Einführung 1 1 Einführung 1.1 Ziel der Vorlesung “Teilchenstrahlen und Materie” ist einer von 5 Forschungsclustern der TU Darmstadt, die ihre Schwerpunkte im Forschungsprofil definieren. Kernphysik ist ein wesentlicher Bestandteil davon. Das kommt nicht von ungefähr. Darmstadt ist eines der Zentren kernphysikalischer Forschung. Das Institut für Kernphysik besitzt einen supraleitenden Elektronenbeschleuniger, den S-DALINAC, als eigenes Forschungsgerät. Komplementär dazu steht mit dem Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GSI in Darmstadt-Arheilgen in unmittelbarer Nachbarschaft eines der weltweit führenden Zentren für Kern- und Hadronenphysik. Wie selbst aus der Tagespresse bekannt, wird die GSI im Laufe der nächsten Jahren unter starker internationaler Beteiligung zur “Facility for Antiproton and Ion Research”, FAIR, ausgebaut. Erste Strahlen sind für 2018 geplant. Das eröffnet nie vorher dagewesene neue Perspektiven für die Kernphysik. Ziel dieser Vorlesung ist es ihnen, die Grundlagen der Kernphysik zu vermitteln. In der Kernphysik spielen 3 der 4 fundamentalen Wechselwirkungen eine Rolle. Während die elektromagnetische Wechselwirkung bereits in der Vorlesung vorkam, lernen sie im Rahmen dieser Vorlesung (wahrscheinlich) zum ersten Mal die starke und die schwache Wechselwirkung kennen. Neben der “reinen” Kernphysik werden in der Vorlesung auch die Beziehungen zu Hadronund Teilchenphysik sowie Astrophysik angerissen. Aufgrund der Bedeutung kernphysikalischer Messmethoden auch in vielen anderen Gebieten, sind Kenntnisse auf diesem Gebiet von grosser Bedeutung. Am Ende dieses Semester werden sie auf die Frage “ ... was die Welt im Innersten zusammen hält” (Faust 1, Goethe) nicht die letzendliche Antwort bekommen haben ... diese kennen wir noch nicht ... aber doch einiges an Physik gelernt haben, das ihnen Fragen wie • Was hält einen Kern zusammen? • Warum verhalten sich Protonen und Neutronen im Kern anders als freie Teilchen? • Warum sind einige Kerne stabil und zerfallen andere? • Was ist die Struktur und Dynamik von Kernen? • Woher kommen die Elemente in unserem Universum? • Wie funktioniert die Sonne? Wie eine Supernova? • Welche technischen Anwendungen der Kernphysik und ihrer Methodik gibt es und wie funktionieren sie? zu beantworten hilft. 2 Einführung 1.2 Grobe Gliederung • Einführung • Kurzer historischer Abriss • Rutherfordsche Streuexperiment • Kernradien • Elektronenstreuung am Kern - Formfaktoren • Kernmassen / Bindungsenergien • Elektromagnetische Momente • Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung • Deuteron • Einteilchenmodelle - Fermi-Gas / Schalenmodell • Kollektivmodelle - Vibrationen / Rotationen • Angeregte Kernzustände / Kernspektroskopie • Elektromagnetische Übergänge • Stabilität von Kernen / Radioaktiver Zerfall • Strahlinduzierte Kernreaktionen • Beschleuniger∗ • Wechselwirkung von Strahlung mit Materie+ • Detektoren∗ • Anwendungen der Kernphysik und ihrer Messmethoden∗ • Nukleare Astrophysik+ ∗ diese Gebiete werden nicht behandelt, das Institut für Kernphysik bietet spezielle Vorlesungen an; + auch hier gibt es vom IKP Spezialvorlesungen, das Themengebiet wird hier nur kurz behandelt. 1.3 Literaturliste 1.3 3 Literaturliste • Mayer-Kuckuk: Kernphysik (Teubner 1984) (solides Lehrbuch, etwas dröge geschrieben, teilw. etwas veraltet; die 7. Auflage ist SEHR fehlerbehaftet, besser alte Auflage suchen) • Musiol, Ranft, Reif, Seeliger: Kern- und Elementarteilchenphysik (VCH 1988) (umfangreiche Einführung in Kern-Teilchenphysik, Erklärungen meist etwas knapp, teilw. etwas veraltet) • Povh, Rith, Scholz, Zetsche: Teilchen und Kerne (Springer 1999) (gute Einführung in Teilchenphysik, Kernphysikteil deutlich schwächer) • Krane: Introductory Nuclear Physics (Wiley & Sons 1987) (guter Experimentalteil, bzgl. der Theorie Niveau zu niedrig) • Frauenfelder, Henley: Teilchen und Kerne (Oldenbourg 1995) (gutes Buch, eher Nachschlagewerk als Lehrbuch) • Segrè: Nuclei and Particles (Benjamin 1977) (bewährt, aber teilweise veraltet) • Casten: Nuclear Structure from a Simple Perspective (Oxford Univ. Press 2000) (nur Kernstruktur, gut lesbar, Stoff geht teilweise über Vorlesung hinaus) • Bohr, Mottelson: Nuclear Structure 1+2 (Benjamin 1975) (der Klassiker ... zum Nachlesen in der Bibliothek) • Ring, Schuck: The Nuclear Many Body Problem (Springer 1980) (Theoriebuch, Stoff geht deutlich über Vorlesung hinaus) • Maruhn: Kernmodelle (Harri Deutsch 1995) (gutes Lehrbuch über Kernmodelle (Theorie), Stoff geht teilweise über Vorlesung hinaus) • Heyde: Basic Ideas and Concepts in Nuclear Physics (Taylor & Francis 2004) (gutes Lehrbuch, nur Kernstruktur, Stoff geht teilweise über Vorlesung hinaus) Gute Skripten, die im Web zu finden sind (Auswahl!): • Prof. Th. W. Elze: Kernphysik Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt am Main • Prof. R. Krücken, Prof. P. Ring: Kern- und Teilchenphysik 1+2 Technische Universität München 4 Einführung 1.4 Kurzer historischer Abriss Schon seit alters her beschäftigt die Denker, was die elementaren Bausteine der Materie sind. Ursprüngliche Vorstellungen in der Antike führten die Materie auf 4 Elemente zurück: Wasser, Feuer, Erde und Luft. Später wurde als fünftes Element der Äther oder die Quintessenz. Dieses Bild prägte auch das Denken der Alchemisten vom späten Mittelalter an. Versuche ... ohne Erfolg :-)) ... durch Veränderung des “Mischungsverhältnisses” also z.B. mit weniger “Erde” und mehr “Feuer” Blei in Gold zu verwandeln zeugen davon. Im Gegensatz dazu postulierte bereits der griechische Philosoph Demokrit oder Demokritos (* 460 v. Chr., † 371 v. Chr.), dass die Materie aus elementaren Bausteinen zusammengesetzt sei (άτ oµoς: das Unteilbare), welche eine intrinsische Bewegung im Leeren haben. Veränderungen der Materie werden bereits auf mechanisch wirkende Wechselwirkungen zwischen den Bausteinen zurückgeführt! Ähnliche Gedanken hatte bereits sein Vorgänger Anaxagoras (* 499 v. Chr., † 428 v. Chr.) formuliert. Dann tat sich 2000 Jahre erstmal nichts mehr! Trotz der grossen Erfolge der Chemie vom 18. Jahrhundert an mit der Entdeckung vieler chemischer Elemente sowie atomistischer Ansätze wie der kinetischen Gastheorie blieb die zugrunde liegende Physik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts unbekannt. Kernphysik ist also eine recht junge Disziplin, gerade etwas mehr als 100 Jahre alt! Das Ende des 19. Jahrhunderts und die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts stand ganz im Zeichen der Kernphysik, die sich aus der Entdeckung der Radioaktivität (1896 Becquerel) und des Atomkerns (1911 Rutherford) entwickelte. