1. Bedeutung von Magnesium

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Einführung
1. Bedeutung von Magnesium
Dr. C. Kammer, Goslar
1.1 Einführung
Nachdem es zeitweilig um das Metall Magnesium als Konstruktionswerkstoff sehr ruhig
geworden war, erlebt es seit ca. 15 Jahren eine umfassende Renaissance in den verschiedensten Gebieten. Abzusehen ist bereits jetzt, dass es sich hierbei nicht nur um eine Modeerscheinung handelt – vielmehr ist der Einsatz des leichten Werkstoffes auf
Grund der sich verschärfenden Umweltgesetzgebung ein Erfordernis.
Dies betrifft insbesondere den Verkehrssektor, der sowohl im Pkw-, Nutz- und Schienenfahrzeugbau eine Substitution des klassischen Konstruktionswerkstoffs Stahl durch
leichtere Materialien anstrebt, um die Umweltverträglichkeit des steigenden Individualverkehrs durch eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs zu gewährleisten und gesetzliche Auflagen zu erfüllen. Wenngleich sich – ebenfalls leichte – Aluminiumwerkstoffe für Bauteile in Fahrwerk, Motor und Getriebe sowie in der Karosserie in Form von
gewalztem und gepresstem Halbzeug sowie als Schmiede- und Formgussteile etablieren konnten, hofft die Industrie dennoch auf weitere Gewichtseinsparungen durch den
Einsatz von Magnesium. Hierfür sprechen gute Erfahrungen beim vielfältigen Einsatz in
den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts [1].
Doch auch die elektronische Industrie trägt, insbesondere in ihren asiatischen Hochburgen, zum Aufschwung des leichten Metalls bei. Beispielsweise wünschen Käufer von
Laptops, Kameras oder Mobiltelefonen für diese hochwertigen elektronischen Geräte
ein edles Aussehen und lehnen oftmals das – ebenfalls mögliche – Kunststoffgehäuse
als „billig“ ab. Hier liegen die Chancen für Magnesium, denn das Metall bietet die perfekt anmutende und dennoch leichtgewichtige Lösung, sowohl für Gehäuse als auch für
innenliegende Funktionsteile.
Hinzu kommen Anwendungen im Hand- und Heimwerkerbereich, bei denen ebenfalls
die Gewichtsersparnis sowie die Reduzierung bewegter Massen im Vordergrund stehen.
Magnesium kann bei all diesen Anwendungen gegenüber den Kunststoffen noch auf einen wichtigen Vorteil verweisen: Das Metall lässt sich recyclieren (s. Kap. 3).
Magnesium wird als Werkstoff auf Grund seiner eingeschränkten Kaltumformbarkeit
hauptsächlich als Gusswerkstoff (s. Kap. 12), insbesondere im Druckguss, eingesetzt
und zeichnet sich durch seine gute Gießbarkeit, eine schnelle Gussfolge und eine hohe
Lebensdauer der eingesetzten Gießformen aus. Es ist auch möglich, das Metall zu Blechen zu walzen oder im Strangpressverfahren zu verarbeiten (s. Kap. 11). Jedoch lässt
sich Magnesium auf Grund seines hexagonalen Gitters schlechter umformen als Aluminium.
Noch ist Magnesium – trotz der praktisch unbegrenzten Verfügbarkeit – ein Werkstoff,
dessen Anwendungsmöglichkeiten bei weitem nicht entfaltet sind.
1
Bedeutung von Magnesium
1.2 Magnesium in der Erde
Magnesium ist allgemein verbreitet, tritt jedoch in der Natur nicht gediegen auf. Es findet sich in Verbindungen wie Carbonaten, Silicaten und Sulfaten (Tafel 1.2.1; Bild
1.2.1). Am Aufbau der Erdrinde ist Magnesium mit 1,95 Gewichts-% beteiligt und ist somit das achthäufigste Element der Erdkruste. Nach Calcium ist Magnesium das zweithäufigste Erdalkalimetall (II. Hauptgruppe des Periodensystem der Elemente). In der
Häufigkeit der technisch wichtigen Metalle steht es an dritter Stelle nach Aluminium und
Eisen. Magnesiumanreicherungen bestehen vor allem in ultrabasischen Gesteinen
(SiO2-Gehalt unter 45%) [2 – 4, 19].
