Lithium-, Bor-, Strontium-, Neodym

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Zweijahresbericht
GeoForschungsZentrum Potsdam
in der Helmholtz-Gemeinschaft
2002/2003
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Das System Erde – Forschungsgegenstand des GFZ Potsdam
III
V
Aus der wissenschaftlichen Arbeit
DESERT - Struktur und Dynamik der Dead Sea Transform
1
Ein Ozean taucht ab: Ergebnisse zur Dynamik des aktiven Kontinentalrandes in Südchile
19
Lithium-, Bor-, Strontium-, Neodym- und Blei-Isotope als Monitore fluid-induzierter
Mineralreaktionen in kontaktmetamorphen Marmoren
35
Dimensionen und Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs in Sedimentbecken
45
MALLIK - Gashydrate unter Permafrost
59
Trizonia Island – simultanes Deformations- und Temperaturmonitoring mit faseroptischen
Sensoren in einer Rift-Bohrung
77
Kleine Proben – große Aussagen: Experimente als „Fenster in das Innere der Erde“
85
Focused Ion Beam-Technik FIB: eine Nanotechnologie ermöglicht neue Erkenntnisse in den
Geowissenschaften
99
GRACE - Eine Schwerefeld- und Klimamission
109
Signaturen des Erdmantels im Schwerefeld der Erde
119
Die Departments
Department 1 „Geodäsie und Fernerkundung“
126
Department 2 „Physik der Erde“
166
Department 3 „Geodynamik“
238
Department 4 „Chemie der Erde“
280
Department 5 „Geoengineering“
332
Gremien des GFZ Potsdam
361
Organisation, Verwaltung und zentrale Dienste
362
Personal- und Sozialwesen
Haushalt und Finanzen
Bibliothek des Wissenschaftsparks Albert Einstein
ICDP Operational Support Group
Daten- und Rechenzentrum
Das Jahr der Geowissenschaften 2002
Auszeichnungen und Ehrungen
394
Habilitationen, Promotionen
394
Ausgewählte Publikationen 2002/2003
396
Glossar
406
I
Lithium-, Bor-, Strontium-, Neodym- und Blei-Isotope
als Monitore fluid-induzierter Mineralreaktionen in
kontaktmetamorphen Marmoren
Rolf L. Romer, Wilhelm Heinrich und Anette Meixner
Aqueous brines of magmatic origin infiltrated along quartz-rich (chert-) layers the carbonates of the contact-metamorphic aureole around the Bufa del Diente alkali syenite (NE Mexico). Fluid flow was channelled into the chert
aquifers. The fluids induced the formation of wollastonite at the expense of chert and carbonate (SiO2 + CaCO3 =
CaSiO3 + CO2). Wollastonite developed a rim between the chert and the marble. CO2 formed during this reaction
exsolved into a CO2-rich, low-saline CO2-H2O-fluid that escaped into the surrounding marble. Early fluids lost their
original geochemical signature after a very short migration distance through this reaction. In contrast, late fluids
were shielded by the wollastonite mantle from further reaction. Later intruding pegmatitic melts formed rims of
aegirine-augite along the lithological contact between wollastonite and chert.
The isotopic composition of Pb, Nd, Sr, B, and Li shows variations that reflect the sequential development of the reaction rims around the aquifer. Each isotope system tells its own history that was not necessarily recorded by the other
isotope systems. Processes that result in such an uncoupling of the various isotope systems include: (1) Scavenging
of elements from the fluid; (2) buffering the isotopic composition of the fluid through dissolution of the wallrocks; (3)
isotopic fractionation and element distribution between unmixed fluids; (4) isotopic fractionation and element distribution between melt and fluid exsolved from the melt. The contrasting transport properties of Pb, Nd, Sr, B, and Li
make the isotopic composition of these elements an excellent tracer for the temporal evolution of a fluid-rock system.
Einleitung
Fluide in der Erdkruste sind für zahlreiche geologische
Prozesse von grosser Bedeutung. Bedingt durch ihre
hohe Mobilität agieren Fluide als Transportmittel für
gelöste Elemente und für Wärme. Die Anwesenheit von
Fluiden beschleunigt Mineralreaktionen und verschiebt
Reaktionen zu tieferen Temperaturen. Dies ist von
Bedeutung sowohl für die Bildung von Schmelzen als
auch – bedingt durch Mineralneuwachstum und Veränderungen der Korngrössenverteilung – für die mechanischen Eigenschaften von Krustengesteinen. Mineralreaktionen, die durch Fluide ausgelöst oder vorangetrieben
werden, bewirken ihrerseits Veränderung der Fluidzusammensetzung, was sich in einer veränderten Transportkapazität des Fluids für verschiedene Elemente äussert und zur fokussierten Ausfällung bestimmter Elemente führen kann. Fluide beeinflussen bzw. kontrollieren daher die thermische und mechanische Struktur und
die stoffliche Zusammensetzung der Kruste direkt oder
indirekt.
Die Veränderung der Isotopenzusammensetzung, die bei
der Reaktion zwischen zwei isotopisch unterschiedlich
zusammengesetzten Reservoiren auftritt, ist ein wichtiges Werkzeug, um Reaktionen zwischen Fluiden und
Gesteinen zu beschreiben, Reaktionsfortschritte zu
quantifizieren oder Massenbilanzierung zu betreiben
(Blatter & Lassey 1989, 1990, Young & Morrison 1992).
In fluid-dominierten metamorphen Systemen werden
insbesondere die Isotope von Kohlenstoff und Sauerstoff
verwendet, da diese beiden Elemente Hauptbestandteile
in vielen Fluiden und Gesteinen sind und deshalb eine
sehr robuste Abschätzung des Massenverhältnisses zwischen Fluid und Gestein erlauben. Als Hauptannahme
35
Abb. 1: Gleichzeitiges Abnehmen von δ13C und δ 18O mit
zunehmendem Metamorphosegrad. Dieser Trend ist
typisch in kontaktmetamorphen Aureolen und wird
durch die Zersetzung von Karbonaten bedingt. Die hier
abgebildete Verschiebung in 18O ist zu bedeutend, um
durch CO2-Freisetzung im geschlossenen System
verursacht zu sein, und stellt deshalb Karbonatzersetzung im offenen System dar. PDB = Pee Dee Belemnit, SMOW = Durchschnittliches Meerwasser.
