NTS Kapitel 6: Energie in Natur und Maschinen

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Kapitel 6
Energie in Natur und Maschinen
Energie ist aus dem modernen technischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Dort
ist Energie für uns im wesentlichen eine Ware, ein Stoff. Sie ist ein Produkt, quasi
materiell, von dem es mehr oder weniger gibt, das wir brauchen und verbrauchen und
handeln, das für uns einen bestimmten kommerziellen Wert hat. In der Wirtschaft
steht diese Anschauung von Energie im Vordergrund.
In den Natur- und technischen Wissenschaften ist Energie ein Begriff, eine Grösse
in Modellen und Theorien, mit der man rechnet, und die uns bestimmte Dinge über
Natur und Maschinen erklären hilft. Für uns steht dieser Aspekt im Vordergrund.
Um ein tragfähiges bildhaftes Verständnis aufzubauen, werden wir Energie als einen
Aspekt der Vorstellung von Kräften der Natur einführen. Dieser Zugang erlaubt
uns, eine sehr allgemeine Darstellung zu kreieren, mit der der Energiebegriff bei
ganz verschiedenen Phänomenen und Anwendungen immer im gleichen Gewand
erscheint.
Es wird nicht ganz einfach sein, die beiden wesentlich verschiedenen Aspekte – wirtschaftliche und naturwissenschaftliche – klar zu unterscheiden und zu lernen, wissenschaftlich mit dem Energiebegriff umzugehen. Die Anstrengung lohnt sich trotzdem,
auch wenn man sich am Schluss vielleicht nur für den wirtschaftlichen Aspekt interessiert: die physikalischen Wissenschaften geben uns die Werkzeuge in die Hand,
Energie quantitativ mit natürlichen und technischen Prozessen zu verbinden. Ein
vertieftes Verständnis der Bedeutung von Energie in der Wirtschaft geschieht nämlich über die (wirtschaftliche) Beurteilung der natürlichen und technischen Prozesse,
die mit Energie verknüpft sind.
6.1
Die Macht von Kräften der Natur
Wirtschaft und Wissenschaft sind nicht die einzigen Bereiche, bei denen der Begriff
Energie eine Rolle spielt. Psychologische und soziale Phänomene sind in unserer
Vorstellung genauso damit verknüpft – wahrscheinlich sind sie für den Ursprung des
Energiebegriffs und wie wir damit im Alltag umgehen sogar die wichtigeren. Das
führt zu einer Vielfalt von Vorstellungen und Konzeptualisierungen, die uns sehr
leicht durcheinander bringen können.
Nicht einmal in den Naturwissenschaften sind wir uns sicher, ob wir mit einer einheitlichen Vorstellung arbeiten können, oder ob wir nicht mindestens Energie in
toten und lebenden Systemen unterscheiden sollten. Das würde ja noch gehen, wäre
die Wissenschaft der nicht-biologischen Welt wenigsten einheitlich, was aber auch
nicht der Fall ist. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass sich eine Vielfalt
184
Energie in Natur und Maschinen
von Begriffen und Erklärungen gebildet haben, wobei die verschiedenen Darstellungsarten nicht unbedingt alle miteinander verträglich sind.
Ein wichtiger Grund für die uneinheitliche Darstellung des Konzeptes der Energie
in Physik und Chemie ist der folgende: Anstatt dass man die jeweiligen Grundgrössen eines Phänomens (Mengen und Potentiale) für seine Beschreibung heranzieht,
nimmt man oft die Energie, um die Vorgänge zu erklären. So verknüpft man Elektrizität, Bewegung oder Wärme oft direkt mit Energie und sagt sogar, sie seien
Energie, was dann natürlich heisst, dass die Energie in den verschiedenen Phänomenbereichen verschieden daher kommt. Es scheint als ob sie ganz verschiedene
Eigenschaften hat, je nach dem, womit man sie gerade verbindet.
Das stellt uns vor die Aufgabe, zuerst etwas Ordnung zu schaffen. Die Uneinheitlichkeit ist nämlich nicht nur unnötig, sie ist auch schädlich. Sie verhindert nicht nur
ein grundlegendes Verständnis des Energiekonzeptes sondern ganz besonders auch
der einzelnen Phänomene wie Fluide, Elektrizität, chemische Prozesse, Wärme oder
Mechanik.
Kräfte der Natur. In den Abschnitten 1.1.3 und 1.3 und in Box 1.3.2 haben wir
davon gesprochen, wie wir uns vorstellen, dass Dynamik durch “Kräfte” oder “Mächte” verursacht wird. Die alltägliche Vorstellung von Kräften der Natur passt sehr
gut auf die Wissenschaft von makroskopischen physikalischen Systemen und Prozessen (d.h., auf die Wissenschaft, die sich hauptsächlich mit physischen Systemen
mittlerer, d.h. menschlicher, Grössenordnung befasst). Informell ausgedrückt sind
Fluide, Elektrizität, Wärme, Substanzen und Bewegung Kräfte der Natur, denen
wir drei wesentliche Eigenschaften zuordnen: Menge, Intensität (Spannungen) und
Kraft oder Macht.
Konzepte
Kräfte der Natur
Im Alltag unterscheiden wir viele Kräfte der Natur : Wind, Wasser, Feuer, Eis,
Wärme, Kälte, Licht, Elektrizität, Magnetismus, Erde, Nahrungsmittel, Gifte,
Feuchtigkeit, Schwere, Bewegung, und so weiter. Die Vorstellung von solchen
Kräften wird durch die Wahrnehmung von Polaritäten mit dazugehörigen Unterschieden (Spannungen) erzeugt: stark-schwach, warm-kalt, hell-dunkel, fruchtbarunfruchtbar, gesund-ungesund, oben-unten, schnell-langsam, und so weiter.
In der makroskopischen Physik und Chemie reduziert sich die Zahl der Kräfte,
die man unterscheidet. Anders gesagt, in den Naturwissenschaften verwendet man
eine andere Kategorisierung der Phänomene als im Alltag. Zum Beispiel reicht
es, von Wärme zu sprechen und Kälte als einen Mangel an Wärme darzustellen.
Elektrizität und Magnetismus sind so stark miteinander verbunden, dass man sie
als ein kombiniertes Phänomen betrachtet, in das man auch das Licht mit einbezieht. Für die physikalischen Naturwissenschaften reichen dann die Kategorien
Fluide (mit Polarität hoher Druck – tiefer Druck), Elektrizität und Magnetismus
(hohes – tiefes elektrisches Potential), Wärme (hohe – tiefe Temperatur), chemische Substanzen (hohes – tiefes chemisches Potential), Schwere (hohes – tiefes
Gravitationspotential) und Bewegung (hohe – tiefe Geschwindigkeit; wird noch in
Translations- und Rotationsbewegung unterteilt).
Zum Beispiel heisst der Titel von Sadi Carnots berühmten Buch zur Thermodynamik (1824) La puissance motrice du feu (deutsch: Die bewegende Kraft des Feuers):
Feuer steht für das Phänomen als Ganzes – Feuer hat Grösse (Menge), das Feuer
6.1 Die Macht von Kräften der Natur
185
kann heisser oder weniger heiss sein (Intensität), und Feuer hat Macht (es ist ein
Verursacher). Das ist die Vorstellung, die Carnot schon damals verwendet hat, und
die wir zum Verständnis von Natur und Technik heranziehen werden. Sie lässt sich
auf alle Phänomenbereiche, die wir unterscheiden, anwenden.
Kräfte in der Mechanik
Konzepte
Kraft ist ein wohldefinierter Begriff in der Mechanik – der Theorie der Bewegung.
Sie ist dort mit einem bestimmten Aspekt des Phänomens verbunden (mit der Bewegungsmenge: Kraft quantifiziert die Rate, mit der Bewegungsmenge von Körper
zu Körper übertragen wird).
In der Mechanik ist Kraft also ein sehr enger und formal beschreibbarer Begriff.
Kräfte der Natur sind viel allgemeiner gemeint: die Idee von Kräften der Natur
erlaubt es uns, Phänomene zu kategorisieren und an die allgemeinen Eigenschaften
dieser Phänomene zu appellieren.
Es zeigt sich, dass man auf der Vorstellung der Kraft oder Macht eines Phänomens
eine sehr tragfähige und sehr allgemeine Konzeptualisierung von Energie aufbauen kann. Salopp gesagt werden wir Energie als quantitatives Mass der Macht eines
Phänomens, andere Phänomene zu verursachen, einführen und dann erweitern. Diese Konzeptualisierung benutzt grundlegende menschliche Vorstellungen und lässt
sich mit Worten und (Prozess-)Diagrammen fassen, bevor man sie mathematisch
ausdrückt. Insbesondere die Prozess-Diagramme erzeugen eine Welt von visuellen
Metaphern zum Energiebegriff, die eine klare Übersicht über das Wesen der Energie
in den physikalischen Wissenschaften erlaubt. Es gibt nur eine Energie für physikalische und chemische Prozesse, und die hat immer und bei allen Prozessen die
gleichen Eigenschaften.
Im Jahr 2014 hat die Kunststudentin Marion Deichmann einen kleinen Animationsfilm erschaffen, in dem sie eine Geschichte eines Perpetuum Mobile erzählt und dazu
visuelle Metaphern erzeugt und einsetzt. Der Film ist eine Darstellung von Prozessen und der Rolle der Energie und kann als Allegorie auf das Leben auf der Erde,
eingebettet zwischen Sonne und Weltraum, gelesen werden. (Siehe die Beschreibung auf http://narrativescience.org/Cases/Cases_Deichmann_01.html. Den Film
findet man auf https://vimeo.com/98311515.)
Energie
Lecture notes and books
· Fuchs H. U. (2010): The Dynamics of Heat. Springer, New York, Chapter 2,
pp. 51-65.
· Fuchs
H. U. (1995): The Energy Principle. Chapter 4 of Lecture Notes
FEHM.
· Borer T., Frommenwiler P., Fuchs H. U., et al. (2010): Physik, ein systemdynamischer Zugang. h.e.p. verlag, Bern. Kapitel E.6-E.10; 1.6; 2.8; 3.5.
Quellen
186
6.2
Energie in Natur und Maschinen
Grundlegende Ideen zum Energiekonzept
In diesem Abschnitt werden wir mit Worten und Diagrammen eine bildhafte Darstellung der Eigenschaften und Bedeutung der Energie für physikalische und chemische makroskopische Prozesse entwerfen. Geleitet von einem Experiment und von
Messungen bei Wasserkraftwerken werden wir die erste von vier wesentlichen Eigenschaften einführen – die Idee, dass wir eine neue Grösse, nämlich Energie, brauchen,
um die Kopplung verschiedener Prozesse zu verstehen. Darauf suggerieren wir, dass
diese Energie transportiert werden kann, und dass es Sinn mach anzunehmen, dass
man sie speichern kann. Mit Übertragung und Speicherung haben wir die Elemente
für eine bilanzierbare Grösse. Wenn wir schliesslich noch annehmen, dass Energie
weder erschaffen noch vernichtet werden kann, können wir eine konkrete Form der
Energiebilanz entwerfen.
Bisher haben wir erst drei Phänomenbereiche untersucht: solche, die mit Fluiden,
mit Elektrizität und mit Schwere verbunden sind (der Dritte ist nur nebenbei im
Zusammenhang mit Fluiden vorgekommen). Damit wir uns bei der Einführung des
Energiebegriffs auf einigermassen sicherem Gelände bewegen, werden wir Fluide
und Elektrizität herbeiziehen. Allerdings erlaubt uns die Diskussion auch, einen
Blick auf neue Phänomene zu werfen, da Energie die Grösse in der physikalischen
Theorie ist, die alle Gebiete miteinander verbindet. Wir werden deshalb bei qualitativen Beschreibungen auch chemische und thermische Prozesse ein erstes Mal
kennen lernen.
6.2.1
Energie erklärt die Kopplung von Prozessen
Ein Vorgang kann einen anderen (oder mehrere davon) in Gang setzen – alltäglich
ausgedrückt: eine Kraft der Natur hat die Macht, andere Vorgänge zu verursachen.
Das sieht man in der Natur, wo Ketten von Vorgängen an der Tagesordnung sind,
und in der Technik, wo Ingenieure Prozesse aneinander reihen, damit Maschinen
für uns arbeiten. Speziell in der Technik kann man die Folgen dieser Kopplung von
Prozessen oft sehr leicht quantitativ untersuchen.
Vorgänge koppeln aneinander. Licht löst eine chemische Reaktion in Pflanzen aus;
Elektrizität treibt das Pumpen von Wasser an; Fliessen von Wasser durch ein Rohr
treibt wegen Reibung die Produktion von Wärmestoff an; eine rotierende Welle
treibt in einem Generator das Pumpen von Elektrizität vom tiefen auf ein höheres
Niveau an; Fliessen von Elektrizität durch einen Draht treibt die Produktion von
Wärmestoff an; chemische Reaktionen treiben in Batterien und Brennstoffzellen das
Pumpen von Elektrizität an.
Beispiele ganzer Ketten von Vorgängen. Sonnenlicht produziert Wärmestoff im Wasser auf der Erde, das verdampft und dann aufsteigt, worauf es runter fällt und
Gesteine auswäscht. Wasser wird aus einem Stausee durch Rohre nach unten zu
den Turbinen eines hydroelektrischen Kraftwerks geführt; dort treibt es die Rotation der Turbine an, diese treibt den Generator an, elektrische Ladung fliesst durch
Leitungen zu Fabriken und Häusern, wo sie neue Prozesse (Bewegung, chemische
Umwandlungen, Produktion von Licht und oder Wärmestoff) antreibt..
