BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 2. Einführung in die Festkörper-Elektronik 2.1 Energiebänder, Bandlücke Im Physik-Unterricht oder in grundlegenden Vorlesungen hat man (hoffentlich) gelernt, dass alle Materie aus Atomen aufgebaut ist (die Ausnahmen der Astro-Physiker und der Teilchenphysiker können wir hier mal vergessen). Kern Elektronen Abb. 2.1: Atomkern und Elektronenbahnen Wichtig ist dabei, dass die Elektronen sich dabei stets auf bestimmten Bahnen bewegen. Dabei hat ein Elektron auf einer zulässigen Bahn stets einen bestimmten Wert an potentieller Energie gegenüber dem Kern. Dieser Energiewert kann sich durch Aufnahme oder Abgabe von Energie ändern, dann ergibt sich auch eine andere Bahn mit einem anderen Abstand vom Kern. Es sind aber für jedes Elektron im Verbund eines Atoms nur bestimmte diskrete Energiewerte zulässig. Die verschiedenen Elemente des periodischen Systems haben zwischen 1 (beim Wasserstoff) und 92 (beim Uran) Elektronen. Diese Elektronen werden bestimmten Energiebereichen, sogenannten Schalen, zugeordnet. Von den verschiedenen Schalen tritt stets nur die äußerste direkt mit der Umwelt in Wechselwirkung, zum Beispiel durch die Fähigkeit, mit anderen Atomen eine chemische Bindung einzugehen. In technischen Materialien sind natürlich auch die energetischen Verhältnisse stets um ein Vielfaches komplexer als im einzelnen Wasserstoff-Atom. Atom ElektronenpaarBindung Abb. 2.2: Flächig dargestelltes Kristallgitter im Festkörper mit Elektronenpaar-Bindungen zwischen den Atomen Abb. 2.2 zeigt flächig dargestellt die Struktur eines regelmäßig aufgebauten Festkörpers, der aus einem sogenannten "Kristallgitter" von Atomen eines Elementes besteht. Neben solchen "kristallinen" Stoffen gibt es auch amorphe Materialien (z. B. viele Kunststoffe), die einen unregelmäßigen Aufbau besitzen. In der Regel sind Metalle und viele Mineralien und Salze Bildner von Kristallgittern. 1 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Zusammengehalten wird das Kristallgitter durch sogenannte Elektronenpaar-Bindungen zwischen den Atomen. Dabei gehören dann jeweils 2 Elektronen zwei Atomen "gemeinsam". An dieser Bindung nehmen nur die Atome aus der äußersten Schale teil. Durch diese Wechselwirkung ergibt sich, energetisch gesehen, nun ein ganz andere Schema von "erlaubten" und "nicht erlaubten" Elektronen-Energien. Elektronenenergie freie Elektronen Leitungsband Bandlücke Fermi level (bandgap) k Valenzband Abb. 2.3: Bandstruktur im Festkörper mit Bandlücke und Fermi-Energie Die "erlaubten" Zustände konzentrieren sich nun in sogenannten "Energiebändern". Statt diskreter Energie-Werte wie beim Einzelatom sind die nun energetische Bereiche endlicher Breite. Die Elektronen, welche an der chemischen Bindung beteiligt sind, haben relativ niedrige Energiewerte und gehören zum sogenannten "Valenzband". Es ist aber auch möglich, dass einzelne Elektronen höhere Energien annehmen. Sie sind dann im Kristall quasi- frei beweglich. Solche Elektronen stehen für die elektrische Leitung, also den Stromtransport zur Verfügung. Dies ist insbesondere bei Metallen der Fall. Das Energieband-Diagramm ist in der oben angegebenen Form grob vereinfachend. Die horizontale Achse kann als Koordinate im Kristall gedeutet werden, wobei die Lage der Bandgrenzen oft ortsabhängig ist (meist wird die Wellenzahl k der Elektronenwelle als ein Parameter horizontal aufgetragen). Die in Kristallen organisierten Stoffe unterscheiden sich wesentlich durch die Art und die Größe des verbotenen Bereichs zwischen Leitungsband und Valenzband, die