Tafel 1.2.1 Wichtige Magnesiumminerale [Zusammenstellung nach 5 – 7, 17, 19, 26]
Vorkommen z.B.1)
Mineral
Formel
Chemismus
Mg-Gehalt
Zusammensetzung
Farbe, Hinweise
Magnesit
Mg[CO3]
amorph und kristallin auftretend, weißlich grau bis bräunlich,
verschiedene Färbungen des Minerals durch Einlagerung von
Fe-, Mn-, Ca-Atomen
Verwendung als1)
Carbonate
Magnesiumcarbonat
theor.
für die Magnesiumgewinnung verarbeitungswürdige Qualitäten soll47,81 % MgO; ten folgende Zusammensetzung haben:
52,19% CO2 45 - 47 % MgO; 0,5 - 1,2% CaO; 0,1 - 0,15 % SiO2; 0,1 - 0,6% Fe2O3
+ Al2O3; 2 - 300 ppm Ni, 20 - 500 ppm Mn; 10 - 60 ppm B
Mg-Gehalt ca.
25 - 28 %
Zusammensetzung schwankend je nach Lagerstätte, z.B. [19, 27]:
2
Lagerstätte
MgO
CaO
CO2 +
H2O
Fe2O3 +
Al2O3
SiO2
Radenthein
(Österreich)
45,5
1,1
49,9
0,4
1,6
UdSSR/GUS
Ssatkinsk
45,5
1,0
50,9
1,5
1,0
Fitfield und
Attungen, (New
South Wales,
Australien)
41,8
1,9
53,2
0,7
2,4
Dairen – Mukden
(Mandschurei)
44,1
3,0
51,3
0,3
1,3
Argentil Co.
38,4
(Quebec, Kanada)
9,5
49,4
1,0
1,7
Euböa,
Chalkchidike
(Griechenland)
46,3
0,7
51,1
0,4
1,4
Washington
(USA)
43,5
1,0
52,5
1,5
1,5
Salem
(Madras, Indien)
47,7
51,7
0,3
0,6
zur Herstellung von hoch
feuerfesten Ofengesteinen
(Sintermagnesit MgO),
Isolationsmasse für Leichtbauplatten, Anwendung
auch in Papier-, Glas- und
keramischer Industrie,
Ausgangsstoff für die
Magnesiumgewinnung
Magnesium in der Erde
Tafel 1.2.1 Fortsetzung
Mineral
Formel
Chemismus
Mg-Gehalt
Dolomit
(Bitterspat)
CaMg[CO3]2
Zusammensetzung
Vorkommen z.B.1)
Farbe, Hinweise
theor. 30,41% CaO; 21,86% MgO: 47,73% CO2, Farbe weiß
je nach Lagerstätte Unterschiede in der Zusammensetzung,
Doppelsalz von Angaben in % [1, 17, 19, 27]:
Ca[CO3] und
Fe2O3 +
Lagerstätte
MgO
CaO
CO2
Mg[CO3] = 1:1
Al2O3
30,4
21,2
1,3
ca. 12 – 13 % Marignac
(Frankreich)
32 34
19 - 20
0,2 - 0,4 0,3 - 0,5
0,2 - 0,4
Addy
(Washington)
30 31,5
20 –
21,8
1,5
1,5
Haley (Kanada)
30,7
21,3
0,15
0,1
0,15
Tochigi (Japan)
35,1
17,4
0,15
0,5
0,15
Scharzfeld
(Südharz)
39,3
59,4
0,5
UdSSR/GUS
Ssatkinsk
21,2 21,7
30,7 30,8
Dolomiten
(Gr. Zinne)
20,9
30,7
Stolberg
(Rheinland)
38,7
55,8
0,6
0,1
SiO2
Sorfold
(Norwegen)
Mg-Gehalt
Verwendung als1)
bildet ganze Gebirgszüge, z.B. in den Alpen,
aber auch in den meisten anderen Gebirgen
als Gang- und Hohlraumfüllung
1,3
0,6
0,7 - 1,5
0,2 - 0,6
0,6
0,7
3,5
