Patientenratgeber Diabetes Einleitung Die Zuckerkrankheit ist bereits seit der Antike bekannt und heute in der Bevölkerung weit verbreitet. In der Fachsprache heißt sie Diabetes mellitus. Dieser lateinische Ausdruck kann als «honigsüßer Durchfluss» übersetzt werden. Er bezieht sich auf eines der Merkmale der Zuckerkrankheit, das die Ärzte schon in der Antike relativ einfach diagnostizieren konnten: Bei unbehandelter Zuckerkrankheit wird Glukose (Traubenzucker) über den Urin ausgeschieden. Bereits vor langer Zeit wurde bei medizinischen Abklärungen auch der Urin untersucht, unter anderem durch «Abschmecken», der bei der Zuckerkrankheit dann tatsächlich süß schmeckte. Daher rührt diese Bezeichnung. Selbstverständlich sind heute Untersuchungsmethoden, diagnostische Möglichkeiten und verfügbare Behandlungen sehr viel fortgeschrittener als damals. Diese Broschüre gibt einen Überblick über die Krankheit, ihre Ursachen, die kurz- und langfristigen Folgen für Betroffene und die Maßnahmen, die gegen die Erkrankung ergriffen werden können. Heute gibt es zahlreiche Informationsquellen zu Fragen rund um die Zuckerkrankheit. Allerdings sind nicht alle Quellen verlässlich. Dies betrifft insbesondere auch Informationen aus dem Internet. Diese Broschüre basiert auf den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnissen, ersetzt aber auf keinen Fall die regelmäßige Betreuung durch Fachpersonen wie Hausärztinnen und Hausärzte oder Spezialisten für Diabetes (Endokrinologen beziehungsweise Diabetologen). Zögern Sie nie, bei Fragen, Zweifeln, Unsicherheiten oder ganz einfach beim Wunsch nach mehr Informationen in Bezug auf Diabetes Ihre betreuende Fachperson darauf anzusprechen. Im folgenden Text wird aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit auf eine genderneutrale Formulierung verzichtet. Selbstverständlich sind mit allen männlichen Personenbezeichnungen auch Frauen gemeint. Typ-2-Diabetes – Informationen für Betroffene Der Zuckerstoffwechsel7 Was heißt Stoffwechsel? Energielieferanten in unserem Körper Regulation der Glukoseversorgung von Körperzellen Insulin und seine blutzuckersenkende Wirkung Regulation der Insulinfreisetzung 8 8 9 10 12 Zuckerkrankheit13 Typ-1-Diabetes14 Typ-2-Diabetes 14 Schwangerschaftsdiabetes 16 Andere Ursachen für erhöhten Blutzucker 16 Mögliche Beschwerden bei Diabetes19 Spektrum der Beschwerden bei Diabetes 21 Langfristige gesundheitliche Folgen23 Gehirn24 Herz 24 Nieren 25 Nerven 25 Netzhaut 25 Durchblutung von Armen und Beinen 26 4 Inhalt Diagnose und Verlaufsbeobachtung27 Unterscheidung zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes 28 Blutzuckermessung 28 Glukose im Urin 29 Messung der Glukosetoleranz 29 HbA1c-Messung30 Regelmäßige ärztliche Kontrollen 30 Lebensstil und Ernährung bei Typ-2-Diabetes31 Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten35 Die Bedeutung einer konsequenten Diabetestherapie Medikamente gegen Diabetes Antidiabetika und ihre Wirkungsweise Therapie mit Insulin Einige nützliche Internetadressen rund ums Thema Diabetes 36 36 37 38 41 5 Der Zuckerstoffwechsel 7 Der Zuckerstoffwechsel Der Zuckerstoffwechsel Um die krankmachenden Vorgänge, die bei der Zuckerkrankheit eine Rolle spielen, besser zu verstehen, sind gewisse Kenntnisse über den Zuckerstoffwechsel im Körper von gesunden Personen nützlich. Was heißt Stoffwechsel? Der Stoffwechsel gehört zu den lebensnotwendigen Vorgängen und dient dem Aufbau und der Erhaltung des Körpers. Dabei werden Stoffe, die wir zum Beispiel über die Nahrung aufnehmen, im Körper weiterverwertet. Oft werden diese Stoffe über mehrere Schritte umgewandelt und in Körperzellen eingebaut, als Depot gespeichert oder ausgeschieden. Die einzelnen Bereiche des Stoffwechsels werden nach den Substanzen benannt, die dabei verarbeitet werden. So bildet beispielsweise der Aminosäurestoffwechsel die Grundlage für die Produktion oder den Abbau von Eiweißen. Der Zuckerstoffwechsel umfasst alle Umwandlungsprozesse von Kohlenhydraten, während der Fettstoffwechsel jene Vorgänge im Körper zusammenfasst, bei denen Fette (z. B. Cholesterin) im Körper auf- oder abgebaut werden. Durch die Stoffwechselvorgänge wird der Körper unter anderem mit Energie versorgt. So werden beispielsweise Kohlenhydrate, die wir durch die Nahrung aufnehmen, zu Glukose (Traubenzucker) verarbeitet und in dieser Form über das Blut im Körper verteilt. Energielieferanten in unserem Körper Jeder Prozess in unserem Körper – sei es die Betätigung der Muskulatur, das Lösen einer Rechenaufgabe oder die Verdauung von Nahrung – benötigt Energie. Energie gewinnt der Körper aus Kohlenhydraten, Fetten oder Eiweißen, die wir mit der Nahrung und Getränken zu uns nehmen. Über das Blut erreichen diese Stoffe die einzelnen Körperzellen in den verschiedenen Organen. Selbstverständlich haben Kohlenhydrate, Proteine und Fette in unserem Körper noch vielzählige weitere Aufgaben, die hier aber nicht besprochen werden. 