Prozessdiagramme. Die Kopplung von Vorgängen – einzelne oder on ganzen Ketten
– kann man vorteilhaft in Prozessdiagrammen darstellen. Beispiele solcher Diagramme findet man in den Abbildungen 3.4, 3.8, 3.10, 4.2, 4.3, 5.3, 5.5. Für den späteren
Gebrauch in diesem Kapitel sind zwei Beispiele von Kopplungen zwischen zwei Prozessen in Abbildung 6.1 aufgeführt. In einer Kopplung gibt es einen antreibenden
und (mindestens) einen angetriebenen Prozess (man sagt auch spontan oder freiwillig und nicht-spontan oder unfreiwillig, oder auch von selbst ablaufend und nicht
6.2 Grundlegende Ideen zum Energiekonzept
187
von selbst ablaufend ). Im antreibenden Prozess fliesst eine fluidartige Grösse (in den
Beispielen in Abbildung 6.1: elektrische Ladung) vom höheren zum tieferen Potential; beim angetriebenen Prozess fliesst eine fluidartige Grösse (in den Beispielen in
Abbildung 6.1: Volumen oder Wärmestoff) vom tieferen zum höheren Potential.
ELECTRAL
PROCESS
ELECTRIC
WATER PUMP
HYDRAULIC
PROCESS
IQ
IV
1
p2
2
Driving
process
ELECTRIC
HEATER
ELECTRAL
PROCESS
THERMAL
PROCESS
IQ
Caloric
T
p1
1
Driven
process
2
Driving
process
Driven
process
Abbildung 6.1: Kopplung von zwei Prozessen in Prozessdiagrammen dargestellt. Links:
Prozessdiagramm einer (idealen) elektrisch angetriebenen Wasserpumpe. Rechts: Elektrische Heizung. Dadurch, dass sich das Niveau eines antreibenden Prozesses absenkt, erhöht
sich das Niveau des dadurch angetriebenen Prozesses. Im antreibenden Prozess fliesst eine
fluidartige Grösse vom höheren zum tieferen Niveau, im angetriebenen Prozess ist es umgekehrt. (Im Beispiel der elektrischen Heizung wird Wärmestoff auf absolut tiefem Niveau
erzeugt und dann auf das thermische Niveau des Heizkörpers gepumpt.)
Ein Diagramm einer kurzen Kette sieht man in Abbildung 4.7. In Abbildung 6.2 ist
die oben erwähnte Kette aus (Stausee) – Turbine – Generator – elektrische Heizung
grafisch dargestellt. Die an den Prozessen in den einzelnen Elementen beteiligten
fluiden Grössen fliessen von Element zu Element und bilden so den Zusammenhang
zwischen den Elementen in einer Kette. Falls zwischen zwei Elementen nichts wesentliches passiert, fliesst eine fluide Grösse auf dem selben Niveau in ein zweites
Element, auf dem sie aus dem vorhergehenden Element gekommen ist.
TURBINE
ELECTRIC
HEATER
GENERATOR
IL
IV
p1
p2
ω1
Caloric
IQ
ω2
1
T
2
Abbildung 6.2: Elemente, die durch die Kopplung von Prozessen entstehen (wie in
Abb.6.1) können aneinander gehängt werden, worauf Prozessketten entstehen. Eine rotierende und verdrillte Welle verbindet die Turbine mit dem Generator: physikalische gesehen
wird hier Spin (L) übertragen (Fluss des Spins: IL ); das Niveau des Spins ist die Drehgeschwindigkeit ω. In Ketten gibt es einen neuen Aspekt: die an den Prozessen beteiligten
fluiden Grössen werden auf fixem Niveau von Element zu Element transportiert.
Bemerkung. Wir haben hier von der Kopplung von Prozessen gesprochen – damit
meinen wir die Kopplung von zwei Prozessen in einem Element, wobei eine fluide
Grösse von einem höheren zu einem tieferen Niveau fliesst und die andere das Umgekehrte macht (Figuren in Abb.6.1). Wir müssen diesen Aspekt von der Kopplung
zwischen Elementen in einer Kette von Vorgängen unterscheiden. Dort geschieht die
188
Energie in Natur und Maschinen
Kopplung durch die Übertragung der fluiden Grössen von einem zu einem anderen
Element. Typischerweise fliesst eine fluide Grösse wie elektrische Ladung vom ersten zum zweiten Element und dann zurück. Es gibt aber auch den Fall, dass eine
fluide Grösse erzeugt oder eventuell vernichtet wird – das ist bei Wärmestoff (Erzeugung) und chemischen Stoffen (Erzeugung und Vernichtung) der Fall. Dann hat
sie in einem Element ihren Ursprung oder ihr Ende. In den Abbildungen 6.1 und
6.2 ist dieser Fall durch die Erzeugung von Wärmestoff präsent, die wir als Kreis
mit Punkt im Zentrum (Symbol einer Quelle) darstellen.
Koppelnde Elemente. Konkrete Elemente definieren den Typ der Kopplung von
Prozessen oder umgekehrt. Eine elektrische Wasserpumpe, zum Beispiel, verbindet
einen elektrischen mit einem hydraulischen Vorgang. Im Prinzip gibt es zwischen
den verschiedenen Typen von physikalischen und chemischen Prozessen beliebige
Kopplungsmöglichkeiten (siehe Tabelle 6.1).
Tabelle 6.1: Koppelnde Elemente
Hydraulik
Elektrizität
Rotation
Wärme
Hydraulischer
Widder
Turbine plus
Generator
Turbine
Reibende
Strömung
Elektrizität
Elektrische
Pumpe
Transformator
Elektrischer
Motor
Elektrische
Heizung
Peltier
Element
Rotation
Handpumpe
Generator
Getriebe
Reibender
Rotator
Verdunstung
in Atmosphäre
Thermoelektrischer
Generator
Wärmemotor
Absorptionskühlschrank
Hydraulik
Wärme
Quantifizierung der Kopplung: Energieumsatz. Wenn wir annehmen, dass Vorgänge auf wohldefinierte Weise aneinander koppeln, dann braucht es ein Mass, mit dem
man beziffert, wieviel eines zweiten Vorgangs durch einen ersten hervorgerufen wird.
Wir werden die Grösse Energie oder genauer Rate des Energieumsatzes einführen,
um dieses Mass zu schaffen.
Konzepte
Rate des Energieumsatzes
Die Macht eines Prozesses quantifizieren wir durch die Rate, mit der in einer
Kopplung von Prozessen Energie freigesetzt oder gebraucht wird. Wir nennen
diese Grösse allgemein Energieumsatzrate, die technische Bezeichnung dafür ist
Leistung (englisch: power ). Die Energieumsatzrate messen wir in Watt (W).
Wenn man eine Zeitspanne betrachtet, dann wird in ihr eine bestimme Menge
Energie umgesetzt (freigesetzt oder gebraucht). Energiemenge messen wir in Joule
(J = W·s).
In einem einfachen Experiment können wir nachweisen, wie die beiden Grössen –
Strom der fluidartigen Grösse und Potentialunterschied – des treibenden Vorgangs
6.2 Grundlegende Ideen zum Energiekonzept
189
bestimmen, wieviel im angetriebenen Vorgang passiert. Wenn wir immer die gleiche
Menge Wasser unter immer gleichen Bedingungen (zum Beispiel: Anfangstemperatur) elektrisch heizen, so sagt uns die Änderungsrate der Temperatur, “wieviel”
passiert. Es stellt sich heraus, dass diese Änderungsrate immer gleich ist, wenn man
das Produkt aus Potentialdifferenz und Stromstärke konstant hält. Also nehmen wir
an, dass
Pel = U IQ
(6.1)
ein sinnvolles Mass für die Macht (Leistung, auf Englisch: power) des elektrischen
Prozesses ist. Diese so eingeführte Grösse nennen wir Rate des Energieumsatzes—der
technische Begriff ist Leistung (englisch: power ).
Die Bezeichnung Rate des Energieumsatzes kommt von folgender Vorstellung: Die
elektrische Ladung, die vom höheren auf das tiefere Niveau fällt, setzt Energie frei,
sie stellt Energie zur Verfügung, die dann gebraucht werden kann.
Energie zur Verfügung stellen und nutzen. Wir stellen uns vor, dass beim elektrischen Heizen von Wasser der angetriebene thermische Vorgang nicht von selber
läuft, also Energie braucht. Es braucht also einen Vorgang, der Energie zur Verfügung stellt, bevor man Energie brauchen kann.
Konzepte
Verfügbare Energie (Availability)
Ein antreibender Vorgang, bei dem eine fluidartige Grösse durch eine Potentialdifferenz fällt, stellt Energie zur Verfügung. Diese Energie kann dann in einem
Folgeprozess genutzt werden.
Energie kann nur genutzt werden, wenn sie vorher zur Verfügung gestellt wird –
dazu braucht es in jedem Fall eine Spannung. Wieviel Energie eine Prozess zur
Verfügung stellen kann, heisst Verfügbarkeit (auf Englisch: availability).
Es braucht Spannungen, damit Energie umgesetzt werden kann. Bei der Kopplung von Prozessen sind in unserer Beschreibung immer Spannungen – Niveauunterschiede – vorgekommen. Ohne Spannungen gibt es keine Prozesse. Fluide Substanzen
(Volumen in der Hydraulik, Ladung in der Elektrizität, Masse in der Gravitation)
müssen durch Potentialunterschiede fliessen, dann wird Energie entweder freigesetzt
oder gebraucht. Sie wird freigesetzt, wenn eine fluide Grösse hinunter fliesst, also
vom höheren zum tieferen Potential, und sie wird gebraucht, wenn eine solche Grösse
gepumpt wird, also vom tieferen zum höheren Potential gezwungen wird.
Eine elektrische Wasserpumpe. Wenn man nun eine elektrisch angetriebene Wasserpumpe im Überblick verstehen will, wird man annehmen, dass das Mass dafür,
wie stark der zweite Vorgang angetrieben wird, wieder durch die Kombination von
Potentialdifferenz (hier: Druckdifferenz) und Mengenstrom (hier: Volumenstrom)
gemessen wird:
Phyd = 4p IV
(6.2)
Der zweite Vorgang besteht ja darin, dass eine fluidartige Grösse (hier: Volumen)
von einem tieferen Potential (Druck) auf ein höheres Potential gepumpt werden
muss. Die beiden Masse, also wieviel der antreibende Vorgang “tut” und wieviel
beim angetriebenen Vorgang “passiert”, sollten im Idealfall gleich gross sein:
Phyd = Pel
(6.3)
190
Energie in Natur und Maschinen
Die Idee hinter diesem formalen Zusammenhang kann man bildhaft mit einer visuellen Metapher verstehen: Die elektrische Ladung fällt wie Wasser in einem Wasserfall vom höheren zum tieferen Niveau und treibt so den Folgevorgang an. Wie beim
Wasserfall sollte das Resultat davon abhängen, wieviel Ladung pro Zeiteinheit wie
tief fällt. Der Zusammenhang kann also als Wasserfallbild metaphorisch dargestellt
werden (Abb.6.3, Teilbild ganz links).
Konzepte
Spannung und Energieumsatz
Energieumsatz ist immer mit Spannungen verbunden – ohne Niveaudifferenzen
gibt es keine Kopplung von Prozessen, es wird weder Energie freigesetzt noch
genutzt.
Wenn man verstehen will, wie, wo und wie stark Energie umgesetzt wird, muss
man in einem System alle vorkommenden Spannungen identifizieren.
Wir wissen, dass Wasser, das in einem Wasserfall fällt, andere Vorgänge verursachen
kann. Bildlich gesprochen, wird in einem verursachten Prozess eine fluidartige Grösse
von einem tieferen auf ein höheres Niveau gepumpt (rechter Teil des linken Bildes
in Abb.6.3). Man sieht man diese Idee auf die Kopplung von elektrischem und
hydraulischem Prozess in einer elektrischen Wasserpumpe angewendet (Figur rechts
in Abb.6.3).
Rate at which
energy is
released or used
PUMP
Electric
charge
Fluid
p2
1
2
p1
Pel
IQ
IV
Phyd
1
p1
2
p2
P : Power
Abbildung 6.3: Wasserfallbild von Prozessen (links): Eine fluidartige Grösse (hier: Ladung) fällt vom höheren zum tieferen Niveau; dabei wird Energie mit einer bestimmten
Rate freigesetzt. Die Energie, die freigesetzt wird, wird im Folgeprozess des Pumpens eines Fluids vom tieferen zum höheren Niveau genutzt (Pumpen braucht Energie). Die dicken senkrechten Pfeile symbolisieren das Freisetzen und das Nutzen von Energie. Rechts:
Prozessdiagramm der Kopplung in einer elektrische angetriebenen Wasserpumpe (wie in
Abb.6.1, hier mit Symbolen für Freisetzung und Nutzung von Energie).
Es braucht Ströme, damit Energie umgesetzt werden kann. Es gibt eine zweite Bedingung, neben der Existenz einer Spannung, damit Energie umgesetzt werden kann: eine fluidartige Grösse muss durch diese Niveaudifferenz gehen, entweder von unten nach oben oder von oben nach unten. Eine Batterie, die nicht in
einen geschlossenen elektrischen Kreislauf eingebaut ist, hält eine Spannung aufrecht (Leerlaufspannung), aber es wird deswegen noch keine Energie umgesetzt.
