A us der Forschung - Antarktisforschung

Werbung
Aus der Forschung
Aus der Forschung
Der antarktische Ozean fasziniert durch seine bizarre Schönheit und Unzugänglichkeit. Riesige
Eisberge, Treibeisfelder, Presseisrücken und schroffe Felsformationen prägen seine Landschaft.
Pinguine, Robben und Wale sind die sichtbarsten Vertreter einer phantastischen Tierwelt.
Die Forscher am Institut für Umweltphysik in Bremen interessiert aber vor allem die Rolle des
antarktischen Ozeans im globalen Klimasystem.
CC
Edelgase und FCKW im Ozeanwasser
zeigen Bedeutung für das globale Klima
Spurensuche im Südpolarmeer
 Oliver Huhn und Monika Rhein
−1000
langfristig aber würde die Quelle
dafür versiegen und die globale
Ozean-Umwälzung gestört.
Modellberechnungen zeigen
für die Eisschelfe eine extrem
hohe Dynamik, zum Beispiel
nach der letzten Kaltzeit vor rund
30.000 Jahren, aber auch für die
kommenden Jahrzehnte. Angetrieben durch die schwankenden
Temperaturen der Atmosphäre
und des Ozeans kann es zu dramatischen Abschmelzereignissen
kommen, die auch Auswirkungen
auf den weltweiten Meeresspiegel haben werden.
Das Alter ozeanischer
Wassermassen
Ein Kranzwasserschöpfer (Mitte) wird
zu Wasser gelassen. Die
Proben für Edelgasmessungen lagern später
an Bord der Polarstern
in gasdichten Rohren.
123 Gigatonnen
Schmelzwasser
entstehen pro Jahr
am Ronne-Filchner
Schelfeis (unten),
35 an der Unterseite
des Larsen-Schelfeises. Damit verbunden ist die Bildung
von zusammen
5 Millionen Kubikmeter Arktischem
Bodenwasser (grün)
pro Sekunde (5 Sv).
impulse
Klimaküche – so nennen
Forscher Regionen, in denen natürliche Prozesse ablaufen, die
das globale Klima entscheidend
beeinflussen. Das Südpolarmeer
ist so eine Klimaküche, denn es
treibt nicht nur die ozeanische
Zirkulation entscheidend an.
Durch die Umwandlung von
leichtem Oberflächenwasser in
schweres Antarktisches Bodenwasser entzieht es der Atmosphäre große Mengen Treibhausgase
und speichert sie im tiefen Ozean.
In 5000 Meter Tiefe breitet sich
das Antarktische Bodenwasser
tausende von Kilometern bis in
die Nordhemisphäre aus und
nimmt das atmosphärische Kohlendioxid mit.
Entscheidend für diese
Umschichtung von leichten
Wassermassen in Antarktisches
Bodenwasser ist ein komplexes
2 / 2012
Zusammenspiel von Atmosphäre,
Meereis, Ozean, und den gewaltigen Eisschelfen, die sich aus den
Gletschern des Antarktischen
Kontinents weit auf den Ozean
hinaus schieben. Dieses System
und seine Wechselwirkung mit
bereits beobachteten Folgen
des Klimawandels ist für die
Wissenschaftler am Institut für
Umweltphysik (IUP) in Bremen
interessant.
Man beobachtet zum Beispiel
eine Verringerung des kontinentalen Eisschildes durch teils
dramatische Abbrüche von Schelfeismassen oder eine Erwärmung
der tiefen Wassermassen in der
Region des Weddellmeers und
entlang der Ausbreitungspfade
des Antarktischen Bodenwas-
10
sers im gesamten Ozean. Wenn
der Antarktische Ozean sich
weiter erwärmt, könnte das ein
Abschmelzen der Eisschelfe an
deren Unterseite beschleunigen.
Zunächst würde damit vermehrt
kaltes Bodenwasser gebildet,
Die Abteilung Ozeanographie
des IUP ist dem Antarktischen
Ozean und seiner Bedeutung
für das globale Klima seit über
20 Jahren im wahrsten Sinne
auf der Spur, und zwar durch
weltweit nahezu konkurrenzlose,
sehr genaue Messungen verschiedener Spurengase im Ozean.