2,0
weitere Lagerstätten
s. nebenstehende
Angaben
Nutzung zum Auskleiden
von Schmelz- und
Brennöfen, Düngemittel,
Erzeugung von Magnesiumsalzen, Ausgangsstoff für die Magnesiumgewinnung
Hydroxide
Brucit
theor. 69%
Mg(OH)2
Mg-Gehalt ca. MgO
37 - 40%
Magnesiumhydroxid, farblos, Bazenovo (Ural,
weiß oder grünlich
Russland), Asbestos
(Quebec, Kanada)
Carnallit
KMgCl3 · 6 H2O
entsprechend
KCl -MgCl2 ·
6 H2O
Mg-Gehalt ca.
7 - 8%
selten weiß oder farblos,
meist gelb, rot, braun – Mg
kann durch Fe ersetzt
werden, dadurch
charakteristische
Rotbraunfärbung,
in großen Mengen
in deutschen Salzlagerstätten, in anderen
Ländern seltener;
Vorkommen z.B.
auch in Tunesien
und in Russland
Bischofit
MgCl2 · 6 H2O Chloride
Mg-Gehalt ca.
11%
farblos, zerfließlich
auch in deutschen Salzlagerstätten (Staßfurt,
Vienenburg), große Vorkommen in der PrikaspiSenke (Russland)
Tachydrit
Chloride
2 MgCl2 ·
CaCl2 · 12 H2O
Mg-Gehalt ca.
9,5%
wachs- oder honiggelb,
mitunter auch farblos,
sehr zerfließlich
in carnallitischen
Kalisalzen, große
Vorkommen in
Brasilien
Ausgangsstoff für die
Magnesiumgewinnung,
Reinigungsmittel von
Kohlenwasserstoffen
Halogenide
Chloride: theor.
14,1% K, 8,7%
Mg, 38,3% Cl,
38,9% H2O
stark hygroskopisch
zur Herstellung von Kalidüngemitteln, mitunter
auch zur Gewinnung von
Magnesium und Brom
3
Physikalische Eigenschaften
4. Eigenschaften von reinem Magnesium
Dr. C. Kammer, Goslar
Reines Magnesium hat auf Grund seiner geringen Härte und Festigkeit nur geringe technische Bedeutung. In der Regel wird es in Form von Legierungen weiterverarbeitet (s.
Kap. 8).
Das reine Magnesium hat Bedeutung als Reduktionsmittel bei der Herstellung anderer
Metalle – beispielsweise Uran, Zirconium, Kupfer, Nickel, Chrom oder Titan (s. Kap. 4.3
und 16.14). Außerdem kann die Reinform auf Grund des bei seiner Verbrennung entstehenden sehr hellen Lichts (s. Kap. 4.3) in der Pyrotechnik als Zusatz in Feuerwerkskörpern, Leuchtkugeln und in Blitzlichtern dienen (s. Kap. 16.4).
Als Reinmagnesium werden gemäß DIN EN 12421 (01/98) alle Magnesiumlegierungen
mit einem Massenanteil von mindestens 99,0% Magnesium bezeichnet. Dies entspricht
einer technischen Reinheit und somit streng genommen bereits einer Legierung.
Die nachfolgenden Angaben beziehen sich demgegenüber auf hochreines Magnesium
(Gehalt mindestens 99,99% Magnesium).