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde dann die Suche nach den elementarsten Bausteinen unserer Welt auf intensivste an den größten Beschleunigern der Erde betrieben. Heute wissen wir sehr viel mehr über die Struktur der Materie, es bleiben jedoch zentrale Fragen unbeantwortet. Daher werden sowohl intensive theoretische Anstrengungen unternommen, als auch neue Beschleunigeranlagen für das Studium von Kernen und Elementarteilchen wie LHC am CERN (Genf) oder FAIR bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt sowie neue Detektoren für die Astroteilchenphysik aufgebaut. Die nachfolgende Liste enthält einige der wichtigsten Durchbrüche in der Geschichte der Kern- und Teilchenphysik (ausführlichere Liste befindet sich z.B. in Krane, Introductory Nuclear Physics): • Entdeckung der Röntgenstrahlung (1895 Röntgen) • Entdeckung der Radioaktivität (1896 Becquerel) • Entdeckung des Elektrons (1897 Thomson) • Separation von Radium aus Erzen (1897 Curie) • Gesetze des radioaktiven Zerfalls (1897 Rutherford, Soddy) 1.4 Kurzer historischer Abriss 5 • Identifizierung der verschiedenen Strahlungsarten Alpha-, Beta- und Gammastrahlung (1897 Rutherford) • Alpha-Streuexperimente zeigen Existenz des Atomkerns (1911 Rutherford, Geiger, Marsden) • Entwicklung der Blasenkammer (1912 Wilson) • Systematik der Röntgenspektren, Begriff der Ordnungszahl, Basis für Periodensystem (1913 Mosley) • Bohrsches Atommodell, Erklärung des Wasserstoffspektrums (1913 Bohr) • Erste Kernreaktionen / Transmutation / Entdeckung des Protons als Kernbaustein (1919 Rutherford) • Entwicklung des ersten Massenspektrographen (1919 Aston) • Entwicklung der Quantenmechanik zur Beschreibung der Atomstruktur (ab 1925 u.a. De Broglie, Schrödinger, Heisenberg, Born) • Neutrinohypothese (1930 Pauli) • Erste Teilchenbeschleuniger (1930-32 Van de Graaff, Sloan, Cockroft, Walton, Lawrence) • Entdeckung des Neutrons (1932 Chadwick) • Entdeckung des Positrons (1932 Anderson) • Theorie des Betazerfalls (1934 Fermi) • Beschreibung der Kernkräfte durch Mesonenaustausch (1935 Yukawa) • Entdeckung des Myons (1937 Anderson, Neddermeyer) • Entdeckung der Kernspaltung (1938 Hahn, Straßmann) • Theorie der thermonuklearen Reaktionen in Sternen (1938 Bethe) • Erklärung der Spaltung und Tröpfchenmodell (1939 Meitner, Frisch und Bohr, Wheeler) • Produktion der ersten Transurane (1940 Seaborg) • Erste kontrollierte Kettenreaktion (1942 Fermi) • Entwicklung der Atombombe (1945 Oppenheimer etc. - Manhattan Project) • Entdeckung des Pi-Mesons oder Pions (1947 Powell) • Schalenmodell der Kernstruktur (1949 Mayer, Jensen, Haxel, Suess) 6 Einführung • Entwicklung der H-Bombe (1949 Teller) • “Seltsamkeits”-Hypothese (1953 Gell-Mann, Nishijima) • Erster Nachweis von Teilchen mit “Seltsamkeit” (1953 am Brookhaven National Laboratory) • Kollektivmodell für Kerne (1953 A. Bohr, Mottelson, Rainwater) • Entdeckung des Antiprotons (1955 Chaimberlain, Segre) • Experimenteller Nachweis des Elektron-(Anti)neutrinos (1956 Reines, Cowan) • Nachweis der Paritätsverletzung im Beta-Zerfall (1956 Lee, Yang, Wu) • Elektronenstreuung an Kernen am SLAC (1957 Hofstadter) • Entdeckung der Rückstoßfreien Gammaemission (1958 Mößbauer) • Supraleitung in Atomkernen (1958 Bohr, Mottelson, Pine) • Quarkmodell der Hadronen (1961 Gell-Mann, Zweig) • Identifizierung des Myon-Neutrinos (1962 Lederman, Schwartz, Steinberger) • Messung solarer Neutrinos (1960er - 1994, Davis) • Quark-Mischung, CKM-Matrix (1963/1973 Cabibbo, Kobayashi, Masukawa) • Elektroschwache Vereinigung (1967 Weinberg, Salam) • Nachweis von Neutronensternen / Pulsare (1967 Hewisch) • Entwicklung der Quantenchromodynamik (QCD) (1972 Gell-Mann) • Nachweis des J/Ψ Mesons und Bestätigung des Charm Quarks (1974 Richter, Ting) • Entdeckung des Tau-Leptons (1975 Perl) • Entdeckung des Bottom Quarks (1977 Lederman) • Entdeckung der W und Z Bosonen (1983 Rubbia) • Produktion der superschweren Elemente Z=107-118 (ab 1984 Armbruster (GSI), Oganessian (Dubna), Morita (RIKEN)) • Messung von Neutrinos aus Supernova (1987 Koshiba) • Entdeckung des Top Quarks (1995 am Fermi National Accelerator Laboratory) • Nachweis von Neutrino-Oszillationen (1998 Koshiba (SuperKamiokande-Detektor), 2001 mit dem SNO Experiment, 2003 mit dem KamLAND Experiment) 1.5 Standardmodell der Elementarteilchenphysik 7 • Entdeckung des Tau-Neutrinos (2000 DONUT-Kollaboration) • Kosmische Hintergrundstrahlung, nur 4% des Universums ist baryonischer Natur (1965 Penzias, Wilson; COBE (1989) Smoot, Mather; WMAP 2002) Viele dieser Entdeckungen wurden mit dem Nobelpreis gewürdigt. Machen sie sich bewusst, wie stark sich unser Weltbild in nur etwas mehr als hundert Jahren geändert hat!! 1.5 Standardmodell der Elementarteilchenphysik Die Physik kennt heute vier fundamentale Wechselwirkungen: starke Kraft, schwache Kraft, elektromagnetische Kraft, Gravitation. Im so genannten Standardmodell der Elementarteilchenphysik werden die vereinheitliche Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung und die Quantenchromodynamik (QCD) für die starke Wechselwirkung zusammengefasst. Die Quarks mit ihrer drittelzahligen elektrischen Ladung sind bisher nie als freie Teilchen beobachtet