sogenannte Bandlücke ("bandgap"). Einen weiteren bestimmenden Einfluss hat die sogenannte "Fermi-Energie". Was das ist, sollte man aus der Thermodynamik kennen: Wir nehmen an, dass ein Stoff bis auf die Temperatur des absoluten Nullpunkts (bei -273 Grad Celsius) abgekühlt ist. Energetisch bedeutet dies, dass alle Elektronen die niedrigsten möglichen Energiewerte einnehmen. Der oberste mögliche Energiewert dabei ist die Fermi-Energie. Liegt dieser Energiewert in der verbotenen Zone, so bedeutet dies, dass alle tatsächlich besetzten Energiewerte zum Valenzband gehören. Der Stoff hat also keine Elektronen für die Leitung frei, er ist ein Nichtleiter oder "Isolator". Wie sich der Stoff bei höheren Temperaturen verhält, hängt dann von der Breite der Bandlücke ab. Eine Temperatur des Stoffes oberhalb des absoluten Nullpunktes bedeutet, dass dann mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch energetische Zustände oberhalb der Bandlücke besetzt werden können. 2 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elektron ins Leitungsband gelangen kann, ist abhängig von - der Größe der Bandlücke, ist also bei einer kleinen Bandlücke höher als bei einer weiten, - ist abhängig von der Temperatur, die Wahrscheinlichkeit der Besetzung eines höheren Energiewertes nimmt exponentiell mit der Temperatur zu. Selbst manche Stoffe, die bei niedrigsten Temperaturen als Isolatoren wirken, sind also bei ausreichend hoher Temperatur "eigenleitend". 2.2 Leiter, Halbleiter, Isolatoren Technische Isolatoren (sofern es sich nicht um amorphe Stoffe handelt) sind also solche, bei denen die Bandlücke so groß ist, dass bei "normalen" Temperaturen keine technisch wesentliche Eigenleitung auftritt. Ein bei 0 Grad Celsius "ziemlich" gut isolierender Stoff, der bei 100 Grad Celsius infolge Eigenleitung schwach leitend wird, wäre ein "schlechter" Isolator. Technisch kann man die meisten Stoffe wie folgt klassifizieren: "Leiter", und das sind im wesentlichen Metalle, besitzen eine Überlappung zwischen Valenz- und Leitungsband und/oder das Fermi-Niveau liegt innerhalb des Leitungsbandes. Damit sind solche Materialien nicht nur bei niedrigsten Temperaturen bereits leitend, sie leiten dort sogar besonders gut, weil die Bewegung der Elektronen durch die bei höheren Temperaturen auch vorhandenen Eigenschwingungen der Kerne am wenigsten gestört werden. "Isolatoren" sind Stoffe, deren Bandabstand so groß ist, dass in der Regel eine messbare Eigenleitung unterhalb des Schmelzpunktes des Stoffes nicht auftritt. "Halbleiter" sind Stoffe, die beim absoluten Nullpunkt Isolatoren darstellen, deren Bandabstand aber so klein ist, dass bei höheren Temperaturen eine messbare Eigenleitung auftritt. Zur Gruppe der Halbleiter gehören die Elemente Germanium (Ge) und Silizium (Si), aber auch Verbindungen wie Gallium-Arsenid (GaAs), Indium-Phosphid (InP). Man unterscheidet entsprechend zwischen Elementhalbleitern und Verbindungshalbleitern. Element-Halbleiter bestehen (bis auf Verschmutzungen) nur aus Atomen eines Elementes. Bei Verbindungshalbleitern ergibt sich diese Eigenschaft erst durch die chemische Verbindung zweier (oder mehrerer) Stoffe ein einem Kristallgitter. Es gibt sogar recht häufig Verbindungen aus drei Elementen wie das technische wichtige GaAlAs (Gallium-Aluminium-Arsenid). Man kann sogar durch die Substitution von Gallium im Gallium-Arsenid (Ga As) durch Aluminium die Eigenschaften des Stoffes, insbesondere die Größe der Bandlücke, ganz gezielt beeinflussen. Diese Kunst nennt man heute auch „Bandgap Engineering“. Die Elementhalbleiter