4.1 Physikalische Eigenschaften
Magnesium ist ein relativ weiches metallisches Element aus der 2. Hauptgruppe des
Periodensystems (Erdalkalimetall). Mit seiner Ordnungszahl 12 steht es in der
3. Periode. In seinem Aussehen ist es dem Silber ähnlich, jedoch wird die glänzende
Oberfläche an der Luft durch Oxidation schnell matt.
Magnesium kristallisiert in hexagonal dichtester Kugelpackung (hdp-Gitter, Bilder 4.1.1
bis 4.1.4). Es treten keine Modifikationswechsel auf. Gerade diese Kristallstruktur ist die
Hauptursache für einige unvorteilhafte Eigenschaften des Magnesiums, insbesondere
das schlechte Umformverhalten (Kap. 11.3). Zudem macht sich bei vielen Eigenschaftswerten für den Einkristall eine deutliche Anisotropie bemerkbar, auf die in den nachfolgenden Abschnitten ggf. hingewiesen wird.
Tafel 4.1.1 enthält eine Zusammenstellung wichtiger Kennwerte des Leichtmetalls. Eine
Reihe der Daten sind unveränderlich (z.B. die relative Atommasse), andere sind von den
Umgebungsbedingungen, insbesondere der Temperatur abhängig (z.B. die Dichte), wieder andere reagieren empfindlich auf Beimengungen oder Gefügeänderungen (z.B. die
elektrische Leitfähigkeit). Soweit diese Abhängigkeiten von praktischer Bedeutung sind,
wird in den folgenden Kapiteln darauf eingegangen.
77
Eigenschaften von reinem Magnesium
Bild 4.1.1
hexagonale Elementarzelle
Bild 4.1.3 Stapelfolge im hdp-Gitter
Bild 4.1.2
Atombesetzung in hexagonal
dichtester Kugelpackung
Bild 4.1.4 hdp-Gitter, Kugelmodell
Tafel 4.1.1 (Physikalische Eigenschaften von Magnesium, Reinstmagnesium Mg 99,99%, bei
20°C, wenn nicht anders angegeben)
Eigenschaft
Chemisches Symbol
Einheit
Hauptgruppe
II; Erdalkalimetalle
Ordnungszahl
12
Elektronenkonfiguration
Schalen nach Bohr
K = 2eL = 8eM = 2e-
relative Atommasse
24,305
Orbital
1s2 2s2 2p6 3s2
Molare Masse
24,305
g/mol
Dichte
1,74
g/cm3
Gitterstruktur
hdp
78
Anmerkungen, Quelle
Mg
s. auch 4.1.1
keine Modifikationswechsel
Physikalische Eigenschaften
Tafel 4.1.1 Fortsetzung
Eigenschaft
Einheit
Anmerkungen, Quelle
Strukturtyp
A3
keine Modifikationswechsel
Gitterparameter
a = 0,3203
c = 0,5199
Achsenverhältnis c/a
1,624
Stapelfehlerenergie
10
J/cm2
[8] Vitek 1991
Hall-Petch-Koeffizient ky
280
MPa√m
[8] Courtney 1990
E-Modul, polykristallin
44,8
GPa
aus [9], s. auch 4.1.4
Schubmodul
16,6
GPa
[9]
Querkontraktionszahl
(Poissonsche Zahl)
0,35
nm
[5, 23]
in [3, 6 und 8]
a = 0,32095 nm
c = 0,52107 nm
[5], in [8] 1,6236
[8]
in [12] 0,33
Oberflächenspannung bei 20°C
563
mN/m (= dyn/cm)
[5]
Schmelzpunkt
650°C (± 0,5°C [8])
°C
in [3] 648.8°C
Siedepunkt
1090°C
°C
[5] 1103 °C
[7] 1097 °C
Spezifische Wärmekapazität
bei 20°C
1,025
kJ/kgK
[5, 22]
Schmelzwärme
8,954
kJ/mol
in [6] 8,8 kJ/mol
spezifische
