10 | special | Refraktive Chirurgie Ophthalmologische Nachrichten | 05.2015 IOL und Laser Blended Vision in der Presbyopietherapie Prinzip einer entschärften und angepassten Mikromonovision – Sanfte Überblendung der Bilder der verschieden eingestellten Augen KÖLN Als Presbyopie bezeichnet man den fortschreitenden, altersbedingten Verlust der Nahanpassungsfähigkeit des Auges mittels Akkommodation. Ein scharfes Sehen in der Nähe ist deshalb ohne geeignete Korrektur (Lese- oder Gleitsichtbrille) nicht mehr möglich. Ferne hat dazu beigetragen, dass auch diese Verfahren klinisch nur an einem, dem nicht dominanten (Nah-) Auge Anwendung finden – im Prin­ zip also auch eine Form der Mono­ vision. Dies gilt auch für Hornhaut­ implantate wie Kamra (Verbesserung der Tiefen­ schärfe) oder Raindrop (Multifokalität). D. Reinstein und T. Seiler haben hier einen anderen Ansatz vorgeschla­ gen, der sich in der Klinik sehr gut bewährt hat. Reinstein prägte hierfür den Begriff „Laser Blended Vision“. In diesem Beitrag wird das Konzept N och gibt es keine kausale ­Presbyopietherapie, ­welche die Dynamik der Akkommo­dation restauriert oder simuliert. Chirurgische Verfahren sind in der Regel im Ergeb­ nis statisch, daher kompromissbehaftet und m ­ üssen an die Sehgewohnheiten und Anforderungen der Patienten indi­ viduell angepasst werden. Im Wesent­ lichen gibt es zwei optische Prinzipien in der chirurgischen Therapie: 1. Monovision: Ein Auge wird auf die Ferne und das andere auf die Nähe eingestellt. 2. Multifokalität: Beide Augen wer­ den so eingestellt, dass gleichzeitig mehrere Foki auf der Netzhaut abgebildet werden. Beide optische Prinzipien können laserchirurgisch an der Hornhaut oder Zunahme der Schärfentiefe (Abb. 1). Ein Nebeneffekt, den wir uns in der Laserablation des presbyopen Patien­ ten zunutze machen. Laser Blended Vision nutzt die physiologische Monovision, also die wechselnde objekt- und aufmerksamkeitsbezo­ gene Sehpräferenz und Seitendomi­ nanz. Anders als bei der klassischen Monovision erfolgt aber der Seh­ erfolg im Nahbereich über eine nur geringe Anisometropie von weniger als -1 dpt. Das zur Anwendung kommende Ablationsprofil allerdings überführt Abb. 1: Verbesserte Schärfentiefe infolge von sphärischen Aberrationen (m. freundl. Genehm. v. H. Vogelsang, PhD). unter Verwendung von optischen Implantaten bewerkstelligt werden. Multifokale Ablationsprofile ­(PresbyLASIK) an der Hornhautober­ fläche oder intrastromale photo­ disruptive Verfahren (IntraCor) haben sich allerdings nicht durchsetzen ­können, da weder die Anordnung der verschiedenen optischen Zonen noch deren Zentrierung unumstritten sind. Die nicht reversible, potenzielle Herab­setzung der Sehleistung in der Abb. 2: Pseudoakkommodation des nicht dominanten Auges mit hyperprolater Hornhaut. Die zentrale optische Zone ist myop, die mittlere Peripherie emmetrop. Die akkommodative Pupillenkonstriktion unterstützt die Ausblendung der Peripherie beim Nahsehvorgang. erklärt und erläutert, dass das gleiche Prinzip auch bei der Implantation von intraokularen Linsen zur Anwendung kommen kann. Laser Blended Vision Zunächst aber zur Laser Blended ­Vision. Anders als bei der klassischen Monovision mit einer Anisometropie von bis zu -2 dpt, die auf dem Prinzip der interokulären Rivalität und Sup­ pression des jeweils nicht beanspruch­ ten Bildes beruht, soll hier eine wei­ chere Überblendung von einem zum anderen Augenabbild erfolgen. Die Fusion soll möglichst nicht beein­ trächtigt werden, Heterophorien und damit verbundener Verlust an