Coupled C – O trends showing decreased values of δ 13C
and δ 18O with increasing metamorphic grade. This kind
of trend is typically observed in contact-metamorphic
aureoles. It is formed by devolatilization of the
carbonate. The shift in δ 18O is too large to be explained
by closed-system devolatilization and, therefore, is
typically interpreted as open-system behavior with
isotopic exchange between one rock and one fluid. PDB
= Pee Dee belemnite, SMOW = Standard mean ocean
water.
bei der Verwendung von C- und O-Isotopen (Abb. 1) gilt
die Existenz von genau zwei Reservoiren. Beobachtungen an Flüssigkeitseinschlüssen zeigen jedoch, dass
neben dem Gestein oft zwei Fluide auftreten, welche
durch Entmischung auseinander hervorgegangen sind.
Das gesamte System umfasst dann nicht zwei, sondern
mindestens drei Reservoire. Die Mischungstrends für
Systeme mit zwei und drei Reservoiren (zwei Fluide)
sind im allgemeinen sehr ähnlich und können ohne
zusätzliche Information aus Petrographie, Flüssigkeitseinschlüssen oder anderen Isotopensystemen oft nicht
voneinander unterschieden werden. Da jedoch bei der
Entmischung von Fluiden Isotopenfraktionierungen auftreten (Horita et al. 1995, Shmulovich 1999), sind aus
solchen Mehrkomponenten-Systemen abgeleitete Massenbilanzen und Reaktionsfortschrittabschätzungen,
welche auf der Anwesenheit eines einzigen Fluids basieren, inkorrekt und teilweise sogar absurd.
36
Im Gegensatz zum "robusten" Verhalten der Hauptelemente C und O reagieren Spurenelemente und die Isotopenzusammensetzung der leichten und der durch
radiogenen Zuwachs beeinflussten Elemente sehr empfindlich auf Veränderungen in den Reaktionen zwischen
Fluid und Gestein und auf Veränderungen im Fluidregime. Dies rührt daher, dass diese Elemente stark in
einzelne Minerale hineinfraktionieren können (Romer &
Heinrich 1998). Zum Beispiel können Apatit und Kalzit
bedeutende Mengen von Sr aufnehmen. Die Bildung
dieser Minerale kann eine Verarmung des Fluids an Sr
bewirken und damit die Sr-Isotopie des Fluids anfälliger
für Veränderungen durch Auflösen anderer Sr-führender
Phasen machen. In ähnlicher Art und Weise puffert die
Auflösung von Kalzit oder Apatit die Sr-Isotopie des
Fluids, da diese Minerale das Sr-Budget des Gesamtsystemes dominieren. Das Fluid hat dann nicht nur eine
Isotopie, die derjenigen von Kalzit oder Apatit ähnlich
ist, sondern es weist auch hohe Gehalte an Sr auf und ist
dadurch relativ unempfindlich für spätere Veränderungen. Da die einzelnen Elemente unterschiedlich durch
veränderte Reaktionsbedingungen oder Fluidzusammensetzungen beeinflusst werden, können einzelne Spurenelemente voneinander entkoppeln und damit unterschiedliche Phasen der Fluidentwicklung aufzeichnen.
Spurenelemente und deren isotopische Zusammensetzung können somit als prozessindikative Fingerabdrücke verwendet werden. Sie können die komplexe
Entwicklung einer Fluid-Gesteins-Reaktionszone detailliert nachzeichnen, wohingegen das Verhalten der
Hauptbestandteile oft fälschlicherweise ein einfaches
Zweikomponenten-System nahelegt.
Im folgenden wird die Variation der Pb-, Nd-, Sr-, Bund Li-Isotopensysteme über einen Reaktionssaum
gezeigt. Die Bildung dieses Saums wurde durch Fluide
induziert und resultierte in der Entmischung des reaktionstreibenden Fluids in zwei fluide Phasen mit unterschiedlicher räumlicher Verteilung. Da einzelne Elemente unterschiedlich in das eine oder andere Fluid verteilt werden, und die leichten Elemente B und Li dabei
noch Isotopenfraktionierungen zeigen, zeichnen Gesteine, die von dem einen oder anderen der entmischten
Fluide durchströmt werden, fundamental unterschiedliche Aspekte der Fluid-Gesteins-Interaktion auf.
Petrographie der Reaktionssaumbildung
Der 31,6 (±0,3) Millionen Jahre alte (2σ, Romer and
Heinrich 1998) Bufa del Diente-Alkalisyenit (NOMexico, Abb. 2) intrudierte undeformierte, subhorizontal gelagerte marine Kalke mit zahlreichen Chertlagen.
Um die Intrusion hat sich während der Kontaktmetamorphose eine Aureole ausgebildet mit der für niedrige
Drucke (~ 1 kbar) charakteristischen Isogradenabfolge
von Tremolit, Diopsid und Wollastonit zum Intrusionskontakt hin. Die räumlich ungestörte Abfolge der Isograden und der univarianten Reaktionen zeigt, dass die
metamorphen Mineralparagenesen der Kalke intern
gepuffert wurden (Heinrich 1993, 1994, Heinrich &
Gottschalk 1994, 1995).