Spurengase sind im Ozean in sehr
geringen Konzentrationen, also
nur in Spuren, vorhanden. An
ihrer räumlichen und zeitlichen
Verteilung lässt sich andererseits
die Ausbreitung von Antarktischem Bodenwasser von seinem
Ursprung an verfolgen. Dabei
arbeiten die Wissenschaftler
mit Kollegen aus aller Welt und
besonders eng mit dem AlfredWegener-Institut in Bremerhaven
l
0.6
WDW
−500
lCDW
0.5
−1500
−2000
−2500
−3000
0.4
W DW
0.3
−3500
0.2
−4000
−4500
M
−5000
R
−5500
70°
MAR
W W
65°
60°
zusammen. Die Arbeiten der
Abteilung Ozeanographie des IUP
im Antarktischen Ozean werden
im Wesentlichen finanziert durch
das Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung“ (SPP 1158) der
Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Eine Gruppe von atmosphärischen und im Ozean gelösten
Spurengasen sind die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW). In
der Atmosphäre zerstören sie
die Ozonschicht, im Ozean sind
sie aber eigentlich harmlos. Die
„Spürnasen“ vom IUP machen sich
ihre Eigenschaft zu Nutze, dass
sie im Ozeaninneren wie ein
Zeitmarker oder
eine Stoppuhr
funktionieren.
Ihre Konzentrationen sind in
der Atmosphäre
teilweise – je
nach Molekültyp – bis heute
systematisch
angestiegen.
55°
0.1
50° S
0
Für FCKW-Messungen werden
Wasserproben aus unterschiedlichen Tiefen mit einem Kranzwasserschöpfer entnommen
und direkt auf See oder später
im Labor des IUP mit einem sehr
speziellen Gaschromatographen
analysiert. Die FCKW-Konzentrationen erlauben Rückschlüsse
darüber, wann dieses Tiefen- und
Bodenwasser zuletzt Kontakt mit
der Atmosphäre hatte, denn nur
Oberflächenwasser kann Gase
aus der Atmosphäre aufnehmen.
So kann man eine Art Alter der
Wassermassen bestimmen.
FCKW-Konzentration
in 500 bis 5500
Metern Tiefe entlang
des GreenwichMeridians von der
Küste der Antarktis
(70° südliche Breite)
bis zum Mittelatlantischen Rücken
(60° - 50°). Hohe
Konzentrationen
(rot) kennzeichnen
Wassermassen, die
vor relativ kurzer Zeit
von der Oberfläche
abgesunken sind.
Mit dem Kranzwasserschöpfer werden
Proben aus Tiefen
bis 5000 Metern für
FCKW- und EdelgasAnalysen gewonnen.
Wasserströme im Weddellmeer. Der Zirkumpolarstrom
umkreist kontinuierlich den Kontinent.
Warmes Tiefenwasser zirkuliert unterhalb der Meeresoberfläche. Auf den breiten Schelfen entsteht durch Meereisbildung hoch salzhaltiges Wasser (HSW). Diese beiden Wassermassen können am Filchner-Ronne-Schelfeis im Süden
und am Larsen-Schelfeis im Westen ein Abschmelzen von
unten bewirken. Das Schmelzwasser mischt sich mit oberflächennahem Wasser und erhöht dessen Dichte. Dadurch
sinkt es als Antarktisches Bodenwasser (AABW) in die Tiefe
und breitet sich dort aus.
11
impulse
2 / 2012
Aus der Forschung
Aus der Forschung
Ozeane verlieren
Speicherfunktion für CO2
Rote und gelbe
Farben zeigen eine
„Alterung“ der Wassermassen. Immer
weniger junges
Wasser sinkt von der
Meeresoberfläche
herab.
Dt
WDW
−500
−1000
5
lCDW
4.5
4
−1500
3.5
−2000
−2500
−3000
3
W DW
2.5
2
−3500
1.5
−4000
−4500
M
−5000
R
−5500
70°
W W
65°
60°
55°
Vorbereitung zur Probenahme auf See: Pütz
(braucht man immer),
Rohre für die EdelgasProben, Glasampullen
für die FCKW-Proben..
Schnitt durch das
Meerwasser vor dem
Larsen-Schelfeis (von
Süden nach Norden).
Oben: Höhere HeliumKonzentrationen zum
Boden hin zeigen die
Anwesenheit von
Schmelzwasser. Unten:
Hohe FCKW-Werte an
der Oberfläche und
nahe am Boden zeigen
die Anwesenheit von
Wassermassen, die
erst kürzlich mit der
Atmosphäre Gase ausgetauscht haben.
impulse
2 / 2012
1
MAR
12
0.5
50° S
0
Das IUP ist seit über 20 Jahren an Polarstern-Expeditionen
im Weddellmeer beteiligt. In
dieser Zeit wurden regelmäßig
FCKW-Tiefenprofile entlang des
Greenwich-Meridians und über
das Weddellmeer gemessen. Aus
diesem riesigen Datensatz lässt
sich erkennen, dass das Alter der
tiefen Wassermassen systematisch zugenommen hat. Oder andersrum: dass die Nachfuhr von
jungem Wasser im Laufe der Zeit
abgenommen haben muss. Der
entscheidende Schluss ist aber,
dass die Aufnahme und das Wegspeichern des klimaschädlichen
Kohlendioxids aus der Atmosphäre damit geringer ausfällt als bisher angenommen.