kommen aus der vierten Hauptgruppe des periodischen Systems der Elemente. (Dazu gehört auch der Kohlenstoff, dessen Kristallisationsform (Modifikation) "Diamant" in reinster Form ein sehr guter Isolator ist, aber eigentlich ein Halbleiter mit sehr großem Bandabstand. Man kann ihn aber auch gezielte "Verschmutzung" leitend machen. In diesem Sinne ist er ein Halbleiter mit einigen hervorragenden technischen Eigenschaften). Die Verbindungshalbleiter bestehen jeweils aus Stoffen der dritten und der fünften Hauptgruppe des Periodensystem (III-V-Halbleiter) oder, in einigen Fällen, auch aus Verbindungen zwischen Elementen der 2. und der 6. Hauptgruppe (II-VI-Halbleiter). Die Nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über den spezifischen elektrischen Widerstand verschiedener Materialien: 3 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Tabelle 2.1: Spezifischer Widerstand verschiedener Stoffe Material Spez. Widerstand in Ohm pro m bei 300 K Metalle Silber (Ag) Aluminium (Al) Kupfer (Cu) Eisen (Fe) 1,5 * 10 ** -9 2,66 * 10 ** -8 1,67 * 10 ** -8 9,7 * 10 ** -8 Halbleiter Germanium (Ge) Silizium (Si) Gallium-Arsenid (GaAs) 0,53 2,3 * 10 ** 3 1,0 * 10 ** 6 Isolatoren Glimmer Quarz (SiO2) Diamant (C) 9 * 10 ** 14 3 * 10 ** 14 1 * 10 ** 14 Die elektrische Leitfähigkeit unterscheidet sich also um 23 Größenordnungen! Dass Silizium ein besonderes Material ist, zeigt sich schon wesentlich hier: Es gibt keinen anderen technisch brauchbaren Halbleiter, dessen eigene Verbindung mit Sauerstoff (Oxid) einen hervorragenden Isolator erzeugt! Ausschlaggebend für die elektrische Leitfähigkeit sind sowohl die Anzahl der im Material vorhandenen Ladungsträger als auch ein anderer Faktor, die sogenannte "Beweglichkeit" der Ladungsträger. Man kann sie makroskopisch mit der "Reibung" der Elektronen an den Atomen des Kristallgitters erklären. Halbleiter untereinander unterscheiden sich in vielen Faktoren, dabei sind der Bandabstand und die Beweglichkeit der Elektronen im Kristallgitter technisch wichtig. Es gibt aber noch weitere Eigenschaften. 2.3 Paarbildung und Rekombination Wir haben bereits kennengelernt, dass der Bandabstand ein wesentliches Merkmal eines Halbleiters ist. Es gibt aber noch weitere Eigenschaften, die für seine technische Verwendbarkeit von entscheidender Bedeutung sind. Um diese verstehen zu können, müssen wir noch etwas Physik treiben. Wir haben gelernt, dass durch Zufuhr von Wärmeenergie zum Kristallgitter Elektronen potentielle Energie aufnehmen und dann vom Valenzband in das Leitungsband wechseln können und dann zur Eigenleitung des Materials beitragen. Ein solches „quasi-freies“ Elektron gehört dann dem Festkörper-Verband insgesamt an und ist nicht mehr an ein bestimmtes Atom gebunden. Um das Elektron dann aus dem Kristall-Verbund ganz herauszulösen, würde nochmals eine hohe Energiemenge, die sogenannte Austrittsarbeit, aufzuwenden sein. Energie Bewegliche Ladungsträger Energie Elektron (negativ) Leitungsband Bandlücke Ef Defekt-Elektron (Loch) (positiv) Valenzband Grundzustand Angeregter Zustand Abb. 2.4: Paarbildung im Halbleiter 4 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Man nennt diesen Vorgang "Paarbildung", weil sich nämlich mit dem Wechsel eines Elektrons ins Leitungsband im Valenzband ein unbesetzter Zustand ergibt, gleichsam eine fehlende negative Ladung. In dieses "Loch" können umliegende Elektronen des Valenzbandes hineinspringen, damit verhält sich ein solches "Defektelektron" oder "Loch" wie ein beweglicher positiver Ladungsträger. Auch in den Kristall eingestrahltes Licht kann