Schmelzwärme
382
kJ/kg bzw. J/g
[10], in [5] 386 J/g
in [9] 368 J/g
spezifische Verdampfungswärme
127,40
5,272
kJ/mol
kJ/kg
[3], in [6] 128 kJ/mol
[5, 9]
Sublimationswärme
6109
kJ/kg
[5]
Wärmeleitfähigkeit
1,56
W/cmK
[3], in [9] 1,55 W/cmK
K-1
[3], s. auch 4.1.2
[8]
Wärmeausdehnungskoeffizient
24,8 ·
10-6
Wärmeleitzahl bei 27°C
0,874
cm2/s
Viskosität der Schmelze
1,25
mPa · s
[5] in Kap, 3.3.4 Angabe 1,1
mPa · s
lineare Schwindung
zwischen 650 °C auf 20 °C
1,8 bis 2
%
alle
Volumenabnahme beim
3,97 - 4,2
Übergang flüssig/fest (Schwindung)
%
alle
Reaktionswärme bei der Reaktion
von Magnesium mit Sauerstoff bei
2900 K, 101,3 kPa
19,027
28,912
kJ/kg Metall
kJ/kg Sauerstoff
[9]
[9]
Flammentemperatur in
Luft (theoretisch)
2820
°C
[9]
Kritische Temperatur
(berechnet)
1867
°C
[9]
Schallgeschwindigkeit
4800
m/s
[12]
79
Magnesiumlegierungen
6. Phasendiagramme von Magnesiumlegierungen
Prof. Dr. R. Schmidt Fetzner, Institut für Metallurgie, TU Clausthal
6.1 Magnesiumlegierungen
Die Eigenschaften der Magnesiumlegierungen werden durch
(1) die chemische Zusammensetzung und
(2) die Herstellungsbedingungen
geprägt. Hierzu können Phasendiagramme wertvolle Informationen liefern. Die Zusammensetzung lässt sich meist unmittelbar im Phasendiagramm finden. Der Einfluss der
Herstellungsbedingungen verlangt jedoch zusätzliche Interpretationen oder Informationen. Darauf wird in den folgenden Kapiteln noch näher eingegangen.
Bei der chemischen Zusammensetzung sind Legierungselemente und Verunreinigungen zu berücksichtigen. Obwohl es noch keinen verbindlichen internationalen Standard
für die Bezeichnung der Magnesiumlegierungen gibt, wird die Kennzeichnung der ASTM
(American Society for Testing and Materials) immer stärker akzeptiert (s. auch Kap.
7.1.2 und Tafel 18.16). Danach werden die beiden Hauptlegierungselemente in der Reihenfolge absteigenden Gehalts durch je einen Buchstaben kodiert. Es folgen zwei Ziffern, die gerundet den Massengehalt dieser Elemente angeben und eventuell noch ein
weiterer Buchstabe (A, B, C, ..), der Legierungen mit gleicher Nominalzusammensetzung unterscheidet. Zum Beispiel ist AZ91C eine Magnesiumlegierung mit etwa 9
Masse-% Al und 1 Masse-% Zn und sie ist die dritte registrierte Legierung mit dieser Zusammensetzung. Der Buchstabencode für die Hauptlegierungselemente ist in Tafel
6.1.1 zusammengestellt (Eine Zusammenstellung aller nach ASTM möglichen Buchstabencodes enthält Tafel 7.1.7).
Tafel 6.1.1 ASTM-Buchstabencode für die Hauptlegierungselemente in Magnesium
ASTM Code
Legierungselement
A
Al, Aluminium
C
Cu, Kupfer
E
SE = Seltene Erden, oder RE = Rare
Earths:
Ce, Cer
La, Lanthan
Nd, Neodym
Pr, Praesodym
usw. (Gd, Sm, Yb,...)
Di =“Didymium“ (Mischung Nd+Pr+...)