8 Der Zuckerstoffwechsel Die meisten Zellen können sowohl aus Proteinen und Fetten als auch aus Kohlenhydraten Energie gewinnen. Nervenzellen hingegen sind ausschließlich auf Glukose angewiesen, da sie andere Energieträger nicht verwerten können. Bei einem Energieüberschuss legt der Körper Energiedepots an. Dabei kann Glukose in eine Reserveform umgewandelt werden, die Glykogen genannt wird. Überflüssige Energie wird aber auch in Form von Fetten gespeichert und im Fettgewebe gelagert. Auch Proteine, einer der wichtigsten Bestandteile der Muskulatur, können im weiteren Sinn als Energiespeicher bezeichnet werden. Verfügen wir über zu wenig unmittelbar verfügbare Energie, werden die Energiedepots mobilisiert. Zuerst wird Glykogen in Glukose umgewandelt und steht so wieder als Energiequelle zur Verfügung. Wird dem Körper in dieser Zeit keine zusätzliche Energie zugeführt, sind die Glykogenspeicher nach etwa einer halben Stunde geleert. Wenn nach dieser Zeit weiterhin Energie benötigt wird, werden Fette aus den Depots mobilisiert. Sie werden in Glukose umgewandelt und liefern den arbeitenden Körperzellen weiterhin die notwendige Energie. In Extremsituationen, wenn weder Glykogen noch Fettreserven vorliegen, können auch Proteine als Energielieferanten dienen. Dabei werden die Proteinbausteine (Aminosäuren) in Glukose verwandelt und stehen so wieder als Energie zur Verfügung. Einfach gesagt: Wenn die Bilanz zwischen Energieverbrauch und Energiezufuhr über die Nahrung nicht im Gleichgewicht ist, wird entweder überflüssige Energie gespeichert oder gespeicherte Energie wieder zur Verfügung gestellt. Regulation der Glukoseversorgung von Körperzellen Es ist wichtig, dass Glukose ständig im richtigen Maß verfügbar ist – unabhängig davon, ob sie nach einer Mahlzeit über die Nahrung «in den Körper geschwemmt» wird oder bei längeren Hungerperioden aus den Depots mobilisiert werden muss. Das bedeutet, dass das Glukoseangebot im Blut konstant sein sollte, damit die Zellen jederzeit über eine ausreichende Energiegrundlage verfügen. Die Konzentration der Glukose im Blut wird auch als Blutzuckerspiegel bezeichnet. Bei gesunden Personen liegt der Blutzuckerspiegel in einem bestimmten Normalbereich. Nur nach den Mahlzeiten steigt der Spiegel an, um innerhalb kurzer Zeit wieder auf die Normwerte zu sinken. 9 Der Zuckerstoffwechsel Die Regulation ist sehr kompliziert und wird durch verschiedene Hormone vermittelt. Diese werden hauptsächlich von der Bauchspeicheldrüse und den sogenannten Nebennieren produziert. Hormone sind Botenstoffe, die unterschiedliche Wirkungen auf die verschiedenen Körpersysteme und Organe ausüben. Nur das Hormon Insulin ist in der Lage, den Blutzucker zu senken. Alle anderen Hormone, die am Zuckerstoffwechsel beteiligt sind, steigern den Glukosegehalt im Blut. Insulin und seine blutzuckersenkende Wirkung Insulin wird von spezialisierten Zellen (Betazellen) der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildet und gelangt über die Blutbahn an seine «Einsatzorte». Die Bauchspeicheldrüse ist zudem für die Produktion von Verdauungssäften und von Glukagon – dem Gegenspieler von Insulin – verantwortlich. Die Wirkung von Insulin ist vielfältig. Generell kann gesagt werden, dass eine Insulinausschüttung zu einer Senkung des Blutzuckers und zum Aufbau von Energiedepots führt. Insulin fördert den Einstrom von Blutzucker in die Zellen (vor allem in das Fett- und Muskelgewebe). Als Folge dieser Insulinwirkung sinkt der Blutzuckerspiegel. Dies kann sehr rasch (innerhalb von Minuten) passieren. Insulin fördert in der Leber und den Muskelzellen den Aufbau des Zuckerspeichers Glykogen. Insulin hemmt den Umbau von Proteinbausteinen (Aminosäuren) in Glukose. Es fördert die Aufnahme von Proteinbestandteilen in die Muskelzellen und ihren Aufbau zu kompletten Eiweißen. Insulin fördert den Fettaufbau (u. a. aus Glukose). 10 Der Zuckerstoffwechsel 1 Kohlenhydrate gelangen mit der Nahrung in den Verdauungsapparat. 3 2 Die Kohlenhydrate gelangen über den Darm in den Blutkreislauf – der Blutzucker steigt. 4 Die Bauchspeicheldrüse – genauer genommen die Betazellen – … 4a Unter dem Einfluss von Insulin wird Glukose aus dem Blut in die Muskelzellen aufgenommen und Zuckerspeicher werden angelegt (Glykogen). … geben vermehrt Insulin ins Blut ab. 4b Unter dem Einfluss von Insulin wird Glukose in die Fettzellen aufgenommen und der Fettaufbau wird gefördert. 4c Unter dem Einfluss von Insulin wird Glukose in der Leber in Zuckerspeicher umgewandelt (Glykogen). Fazit: Der Blutzucker sinkt unter der Wirkung von Insulin. ZuckerFazit: Der Blutzucker sinkt durchaufgebaut. die Wirkung von Insulin. speicher und Fette werden Zuckerspeicher und Fette werden aufgebaut. 