Dr. Christoph Luchsinger Übungsblatt 3 zur Vorlesung Wahrscheinlichkeitstheorie Wahrscheinlichkeit P Herausgabe des Übungsblattes: Woche 10, Abgabe der Lösungen: Woche 11 (bis Freitag, 16.15 Uhr), Besprechung: Woche 12 Must Aufgabe 15 [elementare Eigenschaften von P ] Beweisen Sie Lemma 1.8. Standard Aufgabe 16 [Konvergenz von Mengen und Stetigkeit von P ] [4 Punkte] Angenommen, Sie definieren die Konvergenz von Mengen An gegen eine Menge A in der folgenden Weise: An konvergiert gegen A := {ω|∃Nω : ω ∈ An ∀n ≥ Nω } (solch eine Menge A gibt es für jede Folge von Mengen!). Zu welcher Konvergenz ist diese Definition äquivalent? Geben Sie ein konkretes Beispiel an, welches zeigt, dass mit dieser Definition Satz 1.10 (Stetigkeit von P ) nicht mehr stimmt. Aufgabe 17 [Linearkombinationen von Wahrscheinlichkeiten] [4 Punkte] Seien P1 und P2 Wahrscheinlichkeiten auf (Ω, A) und 0 ≤ α ≤ 1. Zeigen Sie, dass P [A] := αP1 [A] + (1 − α)P2 [A] auch eine Wahrscheinlichkeit ist. Aufgabe 18 [Straffheit (tightness) von P ] [4 Punkte] Sei P eine Wahrscheinlichkeit auf (R, B(R)). Zeigen Sie: für jedes > 0 existiert eine kompakte Menge K ∈ B(R) derart, dass P [K] > 1 − . Diese Eigenschaft nennt man Straffheit; sie ist zentral wichtig in der höheren Wahrscheinlichkeitstheorie (sog. Satz von Prohorov). Frühjahrsemester 2012 Olivier Warin Seite 1 von 4 Übungsblatt 3 zur Vorlesung “Wahrscheinlichkeitstheorie” Seite 2 von 4 Übungsblatt 3 zur Vorlesung “Wahrscheinlichkeitstheorie” Olivier Warin 4. März 2012 Aufgabe 15 [elementare Eigenschaften von P ] Sei (Ω, A, P ) ein Wahrscheinlichkeitsraum und seien A und B Ereignisse aus A. Weiter sei (Ai )ni=1 eine endliche Folge von paarweise disjunkten Mengen aus A und sei (Bi )∞ i=1 eine unendliche Folge von Ereignissen aus A. Behauptung: Es gelten die folgenden Aussagen: a) Für die leere Menge ∅ gilt P [∅] = 0. b) Es gilt n X S P [ ni=1 Ai ] = P [Ai ]. (endliche Additivität) i=1 Daraus folgt auch das “Prinzip der Gegenwahrscheinlichkeit”: P [A] = 1 − P [Ac ]. c) Falls A ⊆ B, dann gilt P [B] = P [A] + P [B \ A]. Damit ist P insbesondere monoton in dem Sinne, dass aus A ⊆ B folgt P [A] 6 P [B]. d) Es gilt P [A ∪ B] = P [A] + P [B] − P [A ∩ B]. Damit ist P sogenannt (endlich) subadditiv: P [A ∪ B] 6 P [A] + P [B]. e) Es gilt ∞ X S P[ ∞ P [Bi ]. i=1 Bi ] 6 (Boolsche Ungleichung; subadditiv) i=1 Beweis: a) Die Folge (Ci )∞ i=1 , mit Ci = ∅ für alle i, ist klar paarweise disjunkt. Somit folgt mit Definition 1.7 c) ∞ ∞ X X S P [∅] = P [ ∞ P [Ci ] = P [∅]. i=1 Ci ] = i=1 i=1 Dies kann nur funktionieren, wenn P [∅] = 0. Denn andernfalls, d.h. wenn P [∅] > 0 würde auf der rechten Seite unendlich herauskommen und P [∅] = ∞ ist nicht erlaubt. b) Für jede natürliche Zahl i mit i > n definiere Ai = ∅. Da nun die (unendliche) Folge (Ai )∞ i=1 paarweise disjunkt ist, folgt mit Definition 1.7 c) ∞ n ∞ n X X X X S S P [ ni=1 Ai ] = P [ ∞ A ] = P [A ] = P [A ] + P [∅] = P [Ai ], i i i=1 i i=1 i=1 i=n+1 i=1 wobei wir beim letzten Gleichheitszeichen die Aussage aus Teil a) verwendet haben. Das Prinzip der Gegenwahrscheinlichkeit folgt sofort, da A ∪˙ Ac = Ω und P [Ω] = 1. c) Falls A ⊆ B können wir schreiben B = A ∪˙ (B \ A) (klar disjunkt). Es folgt sofort mit Teil b): P [B] = P [A ∪˙ (B \ A)] = P [A] + P [B \ A]. Frühjahrsemester 2012 Olivier Warin Seite 2 von 4 Übungsblatt 3 zur Vorlesung “Wahrscheinlichkeitstheorie” Seite 3 von 4 d) Es gilt offenbar A ⊆ A ∪ B und B ∩ Ac ⊆ B. Daraus folgt mit Teil