Im Gegensatz zu den Kalken sind die metamorphen
Mineralparagenesen der 5 bis 15 cm mächtigen Chertlagen und tonigen Lagen durch extern hineingeführte
Fluide zustande gekommen (Heinrich 1993). Dies wird
daraus ersichtlich, dass die Wollastonitsäume, welche
sich zwischen den Chertlagen und den Kalken ausgebildet haben, in ihrem Auftreten nicht nur auf die Wollastonitzone beschränkt sind, sondern bis weit in die
Diopsidzone und vereinzelt bis in die Tremolitzone hineinreichen (Abb. 2). Dies bedeutet, dass die Mineralparagenesen in und um diese Lagen durch ein externes
Fluid kontrolliert waren und dass diese Lagen als metamorphe Aquifere dienten (Heinrich & Gottschalk 1995,
Heinrich et al. 1995). Die Wollastonitsäume wurden
durch die Reaktion Kalzit + Quarz = Wollastonit + CO2
gebildet. Diese Reaktion wurde durch die Infiltration
eines salinaren wässrigen Fluides mit niedrigem XCO2
vorangetrieben und lief auf der wässrigen Seite des
H2O–CO2–Salz-Solvus ab. Das freigesetzte CO2 war unlöslich in diesem Fluid, entmischte und infiltrierte vor
allem in den überliegenden Marmor als CO2-reiches,
wenig salinares H2O–CO2-Fluid. Reaktionstexturen und
δ 18O-Isotopenprofile zeigen, dass die wässrigen Fluide
entlang des Kontaktes zwischen Chert und Marmor
infiltrierten und später, nach der Entwicklung eines
Wollastonitsaumes, entlang des Kontaktes zwischen
Chert und Wollastonit migrierten. Die Fluidinfiltration
war kein kontinuierlicher Prozess, sondern war gepulst,
was sich petrographisch in der Wechselabfolge von kontaktparallel und kontaktorthogonal angeordneten
Wollastonitnadeln widerspiegelt (Abb. 3a und 3b). Der
durch die Dekarbonatisierung bedingte Volumenverlust
im Gestein führte zur Deformation der Wollastonitsäume und zu lokaler Bildung von Rissen, die späteren
Fluiden erneut die Zirkulation zwischen Wollastonit und
Abb. 2: a Die vereinfachte Karte des Bufa del
Diente-Gebietes (NO-Mexico) zeigt das
Auftreten des Alkalisyenitstockes und der
Wollastonit-, Diopsid- und Tremolitisograde
in den kontaktmetamorph überprägten Kreidekalken (nach Ramirez-Fernandez und Heinrich 1991). Wollastonit-gesäumte Metachertlagen reichen nördlich des Stockes über die
Disopsidisograde hinaus bis in die
Tremolitzone. b Stark schematische Darstellung der räumlichen Verteilung und der zeitlichen Entwicklung einzelner Reaktionstexturen zwischen Metachert und Marmor. Die
Abfolge einzelner Typen von links nach rechts,
zeigt einerseits das Auftreten vom primitivsten
Typ (am weitesten entfernt vom Kontakt) zum
kompliziertesten Typ (direkt am Intrusionskontakt) und andererseits die progressive Überprägung und Kannibalisierung einfacherer Typen im
Verlaufe des Temperaturanstieges und der Fluidentwicklung. Die retrograde Entwicklung ist nicht gezeigt.
a Map of the Bufa del Diente area, NE Mexico, showing
the occurrence of alkali-syenite along with the wollastonite, diopside, and tremolite isograds as mapped within thick-bedded impure Cretaceous limestones (simplified after Ramirez-Fernandez and Heinrich 1991). To
the north of the stock, wollastonite-rimmed metachert
bands reach beyond the diopside isograd into the tremolite zone. b Spatial distribution and temporal evolution
of different reaction features between metachert and
marble (highly schematized). From the left to the right,
the different types form a sequence from the least
evolved type, occurring far from the stock to the most
complex type, found close to the intrusion. This
sequence from the left to the right also highlights the
temporal evolution at a given location as temperature
increases, the character of fluid changes, and the fact
that earlier reaction products may be consumed during
subsequent prograde reaction. Retrograde stages are
not shown.
Abb. 3: a und b: Wollastonitränder mit kontaktparalleler und kontaktorthogonaler Anordnung der Wollastonitnadeln. c: Die Probe B 36P wurde etwa 50 m vom
Intrusionskontakt genommen. Der Chert ist zu 90%
durch dicke, nahezu reine Wollastonitränder ersetzt worden. An der Grenze zwischen Wollastonit und Marmor
hat sich eine dünne Kalksilikatschicht gebildet (Pfeil).
Der späte Pegmatit ist zoniert mit einem Rand aus
Ägirinaugit und einem Kern aus Eudialyt (rot), Alkalifeldspat (weiss) und Anhäufigungen von Quarz (grau).
Marmor ermöglichten (Abb. 3c).
In der Nähe der Alkalisyenit-Intrusion wurden diese
Aquifere mit ihren fluid-induzierten Reaktionssäumen
a, b: Wollastonite rims showing the preferential
orientation of the crystals parallel and orthogonal to the
contact. c: Sample B 36P from about 50 m from the
contact of the intrusion. Chert quartz is replaced to
about 90% by thick, almost pure wollastonite rims. Note
the thin calcsilicate layer at the wollastonite-marble
boundary (arrow). The pegmatite veinlet is zoned with
aegirine-augite rims (black) and a core of eudialyte
(red), perthitic alkali feldspar (white), and clusters of
quartz (grey).
37
von späten pegmatitischen Schmelzen intrudiert und
überprägt (Heinrich 1993). Die Pegmatite treten ausschliesslich innerhalb der Chertlage auf und hier vorzugsweise entlang des Kontaktes zwischen Wollastonit
und Chert. Sie sind zoniert (Abb. 3c) und der Rand
besteht hauptsächlich aus Ägirinaugit. Im 10 bis 20 mm
breiten Kern findet man neben perthitischem
Alkalifeldspat und Eudialyt in geringen Mengen auch
Ägirinaugit, Zirkon, Änigmatit, Astrophyllit und Apatit.
Lokale Quarzanhäufungen, eingeschlossen in Ägirinaugit und Alkalifeldspat, werden als rekristallisierte Reste
der Chertlage interpretiert. Der Ägirinaugitsaum, der
den Pegmatit vom Wollastonit trennt, stellt möglicherweise ein metasomatisches Reaktionsprodukt dar. Der
Pegmatit – im Aktivitätsungleichgewicht mit dem
Wollastonit – könnte eine geringe Resorption des
Wollastonitsaumes bewirkt haben, wobei das freigewordene Ca die Hedenbergitkomponente im Ägirinaugit
erklärt. In diesem Sinne würde die Mineralzonierung
über den früheren Chert-zu-Marmor-Kontakt hinweg
eine Abfolge bedeuten von (I) residualen Silikaten (nach
Weglösen von Kalzit), möglicherweise in Kontakt mit
CO2-reichem Fluid; (II) fluidinfiltrationsbedingter
Bildung von Wollastonit in Anwesenheit eines CO2-reichen Fluides (aussen) und eines H2O-reichen Fluides
(innen); (III) durch die Intrusion von Schmelzen bedingter Bildung von Ägirinaugit, partiell auf Kosten von
Wollastonit; und (IV) der Kristallisation der felsischen
Schmelze unter Freisetzung eines H2O-reichen Fluides.