worden, sie bilden zusammengesetzte Objekte, die so genannten Hadronen. Dieser Quark-Einschluss wird als “Confinement” bezeichnet und ist bis heute nicht wirklich verstanden. Insgesamt gibt es sechs Quark Flavours (down, up, strange, charm, bottom, top), die jeweils eine von drei Farbladungen haben können und in drei Familien eingeordnet sind. Die Massen der Quarks sind sehr unterschiedlich und gehen von ca. 5 MeV/c2 für up und down Quark bis 175 GeV/c2 für das top Quark. Bei den Leptonen unterscheiden wir zwischen Elektron, Myon und Tau-Lepton und den zugehörigen drei Neutrinos. Die Leptonen bilden also auch drei Familien. Während die Hadronen mit ihrer Umgebung über alle fundamentalen Kräfte wechselwirken, wirkt die starke Kraft nicht auf die Leptonen. Zu jedem der Quarks und Leptonen existiert auch jeweils ein Antiteilchen, wie zum Beispiel das Positron als Antiteilchen zum Elektron. Ob die Neutrinos evt. ihre eigenen Antiteilchen sind, ist derzeit Gegenstand aktueller Forschung. Die uns umgebende Materie ist jedoch nur aus den Teilchen aufgebaut und diese Asymmetrie zwischen Teilchen- und Antiteilchen, die kurz nach dem Urknall entstanden sein muss, ist bisher nicht verstanden. Die Kräfte zwischen den Teilchen werden durch den Austausch von so genannten Austauschbosonen vermittelt. Die elektromagnetische Wechselwirkung wird durch das Photon vermittelt, die schwache Wechselwirkung durch die geladenen W-Bosonen (W± ) und das neutrale Z0 Boson, und die starke Wechselwirkung durch 8 Gluonen. Bei den Hadronen unterscheiden wir grundsätzlich zwischen Baryonen und Mesonen. Baryonen sind im einfachsten Bild entweder aus drei Quarks oder drei Antiquarks zusammengesetzt, während Mesonen aus einem Quark und einem Antiquark bestehen. Die für die Kernphysik relevanten Baryonen, das Proton (uud) und das Neutron (udd), bestehen nur aus den leichtesten Quarks. Anderenfalls könnten sie ja auch in leichtere Baryonen zerfallen. Innerhalb der Hadronen existieren jedoch auch immer noch Wolken aus Gluonen und virtuellen Quark-Antiquark-Paaren. Proton und Neutron, die Nukleonen, sind die beiden leichtesten Baryonen und bilden die Grundlage der uns umgebenden baryonischen Materie. Die Masse der Nukleonen haben Massen von fast 1 GeV/c2 , was wesentlich 8 Einführung größer als die Masse der drei darin enthaltenen Quarks ist. Ein Großteil der Nukleonenmasse wird also durch die Gluonenwolke und die virtuellen Quark-Antiquark-Paare und deren Korrelationen beigetragen. Fehlender Baustein in diesem Bild ist das sogenannte Higgs-Boson, das den Teilchen Masse verleihen soll. Sein Nachweis ist unter Anderem das Ziel der seit Ende 2009 laufenden Experimente am neuen Beschleuniger LHC des CERN in Genf. Weitere aktuelle Fragestellungen der Teilchenphysik sind Fragen wie nach der Existenz von exotischen Objekten wie “glue balls”, ein gebundenes System aus Gluonen, oder eines Quark-Gluon-Plasmas, ein Zustand aus “freien” Quarks und Gluonen ausserhalb von gebundenen Hadronsystemen. Vorgeschlagene Erweiterungen des Standardmodells wie Supersymmetrie (SUSY) oder String-Theorie, die Probleme im Rahmen des Standardmodells lösen könnten, sind ebenfalls Gegenstand der aktuellen Forschung in der experimentellen Teilchenphysik, z.B. am LHC, als auch theoretischer Untersuchungen. Die Gravitation ist derzeit theoretisch noch nicht angebunden. Ein Austauschboson, das Graviton, wurde zwar postuliert, aber weder nachgewiesen noch existiert eine dazugehörige Quantenfeldtheorie. Die String-Theorie könnte das evt. leisten, das ist aber noch heftig umstritten. Fernes Ziel ist die Vereinigung aller vier Wechselwirkungen (“Grand Unified Theory”, GUT) zu einer “Theory of Everything” (ToE). Aber auch die Physik der Hadronen birgt noch immer viele Rätsel. So kann man im Rahmen der QCD erst seit kurzem unter realistischen Annahmen die Masse eines Protons oder Neutrons auf dem Computer korrekt berechnen. Unklar ist allerdings noch, wie sich der Gesamtspin von 21 ~ aus den Beiträgen von Quarks und Gluonen zusammensetzt (“spin puzzle”). Die naheliegende Lösung, dass man zwei Quarks mit Spin-1/2 zu Gesamtspin = koppelt und das dritte Quark dann den Spin des Protons/Neutrons bestimmt, ist mit experimentellen Ergebnissen nicht verträglich. Interessante Fragestellungen sind auch, ob es gebundene exotische Systeme gibt. Z.B. gibt es seit einigen Jahren immer mal wieder experimentelle Befunde, die man z.B. als Anzeichen für die Existenz von Pentaquarks (4 Quarks + 1 Antiquark in einem Hadron) deuten könnte. Der letztendliche Beweis steht aber noch aus. Die eigentliche Kernphysik beschäftigt sich nun mit der Dynamik und Struktur von gebundenen Systemen aus Protonen und Neutronen. Dabei ist wieder zu beachten, dass auch hier das Ganze mehr als einfach die Summe seiner Teile (... die, wie gesagt, auch nicht völlig verstanden sind!) ist. So zerfällt das freie Neutron mit einer Halbwertszeit von 10 m und das freie Proton ist stabil. Offenbar ist das in Kernen deutlich anders! Hier spielt das Umfeld, in dem sich die Nukleonen befinden, also eine ganz wesentliche Rolle. 1.6 Kernphysik Die Kernphysik hat zur Aufgabe die Struktur und die Dynamik von Atomkernen zu beschreiben. In Kernen spielen 3 der 4 fundamentalen Wechselwirkung eine wichtige Rolle. 