Stere­ opsis und Dämmerungssehen sollen minimiert werden. Physiologische optische Anpassungsfähigkeiten wie Unschärfeadaptation und neuronale Summation werden gezielt angespro­ chen und befördern eine kognitive Adaptation an das refraktive Ergebnis. Unsere Patienten sind durchaus in der Lage, sich an verschiedene Formen von Aberrationen anzupassen. Beson­ ders störend allerdings sind asym­ metrische Aberrationen wie Coma oder Trefoil. Sphärische Aberrationen hingegen haben oft einen ganz natür­ lichen Ursprung und sind durch Kreissymmetrie gekennzeichnet. So ­ nehmen im Laufe des Lebens die posi­ tiven sphärischen Aberrationen zu, was im Wesentlichen auf die Alterung der kristallinen Linse zurückzuführen ist. Die Hornhaut erzeugt selber auch positive sphärische Aberrationen, wel­ che allerdings zeitlebens weitgehend stabil bleiben. Bemerkt werden diese Aberrationen von den meisten Patien­ ten allerdings nicht. Ein optischer Nebeneffekt von sphärischen Aberrationen ist die die natürlichen, positiven sphärischen Aberrationen der Hornhaut in nega­ tive sphärische Aberrationen. Aus einer nativen, leicht prolaten Horn­ haut wird ein hyperprolates Profil her­ ausgeformt. Der natürlicherweise dis­ kret negative Q-Wert der Hornhaut (-0,2 bis -0,4) wird weiter ins Minus (≤0,6) gesetzt. Dies unterstützt auf ganz natürliche Weise den Vorgang der Akkommodation, der betreffs der kristallinen Linse beim presbyopen ­ Patienten zwar frustan ist, der aber auch durch eine Nahmiosis gekenn­ zeichnet ist, also eine Verengung der Pupille. Die hyperprolate Hornhaut liefert hinreichend gutes Fernsehen bei weiter Pupille und ein betont gutes Sehen in der Nähe bei enger Pupille, und dies sowohl infolge der vergrö­ ßerten Schärfentiefe als auch der zen­ tral myopen Anteile der Honhaut bei negativer Asphärizität (Abb. 2). Der Gewinn an „Pseudo“-Akkommodation kann bis zu 1,5 dpt betragen. Rechnet man die zentral auf -0,75 eingestellte Hornhaut hinzu, so ist insgesamt ein Akkommodationserfolg von über 2 dpt möglich. Die Herabsetzung der Fern­ sehschärfe bleibt hingegen moderat und entspricht den effektiven -0,75 dpt der zentralen Hornhaut­anteile. Das jeweils dominate Auge wird emmetropisiert, wobei auch hier dar­ auf zu achten ist, dass asphärische Ablationsprofile zur Anwendung kommen, welche den Q-Wert der Hornhaut nicht erhöhen. Laser Blended Visison ist also eine intelligente, den physiologischen Gegebenheiten angepasste Form der abgeschwächten Monovision. Behan­ delte Patienten erreichen binokular vollen Visus in der Ferne und im Nah­ bereich und leiden nur selten unter der für die klassische Monovision Ophthalmologische Nachrichten | Refraktive Chirurgie 05.2015 typischen Dissoziation der Bildfusion der beiden Augen. Kermani (3) Ausdehnung auf IOL-Bereich Auf den Erfahrungen im Laser­bereich aufbauend, haben wir in Köln unser Vorgehen bei der Implantation multi­ fokaler Intraokularlinsen angepasst und erlauben uns, das Synonym „Blended Vision“ ungefragt auf den IOL-Bereich auszudehnen. Dem presbyopen Patienten ein gutes Sehen in der Ferne, im ­Zwischenbereich und in der Nähe zu ermöglichen – das ist die eigentliche Schwierigkeit. Sogenannte multi­ fokale IOL sind optisch betrachtet ent­ weder bifokal oder trifokal. Die Stärke der Addition kann variieren. Asym­ metrische multifokale IOL sind mit dem Problem behaftet, dass eben auch asymmetrische Aberrationen (Coma) erzeugt werden, die zu kompensieren den Patienten nicht so leicht fallen. Die Neuroadaptation an kreissym­ metrische Phänomene, wie sie als Halos