Variationen der Pb-, Nd-, Sr-, B- und LiIsotopenzusammensetzung über
Reaktionsfronten
(i) Interpretationsprinzip
38
Radiogene Isotope. Die Isotopenzusammensetzung von
Pb, Nd und Sr besteht aus Beiträgen dieser Elemente
vom Marmor, dem Chert und dem Alkalisyenit, sowie
eines in situ gebildeten Anteiles. Der Anteil dieses in den
letzten 31,6 millionen Jahren gebildeten radiogenen Pb,
Nd, bzw. Sr kann stark variieren und hängt vom Verhältnis von Mutterelement zu Tochterelement ab, ausgedrückt z.B. als 238U/204Pb, 235U/204Pb, 232Th/204Pb,
147
Sm/144Nd und 87Rb/86Sr (das Tochterelement wird durch
eines seiner stabilen Isotope repräsentiert). Ein hohes
Mutter-zu-Tochter-Elementverhältnis bedingt einen
schnellen Anstieg des radiogenen Anteils des
Tochterelements und damit nach einiger Zeit eine radiogene isotopische Signatur des Tochterelements.
Aufgrund der unterschiedlichen chemischen Affinität
von Rb und Sr, bzw. von Pb, U und Th, repräsentieren
die radiogenen Isotopenzusammensetzungen von Sr und
Pb einen indirekten Fingerabdruck der Mutter-zuTochter-Fraktionierung durch fluid-dominierte Prozesse,
der Elementverteilung zwischen Mineral und Fluid oder
der Fraktionierung zwischen Mineral und Schmelze. Für
Sm und Nd treten keine so extremen Elementfraktionierungen auf, weshalb Unterschiede in der Nd-Isotopie
der geologisch jungen Reaktionssäume noch immer die
unterschiedlichen Herkunftsreservoire reflektieren.
Stabile leichte Isotope. Die Isotopenzusammensetzung
der stabilen leichten Elemente O, C, B und Li in
bestimmten Reaktionsprodukten wird einerseits kontrolliert durch die Zusammensetzung der involvierten
Endglieder (Marmor, Chert, Alkalisyenit bzw. Ausgangsfluid) und andererseits durch die Isotopenfraktionierung zwischen (I) entmischten Fluiden, (II) Fluiden
und Mineralen, (III) Fluiden und Schmelzen, (IV)
Mineralen und Schmelzen, sowie (V) bei Koordinationsänderungen der chemischen Bindungen. Es ist
insbesondere zu bemerken, dass dieselbe Mineralphase,
welche unter gleichen Druck- und Temperatur-Bedingungen, aber im Gleichgewicht mit dem einen oder
anderen der beiden entmischten Fluide kristallisierte,
unterschiedliche Isotopenzusammensetzungen aufweisen kann.
Chromatographische Kolonnen. In der Chemie kommen chromatographische Kolonnen zur Trennung von
Substanzen zum Einsatz. Einzelne gelöste Substanzen
haben unterschiedliche Verteilungskoeffizienten zwischen Kolonnenmaterial und Lösung. Je geringer der
Koeffizient, desto schneller migriert die gelöste Substanz durch die Kolonne. In geologischen Systemen sind
die Gesteine das Kolonnenmaterial und die Fluide stellen die eingesetzte Lösung dar. Infiltrierende Fluide
befinden sich anfangs normalerweise im chemischen
Ungleichgewicht mit dem infiltrierten Gestein. Sie treiben Reaktionen voran, bis sich ein chemisches
Gleichgewicht zwischen Fluid und Umgebung eingestellt hat. Später infiltrierende Fluide werden weniger
verändert, da das Ungleichgewicht bei zunehmender
Infiltrationsdauer abnimmt. Fluide, die im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung stehen hinterlassen dann
keine weitere Spur. Metasomatische Mineralzonierungen entlang permeabler Lithologiekontakte (z.B.
Marmor–Chert) stellen jedoch keine Reaktionsfronten
im Sinne eines Fluides dar, welches aus dem einen
Gestein in das andere hineinfiltriert, sondern sie repräsentieren Ablagerungen an den "Wänden des Aquifers".
Mit anderen Worten, der Fluss eines H2O-reichen Fluids
verlief hier parallel zu den metasomatischen Mineralzonierungen, nicht orthogonal. Änderungen in Druck,
Temperatur oder Zusammensetzung des infiltrierenden
Fluides zeigen sich in der Überprägung bestehender und
der Ausbildung neuer Reaktionssäume. Metasomatische
Mineralzonierungen stellen deshalb bis zu einem gewissen Grad auch Zeitschnitte dar. Diese zeitliche Variation
von Ausmass und Art der Reaktionen zwischen Fluid
und Gestein impliziert, dass die chemische und isotopische Signatur des Fluides über die Zeit von verschiedenen Reservoiren geprägt wird.
Phasenentmischung. Bei den hier untersuchten Prozessen gibt es zwei Arten von Phasenentmischungen.
Einerseits gibt es die durch die frühe Dekarbonatisierung verursachte Entmischung im System
H2O–CO2–Salz in ein hoch-salinares H2O-reiches Fluid
und in ein gering-salinares CO2-reiches Fluid, andererseits gibt es ein Fluid, welches später aus der kristallisierenden Schmelze entmischt. Bei beiden Entmischungen
treten Elementfraktionierungen zwischen den beiden
Reservoiren auf, bei leichten Elementen auch Isotopenfraktionierungen. Der springende Punkt für diese Entmischungen liegt darin, dass die beiden Fluide bzw. die
Schmelze und das entmischte Fluide unterschiedliche
Migrationswege haben, d.h. mit unterschiedlichen Gesteinsvolumina in Kontakt kommen. Dies erlaubt eine
Entkopplung und räumliche Trennung der Elemente, die
unterschiedliche Verteilungskoeffizienten zwischen den
beiden Fluiden bzw. Schmelze und Fluid aufweisen. In
diesen Fällen sind Elementverhältnisse keine geeigneten
Indikatoren für die Evolution eines Systems oder den
Fortschritt einer Reaktion.
Abb. 4: Isotopenprofil über Probe B36P. Die Sr-Isotopie ist dominiert durch das
Sr der Marmore. Ausnahmen bilden die Rb-reichen magmatischen Segmente
(Ägirinaugit-Reaktionssäume und Pegmatit), welche in situ ein radiogeneres
87
Sr/86Sr entwickelten. Die primitivsten Sr-Zusammensetzungen sind im
Diopsidband und in einem späten Wollastonitband anzutreffen, wo magmatische
Fluide die ursprüngliche Paragenese überprägten und ein weniger radiogenes Sr
einbrachten. Frühes Nd ist durch den Chert dominiert und bildet ca. 2 cm breite
Infiltrationszonen in den Marmor. Spätes Nd ist durch das magmatische System
dominiert und zeigt Infiltra-tiontrends in den Wollastonit. Li ist in einzelnen
Mineralzonen isotopisch variabel zusammengesetzt und zeigt in Zonen, welche
von späten Fluiden infiltriert wurden, Verschiebungen zu tiefen δ 7Li - Werten.