1.6 Kernphysik 9 Bekannt aus den bisherigen Vorlesungen ist die elektromagnetische Wechselwirkung. Sie ist theoretisch sehr gut bekannt (QED). In Kernen sorgt sie z.B. für Übergänge zwischen Kernzuständen (Gammazerfall, Photonenabsorption). Die starke Wechselwirkung ist dafür verantwortlich, dass überhaupt Kerne als gebundene Nukleonensysteme existieren. Die schwache Wechselwirkung bewirkt z.B. den Betazerfall. Die Gravitation ist vernachlässigbar (ausser bei Experimenten mit ultrakalten Neutronen, sogenannten UCNs). In unserem heutigen Bild besteht der Kern aus Protonen und Neutronen, den Nukleonen, die über die Kernkraft miteinander wechselwirken. Wir wissen aber, dass die Nukleonen keine elementare Teilchen sind, sondern ihrerseits aus Quarks zusammengesetzt sind, und die Kernkraft keine fundamentale Wechselwirkung sondern ein Teil der starken WW ist, den man sich als starke WW zwischen Quarks in unterschiedlichen Nukleonen vorstellen kann. Einige Phänomene und Modelle der Kernphysik lassen sich direkt auf die darunterliegende Teilchen- und Hadronenphysik zurückführen bzw. stellen eine Verbindung dar: • der Betazerfall • das anomale magnetische Moment des Neutrons • Beschreibung der Kernkraft durch Bosonenaustausch. Randbemerkung: Auch die Kernphysik hat ihre “exotischen” Objekte. So lassen sich in Kerne auch andere langlebige Baryonen einbauen. Von Bedeutung sind dabei sogenannte Hyperonen, wie die Λ- oder Ξ-Baryonen mit einem oder zwei strange-Quarks. Solche Kerne heissen dann Hyperkerne und wurden bereits erzeugt und untersucht. Herausforderung bei der Beschreibung von Kernen ist, dass ein Kern ein sogenanntes mesoskopisches System (2 - etwa 300 Nukleonen) ist, welches in den meisten Fällen weder exakt (zu viele Teilchen) noch statistisch (zu wenige Teilchen) beschrieben werden kann. Das führt zu einer Koexistenz von auf den ersten Blick widersprechenden Ansätzen: • Einteilchenmodelle • Kollektivmodelle. Diese Ansätze sind häufig phänomenologischer Natur, d.h. sie orientieren sich an der Beobachtung, und machen Gebrauch von effektiven, an die Beobachtung angepassten, Wechselwirkungen. Ziel muss es natürlich sein, eine konsistente Beschreibung aller Phänomene in der Kernphysik zu kommen, die dann auch noch auf den Prinzipien der darunterliegenden Theorie der starken Wechselwirkung beruht. Auch wenn erste Schritte in diesr Richtung in den letzten Jahren sehr erfolgreich waren (siehe z.B. Arbeiten in den Gruppen von Prof. A. Schwenk und Prof. R. Roth im IKP), ist man aber noch weit von diesem Endziel entfernt. Grosse Investitionen der letzten Jahre bzw. geplante für die Zukunft in neue Beschleunigeranlagen und Experimente demonstrieren eindrucksvoll das weltweite Interesse in kernphysikalische Fragestellungen, z.B. 10 Einführung • FAIR (Darmstadt) • RIBF (RIKEN, Japan) • FRIB (MSU, USA) • SPIRAL2 (GANIL, Frankreich), HIE-ISOLDE (CERN), EURISOL, etc. Erkenntnisse der Kern- und Teilchenphysik haben auch direkten Einfluss auf unser Verständnis der Struktur und der Evolution unseres Universums. War die erste Sekunde nach dem Urknall teilchenphysikdominiert, ist die Energieerzeugung von Sternen oder die Bildung der chemischen Elemente von kernphysikalischen Reaktionen dominiert. Sogenannte Neutronensterne als Überbleibsel von Supernova-Explosionen stellen in gewissem Sinne auch sehr groe “Kerne” dar. Kernphysikalische Forschung hat vielfältige Auswirkungen auch auf andere Felder, nicht nur in den offensichtlichen Bereichen der Energieerzeugung und der Nuklearwaffen. Z.B. die Diagnostik in der Medizin, Festkörperphysik, Materialforschung, Kunstgeschichte, Klimaforschung usw. verwenden aus der kernphysikalischen Grundlagenforschung kommende Methoden, z.B. Röntgen, NMR, PET, AMS usw.. Auf dem Gebiet der Elektronik, Computertechnik, Vakuumtechnik usw. stellen kern -und teilchenphysikalische Experimente (und auch Theorierechnungen) die höchsten technischen Anforderungen, die nur mit neuen innovativen Ansätzen gelöst werden können. Einige davon hielten später direkt Einzug in unser tägliches Leben: z.B. das WWW, das für die Kommunikation in grossen Experimenten am CERN erfunden wurde. In der medizinischen Therapeutik finden sowohl radioaktive Präparate als auch Gamma- und Teilchenstrahlung Anwendung, z.B. die bei der GSI (Darmstadt) entwickelte Tumorbehandlung mit relativistischen Kohlenstoffstrahlen. Das 2009 eröffnete Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT ist die klinische Umsetzung der bei der GSI entwickelten Methode. 1.7 Skalen, Einheiten und relevante Konstanten Trotz der prinzipiellen Vereinheitlichung der physikalischen Einheiten durch das SI System (oder das cgs-System) verwenden viele Arbeitgebiete der Physik ihre eigenen, den Größenordnungen und Besonderheiten der jeweiligen Objekten angepassten Einheiten, den sogenannten natürlichen Einheiten. Dies trifft auch auf die Kern- und Teilchenphysik zu. Im Verlaufe der Vorlesung werden sie im Umgang damit vertraut werden. • Länge Kerne haben Radien in der Größe einiger Femtometer (1 fm = 10−15 m), wobei 1 fm auch als Fermi bezeichnet wird. • Geschwindigkeit Geschwindigkeiten werden üblicherweise in Bruchteilen β der Lichtgeschwindigkeit c = 2.998 · 108 m/s angegeben: β = v/c. 1.7 Skalen, Einheiten und relevante Konstanten 11 • Zeit Die daraus ableitbare Einheit für Zeiten, 1 fm/c ≈ 3 · 10−24 s, wird in der Kernphysik kaum verwendet. • Ladung Die Ladung von Leptonen und Hadronen beträgt ganzzahlige Vielfache der Elementarladung e: 1 e = 1.602 · 10−19 C. (Quarks haben drittelzahlige Ladungen.) • Energie Energien werden üblicherweise in Elektronenvolt angegeben. Dies ist die Energie, die ein Teilchen mit der Elementarladung 1 e beim Durchlaufen einer Potentialdifferenz von 1 V bekommt: 1 eV = 1.602 · 10−19 J. Man verwendet üblicherweise Energieeinheiten von keV , MeV und GeV. • Masse Massen werden entweder in atomaren Masseneinheiten (1 u = 1/12m[12 C-Atom] = 1.66 · 10−27 kg), der praktische Grund dafür wird später klar werden, oder gemäß der Massen-Energie-Äquivalenz E = mc2 in MeV/c2 anzugeben. Dabei ist eine atomare Masseneinheit 1 u = 931.5 MeV/c2 und wird häufig als Nukleonenmasse verwendet. In natürlichen Einheiten beträgt die Masse des Elektrons 511 keV/c2 . • Drehimpuls / Spin Wie in der Quantensmechanik üblich werden Spins und Drehimpulse in Einheiten des Planckschen Wirkungsquantums ~ = h/2π angegeben: ~ = 6.582 · 10−22 MeV s. • Impuls Analog zu Energie oder Masse wird der Impuls in MeV/c als natürlicher Einheit angegeben. • Wirkungsquerschnitt Der Wirkungsquerschnitt einer Reaktion wird