11 Der Zuckerstoffwechsel Regulation der Insulinfreisetzung Insulin wird von der Bauchspeicheldrüse jeweils nach Bedarf ins Blut abgegeben. Die wichtigste Regulationsgröße ist der Blutzuckerspiegel. Wenn dieser tief ist, wird kaum Insulin ins Blut abgegeben. Das ist beispielsweise zwischen den Mahlzeiten der Fall, wenn keine Glukose unmittelbar über die Nahrung zugeführt wird. Gelangt Glukose neben anderen Energieträgern während dem Essen über den Magen und den Darm ins Blut, wird sofort mehr Insulin durch die Bauchspeicheldrüse abgegeben. Dadurch wird der Zucker vom Blut in die Körperzellen transportiert. So liegt der Blutzuckerspiegel bereits kurze Zeit nach der Nahrungsaufnahme wieder im Normalbereich. Auch Eiweißbestandteile regen die Insulinausschüttung an. Dies ist insofern sinnvoll, da Insulin dafür sorgt, dass Eiweißbestandteile in die Zellen aufgenommen und zum Eiweißaufbau verwendet werden. Die Insulinfreisetzung ins Blut wird nicht nur durch den Blutzucker dirigiert. Es gibt verschiedene Hormone aus der Magen-Darm-Wand, die bei beginnender Nahrungsaufnahme ausgeschüttet werden und die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse fördern. So «informieren» sie die Bauchspeicheldrüse über den bevorstehenden Blutzuckeranstieg. Kaum gelangt die Glukose dann aus dem Verdauungsapparat ins Blut, wird sie durch die Wirkung von Insulin in die Körperzellen transportiert. Insulin bzw. seine Freisetzung durch die Bauchspeicheldrüse unterliegt auch noch anderen Einflüssen, die hier aber nicht besprochen werden. 12 Die Zuckerkrankheit 13 Die Zuckerkrankheit Die Zuckerkrankheit ist schon seit der Antike – zumindest in ihren Ansätzen – bekannt. In der Fachsprache redet man von Diabetes mellitus. Man unterscheidet hauptsächlich zwei Formen von Diabetes mellitus: den Typ 1 und den Typ 2. Es existieren noch andere, seltene Formen der Zuckerkrankheit, die in dieser Broschüre jedoch nur kurz besprochen werden. Allen Diabetesformen ist gemeinsam, dass der Zuckerstoffwechsel gestört ist und die Blutzuckerwerte ohne entsprechende Maßnahmen zu hoch sind. Der Diabetes mellitus hat je nach Form sehr unterschiedliche, teilweise auch noch nicht vollständig bekannte Ursachen. Typ-1-Diabetes Früher wurde diese Form auch «juveniler Diabetes» genannt, da sie vorwiegend bei Kindern und jungen Erwachsenen aufgetreten ist. Bei Typ-1-Diabetes werden die Zellen zerstört, die in der Bauchspeicheldrüse Insulin herstellen und ins Blut abgeben (Betazellen). Dazu kommt es, wenn der Körper bzw. das Immunsystem die eigenen Betazellen aus bisher unbekanntem Grund angreift. Diese Entwicklung läuft relativ rasch ab, sodass es innerhalb kurzer Zeit zu Beschwerden kommen kann. Wenn sich das Immunsystem wie bei Typ-1-Diabetes gegen den eigenen Körper richtet, spricht man auch von einer Autoimmunkrankheit. Betroffenen fehlt also Insulin, um den Blutzucker zu senken. Dadurch kommt es zu erhöhten Blutzuckerwerten. Typ1-Diabetes ist nicht heilbar und bleibt lebenslang bestehen. Typ-2-Diabetes Bei etwa 90 % der Diabetesfälle handelt es sich um einen Typ-2-Diabetes. Früher wurde diese Form auch als «Altersdiabetes» bezeichnet, weil die Krankheit vorwiegend bei älteren Menschen auftrat. Heutzutage stimmt diese Aussage aber nicht mehr vollumfänglich und es finden sich auch immer häufiger jüngere Menschen, die einen Typ-2-Diabetes ausbilden. Die Ursachen für diese Diabetesform sind nicht vollständig geklärt. Man weiß allerdings, dass der Körper nicht mehr richtig auf Insulin anspricht. Zu Beginn der Krankheit ist die Bauchspeicheldrüse noch voll funktionsfähig und produziert normal Insulin. 14 Die Zuckerkrankheit Dieses wirkt aber nicht so, wie es sollte, und es scheint, als ob die Zellen die Empfindlichkeit für Insulin einbüßen. Die Zellen können trotz Anwesenheit von Insulin weniger Glukose aus der Blutbahn aufnehmen. Folglich bleibt der Blutzuckerspiegel zu hoch. Man spricht auch von «Insulinresistenz». Die Entwicklung von Typ-2-Diabetes ist schleichend. Obwohl bereits krankhafte Prozesse laufen, erscheint der Zuckerstoffwechsel anfänglich noch normal. Bei beginnender Insulinresistenz greift die noch gesunde Bauchspeicheldrüse korrigierend ein, indem sie mehr Insulin produziert. Dadurch bleibt der Blutzucker über eine gewisse Zeit einigermaßen unter Kontrolle. Der gestörte Blutzuckerstoffwechsel ist in diesem Anfangsstadium an den erhöhten Insulinwerten messbar. Schreitet die Krankheit fort, verändert sich auch der vorher geschilderte Zustand. Zwischen den Mahlzeiten (im nüchternen Zustand) kann der Blutzucker noch normal sein. Nach den Mahlzeiten, wenn der Blutzucker relativ schnell ansteigt, wird Glukose aber langsamer als üblich aus dem Blut in die Zellen aufgenommen. Dadurch bleibt der Blutzucker im Blut nach den Mahlzeiten zu lange erhöht. Man «toleriert» die Glukose nicht mehr wie üblich, was auch als «krankhafte Glukosetoleranz» bezeichnet wird, die Vorstufe des Typ-2-Diabetes. Wie beschrieben ist bei dieser Diabetesform die Insulinproduktion durch die Bauchspeicheldrüse anfänglich intakt. Um das abnehmende Ansprechen auf Insulin zu kompensieren, wird immer mehr des Hormons produziert. Irgendwann im Krankheitsverlauf (in der Regel Jahre nach den ersten messbaren Krankheitszeichen) ist die Kapazität der Bauchspeicheldrüse erschöpft. Die Insulinproduktion beginnt, allmählich zu versiegen, und die Blutzuckerwerte liegen nun permanent zu hoch. Die genaue Ursache für die Abnahme der Wirkung des Insulins ist nicht vollständig bekannt. Die Entwicklung wird jedoch begünstigt durch Erbfaktoren, Übergewicht und Bewegungsmangel. Typ-2-Diabetes ist auf dem Vormarsch. Immer mehr sind auch jüngere Menschen betroffen, was auf die steigende Häufigkeit stark übergewichtiger junger Personen zurückzuführen ist. Typ-2-Diabetes ist wie Typ-1-Diabetes nicht heilbar. 