bei Halbleiter-Materialien eine Paarbildung bewirken, darauf beruht die Wirkung von Solarzellen. Im Unterschied zum Metall, wo stets nur eine Sorte (negativer) Ladungsträger auftritt, sind also im Halbleiter negative und "virtuelle" positive Ladungsträger möglich. Die im Halbleiter vorhandene Konzentration von beweglichen negativen Ladungsträgern (Elektronen) wird auch als "n" bezeichnet. Sie ist stark von der Temperatur abhängig. Es gilt : n = 2(2πmn*kT/h2)3/2 e** - (EF-EC)/kT mn* ist dabei die sogenannte "effektive Masse" des Elektrons im Leitungsband, k Boltzmann-Konstante, T die absolute Temperatur in Kelvin, EF die Fermi-Energie und Energie der unteren Kante des Leitungsbandes. h ist eine weitere wichtige Konstante der das sogenannte Planck'sche Wirkungsquantum oder die Planck-Konstante. ist die EC die Physik, Eine entsprechende Gesetzmäßigkeit kann man auch für die Löcher-Konzentration aufstellen: p = 2(2πmp*kT/h2)3/2 e**-(EF-Ev)/kT Diese Formeln gelten jeweils für einen Halbleiter im Gleichgewicht, also ohne ortsabhängige Änderung der Ladungen durch äußere Einflüsse. Die resultierende Leitfähigkeit des Stoffes ist gegeben durch die Formel: σ = n q µn + p q µp Dabei sind n und p die Ladungsträger-Konzentrationen, q ist die Elementarladung, µn und µp sind die Beweglichkeiten der jeweiligen Ladungsträger. Hier ist der Unterschied zwischen Metallen und Halbleitern interessant: Metalle haben eine hohe Leitfähigkeit wegen der sehr hohen Zahl der quasi-freien Ladungsträger (dort immer Elektronen). Dagegen ist deren Beweglichkeit relativ gering. Im Halbleiter ist die Anzahl der quasi-freien Ladungsträger (Löcher oder Elektronen) sehr viel geringer, aber sie haben eine vergleichsweise viel höhere Beweglichkeit. Dadurch ist auch erklärbar, weshalb Metalle bei niedrigen Temperaturen besser leiten: Da bei niedrigen Temperaturen wie Eigenschwingungen der Atome im Kristallgitter geringer sind, wird die Elektronenbewegung weniger gestört, die Beweglichkeit nimmt zu. Damit sind Metalle potentielle „Kaltleiter“ (ohne das ganz anders geartete Phänomen der Supraleitung zu berücksichtigen). Bei Halbleitern nimmt die Zahl der Ladungsträger mit der Temperatur exponentiell zu, sie sind also eher „Heißleiter“. Bei einem Halbleiter ohne "verschmutzende" Fremdatome kommt auf jedes Elektron im Leitungsband ein Defektelektron oder Loch im Valenzband. Es gilt also stets für den "reinen" Halbleiter : n=p 5 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Multipliziert man p und n, so ergibt sich das Quadrat der sogenannten "Eigenleitungsdichte" ni: 2π (mp* mn*)1/2kT n * p = ni2 = 4 [ ---------------------------] 3 e - Eg/kT h2 Dabei ist Eg die Breite der Bandlücke. Die Eigenleitungsdichte ni ist für jeden Halbleiter ein Wert, der stark von der Temperatur und von der Größe der Bandlücke abhängig ist, aber nicht mehr davon, wie hoch p oder n selbst sind ! Bringt man auf irgendeine Weise einen Überschuss von Elektronen in den Halbleiter, so wird sich als Antwort automatisch eine Verringerung von Löchern ergeben. Elektronen und Defektelektronen wechselwirken nämlich miteinander. Natürlich werden nicht alle Ladungsträger, die einmal vom Valenzband ins Leitungsband gewechselt sind, dauernd dort bleiben. Sie werden nach einer mehr oder weniger langen Zeit unter Abgabe von Energie ins Valenzband zurückspringen und dort ein "Loch" auffüllen. Dieser Vorgang wird als "Rekombination" beteiligt. Beim Halbleiter im thermischen Gleichgewicht gleichen sich Paarbildung und Rekombination im zeitlichen Mittel aus. Auf diese Weise bleibt trotz