H
Th, Thorium (radioaktiv)
K
Zr, Zirconium
M
Mn, Mangan
Q
Ag, Silber
S
Si, Silicium
W
Y, Yttrium
Z
Zn, Zink
107
Phasendiagramme von Magnesiumlegierungen
Die wichtigsten Legierungselemente (s. auch Kap. 8.1.1, insbesondere Tafel 8.1.1) in
kommerziellen Mg-Legierungen sind Aluminium, Mangan und Zink, sowie das stark
kornfeinende Zirconium. Ferner sind Silicium, Silber und Kupfer erwähnenswert. Yttrium
und die Seltenen Erden sind vor allem in Hochleistungslegierungen vertreten (s. auch
Kap 9.3.2.3). Hier ist in den neu entwickelten Legierungen auch das Scandium (Sc)
wichtig, das im Periodensystem der Elemente in der gleichen Gruppe wie Y und die SE
steht. Bei den neuen dichtereduzierten und korrosionsbeständigeren Legierungen sind
das Lithium (Li, s. auch Kap. 15.1) und das Calcium (Ca) zu nennen. In älteren Legierungen ist zum Teil Thorium (Th) enthalten, das wegen seiner Radioaktivität aber wohl
keine Zukunft hat. Bei den Verunreinigungen sind Eisen (Fe), teilweise auch Nickel (Ni),
sowie der durch Feuchte eingetragene Wasserstoff (H) wichtig.
Die wichtigsten Herstellungsbedingungen können in der ASTM-Bezeichnung durch einen angehängten Buchstaben erkannt werden (s. Kap. 7.2 und Tafel 18.18). Bei Temperbehandlungen (T) wird eine weitere Ziffer angehängt. Die wichtigsten Kennzeichen
sind:
F
T4
T5
T6
Ausgangszustand (as-Fabricated)
Lösungsgeglüht (stabile Temperung, sonst W)
Warmausgelagert
Lösungsgeglüht und warmausgelagert
(Eine Übersicht aller Kennzeichnungen für den Werkstoffzustand enthält Tafel 7.2.1)
So bedeutet AE42-F eine Mg-Legierung mit 4 Masse-% Al und 2,5 Masse-% SE im Gusszustand. Die Temperaturbereiche für Temperbehandlungen, die im Phasendiagramm zugeordnet werden können, sind je nach Legierung unterschiedlich. Bei einer Reihe kommerzieller Legierungen [1] liegen die Temperaturen für T5 zwischen 150°C und 330°C.
Für das Lösungsglühen (T4 und 1. Schritt T6) liegen sie zwischen 385°C und 525°C, das
anschließende Auslagern bei T6 erfolgt zwischen 130°C und 250°C (s. dazu auch Tafel
18.19). Meistens soll eine Temperaturgenauigkeit von ±6°C eingestellt werden. Die angegebenen Zeiten für jeden Einzelschritt liegen zwischen 2 und 48 Stunden.
6.2. Bedeutung und Anwendung des Phasendiagramms
6.2.1 Bedeutung
Phasendiagramme werden auch Zustandsdiagramme oder Konstitutionsdiagramme genannt, weil in ihnen der Zustand oder die Konstitution des Systems (der Legierung) in Abhängigkeit von den Zustandsvariablen (Zusammensetzung, Temperatur,
Druck) abgelesen werden kann. Als Randbedingung gilt dabei das thermodynamische
(thermochemische) Gleichgewicht des Systems. Nur unter dieser Randbedingung ergibt sich für jeden Zustandspunkt (Satz festgelegter Zustandsvariabler) eine eindeutige
Aussage. Die Achsen eines Phasendiagramms sind immer Zustandsvariable, für mögliche weitere Zustandsvariable sind Werte vorgegeben.
Das besondere an einem Phasendiagramm ist also, dass in ihm nicht nur die Linien eine Bedeutung haben. Jeder einzelne Punkt auf der Diagrammfläche stellt einen festen
Zustandspunkt dar, dem eine Konstitution des Systems zugeordnet ist. Diese Konstitution sagt folgendes aus:
108
Bedeutung und Anwendung des Phasendiagramms
(1) Wieviele und welche Phasen treten auf ?