15 Die Zuckerkrankheit Schwangerschaftsdiabetes Bei Schwangerschaftsdiabetes (auch Gestationsdiabetes genannt) handelt es sich um eine Sonderform der Zuckerkrankheit, die während einer Schwangerschaft auftreten kann. Im Gegensatz zu Typ-1- und Typ-2-Diabetes ist diese Form vorübergehend und der Zuckerstoffwechsel normalisiert sich nach der Entbindung meistens wieder. In seltenen Fällen kann es sich aber auch um ein erstes Auftreten eines Typ-2-Diabetes handeln. Die Ursache für Schwangerschaftsdiabetes ist die vermehrte Freisetzung verschiedener Hormone während der Schwangerschaft (Östrogen, Progesteron, Cortisol, Prolaktin u. a.). Diese Hormone fungieren als Gegenspieler von Insulin und reduzieren ihrerseits das Ansprechen der Körperzellen auf Insulin (Erhöhung der Insulinresistenz). Kann die Bauchspeicheldrüse diesen Effekt durch eine erhöhte Insulinausschüttung nicht ausgleichen, entwickelt sich ein Schwangerschaftsdiabetes mit erhöhten Blutzuckerwerten. Faktoren, die das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes erhöhen, sind beispielsweise starkes Übergewicht vor der Schwangerschaft, Typ-2-Diabetes in der Familie, Alter über 30 Jahre, Schwangerschaftsdiabetes bei einer früheren Schwangerschaft oder eine bereits bestehende «krankhafte» Glukosetoleranz vor der Schwangerschaft. 16 Die Zuckerkrankheit Andere Ursachen für erhöhten Blutzucker Es gibt verschiedene andere Erkrankungen oder Zustände, die mit einem erhöhten Blutzuckerspiegel einhergehen können. Insgesamt sind diese aber sehr selten. Im Folgenden werden einige Beispiele genannt. Erblich bedingte Störungen Verschiedene genetisch bedingte Erkrankungen können das Insulinsystem stören. Entweder ist die Produktion selbst verändert oder ein Erbschaden bewirkt, dass ein erhöhtes Glukoseangebot nicht erkannt wird und keine Insulinfreisetzung erfolgt. Solche Erkrankungen treten meist vor dem 25. Lebensjahr auf. Störungen der Bauchspeicheldrüse Bei jeder größeren Schädigung der Bauchspeicheldrüse, bei der die insulinproduzierenden Zellen (Betazellen) mit betroffen sind, kann die Insulinausschüttung vermindert werden, was zu erhöhten Blutzuckerwerten führt. Dazu gehören unter anderem Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis), Bauchspeicheldrüsenkrebs, operative Bauchspeicheldrüsenentfernung, Verletzungen oder zystische Fibrose (Mukoviszidose). Medikamente und Gifte Gewisse Medikamente können den Blutzucker direkt oder indirekt über eine Hemmung der Insulinausschüttung erhöhen. Selten sind Gifte die Ursache für zu hohe Blutzuckerspiegel. Virusinfektionen Fallweise konnte man Diabetesfälle auf Virusinfektionen zurückführen, bei denen es zur Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen kam. Hormonproduzierende Tumoren Sehr selten kommen auch Tumoren vor, die Hormone produzieren, die wiederum die Insulinausschüttung hemmen. Solche Tumoren treten primär in der Bauchspeicheldrüse, dem Dünndarm oder der Nebenniere auf. 17 Mögliche Beschwerden bei Diabetes 19 Mögliche Beschwerden bei Diabetes Bei den diabetesbedingten Beschwerden muss zwischen frühen und späten Folgen unterschieden werden. Während die Frühzeichen ab Krankheitsbeginn einsetzen, dauert es bei den Spätsymptomen Monate bis Jahre, bis sie spürbar werden. Bei den Spätsymptomen handelt es sich also viel eher um Zeichen der langfristigen gesundheitlichen Folgen von Diabetes (Komplikationen). Diese werden in Kapitel «Langfristige gesundheitliche Folgen» besprochen. Grundsätzlich sind die Frühsymptome bei den verschiedenen Diabetesformen ähnlich. Ihre Intensität ist allerdings nicht immer gleich und nicht jeder Patient zeigt das ganze Beschwerdespektrum. Bei Typ-1-Diabetikern sind die Symptome in der Regel sehr viel stärker ausgeprägt als bei Typ-2-Diabetikern, da sich Typ-1-Diabetes in kurzer Zeit entwickelt und die Blutzuckerwerte in der Regel auch ziemlich stark erhöht sind. Die Beschwerden zeigen sich so relativ schnell innerhalb von einigen Tagen bis wenigen Wochen. Viele Typ-2-Diabetiker haben dagegen kaum Symptome, sodass die Diagnose erst spät und nicht selten auch zufällig gestellt wird. Besonders auffällige Symptome wie vermehrtes Wasserlassen und rascher Gewichtsverlust sind bei dem sich langsam entwickelnden Typ-2-Diabetes wenig ausgeprägt. 