Über die genauen Ursachen
dieses Alterungsprozesses wird
derzeit noch spekuliert. Die weiteren Arbeiten des IUP im Antarktischen Ozean, vor allem an den
Eisschelfen des Weddellmeers,
wo das Antarktische Bodenwasser gebildet wird, sollen hier Aufschluss geben.
Auch die Edelgase Helium und
Neon sind Spurengase, die durch
die „Schelfeispumpe“ in den Ozean gelangen. Beim Gefrieren werden sie aus der Atmosphäre im
Eis von Gletschern und Eisschelfen eingeschlossen, beim Abschmelzen der Eisschelfe an der
Unterseite schließlich vollständig
im Ozean gelöst. Durch die hochgenaue Messtechnik am IUP mit
Hilfe eines speziellen EdelgasMassenspektrometers lassen sich
kleinste Spuren dieser Edelgase
nachweisen. Selbst geringste Beiträge von geschmolzenem Schelfeis im tiefen Ozean können mit
sehr hoher Genauigkeit aufgespürt werden. Gemessen werden
die auf hoher See in gasdichten
Kupferrohren genommenen Proben später in Bremen.
Kommt es zum Kollaps
der Eisschelfe?
Edelgasmessungen im Weddellmeer haben gezeigt, dass das
in die Tiefe absinkende Wasser
bis zu 0,4 Prozent geschmolzenes Gletschereis enthält. Dieser
Beitrag erhöht die Dichte des
zuvor oberflächennahen Wassers ausreichend, so dass es bis
zum Boden des Weddellmeers
absinkt. Ferner konnte aus diesen
Messungen abgeschätzt werden,
dass im westlichen Weddellmeer,
durch die Wechselwirkung des
Ozeans mit dem Larsen-Schelfeis,
jedes Jahr 35.000.000.000 Tonnen Schelfeis an seiner Basis abschmelzen. Das entspricht etwa
1000 Tonnen pro Sekunde oder 35
Zentimeter pro Jahr auf die gesamte Fläche des Larsen-Schelfeis
verteilt. Dadurch werden pro
Sekunde rund 1,1 Millionen Kubikmeter Bodenwasser erzeugt –
etwa zweieinhalbmal mehr Volumen als der Kölner Dom umbaut
hat – die das Tiefen- und Bodenwasser des Weltozeans allein aus
dem Larsen-Schelfeis erneuern.
Rechnet man das Schmelzwasser
aus dem weiter südlich gelegenen Ronne-Filchner-Schelf dazu,
sind es 5 Millionen Kubikmeter
(siehe Grafik Seite 10).
Entscheidend – auch für die
Entwicklung des weltweiten
Meeresspiegels – ist, wie sich die
Eisschmelze und die Bildung von
Bodenwasser in den nächsten
Jahrzehnten entwickeln wird.
Eine Erwärmung der Atmosphäre
oder ein weiteres Vordringen
von wärmerem Wasser unter die
Eisschelfe könnten diese Prozesse
beeinflussen. Dadurch kann es
auch zu einem vollständigen
Kollaps dieser Eisschilde kommen,
wie es in der Erdgeschichte schon
vorgekommen ist.
Im Januar 2013 sind Edelgasmessungen nahe den Eisschelfen
geplant. Sie sollen Aufschluss
darüber geben, wie groß die aktuellen Schmelzraten sind, wie sie
sich entwickelt haben – und entwickeln werden – und ob sie die
Bildung von Tiefen- und Bodenwasser bereits verändert haben.
Antarktische Halbinsel;
Forschungseisbrecher
Polarstern an der
Schelfeiskante
Oliver Huhn
studierte Physik in Bremen und promovierte dort 2004. Seitdem ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter in
der Abteilung Ozeanographie am Institut für Umweltphysik (IUP). Er arbeitet an ozeanischen Spurenstoffmessungen und ihrer Anwendung, seit 2005 vor allem im antarktischen Ozean, speziell im Weddellmeer.
Oliver Huhn hat an 13 Schiffsexpeditionen, davon neun in die Antarktis, teilgenommen.
Monika Rhein
hat nach dem Studium in Ulm und Heidelberg am Institut für Umweltphysik in Heidelberg promoviert und
am Institut für Meereskunde in Kiel habilitiert. Sie leitet seit 2000 die Abteilung Physikalische Ozeanographie
am Institut für Umweltphysik der Universität Bremen. Forschungsschwerpunkte der Abteilung sind die
klimarelevanten Prozesse im Atlantik.
13
impulse
2 / 2012
Herunterladen