HPC - Newsletter 03-2010 Verkehrsunfälle

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Liebe Leserinnern, liebe Leser,
Sie erhalten heute den 3. Newsletter 2010 der HumanProtect Consulting GmbH.
Quartalsthema: Die psychischen Folgen von Verkehrsunfällen
Im Jahr 2009 wurden auf Deutschlands Straßen 4.152 Personen getötet. Das waren 7,3%
weniger als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Todesopfer ist damit so niedrig wie nie zuvor seit
1950. Gleichwohl verloren 2009 immer noch durchschnittlich 11 Menschen täglich ihr Leben
im Straßenverkehr. Die Zahl der Schwerverletzten hat sich gegenüber dem Vorjahr um nur
2,9% auf 68.567 Personen verringert, die der Leichtverletzten um 2,7% auf 329.104.
Als Hauptunfallursache bei Unfällen mit Personenschaden wurden Fehler beim Abbiegen,
Wenden, Rückwärtsfahren sowie Ein- und Anfahren festgestellt. Zweithäufigste
Unfallursache war eine nicht angepasste Geschwindigkeit. Insbesondere bei schweren
Unfällen spielt auch Alkoholeinfluss eine bedeutende Rolle.
Da neben den körperlichen Verletzungen auch die psychischen Folgen von Verkehrsunfällen
eine nicht unerhebliche Relevanz für die Betroffenen haben, hat HPC eine Literaturrecherche
initiiert, um einen Überblick zu erhalten, wie der Stand der wissenschaftlichen Forschung zu
psychischen Folgen von schweren Verkehrsunfällen und zu spezifischen Risikofaktoren ist.
Wir wollten wissen, wie viele Menschen nach schweren Verkehrsunfällen welche
psychischen Beschwerden entwickeln und welche Faktoren ein besonderes Risiko zur
Entwicklung einer psychischen Störung nach einem solchen Ereignis bedingen. Zu diesem
Zweck wurden die einschlägigen empirischen Studien, die zwischen 1995 und 2010
publiziert wurden, gesichtet und systematisch ausgewertet. In die Auswertung flossen 44
Studien ein, die insgesamt über 6.295 Personen nach Verkehrsunfällen untersuchten.
Psychische Folgen von Verkehrsunfällen
Die psychischen Belastungen eines Verkehrsunfalls können gravierend sein: Zum einen
stellt ein schwerer Verkehrsunfall ein potentiell traumatisches Ereignis dar, das zu einer
tiefen Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses und zur Herausbildung spezifischer
Traumasymptome führen kann: Überflutende Erinnerungen an die lebensbedrohliche
Situation, Überregungssymptome wie z.B. Konzentrations- und Gedächtnisstörungen,
Schlafstörungen,
Schreckhaftigkeit
oder
Gereiztheit
und
insbesondere
auch
Vermeidungssymptome. Häufig vermeiden Betroffene aus Angst, wieder Unfallopfer zu
werden, Fahrten bei bestimmtem Wetter oder steigen generell in kein Fahrzeug mehr,
entwickeln also eine „Reiseangst“ bzw. „Fahrphobie“.
Zum anderen haben aber auch die mittelbaren Belastungen eines Verkehrsunfalls
Auswirkungen auf die Psyche: Möglicherweise lang andauernde Schmerzen, aufwändige
Behandlungen
mit
eventuell
ungewissem
Ausgang,
bleibende
körperliche
Beeinträchtigungen, eine verringerte Mobilität, eine ungewisse berufliche Zukunft oder
finanzielle Einbußen. Die Betroffenen und ihr soziales Umfeld können schlagartig mit einer
Vielzahl von Anforderungen und Einschränkungen konfrontiert werden, die es zu bewältigen
oder zu kompensieren gilt, die aber häufig zu einer Überforderung führen.
Insgesamt können unterschiedliche psychische Störungen ihren Ursprung in einem
Verkehrsunfall finden, neben vollständigen oder subsyndromalen Posttraumatischen
Belastungsstörungen (PTBS), können depressive Störungen, verschiedene Angststörungen
oder auch sogenannte „somatoforme“ Störungen, also körperliche Beeinträchtigungen, die
aber wesentlich psychisch bedingt sind, resultieren. Ein weiteres mittelbares Problem
können natürlich auch Missbrauch und daraus hervorgehende Abhängigkeit von Alkohol,
Medikamenten oder anderen Drogen sein.