Die Energieumsatzrate ergibt sich dann aus der Kombination von Spannung und
Stromstärke (siehe Abb.6.3).
Energieträger: Energie abladen und aufladen. Das hier entworfene Bild der Rolle
der Energie bei der Kopplung von Prozessen kann und muss noch erweitert werden. Wir werden zum Beispiel sehen, dass es Sinn macht zu sagen, dass Energie
6.2 Grundlegende Ideen zum Energiekonzept
191
von Element zu Element in einer Prozesskette übertragen wird (siehe Abschnitt
6.2.3). Man nennt deshalb die fluiden Grössen, die in diesen Systemen strömen auch
Energieträger. Das erlaubt uns, bei der Kopplung von Prozessen zu sagen, Energie
werde im antreibenden Prozess vom Energieträger abgeladen und werde dann auf
den Energieträger im angetriebenen Prozess geladen.
Energieumsatz bei resistiven Prozessen: Dissipation. Reibungsbehaftete Prozesse
sind Transport von fluidartigen Grössen (Volumen, elektrische Ladung, Wärmestoff,
chemische Stoffe) durch Widerstandselemente. Dazu braucht es eine Potentialdifferenz: die fluidartigen Grössen fliessen immer vom höheren zum tieferen Potential,
also wird dabei Energie freigesetzt. Da freigesetzte Energie genutzt wird, stellt sich
die Frage, was hier passiert: reibungsbehaftete Vorgänge produzieren immer Wärmestoff (Abb.6.4).
HYDRAULIC
PROCESS
FLUID FLOWING
THROUGH PIPE
THERMAL
PROCESS
Phyd
IV
p1
p2
Driving
process
Pdiss
Caloric
ELECTRIC
HEATER
ELECTRAL
PROCESS
Pel
IQ
T
1
Driven
process
THERMAL
PROCESS
Driving
process
Caloric
T
Pdiss
2
Driven
process
Abbildung 6.4: Prozessdiagramme für zwei reibungsbehaftete (dissipative) Prozesse.
Links: Ein Fluid fliesst durch ein Rohr. Rechts: Elektrizität fliesst durch einen Draht.
Pdiss = Pth : Leistung des thermischen Prozesses bei der Produktion von Wärmestoff.
Immer, wenn Energie benutzt wird, um Wärmestoff zu erzeugen, so spricht man bei
der Rate des dazu nötigen Energieumsatzes (Pdiss in Abb.6.4) von Dissipationsrate.
Dissipieren heisst so viel wie zerstreuen. Es ist, als ob Energie bei der Wärmeproduktion “zerstreut” würde, also nicht mehr “konzentriert” vorliegt. Und tatsächlich
kann man “zerstreute” Energie nur noch schlecht (of überhaupt nicht) weiter verwenden. Darum spricht man in der Technik und im Alltag auch von Energieverlust.
Wir kennen das aus dem Alltag: wegen Reibung haben wir Energieverluste.
Energie bei Wärmeproduktion: Dissipation, Energieverlust
Wärmeproduktion und Energieverlust gehen Hand in Hand. Produktion von Wärmestoff ist ein unfreiwilliger, ein angetriebener Vorgang und braucht wie alle diese
Vorgänge Energie – mit einer Rate Pdiss (Dissipationsrate).
Die Energie, die bei Produktion von Wärmestoff genutzt wird, nennt man dissipiert. Sie ist (mindestens zum Teil) für einen weiteren Gebrauch verloren.
Energieumsatz bei induktiven Prozessen. Wenn sich Ströme zeitlich ändern, dann
sind damit Spannungen verbunden. Fahren wir einen Wasserstrom an, so ist dafür
eine (induktive) Druckdifferenz verantwortlich. Da wir gleichzeitig (ausser gerade
dann, wenn die Stromstärke noch Null ist) auch eine fliessende fluide Grösse haben,
muss mit dem Phänomen ein Energieumsatz verbunden sein, den wir auf die übliche
Konzepte
192
Energie in Natur und Maschinen
Weise aus dem Produkt von Spannung und Stromstärke berechnen:
(6.4)
Phyd,ind = 4pind IV
In Abb.6.5 sieht man, wie man die Rolle der Energie bei induktiven Prozessen verstehen kann. Wird ein Strom angefahren oder generell verstärkt, so fliesst die fluidartige
Grösse vom höheren zum tieferen Potential, also bergab durch eine Niveaudifferenz:
Energie wird freigesetzt, die dann für die Beschleunigung der Bewegung eines Fluids
(in der Hydraulik) oder zum Aufbau eines Magnetfeldes (im elektrischen Fall) gebraucht wird. Umgekehrt wird Energie vom fliessenden Fluid abgeladen, wenn sich
die Stromstärke verringert: sie wird gebraucht, um das Fluid durch eine induktive
Spannung zu pumpen.
SOLENOID
IQ
Pel,ind
1
SOLENOID
IQ
Pmag
Pmag
Pel,ind
1
2
Building up
(production)
of magnetic field
2
Building down
(destruction)
of magnetic field
Abbildung 6.5: Prozessdiagramm mit Energieumsatz bei elektromagnetischen induktiven
Prozessen, zum Beispiel in Spulen (siehe Abb.5.12). Links: Verstärken eines elektrischen
Stromes. Rechts: Verringern eines elektrischen Stromes. Pel,ind : Leistung im elektrischen
induktiven Prozess; Pmag : Leistung beim Auf- oder Abbau des magnetischen Feldes.
Fragen &
Übungen
1. Was ist eine Kraft der Natur? Welche grundlegenden Eigenschaften schreibt man
diesen Kräften zu?
2. Wie koppeln zwei Prozesse aneinander? Skizzieren Sie Prozessdiagramme für folgen-
de “Koppler”: elektrische Wasserpumpe; elektrischer Motor; Wasserturbine; Batterie;
Wasser leitendes horizontales Rohr; elektrischer Heizdraht; Generator in Wasserkraftwerk; Solarzelle. Werden dabei immer nur zwei Prozesse gekoppelt?
3. In der Kette in Abb.6.2 fliessen fluide Grössen (Volumen, Drall, elektrische Ladung)
auf festem Niveau von Element zu Element. Was passiert, wenn die Leitung, die den
Generator mit der elektrischen Heizung verbindet, Ladung nicht perfekt leitet?
4. Beschreiben Sie im Detail das Experiment, bei dem Wasser elektrisch geheizt wird
um herauszufinden, wie “mächtig” der elektrische Vorgang ist. Wie wiederholt man
das Experiment, um mehrfache Ergebnisse zu erhalten? Welche Grössen werden
gemessen? Wie werden die Messungen ausgewertet, um die Antwort auf die Frage
zu erhalten? Warum muss man nichts über thermische Prozesse verstehen (ausser
Temperatur messen können), um die Beobachtungen zu interpretieren?
5. Wie lernt man von Wasserfällen, dass die Energieumsatzrate (Leistung) eines Vor-
gangs durch das Produkt von Potentialdifferenz und Strom, der durch diese Niveaudifferenz fliesst, berechnet werden kann?
6. Wie berechnet man die in einer Zeitspanne umgesetzte (freigesetzte oder genutzte)
Energiemenge aus der Umsatzrate?
7. Was sind die Bedingungen, damit Energie in der Kopplung von Prozessen umgesetzt
werden kann?
6.2 Grundlegende Ideen zum Energiekonzept
193
8. An eine Batterie ist ein Widerstandselement angeschlossen und parallel dazu noch
ein Elektromotor. Welche (elektrischen) Spannungen identifizieren wir in diesem System? Wird in den elektrischen Prozessen Energie freigesetzt oder genutzt? Welche
anderen Spannungen sind mit den elektrischen Spannungen durch Prozesskopplung
verbunden?
6.2.2
Nicht-Ideale Kopplung und Wirkungsgrad
In Abb.6.3 sind das Wasserfalldiagramm und das Prozessdiagramm für eine ideale
elektrisch getriebene Wasserpumpe zu sehen. Die dort ausgedrückte Idee ist die:
ein treibender Prozess kann aufgrund seiner Bedingungen (Potentialdifferenz und
Stromstärke) eine bestimmte Menge Energie pro Sekunde freisetzten, das heisst zur
Verfügung stellen. Alle freigesetzte Energie wird mit der gleichen Rate von einem
Folgeprozess genutzt.
Wir wissen, dass Kopplungselemente wie eine Wasserpumpe in Realität nicht so
funktionieren. Bei gleichem Antrieb hängt das Resultat von speziellen Umständen
– Bauweise, Betriebsart – ab, und zwar ist das Resultat immer weniger als maximal
möglich wäre. Man sagt im Alltag, es gehe ein Teil der zur Verfügung gestellten
Energie verloren. Wir wissen auch aus Erfahrung, dass bei der Kopplung bei einer
Pumpe die Elektrizität nicht nur den hydraulischen Prozess sondern auch noch
Wärmeproduktion antreibt – wegen Reibung (elektrisch wie hydraulisch) wird ein
Gerät im Allgemeinen wärmer, gibt also auch Wärmestoff nach aussen ab. Wir haben
uns vorher überlegt, dass Wärmestoffproduktion auch Energie braucht (Abb.6.4).
Also können wir den scheinbaren Energieverlust bei realen Kopplungen wie folgt
verstehen (Abb.6.6): der elektrische Prozess stellt Energie mit einer bestimmten
Rate zur Verfügung (Pel ); diese Rate wird auf zwei Folgeprozesse – Pumpen eines
Fluids und Produktion von Wärmestoff – aufgeteilt (Phyd und Pdiss ). Zwischen den
drei Energieumsatzraten besteht die Beziehung
(6.5)
Pel = Phyd + Pdiss
Energie geht also bei realen Prozessen nicht verloren, sondern ein Teil der zur Verfügung gestellten Energie wird für den immer gleichen zweiten (unerwünschten)
Prozess – Wärmestoffproduktion auf bestimmter Temperatur – genutzt. Das ist ein
thermischer Prozess mit thermischer Leistung Pth = Pdiss .
THERMAL
PROCESS
REAL PUMP
Driving
process
Caloric
Pdiss
ELECTRIC
PROCESS
T
Driven
processes
Pel
IV
IQ
1
Phyd
2
p1
p2
HYDRAULIC
PROCESS
Abbildung 6.6: Prozessdiagramm für eine reale elektrisch angetriebene Wasserpumpe.
Die Elektrizität treibt zwei Prozesse gleichzeitig (parallel) an: Pumpen von Wasser und
Wärmestoffproduktion. Jeder der beiden Prozesse braucht einen Teil der zur Verfügung
gestellten Energie. Der Kreis mit Punkt drin (am Anfang des Tansportes von Wärmestoff )
bezeichnet wie bisher die Produktionsrate von Wärmestoff.
194
Energie in Natur und Maschinen
Wirkungsgrad. In einer realen Kopplung wird der erwünschte angetriebene Prozess also nie so effizient, wie man aufgrund der freigesetzten Energie des antreibenden Prozesses erwarten könnte. Man führt darum das Verhältnis von tatsächlicher
Energieumsatzrate (Leistung) des erwünschten Prozesses zu Energieumsatzrate des
antreibenden Prozesses ein und nennt es Wirkungsgrad :
η = Perwünscht /PAntrieb
(6.6)
Perwünscht ist auch das, was man auf Englisch available power (Pavailable ) nennt –
wie gesagt, der anreibende Prozess stellt Energie für Folgeprozesse zur Verfügung.
Konzepte
Nicht idealer Energieumsatz
Ein Prozess kann mehr als einen anderen Prozess gleichzeitig antreiben. Die zur
Verfügung gestellte Energie (availability) wird dann auf die Prozesse aufgeteilt.
Dies passiert typischerweise, wenn zusätzlich zum angetriebenen Hauptprozess
noch Wärmestoff produziert wird. Man sagt, die nicht für den Hauptprozess genutzte Energie werde dissipiert.
Fragen &
Übungen
9. Was bedeutet es, wenn man im Alltag (oder auch in der Technik) von Energieverlust
spricht?
10. Zeichnen Sie das Prozessdiagramm der Kette von Vorgängen in Abb.6.2 nochmals,
aber dieses mal mit Wirkungsgraden kleiner als 1 für die Elemente in der Kette.
Macht es Sinn, einen Wirkungsgrad für das letzte Element (elektrische Heizung)
einzuführen?
11. Beim hydroelektrischen Kraftwerk Bavona fällt eine Wasserstrom von 18.0 m3 /s 890
m tief zu den Turbinen. Die elektrische Leistung des Kraftwerks wird bei diesen
Betriebsbedingungen 137 MW betragen. Wie gross ist der Wirkungsgrad der Kopplung? Wie gross ist die Dissipationsrate?
12. Wenn eine Wasserpumpe bei 230 V mit einer elektrischen Stromstärke von 5.0 A
arbeitet, welchen Volumenstrom von Wasser kann man dann unter idealen Verhältnissen 10 m hoch pumpen? Wieviel Wasser kann man in einer Stunde Pumpen, wenn
der Wirkungsgrad der Pumpe 80% beträgt?