c) P [A ∪ B] = P [A] + P [(A ∪ B) \ A] = P [A] + P [(A ∪ B) ∩ Ac ] = P [A] + P [(A ∩ Ac ) ∪ (B ∩ Ac )] = P [A] + P [B ∩ Ac ] = P [A] + P [B] − P [B \ (B ∩ Ac )]. Desweiteren gilt B \ (B ∩ Ac ) = B ∩ (B ∩ Ac )c = B ∩ (B c ∪ A) = A ∩ B, womit die gesuchte Aussage folgt. Mit Definition 1.7 a) folgt daraus sofort P [A ∪ B] 6 P [A] + P [B], da P [A ∩ B] > 0. e) Wir definieren eine neue Folge (Di )∞ i=1 durch D1 = B1 und für i > 1: Di = Bi ∩ (Di−1 ∪ · · · ∪ D1 )c . S∞ S∞ Die Folge (Di )∞ i=1 ist klar paarweise disjunkt und es gilt i=1 Di = i=1 Bi . Wir schliessen also mit Definition 1.7 c) P[ ∞ X S∞ B ] = P [ D ] = P [Di ]. i i i=1 i=1 S∞ i=1 Aufgrund der Konstruktion der Folge (Di )∞ i=1 ist ausserdem klar, dass für alle i gilt Di ⊆ Bi . Es folgt damit mit Teil c) ∞ ∞ X X S P [Bi ]. P [D ] 6 P[ ∞ B ] = i i=1 i i=1 i=1 Aufgabe 16 [Konvergenz von Mengen und Stetigkeit von P ] Für diese Aufgabe nehmen wir an, dass wir die Konvergenz einer Folge von Mengen wie folgt definieren: Die Folge (An )n∈N konvergiert gegen die Menge A := {ω | es gibt Nω ∈ N, so dass für alle n > Nω gilt ω ∈ An }. Bemerkung: Wie man sehr leicht einsehen kann, gilt A = lim inf n→∞ An . Nun wollen wir noch mit Hilfe eines Beispiels zeigen, dass mit dieser Definition von Konvergenz der Satz 1.10 (Stetigkeit von P ) falsch ist. Sei dazu Ω = {©} und ( Ω = {©}, falls n ungerade An = ∅, falls n gerade. Mit obiger Definition von Konvergenz gilt nun klar A = ∅, da für n gerade © 6∈ An . Desweiteren muss aufgrund von Definition 1.7 und Aufgabe 15 (bzw. Lemma 1.8) gelten ( 1, falls n ungerade P [An ] = 0, falls n gerade. Also konvergiert die Folge (P [An ])n∈N nicht und damit kann die Gleichung limn→∞ P [An ] = P [A] = 0 gar nicht stimmen. Bemerkung: Die Definition Ω = {©} war für dieses Beispiel natürlich nicht relevant. Aber da nach einem konkreten Beispiel gefragt war, haben wir hier auch Ω konkret angegeben. Aufgabe 17 [Linearkombinationen von Wahrscheinlichkeiten] Seien P1 und P2 zwei Wahrscheinlichkeiten auf (Ω, A) und sei α eine reelle Zahl mit 0 6 α 6 1. Behauptung: Die Funktion P : A → R, definiert durch P [A] = αP1 [A] + (1 − α)P2 [A] definiert auch eine Wahrscheinlichkeit. Frühjahrsemester 2012 Olivier Warin Seite 3 von 4 Übungsblatt 3 zur Vorlesung “Wahrscheinlichkeitstheorie” Seite 4 von 4 Beweis: • Sei A ∈ A. Nun ist nach Definition 1.7 a) und nach Voraussetzung P1 [A], P2 [A], α, 1−α > 0. Daraus folgt P [A] = αP1 [A] + (1 − α)P2 [A] > 0. • Es gilt nach Definition 1.7 b) P [Ω] = αP1 [Ω] + (1 − α)P2 [Ω] = α + (1 − α) = 1. • Es sei (Ai )i∈N eine Folge von disjunkten Mengen aus A. Mit Definition 1.7 c) folgt nun ∞ ∞ X X S S∞ S∞ P[ ∞ P1 [Ai ] + (1 − α) P2 [Ai ] i=1 Ai ] = αP1 [ i=1 Ai ] + (1 − α)P2 [ i=1 Ai ] = α i=1 = ∞ X i=1 (αP1 [Ai ] + (1 − α)P2 [Ai ]) = ∞ X i=1 P [Ai ]. i=1 Aufgabe 18 [Straffheit (tightness) von P ] Sei P eine Wahrscheinlichkeit auf (R, B(R)). Behauptung: Für jede reelle Zahl ε > 0 existiert eine kompakte Menge K ∈ B(R) derart, dass P [K] > 1 − ε. Beweis: Nach Satz 1.16 c) gilt limt→−∞ FP (t) = 0 und limt→∞ FP (t) = 1, wobei FP (t) = P [(−∞, t]]. Also gibt es sicher zwei reelle Zahlen T1 < T2 , so dass FP (T1 ) < ε/2 und FP (T2 ) > 1 − ε/2. Wir setzen nun K = [T1 , T2 ]. Damit folgt mit Aufgabe 15 (bzw. Lemma 1.8) P [K] = P [[T1 , T2 ]] > FP (T2 ) − FP (T1 ) > 1 − ε/2 − ε/2 = 1 − ε. Ausserdem ist K abgeschlossen und beschränkt, also nach Heine-Borel kompakt. Frühjahrsemester 2012 Olivier Warin Seite 4 von 4