Evangelisch-reformierter Gottesdienst Linden BE 10.I.2016 Beat Weber „Nun lasst uns gehn und treten …“ (RG 548) Liedpredigt zum Jahresanfang Schriftlesung: Jesaja 40,1–11; 66,13 = Jahreslosung 2016 (Lu) Jes 40,1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. 2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden. 3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! 4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; 5 denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat’s geredet. 6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. 7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! 8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. 9 Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; 10 siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her. 11 Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen. … 66,13 Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. 2 Liedpredigt I Ich bitte Euch, das Liederbuch (RG) zur Hand zu nehmen und das Lied unter der Nummer 548 aufzuschlagen und vor Euch zu haben. Liebe Gottesdienstgemeinde, Das gehörte Wort aus der Heiligen Schrift und das Lied „Nun lasst uns gehn und treten …“ haben eines gemeinsam: Es sind kraftvolle Worte, die uns zu begleiten vermögen im Wechsel der Zeiten. Das Lied des Dichterpfarrers Paul Gerhard ist ein Lied zum Jahreswechsel. Und es ist ein Lied, dass die Kirche als Gottesvolk in ihrem „Zittern und Zagen“ zu Gott führt und um ein Ende des Blutvergiessens in der Welt bittet. Entstanden ist es am Ende des dreissigjährigen Kriegs, der im 17. Jahrhundert grosse Teile Europas mit Tod und Elend übersäte. Das Wort des Propheten Jesaja stammt dagegen wohl aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Es ergeht an Israel als Gottesvolk, das nach der Zerstörung der Stadt Jerusalem und der Verwüstung des Landes zu grossen Teilen in der Verbannung in Babylon leben muss. Beide Worte kommen also aus notvollen Zeiten. Uns Heutigen – jedenfalls, denen die sich rufen lassen und die zum Gottesvolk gehören –, bieten sie Wegleitung im Wechsel der Zeiten dar. Darum wollen wir am Anfang eines neuen Jahres auf das Gotteswort und das Liedwort hören und das zweite auch miteinander singen. Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. Das erste Wort ist Tröstung – das Herzensanliegen Gottes gegenüber seinem geplagten Volk. Einen Krieg der Kanonen haben wir in unserem Land nicht, aber viele kleine Kriege der Herzen: in den Häusern und zwischen den Häusern, in den Familien, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft. In unserem Land, das sich seiner Freiheit rühmt, sind „Knechtschaften“ eines der grössten Probleme und Grund vieler Kleinkriege: die Knechtschaft des Geldes und seiner Helfershelfer: der Kaufsucht, der Konsumgier, der Masslosigkeit; die Knechtschaft der Drogen: des Alkohols, der Tabletten, der Rauschmittel; die Knechtschaft der Zügellosigkeit, des Sexkonsums im Internet und auf Videos; die Knechtschaft der Aggression und der Gewalt; die Knechtschaft des Eigeninteresses und die Preisgabe des Gemeinwohls. Ein neues Jahr ist da, aber die Menschen bleiben die alten – wenn Gott nicht eingreift und Umkehr schafft. Fürwahr, wie brauchen einen starken Helfer! Die Botschaft Gottes ist gewaltig: Der Krieg ist aus, die Knechtschaft hat ein Ende, die Schuld ist vergeben. Du kannst nicht nur das Jahr, sondern das Leben neu anfangen. Lass den Stolz los und kehre zu Gott um. Gott vermag 3 aus Steinen Brot und aus Knechtschaft neue Freiheit zu schaffen. Wir dürfen mit unseren Grenzen und Gebundenheiten zu ihm kommen und neue Freiheit erfahren – auch wenn das mit Kämpfen verbunden sein kann. Selber Gott spielen müssen wir nicht. Platz machen und ihm Raum geben in unserem Leben und in unserer Kirche – das aber sollen wir. Der Prophet lässt uns dies wissen mit den Worten: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Mit neuer Perspektive für die Zukunft dürfen wir dankbar singen – nicht nur jedes für sich, sondern als Gemeinschaft, die zu Gott und damit auch solidarisch zueinander gehört: Nun lasst uns gehn und treten / mit Singen und mit Beten / zum Herrn, der unserm Leben / bis hieher Kraft gegeben. Im Singen der Worte werden wir mitgenommen ins Gottvertrauen hinein und bekommen neue Zuversicht und Gelassenheit. Da ist einer, der mein Leben und diese Welt in der Hand hält – auch inmitten aller Stürme. An seiner Hand geleitet singen wir im Blick auf den Wechsel der Zeiten: Wir gehn dahin und wandern / von einem Jahr zum andern; / wir leben und gedeihen / vom alten zu dem neuen … Und dann vergleicht der Dichter das Herz und Verhalten mit dem einer Mutter, die ihren Kindern Schutz und Geborgenheit gewährt. In Strophe 4 und 5 heisst es: Denn wie von treuen Müttern / in schweren