6.2.3
Energie kann man übertragen
Wenn man ein Element mit einem zweiten verbindet, um eine Kette zu bilden
(Abb.6.2), so wird die Verbindung durch die Übertragung einer fluidartigen Grösse
erzeugt. Im Beispiel der Kette in Abb.6.2 fliesst elektrische Ladung zwischen dem
Generator und der elektrischen Heizung hin und zurück. Vor dem Hinweg, so stellen
wir uns das vor, wird im Generator Energie auf die Elektrizitätsmenge aufgeladen.
Vor dem Rückweg wird – falls zwischen Generator und Heizung nichts passiert –
gleich viel Energie in der Heizung abgeladen.
Um nun nicht sagen zu müssen, dass Energie im Generator zwar auf die Ladung
drauf geladen wird, dann aber verschwindet, bevor sie in der Heizung wieder “erscheint”, stellen wir uns vor, dass die in der Heizung freizusetzende Energie mit der
elektrischen Ladung vom Generator zur Heizung transportiert wird. Wir stellen uns
6.2 Grundlegende Ideen zum Energiekonzept
195
also einen Energiestrom vom Generator zur Elektroheizung vor, bei dem die elektrische Ladung als Energieträger funktioniert (siehe den rechten Teil in Abb.6.7).
Natürlich sollte der Energiestrom proportional zum Strom des Trägers sein: man
kann zwei identische Ketten parallel zueinander stellen, dann verdoppeln sich alle
Transferraten.
Energy
transfer
TURBINE
Energy
transfer
IV
GENERATOR
IL
p1
p2
ω1
ELECTRIC
HEATER
Energy
transfer
IQ
ω2
1
Energy
transfer
Caloric
T
2
Abbildung 6.7: Prozessdiagramm für eine Kette von Vorgängen. Wir stellen uns vor,
dass bei der Verbindung von zwei Elementen Energie zusammen mit einer zugehörigen
fluidartigen Grösse übertragen wird (horizontale dicke Pfeile). Die Energie, die übertragen
wird, ist die, die vorher und nachher in der Kopplung von Prozessen umgesetzt wird.
Die Rate, mit der die Energie zwischen Elementen übertragen wird (Energiestrom),
sollte mit der Umsatzrate in den verbundenen Elementen zusammen hängen, und
diese hängt mit den Niveaus zusammen. Also sollten wir erwarten, dass die Stärke
des Energiestroms auch vom Niveau, auf dem der Trägerstrom fliesst, abhängt.
Energieträger und Energietransport
Konzepte
Energie fliesst bei der Aneinanderreihung von Elementen in einer Prozesskette von
Element zu Element. Dabei wird sie von der fluiden Grösse, die gleichzeitig übertragen wird, wie “getragen”. Die Stärke des Energiestroms hängt von der Stärke
des Trägerstroms und vom Niveau, auf dem dieser fliesst, ab.
13. Warum sollte der Energiestrom zwischen zwei Elementen in einer Kette proportional
zum Trägerstrom sein? Warum sollte er vom Niveau, auf dem der Träger fliesst,
abhängen?
14. Nehmen Sie an, der Energiestrom zwischen zwei Elementen (oder einfach in ein oder
aus einem Element) hänge vom Potential (Niveau) ab, auf dem der Träger fliesst.
Sollte man dann annehmen, dass in Abb.6.7 Energie mit dem rückkehrenden Träger
(Spin zwischen Turbine und Generator und elektrische Ladung zwischen Generator
und Heizung) auch zurück fliesst? Wie steht es mit dieser Sache, wenn das Niveau,
auf dem der Träger zurück fliesst, gleich Null ist? Besteht ein Zusammenhang zwischen der Stärke eines hinfliessenden und zurückfliessenden Energiestroms und der
Umsatzrate der Energie in den verbundenen Elementen?
15. Eine Prozesskette wie in Abb.6.7 hat einen Anfang und ein Ende. Woher kommt die
Energie? Wohin geht sie?
6.2.4
Energie kann man speichern
In Abb.6.7 fliesst Energie in die Kette und beim letzten Element wieder aus der
Kette. Man kann sich fragen, woher sie kommt und wohin sie geht. Sollten wir uns
Fragen &
Übungen
196
Energie in Natur und Maschinen
einfach eine unendlich lange Kette vorstellen, sodass es vorher also immer noch ein
Element hat und das Problem so gelöst wird? Wird die Energie irgendwo am Anfang
erschaffen und verschwindet sie irgendwo am Ende? Oder kommt sie aus Quellen
und geht – und bleibt – in Senken?
In den Naturwissenschaften nehmen wir an, dass das Letztere der Fall ist. Es gibt
Energiespeicher, d.h., Energie kommt aus bestimmten Elementen, die als Energiequelle dienen und geht in solche, die als Energiesenken funktionieren (Abb.6.8).
PRESSURE
VESSEL
PUMP
PRESSURE
VESSEL
Energy
Energy
Energy
E
IQ
TURBINE AND
GENERATOR
E
V
2
IQ
IV
IV
1
Energy
V
p2
p1
p1
p2
1
2
Abbildung 6.8: Ein Behälter, in dem man ein Fluid unter (erhöhtem) speichern kann,
dient gleichzeitig als Energiespeicher. Man kann ein solches Gefäss mit einer Pumpe laden
(links) und (sehr viel später) wieder über Turbine mit Generator entladen (rechts).
Wenn man ein Gefäss mit Hilfe einer Pumpe mit einem Fluid unter erhöhtem Druck
füllt, so wird aufgrund unserer bisherigen Annahmen Energie mit dem Fluid auf
hohem Druck transportiert. Man kann dann das Fluid im Gefäss unter Umständen
sehr viel später wieder nutzen, um eine Turbine mit Generator zu treiben (Abb.6.8),
wozu wieder Energie ist. Es ist wohl sinnvoll anzunehmen, dass die übertragene und
genutzte Energie in der Zwischenzeit nicht verschwunden ist und wieder erschaffen
wird, sondern dass sie im Speichergefäss gelagert (gespeichert) wurde.
Betrachten wir den Fall des Ladens eines Speichers. Der Energiestrom (IE ) in den
Speicher hinein hängt von der Stärke des Trägerstroms (IX ) und vom Niveau (ϕX ),
auf dem er in den Speicher geht, ab (Abb.6.9). Die Menge der in einem Speicherelement gelagerten Energie hängt dann auch mit der Menge des gespeicherten Trägers
und mit dem Niveau, das sich im Speicher ergibt zusammen. Allerdings ist dieser
Zusammenhang vom Bau des Speichers abhängig – es gibt also keine allgemein gültigen mathematischen Beziehungen, mit denen mann in jedem Fall die in einem
Speicher vorhandene Energiemenge bestimmen kann.
STORAGE
ELEMENT
IE
IX
E
X
X
Abbildung 6.9: Energie (Symbol E) fliesst mit einem Träger (Symbol X) in ein Speicherelement. Beide werden gespeichert (Tanksymbole mit E und X im Speicherelement). Wie
E und X zusammenhängen, hängt von der konkreten Bauweise des Speicherlementes ab.
Fragen &
Übungen
16. Geben Sie Beispiele von Energiespeichern an. Können Sie dabei identifizieren, wel-
cher Energieträger (fluide Grösse) mitgespeichert wird? Kann man sagen, welches
Potential dabei zeigt, dass Energie gespeichert ist?
6.2 Grundlegende Ideen zum Energiekonzept
197
17. Wenn Wasser in einem offenen Gefäss gespeichert ist, welches Phänomen ist dann
für die Speicherung von Energie verantwortlich? Anders gesagt, welche fluide Grösse
ist gespeichert, und welches Potential ist erhöht?
18. Wenn sich ein elektrischer Strom verstärkt, dann wird Energie im elektrischen Prozess freigesetzt. Wohin geht die Energie (was ist der Speicher)?
19. Wenn sich ein elektrischer Strom verringert, dann wird die fliessende Ladung gepumpt, wozu es Energie braucht. Woher kommt die Energie?
6.2.5
Energie kann man bilanzieren
Wenn man Energie speichern kann, und wenn sie in Elemente hinein oder aus ihnen
heraus fliesst, so lässt sie sich auch bilanzieren – genau wie jede fluidartige Grösse (siehe Beispiele in den Abschnitten 2.1.1, 3.2.1, 4.2.1). Die Bilanz funktioniert
mathematisch auch genau gleich, obwohl man beachten sollte, dass Energie nicht
ganz analog zu allen anderen bilanzierbaren Grössen ist. Sie hat mit dem, was wir
Energieumsatz bei Kopplungen genannt haben, eine Eigenschaft, die wir bei den
fluidartigen Grössen nicht finden.
Wenn man eine bilanzierbare Grösse nicht erschaffen oder vernichten kann (wie wir
das bei Volumen von Wasser oder bei elektrischer Ladung annehmen), dann ist die
Bilanz besonders einfach: was in einen Speicher hineingeht und nicht wieder heraus
kommt, bleibt drin (Abb.6.10). Im Diagramm eines systemdynamischen Modells erhält man die Darstellung der Bilanz, indem man ein Reservoir-Symbol mit Symbolen
für die auftretenden Ströme verbindet – Erzeugungs- und/oder Vernichtungsraten
gibt es nicht.
Diese Eigenschaft haben wir auch bei der Energie. So weit wir wissen, kann man
Energie weder erschaffen noch vernichten. Sie ist, wie man in der Physik sagt, eine
erhaltene Grösse. In gewissem Sinn haben wir an diese Eigenschaft schon bisher
appelliert, indem wir eine Art Bilanz zwischen Energie-Umsatzraten und Strömen
zur Argumentation bei der Beschreibung von Prozesskopplungen und Verbindung
von Elementen herangezogen haben.
STORAGE ELEMENT
E
IE 1
IE2
E
IE1
IE 2
IE3
IE 3
Abbildung 6.10: Allgemeine Idee der Bilanz einer erhaltenen Grösse wie Energie (links).
Darstellung einer Energiebilanz im Diagramm eines systemdynamischen Modells (rechts).
Erhaltung, Erzeugung, Verschwendung, Verlust. Im Alltag und bei ökonomischen
Betrachtungen reden wir oft über Energie auf eine Weise, die auf andere Vorstellungen als die wissenschaftlichen zum Thema Energie hindeuten. Wir sprechen über
Energieerzeugung und Energieverlust, und sagen sehr oft, dass Energie verschwendet wird. Wie sind diese Redewendungen mit der Vorstellung der Erhaltung der
Energie vereinbar? Wenn es doch in der Welt immer gleich viel Energie gibt?
Die Sache mit Erzeugen und Verschwinden von Energie ist leicht erklärt – Energie
kommt aus Speichern und geht in Speicher, eine Angelegenheit, um die wir uns
198
Energie in Natur und Maschinen
im Alltag nicht immer kümmern. (Aber: Auch wenn die Sache leicht erklärt ist,
so ist sie nicht immer leicht und fürs Leben verstanden. Wir haben tiefliegende
Vorstellungen, die von Gefühlen herrühren, die mit unserem täglichen Leben – mit
der Wechselwirkung unseres Körpers und unseres Nervensystems mit der Umwelt –
zusammenhängen. Gerade die Sache mit der Energie ist nicht so klar. Energie hat aus
dieser Wahrnehmung von uns Menschen heraus die Bedeutung einer “Lebenskraft”,
und wie wir alle wissen, erscheint sie und verschwindet sie in uns, und wir wissen
oft nicht, warum wir uns “geladen” oder mental oder emotional “erschöpft” fühlen.)
Verschwendung oder Verbrauch von Energie ist etwas schwieriger zu verstehen. Aber
auch dafür haben wir ein einfaches Bild, wenn wir uns an das Konzept der Verfügbarkeit von Energie (availability) erinnern. Es spielt keine Rolle, wieviel Energie wo
vorhanden ist, es geht nur darum, ob die vorhandene Energie verfügbar gemacht
werden kann, und dafür sind Spannungen notwendig. Die Frage ist also nicht, ob
ein Speicher viel Energie enthält, sondern ob es zwischen dem Speicher und der
Umwelt, wo wir die Energie nutzen wollen, einen Niveauunterschied gibt. Nur wenn
das Potential eines Speichers höher als das der Umgebung ist, kann ein Prozess
stattfinden, bei dem dann Energie freigesetzt (zur Verfügung gestellt) wird.
Fragen &
Übungen
20. Einem Raum wird durch Heizen Energie mit einer Rate von 2.5 kW zugeführt.
Gleichzeitig verliert der Raum wegen Auskühlung Energie mit einer Rate von 1.8
kW. Eine Rechnung auf der Basis thermodynamischer Angaben über den Raum
ergibt, dass die Energie des Raumes konstant bleibt. Was ist los?
21. Wie beweist man, dass Energie erhalten ist, also weder erzeugt noch vernichtet werden kann?
6.2.6
Energieformen und Umwandlung von Energie
Es ist üblich, von Energieumwandlung und von Energieformen zu sprechen. Zum
Beispiel sagt man, ein elektrischer Motor wandle elektrische Energie in Rotationsenergie um. Die Bezeichnungen “elektrische Energie” und “Rotationsenerguîe” stehen
dann für verschiedne Energieformen. Man verwendet auch Beinamen, wenn es um die
Speicherung von Energie geht: Gravitationsenergie (Energie, die zu einem Stausee
gehört), Bewegungsenergie (Energie, die zu einem sich bewegenden Körper gehört),
chemische Energie (Energie, die zu einem chemischen Stoff gehört), Druckenergie
(Energie, die zu einem Druckgefäss gehört).
