Kinderwunsch und seine Folgen Ethikforum im Rahmen der Woche für das Leben 2012 Podiumsdiskussion im Haus der Begegnung Dokumentation Frauenreferat der Diözese Innsbruck (Hg) Impressum: Herausgeberin: Frauenreferat der Diözese Innsbruck Für den Inhalt verantwortlich: Mag.a Angelika Ritter-Grepl © Frauenreferat der Diözese Innsbruck 2012 Riedgasse 9, 6020 Innsbruck Tel. 0512 32230-4321 [email protected] www.dibk.at/frauenreferat Cover: Notburga Egerbacher Anker Gestaltung. Mag.(FH) Christian Palfrader, www.wortdruck.at Alle Rechte vorbehalten ISBN 3-9501401-7-0 Kinderwunsch und seine Folgen Ethikforum im Rahmen der Woche für das Leben 2012 Podiumsdiskussion im Haus der Begegnung Dokumentation Frauenreferat der Diözese Innsbruck (Hg) Liebe Leserinnen und Leser! Im Rahmen der Woche für das Leben 2012 fand im Haus der Begegnung eine Podiumsdiskussion zum Thema Kinderwunsch und seine Folgen statt. Am Podium diskutierten Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen und beleuchteten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Den Einstieg in die Diskussion bildeten die Thesen der Erziehungswissenschafterin Maria Wolf von der Universität Innsbruck. Kinder bekommen bedeutet für die meisten Menschen das große Glück. Wenn diese Sehnsucht unerfüllt bleibt, hilft manchmal die Fortpflanzungsmedizin. Bei der Frage des Kinderwunsches geht es um die Selbstbestimmung von Frauen und Männern, um die gesellschaftliche Bedeutung von Mutterschaft und um rechtliche Rahmenbedingungen. Und es geht auch um das Kindeswohl, also die psychosozialen und gesundheitlichen Folgen, die für Kinder aus den Interventionen der Reproduktionsmedizin entstehen können. Die gesellschaftliche Forderung nach einer „vernünftigen“ Mutter, die im Rahmen ihres unerfüllten Kinderwunsches nach reproduktions- und biotechnologischer Vernunft handelt, wirft etliche ethische Fragen und vor allem Bedenken auf. Die Fortschritte der Reproduktionsmedizin selbst tragen zu neuen Problemlagen bei. Die Bewältigung der durch die Reproduktionsmedizin geforderten Entscheidungen wird gegenwärtig den betroffenen Eltern und vor allem den Frauen individuell zugemutet. Die Podiumsdiskussion konnte klar aufzeigen, dass hier noch ein großer Klärungsbedarf hinsichtlich der ethischen Fragestellungen besteht. Angelika Ritter-Grepl Frauenreferat der Diözese Innsbruck Inhalt Kinderwunsch und seine Folgen Ethikforum im Rahmen der Woche für das Leben 2012 Inhaltsübersicht Grußwort: Kinderwunsch und Kindeswohl Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer Einstiegsthesen: Kinderwunsch und seine Folgen Maria Wolf 6 10 Diskussionsbeiträge: Kinderwunsch und seine Folgen Aus der Sicht der Reproduktionsmedizin Ludwig Wildt 22 Kinderwunsch und seine Folgen Aus theologischer Sicht Angelika Walser 28 Kinderwunsch und seine Folgen In Vitro Fertilisation und Psychologie Astrid Lampe 32 -5- Zum Geleit Kinderwunsch und Kindeswohl Dr. Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck E thik ist ein Krisenphänomen. Wenn die Moral aus vielfältigen Gründen in die Krise gerät, erschallt der Ruf nach Ethik. Unter Moral verstehe ich das Insgesamt von Einstellungen und Regeln, aus denen wir, meist ohne lange zu reflektieren, routinehaft handeln. Ethik hingegen ist die Theorie der Moral. Ethische Überlegungen müssen Sach- und Sinneinsichten miteinander vermitteln, sollen systematisch kohärent und rational nachvollziehbar sein. Ethische Reflexion soll soweit wie möglich alle Dimensionen der betroffenen Person, der anderen an einem Handlungsproblem beteiligten Personen und der Gesellschaft berücksichtigen und diese bewerten. Gerade in der notwendigen philosophischen oder theologischen anthropologischen Reflexion zeigt sich der Pluralismus unserer Gesellschaft besonders deutlich: Der faktische Pluralismus der Moral ist unbestreitbar, aber daraus einem normativen Pluralismus zu folgen, in dem Sinn, dass alle Moralvorstellungen gleich richtig und wertvoll sind, und daher nur der kleinste gemeinsame Nenner von vornherein zu favorisieren sei, ist ein Kurzschluss, der der Abdankung der Ethik und auch des Rechts gleichkäme. Die theologische Motivation für den medizinethischen Diskurs schöpfe ich aus den Quellen des christlichen Glaubens, in denen jeder Mensch in jeder Situation seines Lebens als Person gewürdigt werden soll – vom kleinsten Beginn des Menschenlebens bis zu seinem oft schwachen Ende. Unteilbare und unveräußerliche Menschenwürde als Voraussetzung und Eichpunkt jeder etahischen Güterabwägung im Fall von Güterkonflikten, ist daher nicht graduierbar. Der Gedanke, dass es sich mit der Menschenwürde verhalte wie mit einem „Sparschwein“, in dem im Laufe der Zeit immer mehr dazukommt, ist ein nicht nur theologisch, sondern auch philosophisch unvollziehbarer Gedanke. Weiterhin leitet theologische Ethik die Hoffnung, dass das ethisch Richtige sich langfristig und aufs Ganze gesehen auch als das medizinisch Nützliche und sozial Verträgli-6- Zum Geleit che herausstellen wird, denn eine doppelte Wahrheit über den Menschen, eine empirische einerseits und eine philosophische und theologische andererseits, die einander widersprechen, kann es nicht geben. Ich teile die Aussagen des kirchlichen Lehramtes über die unteilbare Menschenwürde, die nicht graduierbar ist und auch über die grundsätzliche Zusammengehörigkeit von Fortpflanzung einerseits und personal tragfähiger Liebesbeziehung von Mann und Frau andererseits. Diese grundsätzliche Zusammengehörigkeit lässt aber im Detail durchaus einen gewissen Interpretationsspielraum zu, wenn etwa die Instruktion der Glaubenskongregation Donum Vitae, vom 22. Februar 1987 in Nummer 7 als ethisches Kriterium nennt, dass all jene medizinischen Hilfen, die den ehelichen Akt unterstützen, erlaubt sind und all jene abzulehnen, die ihn total ersetzen. Eine rein physikalistische Interpretation dieser Zusammengehörigkeit von Fortpflanzung und personaler Liebesbeziehung setzt viel zu eng an. Ein weiterer Aspekt, der viel mehr Ursachenforschung bedürfte, als sie derzeit betrieben wird, liegt in der Psychosomatik. Der Mensch ist eben keine Maschine, so wie Julien Offray La mettrie in seinem Buch „Der Mensch als Maschine“ im 18. Jahrhundert als Paradigma für die moderne Medizintechnik formuliert hat, in dem ihm ein nicht unbedeutender Trend der modernen Medizin gefolgt ist. Auch tiefenpsychologische Aspekte kommen mit ganz wenigen Ausnahmen im Zusammenhang mit der Reproduktionsmedizin kaum mehr zur Sprache, und scheinen wieder einmal der Verdrängung zu unterliegen. Ein ethisch begründetes Desiderat muss meines Erachtens auf umfassende Ursachenforschung für zunehmende Infertilität gerichtet sein und dieser Forschung eine andere Priorität einräumen, als diese sie derzeit hat. Worin liegen nun die Probleme der Fortpflanzungsmedizin? Sie bestehen in der Gefahr zur