Isotope profiles across sample B36P. The Sr isotopic composition is dominated
by Sr of the marbles. Exceptions include the Rb-rich magmatic segments (reaction rims of aegirine-augite and the pegmatite) that show in situ growth of radiogenic Sr. The least evolved Sr isotopic compositions are found in the diopside
band and in a late wollastonite band where magmatic fluids overprinted the
original paragenesis and introduced less radiogenic Sr. Early Nd is dominated
by the chert and defines ca. 2 cm broad infiltration profiles into the marble. Late
Nd is buffered through the magmatic system and shows infiltration trends into the
wollastonite rim. The Li isotopic composition is heterogeneous within individual
bands and shows shifts to low δ 7Li where fluids had infiltrated.
Abb. 5: Isotopenprofil über Probe B36P. Die Pb-Isotopie ist dominiert von
Karbonat-Pb und zeigt in den linken (oben) und rechten Wollastoniträndern
systematische Unterschiede. In-situ-Pb-Zuwachs erfolgte nur in magmatischen
Segmenten (Ägirinaugit und Pegmatit), sowie im Band mit später
Fluidinfiltration (Diopsid, später Wollastonit), welche auch im Sr anomal sind.
Im magmatisch-dominierten System mit in situ Pb-Zuwachs korrelieren 208Pb und
206
Pb, während im fluid-dominierten System nur uranogenes Pb zuwuchs (206Pb,
207
Pb). Das vom Th abstammende 208Pb blieb unverändert. Diese unterschiedlichen Pb-Signaturen reflektieren die Entkoppelung von Th und U über fluidkontrollierte Prozesse (Proben 1 und 2). B zeigt dem Li ähnliche Verschiebungen
der Isotopie in fluid-dominierten Zonen, jedoch hin zu schweren Isotopien, d.h.
zu hohen δ 11B.
Isotope profiles across sample B36P. The Pb isotopic composition is dominated
by carbonate Pb and shows systematic differences between left (upper) and right
wollastonite band. In situ Pb growth occurred only within the magmatic system
(aegirine-augite and pegmatite) and in the diopside/wollastonite band with its
anomalous Sr, which was affected by late fluid inflow. For the magmatic system,
208
Pb and 206Pb growth is correlated, whereas in the fluid-dominated system 206Pb
growth is not accompanied by 208Pb growth. Since 208Pb is derived from 232Th, this
uncoupling of 206Pb and 208Pb reflects the separation of Th and U via a fluid phase
(samples 1 and 2). B shows shifts towards heavier compositions, i.e, higher δ 11B
values, in zones of fluid flow.
39
(ii) Räumliche Isotopenvariation – primär und sekundär
Die Abbildungen 4 und 5 zeigen Isotopenprofile über einen Marmor-Chert-Reaktionsrand. Die sichtbare Bänderung parallel zum ursprünglichen Kontakt wird durch
die mineralogische Zusammensetzung der einzelnen
Reaktionszonen bedingt. Die beprobten Bänder entsprechen Profilen über den Marmor-Aquifer-Marmor Kontakt hinweg (Abb. 3c) und sind zur Orientierung in den
Abbildungen 4 und 5 mit unterschiedlichen Farbtönen
unterlegt. Das Grautonbild in Abb. 5 zeigt die Borverteilung in der Probe. Die dunkelsten Töne entsprechen
B-Gehalten von weniger als 1 ppm, die hellsten Töne
reflektieren Gehalte von weit über 1000 ppm. Neben der
mineralogischen Kontrolle der B-Konzentration sind die
scharf definierten Konzentrationssprünge an der Grenze
zwischen Wollastonit und Ägirinauit (B-Anreicherung
auf der Wollastonitseite) und an der Grenze zwischen
Marmor und Diopsid (B-Anreicherung im Marmor) zu
sehen.
40
Blei: Das thorogene 208Pb und das uranogene 206Pb variieren systematisch über den Chertaquifer (Abb. 5), wobei die Verhältnisse beider Isotope zu 204Pb miteinander
korrelieren, mit Ausnahme der beiden Proben 1 und 2
(Abb. 5), für die ein deutlicher 206Pb-Anstieg ohne
gleichzeitigen 208Pb-Anstieg zu verzeichnen ist. Verschiebungen zu hohen 208Pb/204Pb und 206Pb/204Pb sind
bedingt durch radiogenen In-situ-Zuwachs von Blei über
die letzten 31,6 Millionen Jahre. Während die gute
Korrelation von 208Pb und 206Pb darauf schließen lässt,
dass die korrelierten Proben das gleiche 232Th/238U haben
und deshalb durch Schmelzprozesse dominiert sind, deutet die Entkoppelung von 206Pb und 208Pb darauf hin, dass
die Proben 1 und 2 (Abb 5) zwar Uran angereichert
haben, jedoch kaum oder kein Thorium aufweisen. Eine
solch effiziente Entkoppelung von Uran und Thorium
erfolgt nur über Fluide. Für das Blei ist noch anzumerken, dass das Wollastonitband an seiner Ober- und
Unterseite unterschiedliche Isotopenzusammensetzungen aufweist (in sämtlichen Abbildungen ist die Oberseite links gezeigt).
Neodym: Die Isotopenzusammensetzungen des Neodyms im Ägirinaugitband und im Pegmatit fallen in denselben radiogenen Bereich wie die von Proben aus dem
Alkalisyenit (Abb. 4). Marmor und Wollastonitsaum zeigen weniger radiogene Nd-Zusammensetzungen, und
mit steigendem Abstand vom Ägirinaugit-Band einen
systematischen Trend zu unradiogenen Zusammensetzungen. Der Marmor zeigt zudem einen Trend zu
weniger radiogenen Zusammensetzungen im Kontakt
mit dem Wollastonitband. Die unradiogensten NdZusammensetzungen treten jeweils im äusseren Bereich
der Wollastonitbänder und im residualen Chert auf. Da
die beiden Seltenerdelemente Nd und Sm sich chemisch
sehr ähnlich sind und daher bei geologischen Prozessen,
im Unterschied zu den Elementpaaren Rb–Sr, Pb–U und
Pb–Th, nicht sehr stark frationiert wenden können und
zudem der Zerfall von 147Sm zu 143Nd sehr langsam von
statten geht, ist das beobachtete 143Nd/144Nd ein gutes Ab-
bild der Isotopenzusammensetzung zum Zeitpunkt der
Entstehung der metasomatischen Mineralzonierung.