in Barn angegeben. Dabei ist 1 b = 10−24 cm2 = 100 fm2 . Die natürlichen Einheiten für elektrische und magnetische Momente, Übergangsstärken usw. werden wir später kennenlernen. Für praktische Berechnungen haben sich noch folgende Beziehungen als ausserordentlich nützlich erwiesen: ~c = 197 MeV fm α = Daraus folgt 1 e2 = ~c 137 e2 = 1.44 MeV fm. (1) (2) (3) Die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante α und tritt bei allen zentralsymmetrischen 1 elektromagnetischen Problemen auf. Der übliche Vorfaktor 4π ist bereits in den Zahlen0 werten berücksichtigt. Wir werden sehen, dass diese wenigen Zahlen ausreichen, um die 12 Einführung meisten Probleme berechnen, oder zumindestens abschätzen, zu können. In der Tat, mehr braucht man sich als Zahlen in der Kernphysik (fast) nicht zu merken!!! Bemerkung: In der Teilchenphysik hat es sich eingebürgert ~ = c = 1 zu setzen. Diese Vereinbarung wird in dieser Vorlesung nicht verwendet! 1.8 Nomenklatur Ein Nuklid ist ein Atomkern, der aus Z Protonen und N Neutronen besteht. Jedes Nuklid hat eine Massenzahl A, die die Summe von Protonenzahl und Neutronenzahl ist, also die Summe aller Nukleonen in diesem Atomkern: A=N +Z (4) Die Protonenzahl Z wird auch als Ordnungszahl bezeichnet und ist spezifisch für das chemische Element. Mit q kann die Ionenladung bei der Betrachtung atomarer Prozesse angegeben werden. Man schreibt in vollständiger Schreibweise: A q Z XN An Stelle des X steht das aus der Chemie bekannte Elementsymbol. Beispiel: 12 C und 14 C für zwei Kohlenstoffkerne (Z = 6) mit 6 bzw. 8 Neutronen. 6 8 6 6 Meist werden die Protonenzahl Z (gleichbedeutend mit Elementsysmbol) und die Neutronenzahl N weggelassen, da Elementsymbol und Massenzahl A jeden Kern eindeutig bezeichnen. Man gibt Nukliden mit gleichem Z, N oder A spezielle Namen: • Isotope: Nuklide mit gleichem Z • Isotone: Nuklide mit gleichem N • Isobare: Nuklide mit gleichem A 1.9 Radioaktiver Zerfall Radioaktive Kerne zerfallen in andere Kerne mit einer gewissen Zerfallswahrscheinlichkeit. Energetisch angeregte Zustände eines Kerns zerfallen entweder zu energetisch tieferliegenden Zuständen oder zu Zuständen in anderen Kernen. Die den radioaktiven Zerfallsmoden – α-, β- und γ-Zerfall, Protonenradioaktivität, spontane Spaltung – zugrunde liegende Physik behandeln wir später in der Vorlesung. Hier sollen allerdings bereits die Begriffe Zerfallswahrscheinlichkeit und Halbwertszeit eingeführt werden. Die Zerfallswahrscheinlichkeit wird durch die Zerfallskonstante λ charakterisiert. Für die Aktivität A des radioaktiven Zerfalls (Anzahl der Zerfälle pro Zeiteinheit) gilt: 1.10 Nuklidkarte 13 A(t) = − dN (t) = λN (t) dt (5) Dabei ist N die Anzahl der zum Zeitpunkt t vorhandenen radioaktiven Kerne bzw. der Kerne, die sich in einem angeregten Zustand befinden. Die Aktivität bzw. die Anzahl der Kerne zum Zeitpunkt t ergibt sich aus der Lösung der obigen Differenzialgleichung mit dem Lösungsansatz einer Exponentialfunktion: A(t) = λN (t) = λN (0)e−λt (6) Die radioaktiven Kerne werden üblicherweise durch die Lebensdauer τ bzw. die Halbwertszeit T1/2 charakterisiert, die zusammenhängen über τ = 1/λ und T1/2 = τ ln 2. Die Halbwertszeit eines Nuklids ist die Zeit nach der die Hälfte der beim Zeitpunkt t = 0 vorhandenen Nuklide zerfallen ist. Mit Isomeren bezeichnet man energetisch angeregte metastabile Zustände, deren Halbwertszeit signifikant länger als die üblichen Halbwertszeiten für nukleare Zustände (10−15 - 10−9 s) ist. Isomere Zustände haben also Halbwertszeiten von mindestens ns (10−9 s) und können bis zu mehr als 1015 Jahren leben. Es ist möglich, dass sie sogar länger leben als der Grundzustand des Kerns (energetisch niedrigster Zustand eines Kerns) in dem sie vorkommen. Warum das so sein kann werden wir später behandeln. Beispiel: 180 Ta: Der isomere Zustand bei einer Anregungsenergie von E = 75 keV hat eine Halbwertszeit von T1/2 > 1.2 · 1015 a, während der Grundzustand (E = 0 keV) nur eine Halbwertszeit von T1/2 = 8.152 h hat. 1.10 Nuklidkarte Eine Nuklidkarte bietet eine Übersicht über die bekannten Kerne. Die Farben geben für jeden Kern an ob er stabil ist (schwarz) oder z.B. dominant über β + /EC-Zerfall (rot), β + -Zerfall (blau) oder α-Zerfall (gelb) zerfällt. Bisher sind etwa 2500 Nuklide experimentell nachgewiesen worden, davon sind knapp 300 stabil (oder so extrem langlebig, sodass ihr Zerfall bisher noch nicht beobachtet wurde). Erst 2003 stellte sich z.B. das vorher als stabil angenommene Nuklid 209 Bi als α-Emitter mit einer Halbwertszeit von 1.9 · 1019 a heraus (zum Vergleich: Alter des Universums ist nur 1.4 · 1010 a). Im Rahmen von Kernmodellen wird erwartet, dass mindestens weitere 3500 Nuklide existieren könnten. Neue Beschleunigeranlagen wie FAIR in Darmstadt werden den experimentellen Nachweis eines Teils dieser Nuklide erlauben. In detaillierteren Nuklidkarten, wie zum Beispiel der sogenannten Karlsruher Nuklidkarte, werden zusätzliche Basisinformationen über die Nuklide gezeigt. So werden unter anderem für die stabilen Isotope die relative Häufigkeit des Nuklids bzw. für die instabilen Nuklide die Halbwertszeit der langlebigen Zustände (Grundzustand und isomere Zustände) und die Zerfallsarten aufgeführt. 14 Einführung 1.11 Rekapitulation einiger Grundlagen 1.11.1 Erhaltungssätze und Symmetrien Bekannt aus der Vorlesung sind die Erhaltung von Energie, Impuls und Drehimpuls sowie der elektrischen Ladung. In der Kern- und Teilchenphysik kommen weitere Erhaltungsgrössen wie die Leptonen- oder die Baryonenzahl hinzu. In der Diskussion des β-Zerfalls werden wir aber auch die Verletzung einer für die anderen Wechselwirkung gültigen Erhaltungsgrösse, nämlich der Parität, durch die schwache Wechselwirkung kennenlernen. Jede Erhaltungsgrösse ist mit einer Symmetrie des Hamiltonoperators verbunden und umgekehrt, z.B. Drehimpulserhaltung mit Rotationsinvarianz (NoetherTheoreme). Dies spielt insbesondere in der Teilchenphysik auch praktisch eine wichtige Rolle, aber auch in gewissen Kernmodellen. 