforderungen an Hygienekleidung
und persönliche Schutzausrüstung.
Epidemiologisches Bulletin 3–4
  7. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2004)
Anforderungen an die Hygiene bei
der Reinigung und Desinfektion von
Flächen. Bundesgesundheitsblatt
47:51–61
  8. Kommission für Krankenhaushygiene
und Infektionsprävention (2001) Anforderungen an die Hygiene bei der
Aufbereitung von Medizinprodukten.
Bundesgesundheitsblatt 44:1115–
1126
  9. Weber TP, Stilianakis NI (2008) Inactivation of influenza A viruses in the environment and modes of transmission:
a critical review. J Infect 57:361–373
10. Bloomfield SF, Aiello AE, Cookson B
et al (2007) The effectiveness of hand
hygiene procedures in reducing the
risks of infection in home and community settings including handwash­
ing and alcohol-based hand sanitizers. Am J Infect Control 35:27–64
11. Nienhaus A (2009) Tuberkulose im
Gesundheitswesen. Pneumologie
63:23–30
12. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (1998)
Infektionsprävention bei dem Transport von Patienten mit offener Tuberkulose. Epidemiol Bull 38:271
13. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2006)
Infektionsprävention bei dem Transport von Patienten mit offener Tuberkulose. Epidemiol Bull 20:156
D
494 | Notfall + Rettungsmedizin 6 · 2010
CME
CME-Fragebogen
kostenfreie Teilnahme
für Abonnenten
Welcher der folgenden Erreger
wird hauptsächlich aerogen
übertragen?
Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA).
Vancomycin-resistente
­Enterokokken (VRE).
Myobacterium tuberculosis.
Noroviren.
ESBL-bildende Escherichia coli.
Welche der folgenden Aussa­
gen zum Methicillin-resisten­
ten Staphylococcus aureus
(MRSA) ist richtig?
MRSA überleben außerhalb
des menschlichen Körpers nur
im feuchten Milieu.
MRSA können außerhalb des
menschlichen Körpers nicht
überleben.
MRSA können bis zu
­24 Stunden auf Oberflächen
überleben.
MRSA können Monate auf
Oberflächen überleben.
MRSA sind auch resistent gegen viele Desinfektionsmittel.
Welche der folgenden Instituti­
onen bzw. Regelungen ist nicht
für den Bereich Arbeitsschutz
im Umgang mit Infektionser­
krankungen zuständig bzw.
­regelt diesen?
Biostoffverordnung (BioStoffV).
Robert Koch-Institut (RKI).
Richtlinie für Persönliche
Schutzausrüstung (PSA).
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
(BAuA).
Lokale Ämter für Arbeitsschutz.
Bitte beachten Sie:
F Antwortmöglichkeit nur online unter: CME.springer.de
F Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt.
F Es ist immer nur eine Antwort möglich.
Nach einem Transport eines Pa­
tienten mit Brechdurchfall aus
einem Altenheim und dem Ver­
dacht auf eine Norovireninfek­
tion ist welche der folgenden
Maßnahmen zur Händedesin­
fektion zu empfehlen?
Waschen der Hände mit Seife.
Tragen von Schutzhandschuhen.
Einsatz eines nachgewiesen
bakterizid und begrenzt viruziden Händedesinfektionsmittel.
Einsatz eines nachgewiesen
­viruziden Händedesinfektionsmittels.
UV-Lichtbestrahlung der Hände.
Nach dem Transport eines an
Meningokokken-Meningitis
­erkrankten Patienten sind wel­
che der folgenden Maßnah­
men indiziert?
Alle Beteiligten sollten eine
­Antibiotikaprophylaxe gegen
Meningokokken einnehmen.
Ist eine gründliche Desinfektion
des Fahrzeugs durchzuführen.
Die Händedesinfektion muss
mit einem nachgewiesen viruziden Desinfektionsmittel
­erfolgen.
Alle Textilien, mit denen der Patient in Berührung kam, ­müssen
speziell entsorgt werden.
Maßnahmen der Standard­
hygiene sind in der Regel
­ausreichend.
Welche der folgenden Schutz­
maßnahmen hat bei der Influ­
enza das höchste präventive
Potenzial für das Personal?
Schutzimpfung.
Distanz zum Patienten einhalten.
ereitstellen von Papier­
B
tüchern zur Sekretaufnahme.
Tragen eines Mund-NasenSchutzes.
Beachten der Händehygiene.
Wie werden ESBL bildende
Escherichia coli hauptsächlich
übertragen?
Über Blut.
Durch Kontakt.
Durch Inokulation.
Durch Aerosole.
Über Insekten.
Welche hygienischen Maßnah­
men müssen Sie beim Trans­
port eines Patienten, welcher
unter einer Kolonisation mit
multiresistenten Erregern (z. B.
ESBL-bildenden E. coli) leidet,
beachten?
Strikte Einhaltung von Standardhygienemaßnahmen.
Der Patient sollte, wenn möglich, eine Atemschutzmaske
tragen.
Zum Transport dieses Patien­
ten ist das Tragen von speziellen Schutzanzügen gefordert.
Keine Maßnahmen, da der
­Patient nicht erkrankt ist.
Tragen von Schutzbrillen ist für
das Personal empfohlen.
Sie müssen einen Patienten mit
einer gesicherten offenen Tu­
berkulose in ein anderes Kran­
kenhaus verlegen. Welche der
folgenden Hygienemaßnah­
men müssen Sie hierbei beach­
ten?
Zum Eigenschutz sollte das
Rettungsdienstpersonal
Schutzanzüge tragen.
er Transport sollte mit geD
schlossenen Fenstern erfolgen.
Nach dem Transport muss das
Fahrzeug für 12 Stunden außer
Betrieb gesetz werden.
Nach dem Transport muss
das komplette Fahrzeug
­desinfiziert werden.
Zum Eigenschutz sollte das
Rettungsdienstpersonal FFP2Masken tragen.
Was gehört nicht zu den Maß­
nahmen der ­Standardhygiene
beim Transport eines Patien­
ten?
Händehygiene vor direktem
Patientenkontakt.
Händehygiene nach dem
­Ausziehen von Schutzhandschuhen.
Reinigen des kompletten Patientenraums mit einem nachgewiesen bakteriziden und
­begrenzt viruziden Desinfektionsmittel.
Gegebenenfalls Tragen von
Schutzkleidung.
Die Aufbereitung von
­Medizinprodukten.
Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf
CME.springer.de verfügbar.
Den genauen Einsendeschluss
erfahren Sie unter
CME.springer.de
D Mitmachen, weiterbilden und CME-Punkte sichern durch die Beantwortung der Fragen im Internet unter CME.springer.de
Notfall + Rettungsmedizin 6 · 2010 | 495
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