von diffraktiven IOL erzeugt werden, gelingt in der Regel leichter. Trifokale IOL teilen die einfallende Lichtenergie auf drei Foki anstelle von nur zwei wie bei den bifokalen IOL. Untersuchungen auf der optischen Bank belegen dies ganz klar.1 Die Verteilung der Lichtenergie auf verschiedene Foki ist ein „Null­ summenspiel“. Je mehr Foki eine IOL erzeugt, desto schlechter wird die optische Abbildungsqualität der ­einzelnen Foki. Aber auch der Verlust von Energie durch Streulicht ist bei trifokalen IOL größer als bei bifoka­ len – ganz einfach deshalb, weil bei tri­fokalen IOL mehr diffraktive Ringe auf der Optikoberfläche angebracht sind. Die beste optische Abbildungs­ qualiät erzeugen IOL, die klar fern­ dominant sind und eine nur leichte Nahaddition aufweisen. Nun wissen wir aus vielen Jahren Erfahrung mit der Monovision im Bereich der LASIK bei presbyopen Patienten, dass die Erfolgsrate ganz stark korreliert mit der Sehqualität des jeweils dominanten Fernauges. Diese Erfahrung lässt sich auf die Strategie bei der geeigneten Auswahl von multi­fokalen IOL anwenden. Zunächst ist es von großer Bedeu­ tung, eine Sehdominanz zu identifizie­ ren. In das dominante Auge wird dann eine ferndominante multifokale IOL mit nur geringer Addition (+1,5 Brillen­ebene) und geringem Nebenwir­ kungspotenzial implantiert (Abb. 3). Alternativ bietet sich auch die ­Verwendung einer IOL mit vergrößer­ tem Schärfentiefebereich an. Das nicht dominante Auge wird mit einer nah­ dominanten multifokalen IOL mit stärkerer Addition (+2,5 Brillenebene) versorgt. Im Falle der Verwendung einer IOL mit vergößertem Schärfen­ tiefebereich kann das nicht dominante Auge auch leicht in die Myopie gesetzt werden. Dieses Prinzip kann man auch als binokulare Trifokalität bezeichnen. Ähnlich wie bei Laser Blended Vision nutzt man die physio­ logischen Gegebenheiten, um Wir­ kung zu maximieren und Nebenwir­ kung zu minimieren. Zusammenfassend beruht das Kon­ zept von IOL und Laser Blended V ­ ision auf dem Prinzip einer entschärften und angepassten Mikromonovision. Bei der Laseranwendung an der Horn­ haut mittels PRK oder LASIK kommt Abb. 3: Diffraktive multifokale IOL am Beispiel ReSTOR Add +2,5 sph und +3,0 sph Add. Die „Low-Add“-IOL ist ferndominant (80 % Lichtenergie Ferne) und daher sehr nebenwirkungsarm. In Kombination mit der „Moderate-Add“-Variante entsteht eine binokulare Trifokalität mit optimalen Fokiamplituden. auf dem nicht dominanten Nahauge ein asphärisches Ablationsprofil zur Anwendung, welches eine hyper­ prolate optische Zone generiert, die Schärfentiefe des Auges verbessert und somit einen zusätzlichen (Pseudo-) Akkommodationserfolg erzeugt. Bei Anwendung des Konzeptes mit multi­ fokalen IOL möchte man die gegen­ über trifokalen IOL bessere optische Qualität der bifokalen IOL nicht ­missen und verwendet daher verschie­ dene Nahadditionen. In diesem Sinne bedeutet Blended Vision eine sanfte Überblendung der Bilder der beiden etwas verschieden eingestellten Augen und nutzt die physiologische Mono­ vision, also die wechselnde Objekt- | special | 11 und Aufmerksamkeits-bezogene Seh­ präferenz und Seitendominanz beim Sehvorgang. W ( Autor: Dr. med. Omid Kermani Geschäftsführender Vorstand und Ärztlicher Leiter Augenklinik am Neumarkt Schildergasse 107–109, 50667 Köln Tel.: 0221-650-722-60, Fax: -79 E-Mail: [email protected] www.augenportal.de Literatur 1. Madrid-Costa D et al. Optical Quality ­Differences Between Three Multifocal Intraocular Lenses: Bifocal Low Add, Bifocal Moderate Add and Trifocal. JRS 2013;29.