1.11.2 Physikalische Observablen Physikalische Prozesse auf der Grössenskala von Atomen, Kernen und Teilchen erfordern eine quantenmechanische Beschreibung. Physikalische Observablen, also messbare Grössen, sind dabei entweder Eigenwerte, falls die Eigenfunktionen des Hamiltonoperators Ȟ, der das System beschreibt, auch Eigenfunktionen des zur Messgrösse gehrigen Operators sind. Die Gesamtenergie des Systems ist natürlich direkt der Energieeigenwert E: ȞΨ = EΨ. (7) Der energetisch niedrigste Zustand eines Kerns heisst “Grundzustand”. Ein Kern kann aber auch gebundene und ungebundene Zustände höherer Energie haben, die als angeregte Zustände bezeichnet werden. In der Kernphysik sind Eigenfunktionen immer auch Eigenfunktionen zu gutem Drehimpuls, also Jˇ2 Ψ = J(J + 1)Ψ und Jˇz Ψ = M Ψ. (8) Beobachtbar ist der Gesamtdrehimpuls und die Projektion auf eine Quantisierungsachse. In allen anderen Fällen ist die Observable der Erwartungswert eines Operators, z.B. mit dem elektrischen Quadrupoloperator M̌ (E2) ergibt sich das elektrische Quadrupolmoment Q: hΨ|M̌ (E2)|Ψi = Q. (9) Der Übersichtlichkeit halber werden wir im folgenden keine besondere Schreibweise für quantenmechanische Operatoren wie Ȟ mehr verwenden! Der Unterschied zwischen Operator und seinen Eigen- bzw. Erwartungswerten oder zugehörigen Quantenzahlen, also z.B. 1.11 Rekapitulation einiger Grundlagen 15 Jˇ2 , J(J + 1) und J, sollte vertraut sein und aus dem jeweiligen Zusammenhang ersichtlich sein. 1.11.3 Welle-Teilchen-Dualismus Für die quantenmechanische Beschreibung ist insbesondere der Dualismus zwischen der Teilchen- und Wellennatur aller physikalischen Objekte wichtig. Für ein Teilchen mit dem Impuls p~ können wir einen Wellenvektor ~k definieren: p~ = ~~k sowie eine Wellenlänge λ = 2π/k, die sogenannte De Broglie Wellenlänge: λ= h p bzw. λ̄ = ~ . p (10) Je nach betrachtetem Prozess werden wir eine Behandlung im Wellen- oder im Teilchenbild wählen, aber teilweise auch explizit zeigen, dass beide in Tat auf dasselbe Ergebnis führen (müssen!). Gelegentlich wird allerdings auch eine semiklassische, also eine an klassische Mechanik oder Elektrodynamik angelehnte, Behandlung verwendet. Dabei müssen wir natürlich sicherstellen, dass die Grundprinzipien der Quantenmechanik nicht verletzt werden. Eine der wichtigsten Relationen der Quantenmechanik ist die Heisenbergsche Unschärferelation, die besagt, dass man Ort und Impuls nicht gleichzeitig beliebig genau messen kann. Dies wird ausgedrückt über die Relation ∆x · ∆p ≥ ~ . 2 (11) Verwendet man sie für praktische Abschätzungen, wird der Faktor 12 häufig vernachlässigt. Die Bedeutung dieser Relation sei an zwei Beispielen verdeutlicht. Wenn wir Objekte wie Kerne oder Nukleonen räumlich auflösen wollen, benötigen wir “Licht” mit einer Wellenlänge, die kleiner als die Dimension des Objektes ist. Im Fall von Kernen und Teilchen verwendet man andere Teilchen, zum Beispiel Elektronen, als “Licht”. Angenommen ein Objekt mit einer Dimension von R = 1 fm soll aufgelöst werden: ~ ~ = = 197 MeV/c. (12) R 1 fm Es wird also ein Elektronenstrahl mit einem Impuls von 200 MeV/c, also einer Energie von 200 MeV (Elektronen dürfen hier voll relativistisch behandelt werden: E = pc), benötigt. Eine andere, häufig verwendete, Version der Unschärferelation lautet: p> ~ . (13) 2 Dies hat Konsequenzen für die Beschreibung einer Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen über den Austausch eines virtuellen Wechselwirkungsteilchens. Hat dieses Wechselwirkungsteilchen eine Masse, so kann es aus Gründen der Energieerhaltung nur für einen im Rahmen der Unschärferelation erlaubten Zeitraum existieren. Da es sich maximal mit Lichtgeschwindigkeit c bewegen kann, ist die Reichweite einer Wechselwirkung, die ein ∆E · ∆t ≥ 16 Einführung massebehaftetes Austauschteilchen vermittelt, begrenzt. Das Photon als Träger der elektromagnetischen Wechselwirkung hat keine Masse, die Reichweite ist daher unendlich. Später werden wir sehen, dass die Kernkraft eine kurze Reichweite von etwa 2 fm hat. Daraus können wir nun die Masse des Austauschteilchens abschätzen (Idee geht auf Yukawa zurück): ~ ~c = = 197/2 MeV (14) ∆t 2 fm Ein geeignetes Austauschteilchen sollte also eine Ruhemasse in der Grössenordnung von 100 MeV/c2 haben. In der Tat “wiegt” das Pion etwa 138 MeV/c2 . ∆E = 1.11.4 Bosonen und Fermionen - Pauli-Prinzip Eines der wichtigsten Konzepte der atomaren und subatomaren Physik ist die Unterscheidung zwischen Fermionen und Bosonen, die auf das Spin-Statistik Theorem von Pauli (1940) zurückzuführen ist. Teilchen mit halbzahligem Spin ( 21 ~, 23 ~, ...) werden als Fermionen bezeichnet. Für sie gilt die Fermi-Dirac Statistik, was bedeutet, dass sich bei der Vertauschung zweier identischer Teilchen das Vorzeichen der Gesamtwellenfunktion umkehrt. Es muss also gelten: Φ(1, 2) = −Φ(2, 1). Eine solche Wellenfunktion heisst antisymmetrisch. Die Gesamtwellenfunktion von Fermionen muss immer so konstruiert werden, dass sie diese Bedingeung erfüllt. Im Gegensatz dazu werden Teilchen mit ganzzahligem Spin (0~, ~, 2~ ...) als Bosonen bezeichnet. Für sie gilt die Bose-Einstein Statistik, bei der sich das Vorzeichen der Gesamtwellenfunktion unter Vertauschung identischer Teilchen nicht ändert. Die Wellenfunktion heisst folglich symmetrisch. Gesamtwellenfunktionen mit dieser Eigenschaft lassen sich als Linearkombinationen von Produkten der Einteilchenwellenfunktionen φ konstruieren (mit der Normierung √12 ): Fermionen : Bosonen : 1 Φ(1, 2) = √ {φ1 (1)φ2 (2) − φ1 (2)φ2 (1)} = −Φ(2, 1) 2 1 Φ(1, 2) = √ {φ1 (1)φ2 (2) + φ1 (2)φ2 (1)} = Φ(2, 1) 2 (15) (16) Die Fermi-Dirac Statistik hat zur Konsequenz, dass sich zwei identische Fermionen nicht im exakt gleichen Zustand befinden können. Bei Vertauschung der beiden Teilchen würde ja ein identischer Zustand erzeugt, dessen Wellenfunktion jedoch ein anderes Vorzeichen haben müsste. Dies ist nur zu erfüllen, wenn die Wellenfunktion insgesamt verschwindet, es einen solchen Zustand also nicht gibt. Dies ist das berühmte Pauli-Prinzip. Fermionen in gebundenen Systemen, wie Atomen oder Kernen, müssen sich in ihren Wellenfunktionen in mindestens einer Quantenzahl unterscheiden. Diese Prinzip spielt eine entscheidende Rolle für die Beschaffenheit unserer Welt. Wir haben es bereits z.B. in der Atomphysik kennengelernt als wir uns mit der Frage beschäftigten, wieviele Elektronen auf ein Orbital “passen”. 