Strontium: Die Sr-Zusammensetzungen in den Marmorproben und Wollastonitbändern (Abb. 4) sind homogen
und entsprechen – in Übereinstimmung mit dem biostratigraphischen Alter der nicht-überprägten Kalke – dem
Wert von Mittelkreide-Karbonaten. Der äußerste Rand
des oberen (links in Abb. 4) Wollastonitsaums und das
angrenzende Diopsidband zeigen markant weniger
radiogene Sr-Zusammensetzungen (Abb. 4). Obwohl die
Alkalisyenit-Intrusion 87Sr/86Sr-Verhältnisse im Bereich
von 0,7036 aufweist, zeigen die Pegmatitprobe, der vom
Pegmatit umschlossene Restchert, und insbesondere die
Ägirinaugit-Ränder deutlich radiogenere Sr-Zusammensetzungen. Dies liegt darin begründet, dass diese Proben
erhöhte Rb/Sr-Verhältnisse haben und deshalb einen
bedeutenden Anteil von in-situ gebildeten radiogenem
Sr aufweisen.
Bor: Die Variation der B-Zusammensetzungen über den
modifizierten Marmor-zu-Chert-Kontakt zeigt auf den
ersten Blick ein unregelmäßiges Muster (Abb. 5). Doch
wenn man in Betracht zieht, dass einerseits Fluide im
allgemeinen isotopisch schwereres Bor aufweisen als
Minerale, welche im Gleichgewicht mit diesem Fluid
sind und andererseits verschiedene Minerale eine unterschiedliche Fraktionierung gegenüber dem gleichen
Fluid aufweisen können, zeigt sich doch eine gewisse
Systematik. Anomalien zu schwerem Bor hin (positive
δ 11B -Werte) sind verbunden mit der fokussierten
Infiltration von Fluiden. Solche Anomalien treten auf im
(i) residualen Chert; (ii) im zentralen Bereich des linken
Ägirinaugitbandes, welches auch residualen Chert enthält; (iii) im Wollastonitband, sowohl zum Ägirinaugit
als auch zum Marmor hin. Diese Anomalien sind nicht
punktuell, sondern zeigen einen stetigen Abfall zu leichteren Werten vom Aquifer weg. Die Proben mit dem
leichtesten B haben deshalb entweder am wenigsten
Fluid gesehen oder sind durch Entmischung eines isotopisch schweren Fluides zu leichten Werten hin verschoben worden.
Lithium: Das Fraktionierungsverhalten von Li ist gegenläufig zu dem des B, d.h., Fluide weisen leichtes Li auf
und haben deshalb niedrige δ 7Li Werte. Leichtes Li findet sich im (i) residualen Chert, (ii) im linken (oberen)
Ägirinaugitband und (iii) im marmorseitigen Rand des
linken Wollastonitbandes (Abb. 4). Vom Aquifer weg
findet sich schwereres Li. Das schwerste Li tritt in denjenigen Teilen der Wollastonitsäume und des Pegmatits,
die nicht von späten Fluiden überprägt wurden.
(iii) Zeitlicher Wechsel von Fluidsignaturen,
Elementquellen und Fraktionierungsprozessen
Blei: Die Bleiisotopen lassen Rückschlüsse über die
Bleiquelle und auch die Art des Bleitransportes zu. Im
206
Pb/204Pb – 207Pb/204Pb Diagramm (Abb. 6) sind Proben,
welche durch In-situ-Pb-Zuwachs verändert wurden,
parallel zur Referenzisochrone für 31 Millionen Jahre zu
Abb. 6: Bleiisotopenzusammensetzung. In-situ-Pb-Zuwachs erfolgt
entlang der 207Pb/206Pb –Referenzisochrone im 206Pb/204Pb - 207Pb/204Pb Diagramm. Abweichungen von dieser Linie weisen auf initiale
Heterogenitäten hin. Der steile Trend im 206Pb/204Pb - 208Pb/204Pb -Diagram
entspricht einem magmatischen Th/U und ist definiert durch die
Pegmatit- und Ägirinaugit-Proben. Die nach rechts weglaufenden
Proben haben eine Th/U -Fraktionierung über ein Fluid erlebt. Dies
betrifft insbesondere die Wollastonitränder. Die Pb-Isotopenzusammensetzung für den Alkalisyenit stammt aus Romer und Heinrich
(1998).
Pb isotopic composition. In situ Pb growth shifts data points along the
207Pb/206Pb reference isochron in the 206Pb/204Pb - 207Pb/204Pb diagram.
Deviations from this line imply initial isotopic heterogeneities. The steep
trend in the 206Pb/204Pb - 208Pb/204Pb diagram corresponds to magmatic
Th/U. This trend is defined by pegmatite and aegirine-augite samples.
Samples that fall to the right of this line experienced Th/U fractionation
through a fluid phase. This latter sample group includes preferentially
wollastonite samples. Pb isotopic composition for alkali syenite from
(Romer and Heinrich 1998).
höheren Werten verschoben. Abweichungen vom Trend dieser Referenzisochrone implizieren eine heterogene
initiale Pb-Zusammensetzung und
können benutzt werden, um die hauptsächlichen Pb-Quellen zu identifizieren. Abb. 6 zeigt, dass ein Teil der
Wollastonitsäume ihr Blei ganz aus
dem Marmor bezogen haben, während
andere Segmente der Reaktionsränder
von Blei vom Alkalisyenit dominiert
sind. Die Ägirinaugitränder und der
Pegmatit sind deutlich von der Pb-Isotopie des Alkalisyenites hin zum Marmor-Pb verschoben, was darauf hindeutet, dass selbst das Pb in den späten
Schmelzen keine primäre magmatische Signatur trägt, sondern während
des Transportes durch Wollastonitassimilation indirekt Pb aus dem Marmor aufgenommen hat. U und Th verhalten sich ähnlich in Schmelzen und
unterschiedlich in Fluiden. Die Fraktionierung von U und Th resultiert mit
zunehmender Zeit in deutlichen Kontrasten in der Pb-Isotopie. Im 206Pb/
204
Pb – 208Pb/204Pb -Diagramm fallen
die Proben aus den Ägirinaugiträndern
und dem Pegmatit auf einen gutdefinierten Trend, der einem Th/Uat (at =
Atom- bzw. Molverhältnis) von ca. 2.7
entspricht. Solche Th/Uat-Verhältnisse
sind typisch für felsische Schmelzen.