permanent andauernder Paarbildung und Rekombination bei einer Halbleiter im Gleichgewicht die Konzentration der Elektronen im Leitungsband und die der Löcher im Valenzband konstant. Ein Elektron im Leitungsband hat dort eine "mittlere Lebensdauer", bevor es rekombiniert. Während dieser „Lebenszeit“ kann es auch nur eine begrenzte Laufstrecke im Halbleiter zurücklegen. Diese "Lebensdauer" unterscheidet sich zwischen verschiedenen Halbleitern erheblich. Bei sogenannten "direkten Halbleitern" ist eine kurze Lebensdauer typisch. Ein Elektron steht dann auch nur für eine kurze Wegstrecke, die es im Halbleiter vor der Rekombination zurücklegen kann, für die Leitung zur Verfügung. Diese Wegstrecke beträgt dann nur einige Mikrometer. Das Elektron springt unter Aussendung eines Energiequants, das kann je nach Material ein Lichtquant im Bereich des infraroten oder des sichtbaren Lichtes sein, direkt über die Bandlücke vom Valenzband ins Leitungsband zurück. Energie Energie Energie Licht Paarbildung Direkte Rekombination Indirekte Rekombination über Zwischenniveaus Abb. 2.5: Direkter und indirekter Halbleiter Halbleiter, welche diese Eigenschaft besitzen, lassen sich für den Bau aktiver optischer Elemente (Leuchtdioden, Halbleiter-Laser) verwenden. Dazu gehören insbesondere die III-V-Verbindungshalbleiter wie GaAs, GaP, InP, GaAlAs. Die Element-Halbleiter der IV. Hauptgruppe verhalten sich anders. Hier erfolgt die Rekombination eher "zögerlich". Das Elektron springt nicht direkt ins Valenzband zurück, sondern rekombiniert "in Raten" über Zwischenninveaus (sogenannte Traps) in der Bandlücke, die durch Störungen im 6 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Kristall und geringe Verunreinigungen mit Fremdatomen verursacht sind. Man bezeichnet sie auch als "indirekte" Halbleiter. Dabei haben die Elektronen im Leitungsband eine lange Lebensdauer, sie können im Mittel Weglängen von fast 1 mm bis zur Rekombination zurücklegen. Die abgegebene Energie wird im Kristall in Wärme umgesetzt. Als aktive Lichtquellen taugen diese Halbleiter also nicht. Der Grund für dieses Verhalten ist darin zu suchen, dass die minimalen Energiewerte des Leitungsbandes sich im Kristall an anderer Stelle als die höchsten Energiewerte des Valenzbandes befinden, ein direkter Sprung ist also nicht möglich. Nur deshalb, weil bei Si und Ge die freie mittleren freie Weglängen, die ein Elektron zwischen Paarbildung und Rekombination zurücklegt, ausreichend lang sind, konnten unsere "Vorfahren" mit der damaligen, noch sehr primitiven Halbleiter-Technik mit Schichtdicken von gerade mal Millimeter-Bruchteilen überhaupt die ersten aktiven Halbleiter-Bauelemente entwickeln. 2.4 Störstellen-Leitung Halbleiter-Materialien sind, wenn sie ausreichend chemisch rein und als Einkristalle dargestellt werden, bei Raumtemperatur schlechte Leiter und meistens auch keine guten Isolatoren. Von großer technischer Bedeutung ist die Tatsache, dass man sie durch gezielte sehr schwache "Verschmutzung", d. h. durch Einbau fremder Stoffe ins Kristallgitter, gezielt leitfähig machen kann. Abb. 2.6 zeigt schematisch das Kristallgitter eines mit Fremdatomen "dotierten" Halbleiters. . Si- Atom As-Atom (Donator) ElektronenpaarBindung zusätzliches Elektron (n-Leitung) Abb. 2.6a: Störstellenleitung durch 5-wertige Donator-Atome und zusätzliche "freie" Elektronen Die Silizium-Atome im Kristallgitter haben jeweils 4 Elektronen auf der äußeren Schale, die alle an der chemischen Elektronenpaar-Bindung beteiligt sind. Wird ein Si-Atom durch ein andersartiges Atom mit 5 Elektronen auf der