1.12 Quantenmechanische Störungsrechnung 1.12 17 Quantenmechanische Störungsrechnung Häufig wird ein physikalisches System nicht exakt sondern nur näherungsweise von einem einfachen Hamiltonian H0 , also einem der leicht lösbar ist, z.B. dem harmonischen Oszillator oder dem Rechteckpotenzial, beschrieben. Die Abweichungen zum realen System lassen sich dann oft in Störungsrechnung behandeln. Das kennen wir bereits aus der Atomphysik. Die Eigenfunktionen des Wasserstoffatoms haben wir mit dem Coulombpotential ∝ 1/r berechnet. Für die genauen Energiewerte mussten noch Feinstruktur (Spin-Bahn-Kopplung), Hyperfeinstruktur (Kopplung der magn. Momente von Elektron und Kern), Lamb-Shift (Korrektur aus der QED), relativistische Korrekturen und eine Korrektur aufgrund der endlichen Größe des Kerns (keine Punktladung, darauf kommen wir später noch zurück) hinzugenommen werden. Für Atome mit mehreren Elektronen kam die Wechselwirkung zwischen ihnen auch noch dazu. Grundsätzlich blieben aber die Ergebnisse der einfachen Behandlung weiter in etwa gültig (für Atome sehr schwerer Elemente gilt das allerdings auch nicht mehr!). Äussere Felder wie beim Zeeman- oder Stark-Effekt hatten wir formal genauso behandelt. Dafür haben wir aber nicht jedes Mal einen neuen Hamiltonian gelöst, was auch analytisch nicht mehr möglich gewesen wäre, sondern die Energieeigenwerte mit Korrekturtermen versehen, was etwas willkürlich wirkte. Aber das ist nicht so, sondern dahinter steckt der mathematisch konsistente Formalismus zur Behandlung solcher Systeme, die quantenmechanische Störungsrechnung. Obige Terme gewinnt man aus stationärer Störungsrechnung, da die Störung nicht zeitabhängig ist. In der Kernphysik wie in der Atomphysik oder Optik beschäftigen wir uns häufig mit Übergängen, Anregungen und Zerfällen, zwischen zwei Eigenfunktionen Ψi und Ψf von H0 . Ohne Störung existiert das System ewig in einem seiner Eigenzustände. Vermittelt durch eine zeitabhängige Störung H1 (t) kann ein Übergang stattfinden. Die Übergangsrate W ergibt sich dann in zeitabhängiger Störungsrechnung. Dieser Absatz folgt im wesentlichen W. Greiner, “Quantenmechanik I” (Harri Deutsch 1989). 1.12.1 Stationäre Störungsrechnung Angenommen wir können ein physikalisches System mit einem Hamiltonoperator H0 näherungsweise beschreiben, der “einfach” zu berechnende Lösungen besitzt. Eine bessere Beschreibung liese sich über einen Hamiltonoperator H = H0 + εH1 , (17) also durch Hinzunahme einer kleinen Störung εH1 (ε reell), erzielen. H0 und H1 seien zunächst zeitunabhängig. Im Ansatz der Störungsrechnung werden die Lösungen |ni (die |ni sollen wieder ein orthonormales Basissystem bilden, also hm|ni = δmn ) und zugehörigen Eigenwerte En von 18 Einführung H in eine Potenzreihe in ε entwickelt: |ni = |n(0) i + ε|n(1) i + ε2 |n(2) i + . . . (18) En = En(0) + εEn(1) + ε2 En(2) + . . . . (19) Bemerkung: Die Konvergenz dieser Reihe ist keineswegs garantiert und muss für jedes betrachtete System einzeln überprüft werden. Sonszt ist der Formalismus nicht anwendbar! Hier und im folgenden wird die Diracsche Schreibweise verwendet: ψn (r) = |ni, R ∗ R ∗ ψm (r)ψn (r)dV = hm|ni und ψm (r)Hψn (r)dV = hm|H|ni. Setzt man den Ansatz in die erste Gleichung ein und sortiert die Terme nach Potenzen von ε, erhält man die Beiträge der einzelnen Ordnungen: 0. Ordnung : H0 |n(0) i = En(0) |n(0) i (20) 1. Ordnung : H0 |n(1) i + H1 |n(0) i = En(0) |n(1) i + En(1) |n(0) i (21) 2. Ordnung : H0 |n(2) i + H1 |n(1) i = En(0) |n(2) i + En(1) |n(1) i + En(2) |n(0) i (22) usw. (23) An der zweiten Gleichung sehen wir bereits, dass damit keine eindeutige Lösung bestimmt werden kann. Ist ein |n(1) i Lösung, so ist jede beliebige Linearkombination α|n(1) i+β|n(0) i auch eine erlaubte Lösung. Als zusätzliche Annahme fordern wir daher: hn(0) |ni = 1 (24) ⇒ εhn(0) |n(1) i + ε2 hn(0) |n(2) i + . . . = 0 ⇔ hn(0) |n(k) i = δ0k . (25) Die Lösungen |n(0) i des ungestörten Hamiltonians sind natürlich als bereits orthonormiert vorausgesetzt, also hm(0) |n(0) i = δmn . Ziel ist es nun die Lösungen und Eigenwerte des gestörten Systems aus denjenigen für das ungestörte zu berechnen. Dies soll exemplarisch für die Näherung in 1. Ordnung durchgeführt werden. Zunächst “multiplizieren”, im Diracschen Sinne, wir die Näherung 1. Ordnung von links mit hn(0) | und erhalten hn(0) |H0 |n(1) i + hn(0) |H1 |n(0) i = hn(0) |En(0) |n(1) i + hn(0) |En(1) |n(0) i (26) En(0) hn(0) |n(1) i + hn(0) |H1 |n(0) i = En(0) hn(0) |n(1) i + En(1) hn(0) |n(0) i (27) ⇒ En(1) = hn(0) |H1 |n(0) i. (28) In erster Ordnung ist also der Beitrag zum Energiewert gerade das Matrixelement der Störung mit den ungestörten Wellenfunktionen. Das sind die kleinen Korrekturen ∆E, mit denen wir die Eigenwerte des ungestörten Systems versehen hatten. 1.12 Quantenmechanische Störungsrechnung 19 Da die ungestörten Lösungen |n(0) i ein vollständiges Basissystem des Hilbertraums bilden, lassen sich die gestörten Lösungen |n(k) i nach ihnen entwickeln, also z.B. |n(1) i = X |m(0) ihm(0) |n(1) i = X m (0) c(1) m |m i (29) m Diese Entwicklung setzen wir ein und erhalten H0 X (0) (0) (0) c(1) m |m i + H1 |n i = En m6=n X (0) (1) (0) c(1) m |m i + En |n i. (30) m6=n “Multipliziert” man diese Gleichung von links mit hk (0) | = 6 hn(0) | ergibt sich X (0) (0) (0) (0) c(1) m hk |H0 |m i + hk |H1 |n i m6=n = En(0) X (0) (0) (1) (0) (0) c(1) m hk |m i + En hk |n i (31) m6=n (0) (0) (0) (0) (1) c(1) m Em δkm + hk |H1 |n i = En cm δkm + 0 (1) ⇒ ck = hk (0) |H1 |n(0) i (0) En − (0) Ek (k 6= n) und c(1) n = 0. (32) (33) Damit haben wir auch die Formel in 1. Ordnung zur Berechnung der Eigenfunktionen des gestörten Systems. Die entsprechenden Ausdrücke höherer Ordnung berechnen sich nach dem selben Schema. 