20 Mögliche Beschwerden bei Diabetes Spektrum der Beschwerden bei Diabetes • • • • • • • • • • • • Häufiges Wasserlassen Starker Durst Ungewollter Gewichtsverlust Schwächegefühl, Abnahme der Leistungsfähigkeit Heißhungerattacken Schwitzen Kopfschmerzen Wadenkrämpfe Sehstörungen Hautsymptome wie Juckreiz, Gesichtsrötungen, Hautinfektionen Störungen der sexuellen Funktion: Potenzstörungen Ausbleiben der Regelblutung 21 Langfristige gesundheitliche Folgen 23 Langfristige gesundheitliche Folgen Eine chronisch erhöhte Blutzuckerkonzentration hat ungünstige Auswirkungen auf den Körper. Es ist deshalb wichtig, dass der Blutzucker bei Diabetikern durch die verfügbaren antidiabetischen Maßnahmen so gut wie möglich im Normalbereich gehalten wird. Damit lassen sich Komplikationen verzögern, reduzieren oder im besten Fall auch verhindern. Der Grund für die langfristigen Folgen bzw. Komplikationen von Diabetes sind Gefäßveränderungen. Durch den hohen Blutzucker werden die Wände von Arterien (das sind alle Gefäße, die vom Herzen wegführen) geschädigt. Betroffen sind sowohl ganz große als auch sehr feine Arterien. Durch die Gefäßwandveränderungen wird die Gefäßfunktion gestört. Dies kann zu einer Beeinträchtigung des Blutflusses und der Durchblutung verschiedener Organe führen. Häufig betroffene Organe und Strukturen sind das Gehirn, das Herz, die Nieren, die Nerven, die Netzhaut und die Arterien in Beinen oder Armen. Gehirn Das Gehirn reagiert sehr empfindlich auf Durchblutungsstörungen. Bei lange bestehendem und unbehandeltem Diabetes kann die Hirndurchblutung abnehmen, weil die versorgenden Arterien durch Gefäßwandveränderungen verengt werden. Im Extremfall kommt es zu kompletten Verschlüssen von Hirnarterien, was auch als Schlaganfall bezeichnet wird. Herz Der Herzmuskel, verantwortlich für das Vorwärtspumpen des Bluts, vollbringt lebenslang eine unheimliche Arbeitsleistung. Durchschnittlich 70-mal schlägt das Herz pro Minute und pumpt das Blut vorwärts. Dazu braucht es viel Energie und Sauerstoff, die es über eigene Arterien aus der Schlagader erhält. Diese Arterien nennt man auch Herzkranzgefäße oder Koronararterien. Wie im Gehirn kann es über die Jahre zu einer Verengung der Herzkranzgefäße und zu einer Durchblutungsstörung des Herzens kommen (koronare Herzkrankheit). Dadurch ist das Herz nicht mehr in der Lage, die gewohnte Leistung zu erbringen, was als Herzversagen oder auch Herzinsuffizienz bezeichnet wird. Die gestörte Durchblutung kann außerdem anfallsweise Herzschmerzen (Angina 24 Langfristige gesundheitliche Folgen pectoris) verursachen oder zu Störungen des Herzrhythmus bis hin zum plötzlichen Herzstillstand führen. Kommt es zum kompletten Verschluss einer Koronararterie, spricht man von einem Herzinfarkt. Nieren Die Nieren filtrieren «Abfallstoffe» aus dem Blut und regulieren den Wasser- und Salzhaushalt im Körper. Eine einwandfreie Nierendurchblutung ist für die normale Nierenfunktion unabdingbar. Werden die Nierengefäße und die mikroskopisch kleinen Filtrationsstationen der Niere durch den hohen Blutzucker geschädigt, kann es zu einem allmählichen Verlust der Ausscheidungs- und Regulationsfunktion der Niere kommen. Diabetes ist in unseren Breitengraden die häufigste Ursache für chronisches Nierenversagen. Bei Nierenversagen muss das Blut mittels apparativer «Blutwäsche» (Hämodialyse) von den auszuscheidenden Substanzen befreit werden. Nerven Nerven, die unsere Muskulatur kontrollieren oder unserem Bewusstsein Empfindungen wie Berührung, Schmerz, Druck etc. übermitteln, werden durch feinste Gefäße mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Diabetes kann auch zu Durchblutungsstörungen der Nerven führen. Dadurch kann es zu einer Störung der Nervenfunktion kommen. Diese kann sich beispielsweise durch Missempfindungen wie Ameisenlaufen, Kribbeln, Einschlafen oder Taubheitsgefühl bis hin zu Schmerzen, die häufig zuerst an den Füßen oder Händen auftreten, bemerkbar machen. Man spricht bei dieser Komplikation auch von diabetischer Polyneuropathie. Netzhaut Die Netzhaut wird durch feinste Blutgefäße durchblutet, die durch den hohen Blutzucker ebenfalls geschädigt werden. In der Folge kann es zu Mangeldurchblutung oder Einblutungen in die Netzhaut kommen. Eine Abnahme der Sehfähigkeit ist möglich. Im schlimmsten Fall führen diabetische Komplikationen an der Netzhaut zu Erblindung. Im Fachausdruck heißt diese Komplikation diabetische Retinopathie. 25 Langfristige gesundheitliche Folgen Durchblutung von Armen und Beinen Wie an anderen Stellen auch kann Diabetes zur Verengung von Arterien in den Extremitäten führen. Sind beispielsweise die Beinarterien betroffen, dann reicht die Durchblutung bei Aktivitäten wie Gehen nur bis zu einem gewissen Belastungsgrad. Wird dieser überschritten, fehlt den Muskeln Sauerstoff, was zu Empfindungsstörungen (Einschlafen, Kribbeln, Ameisenlaufen, Schmerzen) führen kann. Man ist so gezwungen, immer wieder anzuhalten und abzuwarten, bis genügend Blut durch die verengten Gefäße nachgeflossen ist und die Missempfindungen nachlassen. Man bezeichnet diese Störung auch als Schaufensterkrankheit, da Betroffene durch die wiederkehrenden Gehpausen den Anschein machen könnten, die Schaufenster zu betrachten. Im Fachausdruck heißt sie periphere arterielle Verschlusskrankheit. Im Extremfall kann sie dazu führen, dass das Gewebe aufgrund des Durchblutungsmangels abstirbt. 