äußeren Schale ersetzt, so ergibt sich ein zusätzliches, im Gitter frei bewegliches Elektron, das damit für den Stromtransport zur Verfügung steht. Der Halbleiter ist künstlich durch Dotierung mit "Spender-Atomen" oder "Donatoren" leitend gemacht worden. Man spricht von "Störstellen-Leitung". Elemente, die als Donatoren in Betracht kommen, sind z. B. Phosphor (P), Arsen (As) oder Antimon (Sb). III-V-Verbindungshalbleiter kann man mit 4-oder 6-wertigen Fremdatomen dotieren. Si - Atom In-Atom (Akzeptor) ElektronenpaarBindung fehlendes Elektron (p-Leitung) Abb. 2.6b.: Störstellenleitung durch 3-wertige Akzeptor-Atome und zusätzliche Defektelektronen (Löcher) 7 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Abb. 2.6b zeigt den dazu komplementären Fall der Störstellen-Leitung. Anstelle eines 4-wertigen Si-Atoms wurde jetzt ein 3-wertiges Indium-Atom eingebaut. Das dadurch entstehende Defektelektron oder "Loch" bewirkt, dass Elektronen aus der Umgebung diese Stelle einnehmen können und dabei ihrerseits wieder Löcher erzeugen. Man erhält einen im Kristallgitter beweglichen positiven Ladungsträger. Dreiwertige Stoffe, die eine solche "Löcherleitung" erzeugen können, nennt man auch "Akzeptoren", dazu gehören z. B. Aluminium (Al) und Indium (In) und Gallium (Ga). III-VHalbleiter benötigen als Akzeptoren 2-wertige Elemente, z. B. Magnesium (Mg). Die Möglichkeit, III-V-Halbleiter mit 4-wertigen Stoffen zu dotieren, besteht auch. Sie werden, teilweise in Abhängigkeit von der Temperatur beim Dotiervorgang, bevorzugt als Donatoren (auf den Plätzen 3wertiger Atome) oder als Akzeptoren (auf den Plätzen 5-.wertiger Atome) eingebaut. Wichtig ist stets, dass die Konzentration der Fremdatome sehr gering bleibt. Auf ein dotierendes Fremdatom werden in der Regel etwa 1 Mio Atome des Halbleiters kommen. Energie Leitungsband DonatorEF Niveaus AkzeptorNiveaus Valenzband Bewegliche Ladungsträger Elektron (negativ) Defekt-Elektron (Loch) (positiv) Abb. 2.7: Energiebandmodell mit Donator- und Akzeptor-Niveaus Abb. 2.7 zeigt den Einfluss von Donatoren und Akzeptoren im Energieband-Modell. Von den nahe am Leitungsband gelegenen Donator-Niveaus können schon bei geringer Anregungsenergie (entsprechend niedrigen Temperaturen) ausreichend viele Elektronen ins Leitungsband wechseln. Entsprechend gering ist die von Elektronen, die auf Akzeptor-Niveaus wechseln, zu überbrückende Lücke. Eine gewisse Anregungsenergie ist allerdings stets notwendig. Deshalb ist der technisch nutzbare Temperaturbereich eines Halbleiters auch nach unten beschränkt. Bei zu geringen Temperaturen gibt es nicht genügend Elektronen, welche den geringen Bandabstand zwischen Valenzband und Akzeptor-Niveaus bzw. zwischen Donator-Niveaus und Leitungsband überwinden können. Deshalb ist es durchaus nicht selbstverständlich, dass eine Halbleiterschaltung bei z. B. 200 K noch funktioniert! Im dotierten Halbleiter wird natürlich n oder p größer sein als im reinen Material. Durch Rekombination vermindert sich aber auch entsprechend die Zahl der jeweils "anderen" Ladungsträger gegenüber dem Zustand im reinen Halbleiter. Es gilt auch im dotierten Halbleiter-Material: n * p = ni2 Da die Eigenleitungsdichte des Stoffes für eine bestimmte Temperatur bekannt ist, kann man bei Kenntnis von "n" auch stets "p" ausrechnen und umgekehrt. Außerdem verhalten sich Dotierungen additiv: Wird ein Halbleiter zunächst mit einer Dichte pA p-dotiert und danach mit einer Dichte nD ndotiert, so ergibt sich die resultierende Dotierung aus der Differenz der eingebrachten Dotierungen. 