Dazu sind mehrere Dinge zu sagen. Erstens gibt es in der modernen physikalischen
Theorie nur eine einzige Energie, es gibt keine verschiedenen Typen von Energie.
Also kann die Verwendung von Beinamen für Energie höchstens eine Bequemlichkeit
sein – sinnvoll ist sie nicht. Sie verwirrt mehr, als sie hilft, und in vielen Fällen ist sie
schlicht falsch. Deshalb werden wir normalerweise keine speziellen Bezeichnungen
für “Energieformen” verwenden. Und wenn wir keine verschiedenen “Formen” von
Energie kennzeichnen, dann ist auch “Umwandlung” eine sinnlose Bezeichnung.
Energieformen bei Speicherung. In diesem Fall ist die Bezeichnung von Energie mit
verschiedenen Formen physikalisch falsch. Es gibt keine “Speicherformen” sondern
nur verschiedene Speicher (Behälter, Kondensatoren, Gravitationsfeld, Magnetfeld,
bewegter Körper, rotierender Körper, Materialien. . . ). Besonders in der Thermodynamik hat dieser saloppe Umgang mit “Energieformen” zu Verwirrung und endlosen
unfruchtbaren Diskussionen geführt.
Energieformen bei Energietransport. Wenn Energie transportiert wird, dann ist
der Transport in gewissen Fällen vom Transport eines zugehörigen Energieträgers
6.3 Konzepte und Beziehungen
199
begleitet. In diesem Fall ist es unnötig (und manchmal irreführend), von Energieform zu sprechen: wir sollten den Energieträger bezeichnen, um klar zu machen,
um was für einen Vorgang es sich handelt (“Energie wird mit Wasser unter Druck
von einem Speicher zu einer Turbine geleitet”); wenn man es nicht macht, ist man
einfach zu bequem. In der Thermodynamik ist aus historischen Gründen der Energieträger (Wärmestoff) “verloren” gegangen. Wenn man also sagt, es werde Wärme(energie) übertragen (statt zu sagen, dass Energie zusammen mit Wäremstoff
übertragen wird), dann ist man nicht in der Lage, thermische Prozesse grundlegend
zu beschreiben.
Energieumwandlung bei Kopplung von Prozessen. Was wir im Alltag, in Technik
und Wissenschaft mit Energieumwandlung beschreiben, kann – wenn überhaupt –
nur auf die Kopplung von Prozessen angewendet werden. Typischerweise koppelt ja
ein Prozess an einen anderen (Tabelle 6.1). Zum Beispiel folgt bei einer elektrischen
Wasserpumpe auf einen elektrischen Prozess ein hydraulischer. Wenn man sagt, dass
in einer elektrischen Pumpe elektrische Energie in hydraulische Energie “verwandelt”
wird, so ist das zwar zulässig – wenn man unbedingt will – aber nicht erhellend. Wir
haben gesehen, wie man eine elektrische Wasserpumpe systemisch beschreibt (mit
Worten und mit Prozessdiagrammen, siehe Abb.6.6). Ein Beispiel, wo die abgekürzte
Redeweise alles Verständnis verdeckt statt erhellt, ist die typische Aussage, dass eine
Solarzelle Licht in Elektrizität umwandelt – auf diese Weise wird man nie zu einem
wissenschaftlichen systemischen Verständnis einer Solarzelle kommen.
6.3
Konzepte und Beziehungen
In diesem Abschnitt werden die Zusammenhänge zum Thema Energie bei natürlichen und technischen Prozessen kurz beschrieben und formal zusammengefasst.
Die einzelnen Abschnitte richten sich im Wesentlichen nach den mehr oder weniger
qualitativen Diskussionen in Abschnitt 6.2.
6.3.1
Energieumsatzrate bei der Kopplung von Prozessen
Der Prototyp eines Prozesses (Beispiele in Kapitel 3,4 und 5) ist mit einer Spannung, d.h. einer Potentialdifferenz, verknüpft (Beispiele: Druckdifferenz, elektrische
Spannung, chemische Potentialdifferenz). Eine mengenartige Grösse (Volumen eines Fluids, elektrische Ladung, Stoffmenge) fliesst durch die zugehörige Potentialdifferenz (fliesst von selber oder wird gepumpt). Dann kann man ein Mass dafür
einführen, wieviel der Prozess verursacht hat, oder wie gross die Anstrengung war,
die mengenartige Grösse zu pumpen. Dieses Mass nennen wir freigesetzte Energiemenge (im Fall von selbständigem Fliessen vom höheren zum tieferen Niveau) oder
gebrauchte Energiemenge (im unfreiwilligen Fall). Die Rate des Energieumsatzes
nennen wir Leistung des Prozesses. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Leistung sowohl vom Durchsatz (Strom) der mengenartigen Grösse als auch von der
Niveaudifferenz (Potentialdifferenz) abhängen sollte. Die einfachste mögliche Form
für diesen Zusammenhang ist
PX (t) = 4ϕX IX
(6.7)
den man in der Physik so akzeptiert. Der Energieumsatz (Menge der freigesetzten
oder benutzten Energie) ist natürlich das Integral der Leistung über der Dauer des
Prozesses:
ˆtf
WX = PX (t) dt
(6.8)
ti
200
Energie in Natur und Maschinen
Die visuelle Metapher, die den Begriff Leistung erläutert, ist das Wasserfallbild
(Abb.6.3): Ein Strom von Wasser fliesst von einem höheren zu einem tieferen Niveau. Wie wir wissen, kann das herunterfallende Wasser andere Vorgänge antreiben
(verursachen); um diese Verursachung zu quantifizieren, führen wir den Begriff Energie ein.
Beispiele von Prozessleistungen. In konkreten Fällen muss man also, um die Prozessleistung angeben zu können, den Strom der fluidartigen Grösse (Energieträger)
und die zugehörige Potentialdifferenz angeben. Wir können das aufgrund der bisherigen Themen für Hydraulik, Elektrizität und Gravitation tun (Tabelle 6.2).
Tabelle 6.2: Prozesse und Energieumsatzrate
Fluidartige
Grösse
PotentialDifferenz
Leistung
Volumen
Druck
Phyd = 4p IV
Elektrizität
Elektrische
Ladung
Elektrisches
Potential
Pel = 4ϕel IQ
Gravitation
Masse
Gravitationspotential
Pgrav = 4 (g h) Im
Hydraulik
Fragen &
Übungen
22. Nach schweren Regenfällen ergiessen sich 10000 m3 /s über die 110 m hohen Victoriafälle. Wie gross ist die Leistung des Wasserfalls (d.h. wieviel Energie wird von den
herabstürzenden Wassermassen pro Sekunde freigesetzt)?
23. Der Wasserspiegel des Lac des Dix liegt 2365 m über Meer. Das Unterwasser des
Kraftwerks Bieudron befindet sich nur noch 481 m über Meer. Wie gross ist die
Leistung des Wassers, wenn 75 m3 /s aus dem See ins Kraftwerk fliessen? Um was
für einen Prozess handelt es sich bei der Frage (hydraulisch, elektrisch, thermisch,
gravitativ, chemisch)?
24. Eine Pumpe befördert 1000 Liter Wasser kontinuierlich in 10 Minuten 20 m hoch.
Wie gross ist die gravitative Leistung des Vorgangs? Wieviel Energie wurde für den
gravitativen Vorgang gebraucht?
25. Wie kann man den Vorgang in Aufgabe 24 als hydraulischen Prozess beschreiben
(und berechnen)?
26. Ein elektrischer Strom von 2.0 A fliesst durch einen Heizdraht. Man misst eine Span-
nung von 120 V entlang des Drahtes. Wie gross ist die elektrische Leistung bei diesem
Vorgang? Wird die Energie im elektrischen Vorgang freigesetzt oder gebraucht?
27. Im Betrieb ist die Spannung über einem Tauchsieder 220 V. Die elektrische Leistung
des Geräts beträgt 300 W. Wie gross ist die Stärke des elektrischen Stromes durch
den Tauchsieder?
28. Eine 4.5 V Batterie betreibt eine kleine Lampe. Die gemessene Klemmenspannung
beträgt 3.2 V. Der Energieumsatz in der Lampe beträgt 4.0 W. Wie stark ist der
Ladungsstrom? Wie gross sind alle im Stromkreis vorkommenden elektrischen Leistungen (einzeln)? Wird bei den einzelnen elektrischen Prozessen Energie freigesetzt
oder gebraucht?
29. Wird in einer Batterie im chemischen Prozess Energie freigesetzt oder gebraucht?
Was, wenn man die Batterie auflädt? Wie steht es in diesen beiden Fällen mit der
Energie im elektrischen Prozess?
6.3 Konzepte und Beziehungen
6.3.2
201
Kopplung von Prozessen und Wirkungsgrad
Im vorhergehenden Abschnitt wurde ein Prozess durch das Fliessen einer mengenartigen Grösse durch eine Potentialdifferenz beschrieben. Wir haben dann gesagt,
dass mit einem Prozess ein Energieumsatz verknüpft sei (Energie wird entweder freigesetzt oder gebraucht). Diese Vorstellung leitet sich aus der Beobachtung ab, dass
ein (freiwilliger, spontaner) Prozess in der Natur und in Maschinen einen anderen
(unfreiwilligen, getriebenen) Prozess verursacht oder antreibt.
Mit anderen Worten: fliesst eine Mengenartige Grösse “bergab” (vom höheren zum
tieferen Potential), dann kann sie eine andere Mengenartige Grösse “bergauf” treiben (vom tieferen zum höheren Potential pumpen). Der freiwillige Prozess setzt
Energie frei, die der unfreiwillige braucht; man sagt auch, der freiwillige Vorgang
stelle Energie zur Verfügung. Noch einmal anders gesagt: Prozesse werden durch
Energie aneinander gekoppelt. Noch einmal anders gesagt: Wir brauchen die Idee
der Energie, um den quantitativen Zusammenhang bei Kopplung von Prozessen zu
verstehen.
Bemerkung: Besonders im technischen Bereich ist das Konzept der Verfügbarkeit
von Energie – auf Englisch: availability – ein wichtiger Eckpfeiler für das Verständnis
der Energie. Die Leistung eines freiwilligen Vorgangs (nach Gl.6.7 berechnet) heisst
dann available power, die über die Zeit aufintegrierte Leistung heisst availability. Die
so definierte Grösse ist unabhängig davon, was mit der Energie angerichtet wird.
Wirkungsgrad. Im Allgemeinen treibt ein freiwilliger Vorgang einen oder mehrere
Vorgänge gleichzeitig an. Wenn mehr als ein Vorgang angetrieben wird, wird die zur
Verfügung gestellte Energie (available power oder availability) unter den Folgevorgängen aufgeteilt:
Pavailable = P1 + P2 + . . .
(6.9)
Oft haben wir es mit folgender Situation zu tun. Man baut eine Maschine, die einen
bestimmten Vorgang als Antrieb benutzt (z.B. Wasserpumpe mit elektrischem Antrieb) und einen einzigen erwünschten Prozess (Pumpen von Wasser) antreibt. Aus
Erfahrung wissen wir, dass ein zweiter – unerwünschter – Vorgang den geplanten
begleitet: es wird gleichzeitig Wärme (Wärmestoff) erzeugt, was auch Energie erfordert:
Pavailable = Perwünscht + Pdiss
(6.10)
Für den erwünschten Vorgang steht also weniger als 100% der freigesetzten Energie
zur Verfügung. Den Bruchteil, den man für den erwünschten Prozess kriegt, nennt
man Wirkungsgrad :
Perwünscht
(6.11)
η=
Pavailable
Der Teil der Leistung, der mit der Erzeugung von Wärmestoff gekoppelt ist, heisst
Dissipationsrate Pdiss . Im Alltag nennt man dies auch die “Energieverlustrate”.
30. Eine Pumpe befördert 1000 Liter Wasser in 10 Minuten 20 m hoch. Wie gross ist
die hydraulische Leistung des Vorgangs? Wenn die Pumpe elektrisch betrieben wird,
wie gross ist die elektrische Leistung?
31. Eine elektrisch getriebene Pumpe befördert 1000 Liter Wasser kontinuierlich in 10
Minuten 20 m hoch. Man misst die elektrische Leistung und erhält 400 W. Wie
gross ist der Wirkungsgrad der Pumpe? Die Dissipationsrate? Wie gross muss die
elektrische Stromstärke sein, wenn die Pumpe bei 230 V betrieben wird?
Fragen &
Übungen
202
Energie in Natur und Maschinen
32. Wenn beim Kraftwerk Nendaz Wasser mit einem Massenstrom von 45000 kg/s 1014
m tief fällt, beträgt die elektrische Leistung der angetriebenen Generatoren 384 MW.
Wie gross ist der Wirkungsgrad des Kraftwerks? Wie gross ist die Dissipationsrate?
33. Ein Elektromotor wird bei 230 V mit einer Stromstärke von 2.2 A angetrieben. Wie
gross wird die mechanische Leistung bei einem Wirkungsgrad von 0.85 sein?
34. Bei einer Batterie mit einer Leerlaufspannung von 4.5 V fliesst ein elektrischer Strom
von 1.0 A. Die gemessene Klemmenspannung beträgt 3.5 V. Wie gross ist die elektrische Leistung der Batterie im Betrieb? Wie gross ist die Dissipationsrate? Wie
gross ist die chemische (Antriebs)Leistung? Wie gross ist der Wirkungsgrad?