26 Diagnose und Verlaufsbeobachtung 27 Diagnose und Verlaufsbeobachtung Für die Diagnose von Diabetes und die genauere Bestimmung der Diabetesform stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Grundsätzlich wird die Diabetesdiagnose aber durch eine Blutzuckerbestimmung im Labor gesichert. Am Anfang der Abklärung steht meist das Arztgespräch. Dabei werden Beschwerden, Vorgeschichte, bekannte Krankheiten in der Familie, eingenommene Medikamente und andere wichtige Anhaltspunkte, die Hinweise auf die Erkrankungsart geben können, erfragt und besprochen. Anschließend untersucht der Arzt den allgemeinen Gesundheitszustand. Spezielles Augenmerk legt er dabei auf die Organe, die bei Diabetes geschädigt werden können. Dafür kommen fallweise Methoden wie Herzultraschall, Elektrokardiogramm (EKG), Nierenfunktionstests, Augenuntersuchungen, neurologische Abklärungen und Messung der Extremitätendurchblutung zum Einsatz. Bei diagnostischen Unsicherheiten muss gegebenenfalls auch nach seltenen Ursachen gesucht werden, die für einen erhöhten Blutzucker infrage kommen (siehe Seite 16). Unterscheidung zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes Typ-1- und Typ-2-Diabetes werden anhand von Patientenmerkmalen unterschieden, die sich aus der Befragung, der körperlichen Untersuchung und aus spezifischen Laborwerten ergeben. Blutzuckermessung Das Mittel der Wahl für die Diabetesdiagnose ist die Bestimmung der Glukosekonzentration im Blut. Dazu wird wenig Blut entnommen und im Labor untersucht. Dieser Test wird am zuverlässigsten im nüchternen Zustand durchgeführt, das heißt mehrere Stunden nach der Einnahme der letzten Mahlzeit (Getränke eingeschlossen). Es bietet sich deshalb die Zeit vor dem Frühstück an, da die meisten Menschen während der Nacht nichts zu sich nehmen. Übersteigt der gemessene Nüchternwert den normalen Blutzuckerwert, ist die Diagnose gestellt. Diese muss allerdings an einem anderen Tag nach dem gleichen Vorgehen bestätigt werden. Möglich sind auch Spontanmessungen, die nicht im komplett nüchternen Zustand erfolgen. Ihre Aussagekraft ist aber begrenzter, da der Blutzucker 28 Langfristige gesundheitliche Folgen Diagnose und Verlaufsbeobachtung unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme rasch und abhängig von der eingenommenen Nahrung ansteigt. Trotzdem können auch Spontanmessungen durchgeführt werden, wenn die speziellen Umstände bei der Interpretation der Werte berücksichtigt werden. Der Blutstropfen wird auf ein Trägerplättchen abgestreift, das in das Blutzuckermessgerät eingeführt wird. Der Wert wird nach wenigen Sekunden exakt angezeigt. Vor der Messung des Blutzuckers erfolgt eine schmerzlose Blutentnahme mittels eines modernen Blutentnahmegeräts (ein kleiner Blutstropfen genügt). Glukose im Urin Im Urin gesunder Personen kann Glukose nicht nachgewiesen werden. Glukose im Urin deutet also immer auf eine Beeinträchtigung des Metabolismus hin. Normalerweise wird Glukose durch die Nieren zurückbehalten. Wenn der Blutzucker aber eine kritische Grenze übersteigt, wird auch die Rückgewinnungskapazität der Nieren überschritten und Glukose wird im Urin messbar. Nicht selten kann es bei anderweitigen Harnuntersuchungen sein, dass Glukose im Urin entdeckt wird und den Verdacht auf Diabetes weckt. Messung der Glukosetoleranz Stellt sich die Frage nach einer gestörten Glukosetoleranz, wird der sogenannte orale Glukosetoleranztest durchgeführt. Dabei wird in nüchternem Zustand eine definierte Menge Glukose eingenommen und nach einer festgelegten Zeit der Blutzucker gemessen. Bei Gesunden hat sich der Blutzucker zur Zeit der Messung bereits normalisiert, während er bei einer gestörten Glukosetoleranz noch über dem Normalwert liegt. 29 Diagnose und Verlaufsbeobachtung HbA1c-Messung HbA1c ist ein Messwert, der speziell geeignet ist, die Wirksamkeit einer Therapie zu überprüfen. Bei HbA1c handelt es sich um «verzuckertes» Hämoglobin. Hämoglobin ist ein Inhaltstoff der roten Blutkörperchen, die unter anderem für den Sauerstofftransport im Blut zuständig sind. Auch bei Nichtdiabetikern ist ein geringer Teil des Hämoglobins verzuckert. HbA1c ist also auch bei gesunden Personen messbar. Bei Diabetikern mit erhöhtem Blutzucker wird jedoch mehr Hämoglobin verzuckert und der HbA1c-Wert ist gegenüber Personen mit normalem Blutzucker erhöht. Die Lebensdauer eines roten Blutkörperchens im Körper beträgt etwa drei Monate. Danach wird es abgebaut und durch ein neues ersetzt. Das darin enthaltene Hämoglobin bzw. die «verzuckerten» Anteile können deshalb Auskunft darüber geben, wie sich der Blutzucker in der zurückliegenden Zeit verhalten hat. Je höher die durchschnittlichen Blutzuckerwerte waren, desto größer sind der Anteil von verzuckertem Hämoglobin und somit der entsprechende HbA1c-Messwert. Mithilfe des HbA1c-Messwerts kann überwacht werden, ob eine Diabetestherapie genügend wirksam ist. Regelmäßige ärztliche Kontrollen Typ-2-Diabetes ist eine Erkrankung, die lebenslang besteht. Sie entwickelt sich langsam und schreitet in der Regel schleichend fort (Seite 15). Die anfänglich bestehende Insulinresistenz mit noch intakter Funktion der Bauchspeicheldrüse erfordert sehr spezifische Therapien. Gleiches gilt für das Stadium, in dem die Insulinproduktion durch die Bauchspeicheldrüse bereits zurückgeht oder wenn die Insulinproduktion ganz zum Erliegen kommt. Deshalb muss die Krankheitsentwicklung immer wieder überprüft und die Therapie entsprechend angepasst werden. Wenn bereits Diabeteskomplikationen vorliegen, ist auch deren Entwicklung zu überwachen. Gegen die Komplikationen gerichtete Therapien und anderweitige Maßnahmen sind gegebenenfalls anzupassen. Ein Diabetiker sollte sich deshalb regelmäßigen ärztlichen Kontrollen unterziehen. 