Instrumentalisierung von Menschen. Die neuen Techniken der Reproduktions-7- Zum Geleit medizin eröffnen einen direkten Zugriff auf den Beginn des individuellen Menschenlebens als Gegenstand der Forschung und Rohmaterial für die Pharmaindustrie, etwa zur Toxizitätsprüfung. Was früher im Schutzraum verborgener Intimität geschah, wird jetzt durch die neuen, mit großen finanziellen Interessen verbundenen Techniken, fremden Interessen verfügbar. Es ist nicht meine Kompetenz über die Risiken zu sprechen, die mit der hormonellen Hyperstimulation von Frauen zur Ozytenreifung zusammenhängen. Es gibt Erfahrungen aus den USA, wo Studentinnen ihr ganzes Studium mit dem Verkauf von Ozyten finanzieren. Die Trennung von Liebesbeziehung und Zeugung wird insbesondere im Falle einer heterologen Insemination zum ethischen Problem. Wer das Kindeswohl ernst nimmt und in den Vordergrund stellt, muss auch die Konsequenzen eines solchen Vorgehens, das zu einer gespaltenen Vaterschaft führt, vor dem Kind verantworten. Nicht ohne gute Gründe hält das Fortpflanzungsmedizingesetz in Österreich fest, dass das Kind beim Einsatz der Reproduktionsmedizin das Recht hat zu erfahren, wer sein biologischer Vater ist. Sicher mussten viele Kinder ohne Vater aufwachsen, auch ohne Reproduktionsmedizin. Dies wird vielfach erst in der Adoleszenz zu einer großen psychologischen Belastung. Was aber schicksalhaft geschieht, ist noch lange keine Rechtfertigung, solches gezielt und bewusst herbeizuführen. Bei der technischen Durchführung der IVF kommt es vielfach zu so genannten überzähligen Embryonen. Was tun mit diesen Embryonen, für die kein Fortpflanzungsprojekt mehr besteht? Endloses Konservieren ist wohl kaum möglich. Also bleiben drei Möglichkeiten: Entweder a) Freigabe der fertilisierten Embryonen zur pränatalen Adoption, wie dies in den USA, in Spanien, in Belgien und vielen anderen Ländern möglich ist, oder b) sterben lassen, oder c) als Rohstoff für Forschung und Pharmaindustrie verwenden. Alle diese Möglichkeiten sind in unterschiedlicher Weise ethisch problematisch. Gezieltes Sterben lassen bedeutet, einen Widerspruch gegen den Anspruch zu leben und sich zu entfalten. Die Verwendung von embryonalen Menschen als Rohstoff für Pharmaindustrie und Forschung be-8- Zum Geleit deutet hingegen einen Verstoß gegen die Menschenwürde als Grundlage ethischer und grundrechtlicher Prinzipien. In der Forschung zur regenerativen Medizin zeichnen sich längst Alternativen ab durch adulte Stammzellen, Stammzellen aus dem Nabelschnurblut, induzierte pluripotente Stammzellen oder in ganz neuen Forschungskonzepten, etwa der Nanomedizin Beim häufig vorgenommenen Transfer von mehreren Embryonen kommt es gehäuft zu unerwünschten Mehrlingsschwangerschaften. Nicht selten werden selektiv dann gesunde ungeborene Menschen getötet im sogenannten selektiven Fötozid. Mehrlingsschwangerschaften können darüber hinaus auch vermehrt zu Schädigungen führen. Ethisch problematisch ist als nächstes, die der Reproduktionsmedizin innewohnende Möglichkeit, eugenische Tendenzen in der Gesellschaft zu begünstigen, die sich in der Selektion von Embryonen zeigt. Ein solches Kind wird dann immer mehr als Produkt nach Qualitätskontrolle gesehen und Kinder, die dann unweigerlich einmal erfahren, dass sie aus einem solchen Selektionsprozess entstanden sind, müssen sich dann fragen, ob die Eltern eigentlich sie gewollt haben oder eben bestimmte genetische