35. Bei Aufgabe 34: Wieviel Ladung ist in einer halben Stunde geflossen? Wieviel Energie
wurde in der Batterie freigesetzt? (Bestimmen Sie die freigesetzte Energiemenge auf
zwei Arten: 1. Wieviel Ladung fällt durch welche elektrische Potentialdifferenz; 2.
Integration der entsprechenden Leistung über die Zeit.)
6.3.3
Energietransfer bei konduktiven Transporten
Wenn eine mengenartige Grösse durch eine Potentialdifferenz fällt, wird Energie
freigesetzt. Man stellt sich nun vor, die Energie werde dabei nicht “erzeugt” sondern müsse zugeführt werden. Wir führen also den Begriff Energiestrom (IE ) ein,
um Energietransfers zu quantifizieren. Die Stärke der Energieströme muss mit den
Strömen der mengenartigen Grössen und dem Niveau, auf dem die mengenartige
Grösse fliesst, zusammenhängen:
IE,X = ϕX IX
(6.12)
Wäre der Zusammenhang nicht so, dann würde Gl.6.12 nicht mit unserer Vorstellung
über Leistung (Rate des Energieumsatzes) nach Gl.6.7 zusammen passen.
Bemerkung: Diese Form des Zusammenhangs zwischen Energiestrom und Strom
einer mengenartigen Grösse gilt nur, wenn der Prozess mit seinem entsprechenden
Potential zusammenhängt, d.h., wenn der Transport konduktiv (Leitungsartig) ist.
Bei anderen Transportprozessen (Konvektion und Strahlung) wird der zugehörige
Energiestrom anders berechnet. Wegen des direkten Zusammenhangs entsprechend
Gl.6.12 spricht man bei der mengenartigen Grösse X auch vom Energieträger beim
Vorgang X (z.B., elektrische Ladung ist der Träger der Energie bei elektrischen
Transportvorgängen).
Wie im Fall von mengenartigen Grössen spricht man auch hier von einer während
einer Zeitspanne transportierten Menge. Die mit einem Energiestrom in einer Zeitspanne übertragene Energiemenge ist natürlich das Integral des Energiestromes über
die Zeit(spanne):
ˆtf
Ee,X = IX (t) dt
(6.13)
ti
Fragen &
Übungen
36. Jede Sekunde fliesst ein Liter Wasser durch ein Rohr. Vom Anfang bis zum Ende
des Rohres fällt der Druck des Wassers von 1.50 bar auf 1.20 bar. Wie gross ist der
Energiestrom mit dem Wasser beim Eingang des Rohres? Beim Ausgang?
37. Wie hängt die Differenz der beiden Werte, die Sie in Aufgabe 36 berechnet haben,
mit der hydraulischen Leistung des Wassers im Rohr zusammen? Kann man sagen,
wozu die im Rohr freigesetzt Energie gebraucht wurde?
6.3 Konzepte und Beziehungen
203
38. In einem offenen geradwandigen Tank steht Wasser 2.0 m hoch. Auf einer Höhe von
1.0 m wird Wasser mit einem Volumenstrom von 0.010 m3 /s hineingepumpt. Wie
gross ist der zum Wasserstrom gehörige hydraulische Energiestrom, der in den Tank
geht? (Umgebungsdruck: 1.0 bar.)
39. Beachten Sie, dass der Wasserstrom in Aufgabe 38 genau 1.0 m über dem Boden in
den Tank geht. Wenn Sie den Boden als Null-Niveau für die Gravitation nehmen,
wie gross ist dann der totale Energiestrom, der mit dem Wasser in den Tank geht?
40. Schätzen Sie die Energiemenge ab, die mit dem Blut bei einem erwachsenen Menschen pro Herzschlag in die und aus der linken Herzkammer fliesst. Nehmen Sie den
Umgebungsdruck im Körper als Null-Niveau für Ihre Rechnungen.
41. Wir setzten das elektrische Potential bei einem Kondensator am tiefen Ende willkürlich auf Null. Die Spannung über dem Kondensator beträgt in einem bestimmten
Moment 3.0 V (höheres Ende auf + 3.0 V). In diesem Moment ist der Ladungsstrom
in den Kondensator 1.25 mA. Wie gross ist der Energiestrom in den Kondensator?
6.3.4
Energiespeicher
Wenn Energie, die bei einem Prozess freigesetzt wird, nicht erzeugt sondern zugeführt wird, ist der nächste sinnvolle Schluss, dass man Energie speichern kann.
Typische Energiespeicher sind Fluide unter Druck, Kondensatoren, heisse Körper,
Schwerefelder, Stoffe in Batterien und Stoffe allgemein, bewegte und rotierende Körper, etc..
Kapazitive Energiespeicher. Wieviel Energie in einem Speicher vorhanden ist, lässt
sich nicht durch allgemein gültige Ausdrücke ähnlich wie Gl.6.7 oder 6.12 darstellen.
Energiespeicherung hängt von den Details des Baus eines Speichers ab, ist damit also
eine konstitutive Grösse. Es gibt ein paar wenige einfache Fälle, die gleich aussehen.
Konkret gilt folgende Gleichung für die Änderung der gespeicherten Energiemenge,
wenn die Speicher ein kapazitives Verhalten mit konstanter Kapazität haben:
i
1 h
2
2
(6.14)
C (4ϕ)f − (4ϕ)i
2
Dieses Resultat kann man sich am Beispiel eines mit Wasser gefüllten zylindrischen
Gefässes vergegenwärtigen. In dem Fall ist C die hydraulische Kapazität des Gefässes, und ϕ ist der Druck der Flüssigkeit am Boden des Gefässes.
Induktive Elemente als Energiespeicher. Induktive Elemente – ein Rohr mit Flüssigkeit oder eine Drahtspule, eventuell mit Eisenmagnet – speichern Energie, wenn
die zugehörigen Ströme fliessen: Flüssigkeit durch ein Rohr, elektrische Ladung
durch die Spule. Diese Elemente speichern die Energie, die für den Aufbau des Stromes und das damit verbundene Phänomen notwendig war. Das bedeutet, dass (reine)
induktive Elemente reversibel arbeiten: Sie können die gesamte gespeicherte Energie im umgekehrten Prozess wieder abgeben. Wenn in einem Rohr der Fluidstrom
zeitlich abnimmt, so wird Energie freigesetzt, die zu einer induktiven Druckdifferenz
führt; wenn der elektrische Strom durch eine Spule abnimmt, dann kommt Energie
aus dem Magnetfeld und es wird eine induktive Spannung aufgesetzt. Die Spannungen und Druckdifferenzen haben einfach die umgekehrten Vorzeichen von denen, die
beim Aufbau von Strömen auftreten. Die im induktiven Element (mit konstanter
Induktivität L) momentan gespeicherte Energiemenge ist so zu berechnen:
4E =
E=
1 2
LI
2
(6.15)
204
Fragen &
Übungen
Energie in Natur und Maschinen
42. Modellieren Sie einen Stausee als Becken mit senkrechten Wänden. Die Fläche ist
1.0 km2 . Das Wasser ist 30 m tief. Nehmen Sie den Boden des Sees als Null-Niveau.
Wieviel Energie ist mit dem Wasser gespeichert?
43. Bei Aufgabe 42 nehmen wir die Turbinenstation eines Kraftwerks als Null-Niveau;
sie befindet sich 100 m unter dem Boden des Sees. Wieviel Energie ist mit dem
Wasser relativ zur Turbinenstation gespeichert?
44. Eine Bank von Superkondensatoren mit einer gesamten Kapazität von 1000 F ändert
seine Spannung von 100 V auf 80 V. Um wieviel ändert die gespeicherte Energiemenge?
45. Nehmen Sie an, die menschliche Aorta sei ein Druckbehälter mit konstanter hydrau-
lischer Kapazität. Bei einem jungen gesunden Menschen ändert der Druck des Blutes
in der Aorta zwischen 80 mmHg und 120 mmHg. Nehmen Sie an, dass während dieser
Änderung die Energie des Blutes um etwa 0.5 J ändert (in Aufgabe 40 findet man,
dass ungefähr 1 J Energie mit dem Blut aus der linken Herzkammer in die Aorta
geführt wird; gleichzeitig wird aber Energie mit dem Blut in den Körper geführt).
Schätzen Sie den Wert der Kapazität der Aorta. Was folgt daraus für die Änderung
des Volumens zwischen niedrigem und hohem Blutdruck in der Aorta?
6.3.5
Energiebilanz und Energieerhaltung
Wenn Energie gespeichert werden und fliessen kann, dann kann man sie auch Bilanzieren. Wenn man zusätzlich noch annimmt, dass Energie weder erschaffen noch
vernichtet werden kann (wovon man in der Physik überzeugt ist), dann lautet die
momentane Form der Energiebilanz für ein Element
X
dW
=
IW,i
dt
i
(6.16)
IW,i steht für die verschiedenen Möglichkeiten der Energieübertragung in das oder
aus dem Element. Die zugehörige integrierte Form der Bilanz lautet
4W =
X
We,i
(6.17)
i
Fragen &
Übungen
46. Ein Kondensator mit einer Kapazität von 0.10 F wird bei einer Spannung von 10 V so
geladen, dass seine Spannung mit 0.10 V/s steigt. Wie gross ist der Energiestrom in
den Kondensator? Wie gross ist die Änderungsrate der im Kondensator gespeicherten
Energie?
47. Eine bestimmte Menge Wasser wird mit einem Tauchsieder, der eine elektrische Leis-
tung von 300 W hat, geheizt. Im selben Moment haben wir Wärmeverlust an die
Umgebung; der zugehörige Energiestrom beträgt 100 W. Wie gross ist die Änderungsrate der Energie des Wassers in dem Moment?
48. Modellieren Sie einen Stausee als Becken mit senkrechten Wänden. Die Fläche ist
1.0 km2 . Das Wasser ist 30 m tief. Nehmen Sie die Turbinenstation eines Kraftwerks
als Null-Niveau; sie befindet sich 100 m unter dem Boden des Sees. Wie gross ist
der Energiestrom des fliessenden Wassers im ersten Moment, wenn der Massenstrom
10000 kg/s beträgt? Wie gross ist der Energiestrom kurz bevor der See leer ist? Wieviel Energie wird bei vollständiger Entleerung des Sees aus dem System abgeführt?
Um wieviel hat sich der Energieinhalt des Systems geändert?
6.3 Konzepte und Beziehungen
205
49. Zwei zylindrische Gefässe mit je 10 cm Radius sind am Boden mit einem Schlauch
verbunden. Im ersten Gefäss war die Füllhöhe von Wasser am Anfang 50 cm, im
zweiten 20 cm. Wieviel Energie war am Anfang gespeichert? Wieviel Energie ist am
Ende gespeichert? Machen Sie eine Energiebilanz für das System. Was ist passiert?
50. Aus einem grossen offenen Wassertank, in dem das Wasser 8 m tief steht, fliesst
Wasser durch zwei Abflussrohe weg. Der Strom aus dem ersten, das sich 3 m über
dem Boden befindet, beträgt 150 L/s. Der Strom aus dem zweiten am Boden beträgt
100 L/s. Wie gross ist die Änderungsrate der Energie des Wassers im Tank? Nehmen
Sie einen Umgebungsdruck von 1.0 bar. Machen Sie die Rechnung auf zwei Arten: (a)
Summe der Energieströme und Anwendung der Energiebilanz; (b) direkte Rechnung
über Änderungsrate des Volumens und zugehörige Änderungsrate der Energie.
6.3.6
Energietransfer bei Konvektion und Strahlung
Die Beziehung zwischen Potential (Beispiel: elektrisches Potential), Mengenstrom
(Beispiel: Strom der elektrischen Ladung) und zugeordnetem Energiestrom nach
Gl.(6.12) gilt nur, wenn die Differenz des Potentials (Beispiel: elektrische Spannung)
für den Transport der Menge (Beispiel: Ladung) verantwortlich ist. Das ist nur bei
konduktivem (leitungsartigem) Transport der Fall.
Neben konduktiven Transporten gibt es noch konvektive Transporte und Strahlung.
Konvektive Transporte gehen mit materiellen Substanzen (typischerweise mit Fluiden wie Wasser, Öl oder Luft), Strahlung geht mit Licht. Bei beiden gilt die Beziehung Gl.(6.12) nicht. Energieübertragung bei Konvektion und Strahlung stellt man
sich am besten so vor: Wir haben eine chemische Substanz (zum Beispiel Wasser, Öl
oder Licht), die mehr oder weniger Energie (pro Menge der Substanz) enthält. Wenn
die Substanz (Materie oder Strahlung) fliesst, dann nimmt sie ihre Energie mit. Der
Energiestrom ergibt sich aus der Energie pro Menge der Substanz multipliziert mit
dem Strom der Menge der Substanz. Wir werden diese Fälle von Energietransport
erst in späteren Kapiteln konkret behandeln und brauchen.
Aufgaben
1. . . .
2. . . .
3. . . .
Antworten zu Fragen und Übungen
1. Was ist eine Kraft der Natur? Welche grundlegenden Eigenschaften schreibt man
diesen Kräften zu?
Antwort: (A) Intensität (Spannung), (B) Grösse, Menge, (C) Macht (Fähigkeit, etwas zu verursachen).