30 Lebensstil und Ernährung bei Typ-2-Diabetes 31 Lebensstil und Ernährung bei Typ-2-diabetes Dem Lebensstil und der Ernährung kommen beim Umgang mit Typ-2-Diabetes sehr große Bedeutung zu. Übergewicht und Bewegungsmangel haben einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung dieser Diabetesform. Viele Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig, haben ungünstige Essgewohnheiten und bewegen sich wenig. Deshalb sind Umstellungen in Sachen Ernährung und eine bewusstere Lebensführung beim Umgang mit der Erkrankung zentral und bilden die Basis jeder therapeutischen Maßnahme. Es ist unumstritten, dass allein eine Gewichtsreduktion, begleitet von einer Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, zu einer Verbesserung der Blutzuckersituation führt. Bereits wenige Kilo Gewichtsreduktion können die Ansprechbarkeit der Zellen auf Insulin verbessern und den Blutzucker senken. Einige Patienten erreichen alleine dadurch eine Blutzuckernormalisierung und können – zumindest für eine gewisse Zeit – auf die Einnahme von Medikamenten verzichten. Auch regelmäßige Bewegung kann den Blutzuckerspiegel bis zu einem gewissen Grad senken und fördert die Wirkung des körpereigenen Insulins. Es versteht sich von selbst, dass solche Maßnahmen eine große Motivation seitens der Betroffenen voraussetzen. Praktisch niemandem – und damit sind auch gesunde Menschen gemeint – wird es leicht fallen, das gewohnte Alltagsmuster zu durchbrechen, sich plötzlich mehr und vor allem auch regelmäßig zu bewegen und zudem noch lieb gewonnene Speiserituale zu ändern. In Anbetracht der langfristigen gesundheitlichen Konsequenzen lohnt sich aber jeder Versuch, den Alltag stärker nach seiner Krankheit auszurichten. Das muss auch nicht gleichbedeutend mit verlorener Lebensqualität sein. Sport oder auch nur eine verstärkte körperliche Aktivität, die damit verbundene Gewichtsreduktion und eine bessere Fitness können das Selbstwertgefühl stärken und das allgemeine Wohlbefinden verbessern – nicht zuletzt mit der Perspektive, die eigene Krankheit besser in den Griff zu bekommen. Auch die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten hin zu ausgewogenen, gesunden und nicht minder schmackhaften Mahlzeiten kann das Leben bereichern und lässt Neues entdecken. 32 33 Lebensstil und Ernährung bei Typ-2-diabetes Solche Anpassungen erfordern genügend Motivation und Durchhaltewillen – und vor allem auch professionelle Unterstützung, die für Betroffene heutzutage allerdings sehr gut verfügbar ist. Die beste Anlaufstelle für Tipps und Anregungen in Bezug auf die Ernährung ist die auf Diabetes spezialisierte Ernährungsberatung. Ihr Arzt wird Ihnen entsprechende Kontakte vermitteln können. Die Ernährungsberatung wird Ihnen helfen, eine auf Typ-2-Diabetes ausgerichtete Ernährung zu erlernen. Auch für die Beratung und Unterstützung hinsichtlich mehr körperlicher bzw. sportlicher Betätigung gibt es zahlreiche gute Adressen. Auch hier kann Ihnen Ihr Arzt oder die Ernährungsberatung unterstützend zur Seite stehen. Es muss nicht gleich ein Marathon sein. Umstellungen fallen leichter, wenn dabei nicht gleich alles auf den Kopf gestellt wird. Eine Veränderung hin zu mehr Bewegung kann auch sachte – oder eben auch Schritt für Schritt – erfolgen. 34 Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten 35 Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten Viele Typ-2-Diabetiker kommen nicht darum herum, Medikamente einzunehmen. Trotzdem bilden auch bei diesen Patienten die im vorigen Kapitel erwähnten Maßnahmen wie Gewichtsreduktion, körperliche Aktivität und ausgewogene Ernährung eine wichtige Grundlage. Die Bedeutung einer konsequenten Diabetestherapie Absolut oberstes Ziel ist immer die Normalisierung des Blutzuckers – durch eine Anpassung des Lebensstils und durch zusätzlich eingesetzte Medikamente. Es kann schwer sein, bei einer Erkrankung wie Typ-2-Diabetes, die anfänglich wenige Beschwerden verursacht, regelmäßig Medikamente einzunehmen. Unter Umständen können auch Nebenwirkungen auftreten. Dies kann die Motivation für eine konsequente Therapie weiter erschweren. Man muss sich deshalb immer vor Augen halten, dass man von einer Therapie besonders dann langfristig profitiert, wenn diese strikt nach den ärztlichen Anweisungen eingenommen wird. Es lohnt sich, denn so können die langfristigen, nicht ungefährlichen Risiken von Diabetes eingedämmt werden. Medikamente gegen Diabetes Für die Behandlung von Diabetes sind zahlreiche Medikamente (Antidiabetika) verfügbar. Sie unterscheiden sich zwar in ihrer Wirkungsweise, schlussendlich kommt es aber mit allen Optionen zu einer Senkung des Blutzuckers. Die meisten