Im Gegensatz dazu liegen die Proben
aus den Wollastoniträndern rechts von
diesem Trend, was impliziert, dass
diese Proben ein kleineres Th/Uat-Verhältnis haben. Die meisten dieser Proben scheinen nur nach rechts verschoben zu sein, d.h. sie weisen scheinbar
keinen 208Pb-Zuwachs auf. Sie haben
deshalb sehr niedrige Th/Uat-Verhältnisse, wie sie für aus Fluiden ausgeschiedene Minerale typisch sind.
Neodym: Die Nd-Isotopien des Pegmatites und seiner Reaktionssäume
zeigen keine Anzeichen von Kontamination durch anderes Nd, d.h. die
partielle Assimilation des Wollastonitrandes hat zu wenig Nd freigesetzt, um
die hohen Gehalte in der Schmelze
isotopisch zu beeinflussen. Nd aus den
Schmelzen hat jedoch die inneren Bereiche des oberen und unteren Wollastonitrandes kontaminiert (Abb. 4). Da
diese infiltrierten Proben keine Entkoppelung der In-situ-Bildung von
206
Pb und 208Pb aufweisen, ist die NdInfiltration über eine U- und Th-arme
Fluidphase abgelaufen, welche wahr-
41
Abb. 7: Die Variation der Nd-Isotopenzusammensetzung
reflektiert den unterschiedlichen SEE-Betrag aus dem
Alkalisyenit. Die starke Streuung von δ 7Li und δ 11B bei
ähnlichem 143Nd/144Nd (Trend I) spiegelt die
Fraktionierung der leichten Elemente Li und B durch
die Entmischung eines Fluides aus der Pegmatitschmelze wider. Die beiden Mischungstrends zu
tiefen 143Nd/144Nd sind entstanden (1) durch frühe FluidGestein Reaktion im System Chert-Marmor-Fluid
(Trend II) und (2) durch Fluide, welche sich durch
Entmischung aus der Pegmatitschmelze entwickelten
(Trend III) und frühere Reaktionssäume mit einer
leichten δ 7Li und einer schweren δ 11B -Signatur
überprägt haben.
The Nd isotopic variation reflects the contribution of
material from the alkali syenite. Strong variation of δ 7Li
and δ 11B at essentially constant 143Nd/144Nd reflects
isotopic fractionation of the light elements Li and B
during the exsolution of a fluid from the pegmatitic melt
(Trend I). The two mixing trends toward lower
143
Nd/144Nd reflect (1) early fluids within the system chert
plus marble (Trend II) and (2) fluids exsolving from the
pegmatite system (Trend III) and overprinting earlier
rims with a light δ 7Li and a heavy δ 11B signature,
respectively.
lastonitsäumen weder aus dem Marmor noch aus der
Zentralintrusion stammen kann. Die verbleibende
Quelle für dieses Nd ist der bei der Wollastonitbildung
konsumierte Chert. Die hohe Wahrscheinlichkeit dieser
Vermutung wird gestützt durch die unradiogene Isotopie
des residualen Cherts (Abb. 4).
42
scheinlich durch Entmischung aus der Schmelze entstanden ist. Die systematische Variation der NdZusammensetzung über den Kontakt zwischen Marmor
und Wollastonit reflektiert auch einen Infiltrationstrend
von Nd aus dem Aquifer in den Marmor. Die äusserste
Marmorprobe hat die gleiche Nd-Isotopie wie nicht
überprägte Kalke aus dem Umfeld der Bufa del DienteKontaktaureole. Diese beiden Infiltrationtrends implizieren, dass das relativ unradiogene Nd in den Wol-
Strontium: Das Strontium in den Wollastonitsäumen ist
durch Sr aus den Marmoren dominiert. Da in den
Marmoren bedeutend mehr Sr eingebaut ist als im
Wollastonit, resultiert die Dekarbonatisierung auch in
einem Überangebot an Sr, welches sich entweder am
karbonatseitigen Rand des Wollastonitbandes ansammelt oder vom Fluid abtransportiert wird, womit die
Isotopie des Fluides durch das Sr im Marmor gepuffert
wird. Die Sr-Isotopien des Pegmatitkerns und seines
Reaktionssaumes lassen keine Rückschlüsse auf die
ursprüngliche Sr-Quelle zu, da alle Proben einen bedeutenden In-situ-Zuwachs von 87Sr aufweisen. Den einzigen Hinweis darauf, dass Sr aus dem Alkalisyenit in das
System hineintransportiert worden ist, erhalten wir vom
Diopsidband und dem äussersten Teil des Wollastonitbandes (Abb. 4). Diese beiden Proben haben deutlich
weniger radiogenes Sr als die Marmore. Texturell ist der
äusserste Teil des Wollastonitrandes eine späte Bildung.
Deshalb ist die Zufuhr von weniger radiogenem Sr auch
spät erfolgt und möglicherweise strikt an die Platznahme des Pegmatites gebunden. In einem solchen
Szenario hätten Fluide aus dem Pegmatit entmischt und
weniger radiogenes Sr entlang von Rissen durch den
Wollastonitsaum hindurch an den Kontakt zwischen
Wollastonit und Marmor geführt werden können, genau
dort wo dieser texturell späte Wollastonit gebildet
wurde. Die beobachtete Sr Zusammensetzung stellt
danach eine Mischung zwischen Sr aus dem Marmor
und dem Pegmatit dar. Da die beiden Proben mit unradiogenem Sr auch die Th-U-Entkoppelung in ihrer PbIsotopie zeigen ist, liegt die Möglichkeit nahe, dass das
U nicht nur mit den frühen Fluiden entlang des
Chertaquifers, sondern zu einem bedeutenden Teil auch
mit der Pegmatitschmelze transportiert wurde und erst
bei der Fluidentmischung aus der Schmelze über die
Fluidphase entwichen ist.