1.12.2 Zeitabhängige Störungsrechnung Betrachten wir nun den gleichen Fall wie vorher, nur dass nun die Störung durch einen zeitabhängigen Hamiltonian H1 (t) (H1 H0 ) beschrieben wird: ∂ψ0 (r, t) = H0 ψ0 (r, t) (34) ∂t Als Ansatz für die allgemeine Lösung der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung ohne Störung verwenden wir einen Produktansatz (un (r) = |ni, wir schreiben aber hier explizit die Ortsabhängigkeit hin) H = H0 + H1 (t) ψ0 (r, t) = X an un (r)e−iωn t mit i~ H0 un (r) = En un (r) und ωn = En /~. (35) n Für die Lösung ψ(r, t) der Schrödinger-Gleichung mit Störung machen wir nun folgenden Ansatz: ∂ψ(r, t) = [H0 + H1 (t)] ψ(r, t) ∂t X ψ(r, t) = an (t)un (r)e−iωn t i~ n (36) (37) 20 Einführung Setzen wir den Ansatz ein, erhalten wir (ȧn (t) = i~ X dan (t) dt ): X un (r) ȧn (t)e−iωn t − an (t)iωe−iωn t = [H0 + H1 (t)] an (t)un (r)e−iωn t n (38) n Multiplizieren wir nun von links mit u∗k (r) und integrieren über die Ortskoordinaten r, R erhalten wir (mit u∗k (r)un (r)dV = δkn und Ek = ~ωk ): i~e−iωk t {ȧk (t) − ak (t)iω} = ak (t)Ek e−iωk t + X an (t)e−iωn t Z u∗k (r)H1 (t)un (r)dV (39) n −iωk t i~ȧk (t)e = X an (t)e −iωn t Z u∗k (r)H1 (t)un (r)dV (40) n ⇒ ȧk (t) = − i X an (t)e−i(ωk −ωn )t hk|H1 (t)|ni ~ n (41) Bisher ist die Behandlung exakt. Nun führen wir eine Näherung ein: das System soll sich zum Zeitpunkt t = 0 im Eigenzustand m befunden haben, also ak (0) = δkm . Damit können wir nun die Besetzungsamplitude ak (t) durch Integration berechnen: Zt 0 i ȧk (t)dt = ak (t) − ak (0) = ak (t) = − ~ Zt e−i(ωk −ωm )t hk|H1 (t)|midt. (42) 0 Als wichtigen Spezialfall behandeln wir nun den Fall, dass eine Störung bei t = 0 eingeschaltet wird, die danach zeitlich konstant ist (∂H1 /∂t = 0): i ak (t) = − hk|H1 |mi ~ ⇒ |ak (t)|2 = 4|hk|H1 ~2 Zt e−i(ωk −ωm )t dt = −hk|H1 |mi 0 |mi|2 (ωk −ωm )t 2 (ωk − ωm )2 sin2 e−i(ωk −ωm )t − 1 ~(ωk − ωm ) (43) (44) Das Quadrat der Übergangsamplitude |ak (t)|2 ist die Wahrscheinlichkeit, dass zur Zeit t der Zustand k bevölkert ist, also ein Übergang von Zustand m nach k stattgefunden hat. Ein genauerer Blick auf die Formel zeigt, dass Übergänge merklich nur bei kleinen ωkm = ωk − ωm stattfinden. Der zugehörige Energiebereich ∆E = ~ ∆ωkm , abgeschätzt als Lage der ersten Nullstelle ωkm = 2nπ/t, ist t∆E ≈ 2π~, also in der Grössenordnung des Wertes aus der Heisenbergschen Zeit-Energie-Unschärferelation. Bisher haben wir den Übergang zwischen zwei diskreten Zuständen m und k betrachtet. Findet der Übergang ins Kontinuum statt, benutzen wir die Zustandsdichte ρf (Ef ) = Zahl der Zustände Energieintervall ∆Ef (45) 1.12 Quantenmechanische Störungsrechnung 21 Wie allgemein in der Literatur üblich, bezeichnen wir im folgenden den Ausgangszustand als “i” (“initial”) und den Endzustand als “f” (“final”). Nehmen wir nun noch an, dass die Zustandsdichte innerhalb des relevanten Energiebereich, also für kleine ωfi konstant ist, erhalten wir für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Übergang zu irgendeinem Zustand im Kontinuum stattfindet (dE = ~ dωfi ) Z∞ Pf (t) = |af (t)|2 ρf (E)~ dωfi (46) −∞ ≈ 4|Hfi |2 π ρf (E)~ t 2 ~ 2 (47) ≈ 2π|Hfi |2 ρf (E)t ~ (48) Dabei haben wir das Integral abgeschätzt als über die Fläche des Rechtecks aus als Höhe R bei 0 (lim|x|→o sin2 ax/x2 = a2 ) und Abstand zur ersten Nullstelle (xNS = nπ/a): ≈ t2 2π π 4 t = 2 t. Berechnen wir schlussendlich noch die Übergangsrate d|af (t)|2 dt erhalten wir die berühmte Fermis Goldene Regel: Pi→f = (49) 2π |Hfi |2 ρf (E). (50) ~ Wir werden sehen, dass diese Formel trotz der der vielen Annahmen und Näherungen in der Herleitung einen erstaunlich grossen Anwendungsbereich hat. Pi→f = 1.12.3 Schlussbemerkung zur Störungsrechnung Verbleibt die berechtigte Frage, ob Störungsrechnung in der vorgestellten Form im Zeitalter leistungsfähiger Computer überhaupt noch seine Berechtigung hat. Die Antwort lautet klar “Ja!”, denn • Eine analytische Formel erlaubt eher Einsichten in den physikalischen Effekt als ein numerisches Ergebnis. • Eine analytische Formel lässt sich invertieren, also aus dem Effekt lässt sich die Grösse der Störung bestimmen. • Vielteilchensysteme sind oft zu gross für eine “exakte” numerische Behandlung. Analytische “Vorarbeiten” erleichtern die Behandlung. S-DALINAC SFB 634 Supraleitender Elektronenbeschleuniger S-DALINAC des Instituts für Kernphysik der TU Darmstadt SIS 100/300 heute SIS UNILAC FRS HESR ESR Super FRS in Darmstadt CR 100 m NESR GSI Helmholtzzentrum für Schwerionen forschung und die zukünftige Facility for Antiproton and Ion Research FAIR Entdeckung der Radioaktivität Identifizierung von α-, β-, und γ-Strahlung „Entdeckung“ des Atomkerns Entdeckung des Neutrons Standardmodell der Elementarteilchen elektromagn. schwach stark elektromagn. schwach Austauschbosonen ... Träger der Wechselwirkung + Higgs-Boson (noch nicht experimentell gefunden) Hadron Baryon Meson qqq / q q q qq Zusammengesetzte Systeme aus Quarks und Gluonen (nicht eingezeichnet) ... naives Bild!!! Kern Kern zusammengesetzt aus Nukleonen stabil β+/EC-Zerfall β--Zerfall α-Zerfall p-Emitter spontane Spaltung „Weltkarte“ der Nuklide Ausschnitt aus der Karlsruher Nuklidkarte Typische Grössenordnungen für Durchmesser und Anregungsenergien in natürlichen Einheiten aus Povh et al. „Mikroskope“ – benötigte Wellenlängen zum Auflösen von Kristallen bis hinab zu Elementarteilchen 1 2 t 4 ω − ωm sin 2 k t 2 2 (ω k − ω m ) − 4π t Fläche : − 2π t 0 f Ei i Zeitabhängige Störungsrechnung 2π t 2π 1 2 π ⋅ t = t t 4 2 4π t } ρf(Ef) Ef 30 Einführung