Was die Häufigkeit von psychischen Störungen nach Verkehrsunfällen betrifft, kommen die
vorliegenden Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen, die ermittelten Raten von
psychischen Erkrankungen nach schweren Verkehrsunfällen liegen dabei zwischen 8,5%
und bis zu 37% der Unfallopfer. Am häufigsten wurden insgesamt depressive Störungsbilder
und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) festgestellt. So fanden z.B. Matsuoka et
al. (2008) bei 31% der Verkehrsunfallopfer psychische Beschwerden und zwar bei 16% eine
Depression, während 8% eine voll ausgeprägte PTBS aufwiesen, 3% indessen einen
Alkoholismus entwickelt hatten. Ehring et al. (2006) fanden dagegen bei 22% eine PTBS und
bei 11% eine Depression. Dies mag neben methodischen Unterschieden in den Studien
auch auf Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen diesen beiden Krankheitsbildern
zurückführbar sein.
Welche Faktoren erhöhen das Risiko für eine psychische Störung nach einem
schweren Verkehrsunfall?
In den ausgewerteten 44 Studien wurden über 50 unterschiedliche Faktoren hinsichtlich ihrer
Relevanz für die Entstehung von psychischen Folgen untersucht. Einige Erkenntnisse, ohne
Anspruch auf Vollständigkeit:
Naheliegend und auch durchgehend bestätigt wurde, dass die psychische Belastung massiv
von den körperlichen Schäden und daraus resultierenden Folgen wie z.B. chronischen
Schmerzen oder bleibenden Schäden abhängt. So konnten Clapp et al. (2010) zeigen, dass
58% der Verkehrsunfallopfer mit chronischen Schmerzen auch eine PTBS entwickeln.
Hinsichtlich demographischer Faktoren zeigte sich, dass das Risiko für psychische
Folgeschäden bei geringerem Ausbildungsgrad, höherem Alter und weiblichem Geschlecht
größer ist.
Beifahrer, die einen Unfall erleben, haben offenbar ein höheres Risiko als Fahrer
Eine sehr starke anfängliche Belastungsreaktion (Erinnerungsattacken, Alpträume,
Schlafstörungen, vermeidendes Verhalten und Unruhe / Unsicherheit schon in der ersten
Phase nach dem Unfall) weist auf eine erhöhte Gefahr für langfristige psychische
Folgeschäden hin.
Weitere ungünstige Faktoren:
-
hatte die Person in der Situation starke Todesangst und/oder erlebte eine starke
Hilflosigkeit und Kontrollverlust erhöht das das Risiko für eine psychische
Folgeerkrankung
-
erlebten die Betroffenen eine starke „peritraumatische Dissoziation“, d.h. eine starke
Abspaltung von Bewusstseinsprozessen, z.B. in Form von Gedächtnislücken,
Unwirklichkeitserleben, stark verändertem Zeitgefühl, stellt dieses einen Risikofaktor
dar
-
eine durch den Unfall bedrohte Arbeitsstelle oder bereits bestehende Arbeitslosigkeit,
-
eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung, dass mit den Unfallfolgen erfolgreich
umgegangen werden kann, häufig verbunden mit einem „vermeidenden
Bewältigungsverhalten“, d.h. der Tendenz, sich nicht mit dem Unfall und den Folgen
auseinander zu setzen.
-
liegen in der Vorgeschichte psychiatrische Erkrankungen vor, erhöht sich die
Wahrscheinlichkeit, dass das Unfallereignis zu psychischen Folgeerkrankungen führt
Prognose
Waren 1990 die drei größten Leiden der Menschheit Lungenentzündung, Durchfall und
Kindstod, so sind es 2020 nach WHO-Prognosen: Herzinfarkt, Depressionen,
Angststörungen und Verkehrsunfälle.
Weiterführende Links:
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Ver
kehr/Verkehrsunfaelle/Aktuell,templateId=renderPrint.psml
http://www.schoen-kliniken.de/ptp/kkh/gra/akt/presse/mitteilungen/art/00689/
Die zitierten Literaturhinweise können gerne bei uns nachgefragt werden.
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Textverantwortung:
Diplom-Psychologe Dr. Uwe Neugebauer
Diplom-Psychologe Joachim Schottmann
Diplom-Psychologin Karin Clemens
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