Bor: Die Kovariation der isotopischen Zusammensetzungen von Bor und Neodym zeigt drei Mischungstrends (Abb. 7). Die magmatisch dominierten Proben
zeigen eine grosse Variation in δ 11B bei konstantem
143
Nd/144Nd (Trend 1 in Abb. 7). Da in diesen Proben 10
bis 100 mal mehr B als im Marmor oder im Wollastonit
enthalten ist, stellt die Kontamination durch assimiliertes Material keine besonders wahrscheinliche Möglichkeit dar. Der einzige plaussible Prozess für eine solch
grosse B-Fraktionierung ist die Entmischung eines
Fluids aus der Pegmatitschmelze. Abhängig von den
Volumenverhältnissen zwischen Fluid und Schmelze
und den jeweiligen B-Konzentrationen, verschiebt sich
die Bor-Isotopie der entmischten Schmelze zu tieferen
δ 11B Werten. Bereiche, die von dem entmischten Fluid
infiltriert wurden, können ihre B-Zusammensetzung zu
höheren Werten hin verschoben haben. Der zweite Trend
(2 in Abb. 7) umfasst Proben aus dem Inneren der
Wollastonitsäume. Diese Proben zeigen eine nur geringe
Variation in der B-Zusammensetzung. Der dritte Trend
(3 in Abb. 7) umfasst neben den infiltrierten Marmoren
auch Wollastonitproben am inneren bzw äusseren
Kontakt des Reaktionssaumes, die den späteren Fluiden
als Transportwege dienten. Die Korrelation mit Nd deutet darauf hin, dass dieses Bor hauptsächlich mit diesem
späten aus dem Pegmatit entmischten Fluid transportiert
wurde.
Lithium: Da Lithium sich bei fluidgebundenen
Fraktionierungsprozessen gegenläufig zum B verhält,
zeigt die Kovariation der Zusammensetzungen von
Lithium und Neodym im grossen und ganzen auch die
gleichen Mischungstrends wie für Bor (Abb. 7), d.h.
Fraktionierung bei Fluidentmischung aus der Schmelze
(Trend I) und binäre Mischungstrends bei früher (Trend
II) und später Fluidinfiltration (Trend III). Die Streuung
bei den Li-Werten ist grösser als beim B, was darin
begründet liegt, dass die Hauptmenge an B und Nd mit
späten Fluiden transportiert wurde und die infiltrierten
Gesteinsvolumina nur geringe Gehalte an diesen
Elementen hatten. B und Nd sind deshalb stark korreliert. Im Gegensatz dazu könnte Li zu einem viel grösseren Grad schon von frühen Fluiden transportiert worden sein. Die Gehalte in den einzelnen Reservoiren zeigen nicht die selben Kontraste. Deshalb entkoppelt Li
etwas von B und Nd. Die Daten im δ 7Li – 143Nd/144Nd Diagram (Abb. 7) streuen etwas und zeigen leicht
abweichende Muster, obwohl sie die gleichen Prozesse
wie bei der Genese der B-Nd-Mischungsmuster widerspiegeln.
Synopsis
Die Dominanz unterschiedlicher Quellen und Isotopensignaturen in einzelnen Segmenten der
Reaktionsränder äussert sich darin, dass typische
Endgliederzusammensetzungen lokal für Pb, Nd und Sr
auftreten, jedoch mit verschiedenen Stufen der
Entwicklung des Aquifers assoziiert sind. So ist die
Isotopie von Sr und Pb in den fluid-dominierten frühen
Stadien durch das Nebengestein gepuffert. Die NdSignatur für frühe Stadien der Infiltration ist heterogen
und durch den variierenden Anteil von Komponenten
aus verschiedenen Reservoiren bestimmt, während die
Nd-Signatur für späte Phasen hauptsächlich durch die
Zusammensetzung der Schmelzen dominiert. Die
Verteilung und Isotopie einzelner Elemente ist stark von
unterschiedlichen Transportmedien und ihren Transporteigenschaften beeinflusst, was dadurch bedingt ist,
dass (i) einzelne Elemente (z.B. U und Th) im einen
Medium gegeneinander fraktionieren und sich im anderen Medium koherent verhalten und (ii) Fluid und
Schmelze stark unterschiedliche Transportkapazitäten
haben (z.B. im Falle der SEE). Als eine Folge dieses
unterschiedlichen Transportverhaltens werden die einzelnen Isotopensysteme voneinander entkoppelt. Diese
Entkoppelungsprozesse werden noch weiter verstärkt
durch einzelne Minerale, die mit ihrer Bildung oder
Zersetzung den Gehalt und (bei Auflösung) die Isotopie
einzelner Elemente im Fluid stark verändern und teilweise sogar puffern können.
Die Verwendung von Massenbilanzberechnungen, welche auf der Isotopenzusammensetzung eines Elementes
basieren, liefert den relativen Anteil zweier Endglieder.
Da die Konzentrationen einzelner Elemente im Fluid
stark variieren können, je nachdem ob und welche
Minerale aus dem Fluid kristallisieren oder vom Fluid
aufgelöst werden, können die relativen Endgliederanteile nicht in Massenverhältnisse zwischen Fluid und
Gestein umgerechnet werden. Weiter sagt eine solche
Bilanz nichts darüber aus, ob die beobachtete Isotopie
das Resultat eines einzelnen Prozesses ist oder durch
wiederholte Umlagerung entstanden ist. Der Wechsel
des Transportmediums von Fluid zu Schmelze, und
lokal wieder zurück zu Fluid resultiert darin, dass es
Segmente der Reaktionsränder gibt, die nur einen
Abschnitt der Entwicklungsgeschichte aufgezeichnet
haben, während andere Segmente die Überlagerung
mehrerer Entwicklungsphasen dokumentieren.
Der isotopische Fingerabdruck der leichten Isotope Li,
B, C und O in den untersuchten Reservoiren wird noch
von Fraktionierungsprozessen zwischen einzelnen
Phasen überlagert. Die Magnitude der Fraktionierungsprozesse hängt unter anderem ab von den Massenverhältnissen zwischen den beiden Reservoiren, der
Speziation der leichten Elemente in den verschiedenen
Reservoiren und davon ob die Fraktionierung in einem
offenen oder geschlossenen System stattfindet. Die
Effekte sind für Elemente, welche in Spurenkonzentra-
43
tionen im Fluid oder der Schmelze (Li, B) auftreten am
deutlichsten zu beobachten, treten jedoch auch bei den
Hauptelementen C und O auf. Für die Entwicklung
eines Fluid-Gestein-Systems mit zeitlich variablen
Typen von Reaktionen oder chemisch variablen Fluiden
stellen Spurenelemente empfindlichere Monitore dar,
als es die traditionell verwendeten Hauptelemente C und
O tun.
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