Antidiabetika können geschluckt werden. Man spricht deswegen auch von «oralen Antidiabetika» (sie stellen in der Regel den Beginn der medikamentösen Therapie dar). Es gibt unterschiedliche Klassen von Antidiabetika, deren Wirkung in der folgenden Tabelle kurz zusammengefasst wird. 36 Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten Antidiabetika und ihre Wirkungsweise Wirkstoffklassen Wirkungsweise Insulin-Sekretagoga (Sulfonylharnstoff, Glinide) Verbessern die Insulinsekretion der insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse (Betazellen) Biguanide (Metformin) Reduzieren die Glukosesynthese in der Leber und erhöhen die Insulinsensitivität der Muskel- und Leberzellen Insulin-Sensibilisierer (Rosiglitazon, Pioglitazon) Reduzieren die Insulinresistenz und verbessern dadurch die Insulinwirkung -Glucosidase-Hemmer (Acarbose, Miglitol) Hemmen die Glukoseaufnahme im Verdauungsapparat Insulin Insulin unzureichender körpereigener Bei Bei unzureichender körpereigener Insulinproduktion zusätzliches Insulinproduktion kannkann zusätzliches Insulin gespritzt werden Insulin gespritzt werden Je nach Höhe des Blutzuckers und in Abhängigkeit von der medikamentösen Wirkung werden orale Antidiabetika einzeln oder kombiniert verabreicht. Da Typ-2-Diabetes in der Regel voranschreitet, muss die Therapie von Zeit zu Zeit angepasst werden. Entweder kann eine Dosiserhöhung ausreichen, um den Blutzucker in Schach zu halten, oder eine andere Substanz muss der bestehenden Therapie beigefügt werden. Der behandelnde Arzt entscheidet zusammen mit dem Patienten, welche Therapie in der aktuellen Situation am besten geeignet ist. Er gibt auch die notwendigen Erklärungen und Instruktionen, wie und wann die verschriebenen Therapien einzunehmen sind. 37 Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten Wie jede andere medikamentöse Therapie können auch Antidiabetika Nebenwirkungen haben. Meistens treten Nebenwirkungen vermehrt zu Beginn einer Therapie auf. Häufig klingen diese aber nach einiger Zeit wieder ab. Wichtig ist, dass die Therapie nicht ohne Konsultation eines Arztes geändert oder abgesetzt wird. Eine kritische Nebenwirkung, die bei gewissen oralen Antidiabetika auftreten kann, ist die Unterzuckerung. Dabei sinkt der Blutzucker unter das normale (gesunde) Niveau. Informationen zu Risiken und Nebenwirkungen sowie Antworten auf dahingehende Fragen erhalten Sie von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Therapie mit Insulin Wenn die Bauchspeicheldrüse selbst nicht mehr genügend Insulin produzieren kann, muss die Diabetestherapie durch zusätzliche Gabe von Insulin ergänzt werden. Da Insulin im Verdauungsapparat «verdaut» würde, ist eine Insulintherapie in Form einer Tablette bis heute nicht möglich. Insulin muss deshalb mit einer Spritze unter die Haut verabreicht werden. Diese Spritztechnik nennt man auch subkutane Injektion. Bei korrekter Durchführung ist eine subkutane Injektion praktisch schmerzlos. Die Technik ist einfach zu erlernen und kann durch die Betroffenen nach entsprechender Schulung problemlos selbst durchgeführt werden. Die Häufigkeit der Verabreichung von Insulin wird an die Ernährung angepasst. Häufig wird ein so genanntes Basisinsulin gespritzt, das lange wirkt und den Grundbedarf an Insulin über eine gewisse Zeit abdeckt. Zu den Mahlzeiten, wenn die Zuckerzufuhr akut erhöht wird, können zusätzliche, kurz wirksame Insulingaben notwendig sein, um den Blutzuckeranstieg nach der Mahlzeit zu dämpfen. Die Insulintherapie wird ebenfalls durch die behandelnde Fachperson im Detail erklärt und die Betroffenen werden eingehend geschult. Wichtig ist, dass die Therapieanweisungen strikt befolgt werden. Auch bei der Insulintherapie gibt es Nebenwirkungen und gewisse Risiken. Dabei sei speziell auf das Risiko einer Unterzuckerung hingewiesen, die sehr gefährlich sein kann. 38 Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten Möglich ist sie, wenn zu viel Insulin gespritzt wird und der Blutzucker zu stark absinkt. Eine Unterzuckerung kann auch eintreten, wenn zwar die korrekte Insulindosis verabreicht wird, gleichzeitig jedoch unüblich wenig Nahrung zu sich genommen wird oder der Glukoseverbrauch durch eine ungewöhnlich starke körperliche Aktivität gesteigert ist. Informationen zu Risiken und Nebenwirkungen sowie Antworten auf dahin gehende Fragen erhalten Sie von Ihrem Arzt. 39 40 Nützliche Internetadressen rund ums Thema Diabetes ✃ Bitte hier abtrennen! Informationsmaterial INFOSCHECK rund um das Thema Diabetes kostenlos anfordern! Ja, ich möchte folgende Materialien anfordern: Diabetes-Tagebuch Rezepte für Diabetiker Die gewünschte Information ist kostenlos und unverbindlich. Sie wird Ihnen per Post zugestellt. Bitte geben Sie dazu die notwendigen Adressdaten auf der Rückseite dieser Karte bekannt. 41 Notizen INFOSCHECK Postentgelt zahlt Empfänger Name Straße, Hausnr. PLZ, Wohnort An MERCK Gesellschaft mbH Zimbagasse 5 1147 Wien Österreich GLU-16/03-GM-04-D Merck GmbH Zimbagasse 5, 1147 Wien Telefon +43 (0) 1 576 00 222 Fax +43 (0) 1 576 00 271 www.merckgroup.com