2. Wie koppeln zwei Prozesse aneinander? Skizzieren Sie Prozessdiagramme für folgen-
de “Koppler”: elektrische Wasserpumpe; elektrischer Motor; Wasserturbine; Batterie;
Wasser leitendes horizontales Rohr; elektrischer Heizdraht; Generator in Wasserkraftwerk; Solarzelle. Werden dabei immer nur zwei Prozesse gekoppelt?
206
Energie in Natur und Maschinen
3. In der Kette in Abb.6.2 fliessen fluide Grössen (Volumen, Drall, elektrische Ladung)
auf festem Niveau von Element zu Element. Was passiert, wenn die Leitung, die den
Generator mit der elektrischen Heizung verbindet, Ladung nicht perfekt leitet?
Antwort: Dann fällt das entsprechende Niveau zwischen den beiden Elementen –
man muss ein Widerstandselement ins Modell mit einbauen (Abb.4.3).
4. Beschreiben Sie im Detail das Experiment, bei dem Wasser elektrisch geheizt wird
um herauszufinden, wie “mächtig” der elektrische Vorgang ist. Wie wiederholt man
das Experiment, um mehrfache Ergebnisse zu erhalten? Welche Grössen werden
gemessen? Wie werden die Messungen ausgewertet, um die Antwort auf die Frage
zu erhalten? Warum muss man nichts über thermische Prozesse verstehen (ausser
Temperatur messen können), um die Beobachtungen zu interpretieren?
5. Wie lernt man von Wasserfällen, dass die Energieumsatzrate (Leistung) eines Vor-
gangs durch das Produkt von Potentialdifferenz und Strom, der durch diese Niveaudifferenz fliesst, berechnet werden kann?
Antwort: Bei Wasserfällen ist es logisch, dass die Energieumsatzrate proportional
zum Wasserstrom sein muss (zwei gleiche Wasserfälle haben die doppelte Leistung).
Die Fallhöhe spielt auch eine Rolle, die Leistung sollte auch zu ihr proportional sein.
6. Wie berechnet man die in einer Zeitspanne umgesetzte (freigesetzte oder genutzte)
Energiemenge aus der Umsatzrate?
Antwort: Grafisch: Energieumsatzrate (Leistung) als Funktion der Zeit aufzeichnen
und Fläche zwischen Kurve und t-Achse bestimmen.
7. Was sind die Bedingungen, damit Energie in der Kopplung von Prozessen umgesetzt
werden kann?
Antwort: (A) Spannung (Niveaudifferenz), (B) Strom einer fluidartigen Grösse durch
diese Differenz.
8. An eine Batterie ist ein Widerstandselement angeschlossen und parallel dazu noch
ein Elektromotor. Welche (elektrischen) Spannungen identifizieren wir in diesem System? Wird in den elektrischen Prozessen Energie freigesetzt oder genutzt? Welche
anderen Spannungen sind mit den elektrischen Spannungen durch Prozesskopplung
verbunden?
Antwort: (A) Generatorspannung in der Batterie, (B) Spannung über Innenwiderstand in der Batterie; (C) Spannung über externem Widerstandselement, (D) Spannung über Motor. Energie wird in den elektrischen Prozessen (B)-(C) freigesetzt, in
(A) genutzt. Mit (A) ist ein chemischer Vorgang verbunden (chemische Spannung),
mit (B) und (C) thermische (Temperatur gegenüber Nullpunkt), mit (D) Rotation
(Differenz von Drehgeschwindigkeit).
9. Was bedeutet es, wenn man im Alltag (oder auch in der Technik) von Energieverlust
spricht?
Antwort: (A) Energie wird von einem erwünschten Prozess abgezweigt und Wärmestoff wird erzeugt (ein Teil der zur Verfügung stehenden Energie wurde dissipiert).
(B) Im Zusammenhang mit Energiespeichern (siehe Abschnitt 6.2.4) gibt es eine
zweite Bedeutung von Energieverlust: Energie geht aus dem Speicher weg (weil er
nicht “dicht” ist. Die Energie “verschwindet” in der Umwelt. Dabei wird dann aber
auch wieder Wärmestoff erzeugt – Energie wird wie beim (A) dissipiert.
10. Zeichnen Sie das Prozessdiagramm der Kette von Vorgängen in Abb.6.2 nochmals,
aber dieses mal mit Wirkungsgraden kleiner als 1 für die Elemente in der Kette.
Macht es Sinn, einen Wirkungsgrad für das letzte Element (elektrische Heizung)
einzuführen?
Antwort: Wirkungsgrad einer elektrischen Heizung: 100% der im elektrischen Prozess zur Verfügung gestellten Energie wird verwendet, um Wärmestoff zu erzeugen.
Da dies der erwünschte Prozess ist, würde man sagen, der Wirkungsgrad sei gleich
1. Allerdings ist ja auch alle zur Verfügung stehende Energie dissipiert worden, also
6.3 Konzepte und Beziehungen
207
sollten wir sagen, der Wirkungsgrad sei Null. Das scheinbare Problem löst sich, wenn
man klarlegt, welchen Gesichtspunkt man einnimmt (siehe Kapitel 8). Ist die Versorgung eines Raumes mit Wärmestoff, damit er warm wird, das Ziel, dann würde
man sagen, wir hätten 100% Wirkungsgrad. Aber allgemeiner geht es darum, wieviel
Energie durch Wärmestoffproduktion nicht mehr weiter für andere Prozesse zur Verfügung gestellt werden kann. Dann ist bei einer Heizung bei Umgebungstemperatur
der Wirkungsgrad gleich Null.
11. Beim hydroelektrischen Kraftwerk Bavona fällt eine Wasserstrom von 18.0 m3 /s 890
m tief zu den Turbinen. Die elektrische Leistung des Kraftwerks wird bei diesen
Betriebsbedingungen 137 MW betragen. Wie gross ist der Wirkungsgrad der Kopplung? Wie gross ist die Dissipationsrate?
Antwort: Wirkungsgrad = 0.87. Pdiss = 20.2 MW (g = 9.81 N/kg).
12. Wenn eine Wasserpumpe bei 230 V mit einer elektrischen Stromstärke von 5.0 A
arbeitet, welchen Volumenstrom von Wasser kann man dann unter idealen Verhältnissen 10 m hoch pumpen? Wieviel Wasser kann man in einer Stunde Pumpen, wenn
der Wirkungsgrad der Pumpe 80% beträgt?
Antwort: 11.2 L/s. 33 m3 .
13. Warum sollte der Energiestrom zwischen zwei Elementen in einer Kette proportional
zum Trägerstrom sein? Warum sollte er vom Niveau, auf dem der Träger fliesst,
abhängen?
14. Nehmen Sie an, der Energiestrom zwischen zwei Elementen (oder einfach in ein oder
aus einem Element) hänge vom Potential (Niveau) ab, auf dem der Träger fliesst.
Sollte man dann annehmen, dass in Abb.6.7 Energie mit dem rückkehrenden Träger
(Spin zwischen Turbine und Generator und elektrische Ladung zwischen Generator
und Heizung) auch zurück fliesst? Wie steht es mit dieser Sache, wenn das Niveau,
auf dem der Träger zurück fliesst, gleich Null ist? Besteht ein Zusammenhang zwischen der Stärke eines hinfliessenden und zurückfliessenden Energiestroms und der
Umsatzrate der Energie in den verbundenen Elementen?
15. Eine Prozesskette wie in Abb.6.7 hat einen Anfang und ein Ende. Woher kommt die
Energie? Wohin geht sie?
16. Geben Sie Beispiele von Energiespeichern an. Können Sie dabei identifizieren, wel-
cher Energieträger (fluide Grösse) mitgespeichert wird? Kann man sagen, welches
Potential dabei zeigt, dass Energie gespeichert ist?
Antwort: Fluidspeicher: Volumen, Druck ist erhöht. Wärmespeicher: Wärmestoff,
Temperatur ist erhöht (im Allgemeinen). Elektrischer Kondensator: elektrische Ladung, elektrische Spannung ist erhöht. Benzin: Stoffmenge, chemisches Potential ist
erhöht.
17. Wenn Wasser in einem offenen Gefäss gespeichert ist, welches Phänomen ist dann
für die Speicherung von Energie verantwortlich? Anders gesagt, welche fluide Grösse
ist gespeichert, und welches Potential ist erhöht?
Antwort: Gravitativer Speicher (Schwerefeld speichert Energie). Masse, Erhöhung
des Gravitationspotentials.
18. Wenn sich ein elektrischer Strom verstärkt, dann wird Energie im elektrischen Prozess freigesetzt. Wohin geht die Energie (was ist der Speicher)?
Antwort: Die Energie geht in das sich verstärkende Magnetfeld.
19. Wenn sich ein elektrischer Strom verringert, dann wird die fliessende Ladung gepumpt, wozu es Energie braucht. Woher kommt die Energie?
Antwort: Sie kommt aus dem sich abschwächenden Magnetfeld.
20. Einem Raum wird durch Heizen Energie mit einer Rate von 2.5 kW zugeführt.
Gleichzeitig verliert der Raum wegen Auskühlung Energie mit einer Rate von 1.8
208
Energie in Natur und Maschinen
kW. Eine Rechnung auf der Basis thermodynamischer Angaben über den Raum
ergibt, dass die Energie des Raumes konstant bleibt. Was ist los?
Antwort: Man hat einen Rechenfehler gemacht (oder die Angaben stimmen nicht,
oder man hat Prozesse vergessen, oder man hat gerade ein neues Phänomen entdeckt,
für das es dann einen Nobellpreis geben wird...).
21. Wie beweist man, dass Energie erhalten ist, also weder erzeugt noch vernichtet wer-
den kann?
Antwort: Das kann man nicht beweisen. Man kann Energieerhaltung postulieren und
schauen, ob sich die Annahme immer konkret bewährt.
22. Nach schweren Regenfällen ergiessen sich 10000 m3 /s über die 110 m hohen Victoriafälle. Wie gross ist die Leistung des Wasserfalls (d.h. wieviel Energie wird von den
herabstürzenden Wassermassen pro Sekunde freigesetzt)?
Antwort: 1.10·1010 W (mit g = 10.0 N/kg).
23. Der Wasserspiegel des Lac des Dix liegt 2365 m über Meer. Das Unterwasser des
Kraftwerks Bieudron befindet sich nur noch 481 m über Meer. Wie gross ist die
Leistung des Wassers, wenn 75 m3 /s aus dem See ins Kraftwerk fliessen? Um was
für einen Prozess handelt es sich bei der Frage (hydraulisch, elektrisch, thermisch,
gravitativ, chemisch)?
Antwort: 1.41·109 W (mit g = 10.0 N/kg); gravitativer Prozess.
24. Eine Pumpe befördert 1000 Liter Wasser kontinuierlich in 10 Minuten 20 m hoch.
Wie gross ist die gravitative Leistung des Vorgangs? Wieviel Energie wurde für den
gravitativen Vorgang gebraucht?
Antwort: 333 W; 200 kJ (mit g = 10.0 N/kg).
25. Wie kann man den Vorgang in Aufgabe 24 als hydraulischen Prozess beschreiben
(und berechnen)?
Antwort: Falls er als gravitativer Prozess behandelt wird, braucht man Massenstrom
und Gravitationspotentialdifferenz. Für einen hydraulischen Vorgang braucht man
Volumenstrom und Druckdifferenz (man rechnet also die Höhendifferenz in zugehörige Druckdifferenz der entsprechenden Wassersäule um).
26. Ein elektrischer Strom von 2.0 A fliesst durch einen Heizdraht. Man misst eine Span-
nung von 120 V entlang des Drahtes. Wie gross ist die elektrische Leistung bei diesem
Vorgang? Wird die Energie im elektrischen Vorgang freigesetzt oder gebraucht?
Antwort: 240 W. Energie wird im elektrischen Prozess freigesetzt.
27. Im Betrieb ist die Spannung über einem Tauchsieder 220 V. Die elektrische Leistung
des Geräts beträgt 300 W. Wie gross ist die Stärke des elektrischen Stromes durch
den Tauchsieder?
Antwort: 1.36 A.
28. Eine 4.5 V Batterie betreibt eine kleine Lampe. Die gemessene Klemmenspannung
beträgt 3.2 V. Der Energieumsatz in der Lampe beträgt 4.0 W. Wie stark ist der
Ladungsstrom? Wie gross sind alle im Stromkreis vorkommenden elektrischen Leistungen (einzeln)? Wird bei den einzelnen elektrischen Prozessen Energie freigesetzt
oder gebraucht?
Antwort: 1.25 A. Es gibt drei elektrische Prozesse: (a) im “Generator” der Batterie
(Spannung: 4.5 V), (B) im “Widerstandselement” der Batterie (Spannung: 1.3 V),
(C) in der Lampe (Spannung: 3.2 V). Die drei Leistungen sind: 5.625 W, 1.625 W,
4.00 W. (A) Energie wird im elektrischen Vorgang gebraucht; (B) freigesetzt; (C)
freigesetzt.
29. Wird in einer Batterie im chemischen Prozess Energie freigesetzt oder gebraucht?
Was, wenn man die Batterie auflädt? Wie steht es in diesen beiden Fällen mit der
Energie im elektrischen Prozess?
Antwort: (A) Betrieb: chemisch: freisetzen; elektrisch: brauchen. (B) Aufladen: chemisch: brauchen; elektrisch: freisetzen.
6.3 Konzepte und Beziehungen
209
30. Eine Pumpe befördert 1000 Liter Wasser in 10 Minuten 20 m hoch. Wie gross ist
die hydraulische Leistung des Vorgangs? Wenn die Pumpe elektrisch betrieben wird,
wie gross ist die elektrische Leistung?