8 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Dies gilt aber nur, so lange wie die Dichte der Störatome noch klein gegenüber der Dichte der Atome insgesamt ist. Ein Halbleiter, bei dem auf 1000 Atome ein Fremdatom kommt, ist schon als extrem hoch dotiert anzusehen und würde diese Bedingung nicht mehr erfüllen. Man kann also durchaus einen Halbleiter zunächst p-dotieren und danach eine n-Dotierung überlagern (oder umgekehrt). Dieser Vorgang wird bei der Fertigung realer Halbleiter-Schaltungen vielfältig benutzt. Übermäßig hoch dotierte Halbleiter weisen schlechte Materialeigenschaften auf, insbesondere wird durch „Verbiegung“ des Kristallgitters dessen Festigkeit und die Beweglichkeit der Ladungsträger sehr negativ beeinflusst. Die Dotierungsatome sind nämlich meistens entweder wesentlich größer oder kleiner als die des ursprünglichen Halbleiters. Was man am für schnelle Bauelemente am liebsten hätte, ist ein völlig reiner ungestörter Halbleiter, der die Elektronen oder Löcher aus einer separaten Quelle erhält, also die Trennung von Ladungserzeugung und Ladungstransport. 2.5 Vergleich der wichtigsten Halbleiter Tabelle 2.2 zeigt die technisch wichtigsten Halbleiter-Materialien im Vergleich. Germanium (Ge) hat eine hohe Beweglichkeit von Elektronen und Löchern. Es war nicht nur das erste großtechnisch verwendete Halbleiter-Material, sondern hat sich deshalb in den 60er- und 70er Jahren auch für Hochfrequenz-Transistoren bewährt. Aber auch ein wesentlicher Nachteil ist sichtbar: Der geringe Bandabstand führt dazu, dass für Ge schon bei Temperaturen um 100 C die Eigenleitung technisch eine Rolle spielt. Dies begrenzt den Temperaturbereich, über den Germanium-Transistoren eingesetzt werden können, nach oben auf etwa 80 C Gehäuse-Temparatur. Germanium bildet zwar mit Sauerstoff ein Oxid, dieses ist aber mechanisch nicht stabil und deshalb als Isolator unbrauchbar. Integrierte Schaltungen auf Germanium-Basis hat es nie gegeben. Silizium ist im Mittel das Material mit den ausgeglichensten Eigenschaften. Sowohl Elektronen als auch Löcher weisen eine technisch brauchbare Beweglichkeit auf. Der Bandabstand erlaubt einen technisch nutzbaren Temperaturbereich bis etwa 120 C , was für fast alle Anwendungen ausreicht. In Ausnahmefällen kann man bis 150 C gehen. Tabelle 2.2: Vergleich der technisch wichtigsten Halbleiter-Materialien Material Si Ge GaAs GaP Bandabstd. in eV 1,12 0,66 1,42 2,26 Beweglichkt. der Elektronen 1500 3900 8500 110 in cm**2 / V s bei 300 K Beweglichkt. der Löcher 450 1500 400 75 in cm**2 / V s bei 300 K Rekombination indir. indir. direkt direkt Silizium hat als weitere wichtige Eigenschaft das als Isolator hervorragend geeignete Oxid (SiO2) und besitzt die beste Wärmeleitfähigkeit aller technisch interessanten Halbleiter, was für die Wärmeabfuhr bei ICs und Leistungshalbleitern von großer Wichtigkeit ist. Nicht zuletzt ist Silizium mechanisch recht stabil und ungiftig, was die Behandlung im Labor wesentlich vereinfacht. Für aktive optische Bauelemente sind weder Silizium noch Germanium brauchbar. 