(2) Welche Zusammensetzung hat jede einzelne Phase ?
(3) Welchen Mengenanteil hat jede Phase ?
Wichtige Phasen sind Liquid (Schmelze), feste Phasen (wobei jede verschiedene Kristallstruktur immer eine neue Phase bedeutet) und die Gasphase. So stellt der Magnesium-Mischkristall eine einheitliche Phase mit variabler Zusammensetzung dar. Er wird
durch runde Klammern (Mg) bezeichnet, um ihn von der elementaren Komponente Mg
zu unterscheiden. Aus dem Mischkristall (Mg) werden bei Überschreiten der Löslichkeit
der zugesetzten Komponenten andere Phasen ausgeschiedenen (oft Verbindungen),
die eine sprungartig andere Zusammensetzung aufweisen.
In jedem Phasendiagramm erkennt man Flächen und Linien. Innerhalb einer Fläche
(Phasenfeld) sind Zahl und Art der Phasen gleich, während deren Zusammensetzungen
und Mengenanteile variieren können. Eine Linie trennt zwei Phasenfelder und beim
Überschreiten der Linie kommt genau eine Phase hinzu oder es verschwindet genau eine Phase. Aufzupassen ist bei einer nonvarianten Linie (z.B. Mg-Al Eutektikum bei
436°C), die wie ein entartetes Phasenfeld zu sehen ist; die zusätzliche Phase ist dort nur
direkt auf der Linie vorhanden. Ähnliches gilt für Phasen mit sehr kleiner Löslichkeit (z.B.
stöchiometrische Verbindungen, AgMg4), wo das Einphasenfeld zu einem Strich entartet.
In jedem Phasendiagramm kann man also zur Konstitution den Punkt (1), Anzahl und
Typen der Phasen, direkt ablesen. In den binären Diagrammen (z.B. Bilder 6.3.1 bis
6.3.19) sowie in ternären isothermen Schnitten (z.B. Bild 6.4.1) lassen sich darüber hinaus die Zusammensetzung(en) der Phase(n) und - mit dem Hebelgesetz – auch deren Mengenanteile bestimmen. Am Beispiel des Mg-Al Systems wird dies im Abschnitt
6.3.2 vorgeführt. Bei anderen Phasendiagrammen, etwa einem T-x Schnitt im ternären
System (z.B. Bild 6.4.3) ist dies generell nicht möglich. Hier werden diese Zusatzinformationen am leichtesten lesbar durch eine thermodynamische Berechnung des Phasendiagramms bereitgestellt, zum Beispiel in Bild 6.5.2 Dieses Bild ist kein Phasendiagramm, es stellt nur als Eigenschaftsdiagramm die Mengenanteile der Phasen für eine
bestimmte Legierung bei vorgegebener Temperatur dar.
6.2.2
Anwendung
Die Anwendung der Phasendiagramme ist mit den Herstellungsbedingungen oder den
Bedingungen im Einsatz des Werkstoffs verknüpft. Die Aussage des Phasendiagramms
kann immer dann sinnvoll übertragen werden, wenn gleichgewichtsnahe Verhältnisse
eingestellt werden. Dies ist oft für das Gesamtsystem der Fall (z.B. Lösungsglühen,
Schmelze/Tiegel-Reaktion). Fast immer kann man jedoch zumindest von lokalen Gleichgewichten ausgehen und das Phasendiagramm dort anwenden (z.B. an der Phasengrenze Flüssig/Fest bei der Erstarrung). Die folgenden Beispiele für die Anwendung von
Phasendiagrammen werden in den in Klammern angegebenen Abschnitten näher ausgeführt:
–
Reaktion zwischen Schmelze und Tiegel (Mg-Fe, Bild 6.3.8)
–
Die Liquidustemperatur der Legierung als Mindesttemperatur im Schmelzprozess
(Mg-Al-Sc, Bild 6.4.9)
109
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