Antwort: Hydraulische Leistung: 333 W. Elektrische Leistung: grösser als 333 W
(333 W für eine ideale Pumpe, die es nicht gibt).
31. Eine elektrisch getriebene Pumpe befördert 1000 Liter Wasser kontinuierlich in 10
Minuten 20 m hoch. Man misst die elektrische Leistung und erhält 400 W. Wie
gross ist der Wirkungsgrad der Pumpe? Die Dissipationsrate? Wie gross muss die
elektrische Stromstärke sein, wenn die Pumpe bei 230 V betrieben wird?
Antwort: Wirkungsgrad = 0.83. Pdiss = 67 W. 1.74 A.
32. Wenn beim Kraftwerk Nendaz Wasser mit einem Massenstrom von 45000 kg/s 1014
m tief fällt, beträgt die elektrische Leistung der angetriebenen Generatoren 384 MW.
Wie gross ist der Wirkungsgrad des Kraftwerks? Wie gross ist die Dissipationsrate?
Antwort: Wirkungsgrad = 0.84. 72.3 MW.
33. Ein Elektromotor wird bei 230 V mit einer Stromstärke von 2.2 A angetrieben. Wie
gross wird die mechanische Leistung bei einem Wirkungsgrad von 0.85 sein?
Antwort: 430 W.
34. Bei einer Batterie mit einer Leerlaufspannung von 4.5 V fliesst ein elektrischer Strom
von 1.0 A. Die gemessene Klemmenspannung beträgt 3.5 V. Wie gross ist die elektrische Leistung der Batterie im Betrieb? Wie gross ist die Dissipationsrate? Wie
gross ist die chemische (Antriebs)Leistung? Wie gross ist der Wirkungsgrad?
Antwort: 3.5 W; 1.0 W; 4.5 W; 0.78.
35. Bei Aufgabe 34: Wieviel Ladung ist in einer halben Stunde geflossen? Wieviel Energie
wurde in der Batterie freigesetzt? (Bestimmen Sie die freigesetzte Energiemenge auf
zwei Arten: 1. Wieviel Ladung fällt durch welche elektrische Potentialdifferenz; 2.
Integration der entsprechenden Leistung über die Zeit.)
Antwort: 1800 C; 8.10 kJ.
36. Jede Sekunde fliesst ein Liter Wasser durch ein Rohr. Vom Anfang bis zum Ende
des Rohres fällt der Druck des Wassers von 1.50 bar auf 1.20 bar. Wie gross ist der
Energiestrom mit dem Wasser beim Eingang des Rohres? Beim Ausgang?
Antwort: 150 W; 120 W.
37. Wie hängt die Differenz der beiden Werte, die Sie in Aufgabe 36 berechnet haben,
mit der hydraulischen Leistung des Wassers im Rohr zusammen? Kann man sagen,
wozu die im Rohr freigesetzt Energie gebraucht wurde?
Antwort: Hydraulische Leitung des Wassers im Rohr = 150 W – 120 W. Wird zur
Erzeugung von Wärmestoff gebraucht.
38. In einem offenen geradwandigen Tank steht Wasser 2.0 m hoch. Auf einer Höhe von
1.0 m wird Wasser mit einem Volumenstrom von 0.010 m3 /s hineingepumpt. Wie
gross ist der zum Wasserstrom gehörige hydraulische Energiestrom, der in den Tank
geht? (Umgebungsdruck: 1.0 bar.)
Antwort: 2.0 kW.
39. Beachten Sie, dass der Wasserstrom in Wasserstrom in Aufgabe 38 genau 1.0 m
über dem Boden in den Tank geht. Wenn Sie den Boden als Null-Niveau für die
Gravitation nehmen, wie gross ist dann der totale Energiestrom, der mit dem Wasser
in den Tank geht?
Antwort: 2.10 kW.
40. Schätzen Sie die Energiemenge ab, die mit dem Blut bei einem erwachsenen Menschen pro Herzschlag in die und aus der linken Herzkammer fliesst. Nehmen Sie den
Umgebungsdruck im Körper als Null-Niveau für Ihre Rechnungen.
Antwort: 0.3 J; 1.2 J.
210
Energie in Natur und Maschinen
41. Wir setzten das elektrische Potential bei einem Kondensator am tiefen Ende willkürlich auf Null. Die Spannung über dem Kondensator beträgt in einem bestimmten
Moment 3.0 V (höheres Ende auf + 3.0 V). In diesem Moment ist der Ladungsstrom
in den Kondensator 1.25 mA. Wie gross ist der Energiestrom in den Kondensator?
Antwort: 3.75 mW.
42. Modellieren Sie einen Stausee als Becken mit senkrechten Wänden. Die Fläche ist
1.0 km2 . Das Wasser ist 30 m tief. Nehmen Sie den Boden des Sees als Null-Niveau.
Wieviel Energie ist mit dem Wasser gespeichert?
Antwort: 4.5·1012 J.
43. Bei Aufgabe 42 nehmen wir die Turbinenstation eines Kraftwerks als Null-Niveau;
sie befindet sich 100 m unter dem Boden des Sees. Wieviel Energie ist mit dem
Wasser relativ zur Turbinenstation gespeichert?
Antwort: 3.45·1013 J.
44. Eine Bank von Superkondensatoren mit einer gesamten Kapazität von 1000 F ändert
seine Spannung von 100 V auf 80 V. Um wieviel ändert die gespeicherte Energiemenge?
Antwort: 1.80·106 J.
45. Nehmen Sie an, die menschliche Aorta sei ein Druckbehälter mit konstanter hydrau-
lischer Kapazität. Bei einem jungen gesunden Menschen ändert der Druck des Blutes
in der Aorta zwischen 80 mmHg und 120 mmHg. Nehmen Sie an, dass während dieser
Änderung die Energie des Blutes um etwa 0.5 J ändert (in Aufgabe 40 findet man,
dass ungefähr 1 J Energie mit dem Blut aus der linken Herzkammer in die Aorta
geführt wird; gleichzeitig wird aber Energie mit dem Blut in den Körper geführt).
Schätzen Sie den Wert der Kapazität der Aorta. Was folgt daraus für die Änderung
des Volumens zwischen niedrigem und hohem Blutdruck in der Aorta?
Antwort: 7·10−9 m3 /Pa; Änderung des Volumens: 4·10−5 m3 .
46. Ein Kondensator mit einer Kapazität von 0.10 F wird bei einer Spannung von 10 V so
geladen, dass seine Spannung mit 0.10 V/s steigt. Wie gross ist der Energiestrom in
den Kondensator? Wie gross ist die Änderungsrate der im Kondensator gespeicherten
Energie?
Antwort: 0.10 W; 0.10 W.
47. Eine bestimmte Menge Wasser wird mit einem Tauchsieder, der eine elektrische Leis-
tung von 300 W hat, geheizt. Im selben Moment haben wir Wärmeverlust an die
Umgebung; der zugehörige Energiestrom beträgt 100 W. Wie gross ist die Änderungsrate der Energie des Wassers in dem Moment?
Antwort: 200 W.
48. Modellieren Sie einen Stausee als Becken mit senkrechten Wänden. Die Fläche ist
1.0 km2 . Das Wasser ist 30 m tief. Nehmen Sie die Turbinenstation eines Kraftwerks
als Null-Niveau; sie befindet sich 100 m unter dem Boden des Sees. Wie gross ist
der Energiestrom des fliessenden Wassers im ersten Moment, wenn der Massenstrom
10000 kg/s beträgt? Wie gross ist der Energiestrom kurz bevor der See leer ist? Wieviel Energie wird bei vollständiger Entleerung des Sees aus dem System abgeführt?
Um wieviel hat sich der Energieinhalt des Systems geändert?
Antwort: 13 MW; 10 MW; so viel, wie mit Wasser relativ zur Turbinenstation gespeichert war; um genau so viel, wie gespeichert war.
49. Zwei zylindrische Gefässe mit je 10 cm Radius sind am Boden mit einem Schlauch
verbunden. Im ersten Gefäss war die Füllhöhe von Wasser am Anfang 50 cm, im
zweiten 20 cm. Wieviel Energie war am Anfang gespeichert? Wieviel Energie ist am
Ende gespeichert? Machen Sie eine Energiebilanz für das System. Was ist passiert?
Antwort: erster Tank: 39.3 J; zweiter Tank: 6.28 J; an Ende: je 19.2 J. Für die beiden
Speicher ging Energie wegen Reibung im Verbindungsrohr “verloren”.
6.3 Konzepte und Beziehungen
211
50. Aus einem grossen offenen Wassertank, in dem das Wasser 8 m tief steht, fliesst
Wasser durch zwei Abflussrohe weg. Der Strom aus dem ersten, das sich 3 m über
dem Boden befindet, beträgt 150 L/s. Der Strom aus dem zweiten am Boden beträgt
100 L/s. Wie gross ist die Änderungsrate der Energie des Wassers im Tank? Nehmen
Sie einen Umgebungsdruck von 1.0 bar. Machen Sie die Rechnung auf zwei Arten: (a)
Summe der Energieströme und Anwendung der Energiebilanz; (b) direkte Rechnung
über Änderungsrate des Volumens und zugehörige Änderungsrate der Energie.
Antwort: −20 KW; −20 KW.
Fragen für später. . .
1. Bei einem thermischen Kraftwerk fliesst ein Entropiestrom von 400°C (Ofen, Hei-
zung) in den Kühler bei 40°C. Die zugehörige thermische Leistung ist 300 MW. Wie
gross ist der Entropiestrom aus dem Ofen?
2. Bei einem Kühlschrank soll ein Entropiestrom von 1.0 W/K von – 15°C auf 35°C
gepumpt werden. Wie gross ist die zugehörige thermische Leistung?
3. Wasserstoff und Sauerstoff werden zu Wasser verbrannt (H2 + 0.5O2 → H2 O). Die
chemische Potentialdifferenz zwischen Ausgangs- und Endstoffen ist bei dieser Reaktion 237 kJ/mol. Wieviel Wasserstoffgas muss man verbrennen, um 4.0 GJ Energie
freizusetzen? (Angaben als Stoffmenge und als Masse; und als Volumen des Wasserstoffgases bei Normaldruck und Temperatur.)
4. Bei einer Batterie mit einer Leerlaufspannung von 4.5 V fliesst ein elektrischer Strom
von 1.0 A. Die gemessene Klemmenspannung beträgt 3.5 V. Wie gross ist die elektrische Leistung? Wie gross ist die Dissipationsrate? Wie gross ist die chemische
(Antriebs)Leistung? Wie gross ist der Wirkungsgrad? Wie gross ist die Entropieproduktionsrate, wenn die Temperatur der Batterie 27°C beträgt?
5. Bei Aufgabe 4: Wieviel Ladung ist in einer halben Stunde geflossen? Wieviel Energie
wurde in der Batterie freigesetzt? Wieviel Entropie wurde erzeugt?
6. In der Chemie gibt man Wasserstoffgas und Sauerstoffgas willkürlich ein chemisches
Potential von Null. Wasser hat ein chemisches Potential von – 237 kJ/mol. Nehmen
Sie an, dass 20 mol/s Wasserstoffgas in einen Reaktor fliesst und mit Sauerstoffgas
zu Wasser reagiert. Das Wasser wird laufen abgezogen. Wie gross sind die Energieströme, die man den drei Stoffströmen (chemisch) zuordnet?
7. Bei einem thermischen Kraftwerk fliesst ein Entropiestrom von 833 kW/K aus dem
Ofen in die Wärmekraftmaschine. Die Temperatur des Ofens beträgt 400°C. Aus
der Wärmekraftmaschine fliesst ein Entropiestrom von 1200 kW/K in den Kühler
bei 40°C (wie ist das möglich?). Wie gross sind die Energieströme vom Ofen an die
Maschine und von der Maschine an den Kühler? Wie gross ist dann die Leistung des
angetriebenen (mechanischen oder elektrischen) Prozesses? Zeichnen Sie ein Prozessdiagramm für die Wärmekraftmaschine mit Entropie- und elektrischen Strömen,
Niveaus, Leistungen und Energieströmen.
212
Energie in Natur und Maschinen
8. Vergleichen Sie das Ergebnis der vorhergehenden Aufgabe mit der Leistung des
Entropiestromes aus dem Ofen (available power). Woher kommt der Unterschied?
Wofür wird die freigesetzte Energie im Kraftwerk aus der vorhergehenden Aufgabe
benutzt? Was ist der Wirkungsgrad des Kraftwerks nach Gl.6.11? Im technischen
Alltag definiert man den thermischen Wirkungsgrad eines Kraftwerks durch das
Verhältnis von Nutzleistung zu Energiestrom aus dem Ofen. Wie gross ist dieser
Wirkungsgrad?
9. Glykol hat eine konstante spezifische Entropiekapazität von 7.8 J/(K2 kg). Um wie-
viel ändert die in 100 kg Glykol gespeicherte Energie, wenn die Temperatur von 20°C
auf 90°C steigt?
10. Bei einem Gebäude beträgt der Energiestrom als Folge von Wärmeverlust im Winter
in einem bestimmten Moment 100 kW. Die Heizung hat in diesem Moment eine
Leistung von 80 kW. Trotzdem ändert die Temperatur des Gebäudes nicht. Wie ist
das möglich?
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