9 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Gallium-Arsenid war und ist heute noch das bevorzugte Halbleiter-Material für Bauelemente der Mikrowellen-Technik. Interessant ist sind vor allem die hohe Beweglichkeit der Elektronen, die für n-dotiertes GaAs eine hohe Grenzfrequenz und gute Verstärkungen bei Feldeffekt-Transistoren bewirkt. Wegen der geringen Beweglichkeit der Löcher wird p-dotiertes GaAs in Transistoren kaum verwendet. Dies ist auch ein Grund dafür, dass bipolare Transistoren aus GaAs (bei denen man p- und n-leitende Schichten benötigen würde) praktisch nie eine Rolle gespielt haben. Wegen des großen Bandabstandes ist nicht-dotiertes GaAs sogar ein brauchbarer Islator. Deshalb haben integrierte Hochfrequenz-Schaltungen auf GaAs-Basis recht geringe Dämpfungsverluste. Von wesentlicher Bedeutung ist GaAs für aktive optische Bauelemente, also Leuchtdioden (infrarot) und Halbleiter-Laser. Auch monolithisch integrierte analoge und digitale Schaltungen auf GaAs-Basis sind entwickelt worden. Hier existieren aber im Gegensatz zum Si grundsätzliche Probleme: Beim GaAs gibt es kein natürliches Oxid. Man muss entweder SiO2 oder Si3N4 (Silizium-Nitrid) extern auftragen. GaAs ist mechanisch wenig stabil, As und noch mehr sein Oxid As2O5 (Arsenik) sind sehr giftig. Während Ge, Ga und As relativ seltene Stoffe sind, besteht die Erdrinde zu 28 % aus Silizium, zum Beispiel sind viele Baustoffe Si-basiert. Man gewinnt Silizium aus Quarz-Sand, allerdings mit hohem Energie-Aufwand. In letzter Zeit wurden weitere "exotische" Halbleiter entwickelt. Eine IV-IV-Mischverbindung aus Si und Ge auf Si-Träger besitzt potentiell hervorragende Hochfrequenz-Eigenschaften und könnte GaAs dort Konkurrenz machen. Führend in der Entwicklung von Si-Ge-Bauelementen sind das DASA-Forschungszentrum der Daimler Benz AG (Ulm) und das IHP in Frankfurt / Oder. Auch Kohlenstoff in seiner Modifikation als Diamant ist potentiell ein hervorragender Halbleiter mit großem Bandabstand. Als härtestes aller Materialien ist der Diamant nur etwas schwer zu bearbeiten und darüber hinaus auch nicht gerade billig. Es gibt überaus exotische und trotzdem technisch interessante Halbleiter: Die IV-IV-Verbindung Silizium-Carbid (SiC), nach dem Diamanten der härteste Stoff, wird für blaue Leuchtdioden verwendet. 2.6 "Exotische" Halbleiter-Strukturen Zur hohen Kunst entwickelt wurde seit den 80er Jahren das sogenannte "Bandgap-Engineering". Durch Variation der Anteile des einen oder anderen Stoffes. in Mischhalbleitern wie GaAlAs kann man die Größe der Bandlücke einstellen. Es ist also möglich (und Stand der Technik in Hochfrequenz-Bauelementen), unterschiedlich große Bandabstände in aneinander angrenzenden Gebieten eines Halbleiters anzuordnen und damit besonders schnelle Bauelemente zu realisieren. Gate (Steuerung) "Spender" "Empfänger" HL undotiert Abb. 2.8: Halbleiter-Struktur für extrem schnelle Bauelements 10 BTU Cottbus, HL-Schaltungstechnik, Kapitel 2, WS 99/00 Das Prinzip zeigt Abb. 2.8 Ein Halbleiter-Bauelement besteht aus einer "Spender"-Elektrode, in bipolaren Transistoren meistens als "Emitter" bezeichnet", welche hoch dotiert ist und die zum Stromtransport notwendigen Ladungsträger bereitstellt. Diese werden in einen nahezu undotierten Bereich injiziert. Als Nebenbedingung muss man wissen, dass die den Halbleiter dotierenden Fremdatome (Donatoren, Akzeptoren) zwar für bewegliche Ladungsträger sorgen, gleichzeitig aber auch das Kristallgitter stören und den Stromfluss behindern. Der Stromtransport selbst funktioniert am besten im durch Dotierung ungestörten homogenen Halbleiter, wenn man ihm die Ladungsträger für den Transport bereitstellt. Genau diese Forderung ist mit sogenannten Heterojunction-Bauelementen erfüllbar, in denen innerhalb desselben Kristalls unterschiedliche Halbleiter-Materialien aneinander angrenzen. In der Praxis sind dies Si-Ge / Si oder GaAlAs / GaAs. Mit "Tricks" dieser Art hat man es in Labors geschafft, aktive Halbleiter-Baulemente zu konstruieren, die im Bereich der Millimeter-Wellen um und über 100 GHz noch Verstärkungseffekte zeigen. 11