Ungewittern / die Kindlein hier auf Erden / mit Fleiss bewahret werden, // also auch und nicht minder / lässt Gott ihm seine Kinder, / wenn Not und Trübsal blitzen, / in seinem Schosse sitzen. Daran fügt sich das Gotteswort an, das als Losungswort uns für dieses Jahr 2016 mitgegeben und zugesagt wird (Jes 66,13): Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. RG 548,1–5 singen (alle) Liedpredigt II Zurück zu unserem Wort aus der Heiligen Schrift. Der Prophet wird von Gott zum Predigen aufgefordert. Und die Botschaft, die er uns überbringt, heisst: Lehrt den Unterschied erkennen zwischen dem, was menschlich und vergänglich und dem, was göttlich und ewig ist! Er veranschaulicht dies mit dem Bild vom Gras und der Blume, vom Aufblühen und Verwelken: Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein, Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. 4 Wir lassen uns gerne täuschen von der Üppigkeit des Grases und blenden von der Schönheit der Blumen: Sichtbares, Menschliches, Greifbares, Kaufbares – all dies hat einen so hohen Stellenwert. Aber es vermag nur zeitweilig zu trösten, nur vorübergehend zu befriedigen. Gottes Wort dagegen, das wir oft gering schätzen, wird auf ewig Bestand haben. Und es trägt die Kraft in sich, zur Erfüllung zu bringen, was es ausspricht. Mit dem Liederdichter gesprochen heisst das: Anstatt dem Hasten und Sorgen soviel Raum zu geben, sich der Fürsorge und Treue Gottes anzuvertrauen – mit den Worten von Strophe 6 und 7: Ach Hüter unsers Lebens, / fürwahr, es ist vergebens / mit unserm Tun und Machen, / wo nicht dein Augen wachen. // Gelobt sei deine Treue, / die alle Morgen neue. / Lob sei den starken Händen, / die alles Herzleid wenden. Nach der dankbaren Vergewisserung über Gottes Nahsein bei seinem Volk in den Strophen 1–7, wendet sich das Lied in den Strophen 8–15 zum Bittgebet für eigene und fremde Anliegen. Die erste Bitte ist, dass angesichts von Schwierigkeiten und Nöten nicht solches das Leben bestimmen und uns in Jammer und Schwermut ziehen darf. Jesus Christus möchte für unser Glauben, Lieben und Hoffen zur Quelle werden, aus der immer neue Lebensfreude fliesst. Die Diskrepanz zwischen dem, wie es ist und dem wie es sein sollte, zwischen der Sehnsucht nach Gott und dem Frieden und dem Durchleiden von Schwierigkeiten mündet als zweites in die Bitte um Geduld: Geduld, die Spannungen auszuhalten und die Situationen getrost Gott anzubefehlen. Im Lied lauten die Bitten um Freude und Geduld so: Lass ferner dich erbitten, / o Vater, und bleib mitten / in unserm Kreuz und Leiden / ein Brunnen unsrer Freuden. // Gib mir und allen denen, / die sich von Herzen sehnen / nach dir und deiner Hulde, / ein Herz, das sich gedulde. RG 548,6–10 singen (6 = alle, 7+9 = Frauen, 8+10 = Männer) Liedpredigt III Wir hören ein letztes Mal auf das vom Propheten überbrachte Gotteswort. Fürchtet euch nicht! Lasst die Angst bei ihm los!, bekommen wir gesagt. Dann wird der Blick geöffnet für die wahren Realitäten, die hinter dem Sichtbaren liegen: Siehe, da ist euer Gott; siehe, das ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Schaut durch den Horizont hindurch und seht dort Gott. Er ist der, der da ist. Und er ist der, der machtvoll kommt und Zukunft eröffnet. Er ist der, der mitkommt ins neue Jahr hinein. 5 Gottes Möglichkeiten brechen unsere Blockierungen auf und bringen eine Dynamik, weil Neues möglich wird. Es ist die Zukunft Gottes und seines Reiches, und sie kommt bestimmt. Die Herrscher dieser Welt kommen und gehen, er aber bleibt – über alle Wechsel der Zeiten hinweg. Gott bleibt, und wer zu seinem Volk gehört, bleibt mit ihm in Zeit und Ewigkeit. An Gottes Segen ist darum alles gelegen. Um Segen und Sonne bitten wir singend im Lied: Sprich deinen milden Segen / zu allen unsern Wegen; / lass Grossen und auch Kleinen / die Gnadensonne scheinen. In den Strophen 12 und 13 beten wir für einzelne Menschen und Gruppen mit ihren Anliegen und Nöten: für die Einsamen, für die sich in Irrtum und falschen Wegen verlaufen, für die Notleidenden, für die Kranken und für diejenigen, die zu Schwermut und Depression neigen. Für sie alle und für uns – so schliesst das Lied – erbitten wir Gottes neu machenden, helfenden und tröstenden Geist. Er bringt Leben und führt durchs Leben. Er verbürgt, dass wir mit Jesus Christus zuversichtlich ins neue Jahr gehen dürfen – singend mit den Worten: Und endlich, was das Meiste: / Füll uns mit deinem Geiste, / der uns hier herrlich ziere / und dort zum Himmel führe. // Das wollest du uns allen / nach deinem Wohlgefallen, / du unsers Lebens Leben, / zum neuen Jahre geben. Amen. RG 548,11–15 (stehend): 11 singen (alle), 12–13 (als Fürbittegebet) sprechen (alle), 14–15 singen (alle); anschliessend (stehend): „Unser Vater“-Gebet (alle).