Künstliche Kernumwandlung Künstliche Radioaktivität Beschießt man geeignete Atome mit Neutronen, so kann man Kernumwandlungen erzwingen. Neutronen eignen sich dazu besonders gut, da sie keine elektrische Ladung aufweisen und sich so dem Kern leicht nähern können. Die Neutronen dürfen dabei nicht zu schnell sein. So genannte langsame Neutronen (thermische Neutronen) (Ekin < 10 eV) lassen sich aus schnellen Neutronen erzeugen, wenn sie in einem Moderator (z.B. Wasser oder Graphit) abgebremst werden. Durch solche erzwungenen Kernumwandlungen entstehen auch radioaktive Isotope, die in der Natur nicht existieren. Man spricht von künstlicher Radioaktivität. Kernenergie K e i n P r ü f u n g s s t o f f Die Bindungsenergie von Atomkernen ist millionenfach höher als die Energien, die in der Elektronenhülle auftreten. Das heißt: Bei der Bildung von Atomkernen aus Protonen und Neutronen wird äußerst viel Energie frei. Dazu müssen sich die Teilchen aber erst sehr nahe (d < 10-15 m) kommen, wozu wegen der elektrischen Abstoßung Energie erforderlich ist. Die Masse eines Atomkerns ist etwas geringer als die Summe der Massen der in ihm enthaltenen Protonen und Neutronen (Massendefekt). Die freiwerdende Energie folgt damit aus der berühmten Formel E = mc2 von Albert Einstein. Die Bindungsenergie pro Nukleon ist bei verschiedenen Elementen sehr unterschiedlich. Sie steigt vom Wasserstoff aus stark an und erreicht beim Eisen ihr Maximum. Dann fällt sie wieder ab. Damit ergeben sich drei Möglichkeiten zur Freisetzung von Kernenergie: 1. Zusammensetzen von Kernen aus einzelnen Protonen und Neutronen (technisch nicht möglich) 2. Zusammensetzen eines Atomkerns mit einer Ordnungszahl Z < 56 (Fe) aus zwei Kernen geringerer Ordnungszahl (Kernfusion) 3. Spaltung eines Kerns hoher Ordnungszahl (Z > 56) in zwei Kerne geringerer Ordnungszahl (Kernspaltung) Die Einheit 1MeV für die Energie wird in der Kernphysik statt dem sonst üblichen 1J verwendet. 1eV = 1,6022 ⋅ 10 − 19 C ⋅ 1 V = 1,6022 ⋅ 10 − 19 J . (e ist die Elementarladung eines Elektrons oder Protons: e = 1,6022 ⋅ 10 − 19 C ) E = 1 ⋅ 10 − 3 ⋅ 9 ⋅ 10 16 J = 9 ⋅ 10 13 J MJ Steinkohle besitzt einen Heizwert von 30 . Um 9 ⋅ 10 13 J freizusetzen, kg Beispiel für E = mc2: m = 1g, dann ist 9 ⋅ 10 13 J = 3 ⋅ 10 6 kg J muss man also = 3 000 000 kg Kohle verbrennen. 30 ⋅ 10 6 kg Kernfusion (Kernverschmelzung) Die Sonne, die vollständig aus Wasserstoff und Helium besteht, bezieht ihre Energie aus der Verschmelzung (Fusion) von Deuteriumkernen 21H zu Heliumkernen 42 He . Da die Bindungsenergie von Helium wesentlich höher als die des Deuteriums ist, wird bei der Fusion die Energiedifferenz freigesetzt. 2 1H + 2 1H → 4 2 He + Energie Damit dieser Prozess eintritt müssen sich die Kerne aber sehr nahe kommen, wobei die wechselseitige elektrische Abstoßung zu überwinden ist. Dies kann einerseits durch die thermische Bewegung der Kerne geschehen, wie es im Inneren von Sternen der Fall ist (Temperatur in der Sonne ≈ 2 ⋅ 10 7 °C), oder andererseits, indem man Deuteriumkerne mit hohen Geschwindigkeiten aufeinander schießt. Beide Möglichkeiten erfordern einen großen Energieaufwand, sodass eine technische Nutzung der Kernfusion bisher noch nicht möglich ist. In der Zukunft könnte die Kernfusion aber möglicherweise eine wichtige Energiequelle sein, da der Vorrat an Deuterium in den Weltmeeren fast unerschöpflich ist. Kernspaltung Im Jahr 1939 entdeckten die beiden deutschen Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann, dass der Kern des Isotops U 235 beim Beschuss mit langsamen Neutronen in zwei Teilstücke zerbrach und zwar in einen Barium- und einen Kryptonkern. Bei der Spaltung wurden außerdem zwei bis drei Neutronen und ein Teil der Kern-Bindungsenergie (ca. 200 MeV) frei. Es können bei der Spaltung von U 235 aber auch andere Kerne entstehen wie z.B. La und Br, Se und Ce oder Sr und Xe. Kei n Pr üfu ng sst off Bei der Spaltung eines Kerns (Z > 56) entstehen Bruchstücke (Zwei Kerne + Neutronen), die zusammen eine kleinere Masse haben als der Ausgangskern. Die Energie E = mc2 des Massendefekts wird dabei frei. ( → Temperaturerhöhung). Die Kernkräfte können wegen ihrer geringen Reichweite die Bruchstücke nicht mehr zusammenhalten. Dann fliegen diese wegen ihrer elektrischen Abstoßung mit hoher Geschwindigkeit auseinander. Ihre kinetische Energie verwandelt sich im Gitter des Urans in innere Energie ( → Temperaturerhöhung). Die bei der Spaltung ihrerseits wieder neue Kerne Neutronen freiwerden, die Die Spaltung setzt sich Spaltungen: freiwerdenden zwei bis drei Neutronen können spalten, wobei wieder jeweils zwei bis drei wieder neue Kerne spalten usw. lawinenartig durch das ganze Uranstück fort. 20 21 22 23 24 … 2n Man spricht in diesem Fall von einer Kettenreaktion. Eine Kettenreaktion tritt ein, wenn Neutronen von spaltbaren Atomkernen aufgenommen und bei der Spaltung zwei oder mehr neue Neutronen freigesetzt werden. Wird die Kettenreaktion nicht kontrolliert, so wird innerhalb kürzester Zeit eine ungeheure Energie frei → Atombombe. In Kernkraftwerken wird die Kettenreaktion kontrolliert. Dazu wird ein Teil der frei werdenden Neutronen abgefangen, sodass die Kettenreaktion zwar aufrecht erhalten wird aber eine konstante Energie abgibt. Eine Kettenreaktion lässt anschaulich mithilfe eines Dominoeffekts darstellen: Jede Spaltung erzeugt 2 neue Spaltungen. Die Anzahl der Spaltungen S nach n Zerfällen ergibt sich aus S = 2n Merke die Begriffe: künstliche Radioaktivität, Moderator, lawinenartige Kettenreaktion, kontrollierte Kettenreaktion