und andere Qualitätsmerkmale. Ist dies wünschenswert für die nächste Generation und wird bei solcher Vorgehensweise das Kindeswohl wirklich geachtet? + Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck Das Grußwort ist eine Kurzfassung von: Günter Virt, Ethische Aspekte der Reproduktionsmedizin (Vortrag bei der Jahrestagung der Görresgesellschaft in Salzburg Sept.2009) Weitere Literatur Themenheft: Unerfüllter Kinderwunsch, in: Diakonia 32 (2001) Eberhard Schockenhoff, Ethik des Lebens: Grundlagen und neue Herausforderungen, Herder 2009. -9- Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf Kinderwunsch und Seine Folgen Einstiegsthesen zur Podiumsdiskussion Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf, Universität Innsbruck, Institut für Erziehungswissenschaften 1. Rationalisierung der Mutterschaft Frauen sind heute in der westlichen Welt nicht mehr „in guter Hoffnung“ oder „erwarten ein Kind“, wenn sie schwanger sind. Sie sind aufgerufen, sich rational und planend zu ihrer generativen Potenz und ihrem ungeborenen wie geborenen Kind zu verhalten, da dem Stand des zeugungs- und selektionstechnischen Fortschritts entsprechend, „eine Produkthaftung“ für ihr Kind erwartet werden kann. Hoffnungs- und Erwartungshaltungen werden im Laufe des 20. Jahrhunderts durch den Fortschritt der Wissenschaften in Kontroll- und Planungshand­lungen transformiert, mit denen Frauen nunmehr ihre generative Potenz – von Sexualität über Zeugung, Schwangerschaft und Geburt bis zur frühen Mutter-Kind-Beziehung – rational gestalten und verwalten können und sollen. Kinder werden heute nicht mehr „erwartet“ als Neue und Fremde. Sie werden je nach Abweichungen von einer biologischen und sozialen Norm im Hinblick auf ihre Lebenschancen beurteilt. Die Neuen Biotechniken der Zeugung und Selektion greifen dazu im Rahmen von Schwangerenvorsorge (Mutter-KindPaß-Unter­suchung), Pränataler Diagnostik (PD), humangenetischer Beratung, durch künstliche Zeu­gung, durch Verhinderung der Zeugung, durch Selektion der Eltern und durch pränatal­diagnostische Selektion von Embryonen in den Prozess der generativen Reproduktion ein, um die Zeugung oder Geburt von Kindern mit „Gen-Defekten“ oder „Missbildungen“ zu verhindern. Künstliche Zeugung wird mittels Insemination oder In-Vitro-Fertilisation (IVF) durchgeführt. Die IVF ist Voraussetzung für den Einsatz der Präimplantationsdiagnostik (PID), bei der ein in-vitro erzeugter Embryo nur dann in die Gebärmutter einer biologischen oder Leihmutter eingesetzt wird, wenn die Gen-Checks negativ waren. Der Wunsch nach einem Kind war wohl immer auch der Wunsch nach einem gesunden Kind und möglicherweise auch nach einem Sohn oder einer Tochter. Der Unterschied zu historisch früheren Generationen von Eltern liegt darin, dass die wissenschaftlichen Innovationen im Bereich der Zeugungs- und Selektionstechniken der letzten dreißig Jahren dazu geführt haben, dass die Realisierung dieser Wünsche heute nicht nur versprochen und erwartet werden, sondern dass man sich an der medizin- und biotechnischen Machbarkeitsvorstellung orien­tiert. Mütterliche Praxis war/ist immer auch befasst mit der Vermittlung von Natur und Kultur im Subjekt, von der Zeugung über Schwangerschaft und Geburt bis hin zur Versorgung, Pflege und Erziehung der Kinder. Sie ist im Kern orientiert an der Erhaltung, dem Wachstum und der sozialen Akzeptanz - 10 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf des Kindes (vgl. Ruddick 1989: 33ff)1. Aus dieser Praxis erwächst eine spezifische Beziehung zur menschlichen Natur, auf deren Grundlage, angesichts der erfahrenen tatsächlichen und nicht nur konstruierten Verletzlichkeit und Endlichkeit menschlicher Existenz, einerseits eine Haltung des Bewahrens ausgebildete wird. Zumal jedes Kind aber auch eine „offene Gestalt“ ist, ein Mensch in Veränderung, dessen Handlungen nicht vorhersagbar sind, muss die „bewahrende Haltung“ andererseits auch durch eine, Verän­derungen begrüßende, Haltung erweitert werden. Eine Mutter, die im Interesse der Akzeptanz des Kindes handelt, steht zudem vor der Anforderung, das Leben des Kindes in einer Art und Weise zu bewahren und sein Wachstum und seine Veränderungen mit ihm in einer Weise zu gestalten, die sein Leben sozial akzeptabel machen. Mütterliche Praxis ist also stets auch das Bemühen, zwischen der Vitalität des Kindes, dem Interesse, sein Leben zu erhalten und sein Wachstum zu gestalten und den gesellschaftlichen Anforderungen an das Kind zu vermitteln. Die Neuen Zeugungs- und Selektionstechniken betreffen alle drei, dieser grundlegenden, Faktoren mütterlicher Praxis. Der Wunsch nach einem Kind ist mit dem medizinischen Versprechen konfrontiert, dass mit Hilfe medizinischer Technologie jenen Frauen ein Kind „gemacht werden“ kann, die nicht durch eine heterosexuelle Beziehung schwanger werden können oder wollen. Das Interesse an der Erhaltung des Lebens des Kindes und der Gestal­tung seines Wachstums, wie an der sozialen Akzeptanz des Kindes, wird vom medizinischen Versprechen, das Kind am Leben und gesund zu erhalten und dem eugenischen Versprechen begleitet, die Geburt „genetisch defekter“ Kinder zu verhindern. Reproduktionsmedizin und Eugenik etablierten im zwanzigsten Jahrhundert also eine wissenschaftliche Vernunft, die mütterliche Praxis dahingehend erweiterte, dass heute potentiell alle Frauen, auf Grundlage der, für die Auszahlung von Kindergeld in Österreich seit dem Jahr 2002 verpflichtenden, medizinischen Schwangerenvorsorge, damit konfrontiert sind, unter Berücksichtigung euge­nisch-medizinischer Kriterien, ihr „Kind im Bauch“ leben oder töten zu lassen. Dies ist Ausdruck eines neuen Status von Mutterschaft, aber auch von veränderten Generationen- und Geschlechterverhältnissen. Heute herrscht das Bild einer nach reproduktionsmedizinischer Vernunft handelnden Mutter als Norm. Der Wille zum Fortschritt in Gestalt von zeugungs- und selektionstechnischer Rationalität und dem dazugehörenden Konsum medizinischer 1 Ruddick Sarah: Mütterliches Denken. In: Bärbel Schön (Hrsg.): Emanzipation und Mutterschaft. Erfahrungen und Untersuchungen über Lebensentwürfe und mütterliche Praxis. Weinheim und München: Juventa 1989. 33–55. - 11 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf Dienstleistungen gilt als ent­scheidendes Kriterium für mütterliche „Normalität“. Im Rahmen des Einsatzes um gesell­schaftliche Anerkennung, den Mütter und Eltern für und mit ihren Kindern führen, wird mit Hilfe der neuen Zeugungs- und Selektionsmedizin die Leiblichkeit als Basisinvestition in spätere Verhaltensformen instrumentalisiert und als „organisches Kapital“ akkumuliert, ein neues „Sein“ als Grundlage von „Haben“ hergestellt. Kindern durch pränatal- (und zu­nehmend auch präimplantationstechnische) Selektion „optimale Startchancen“ zu ermög­ lichen ist damit Teil der Arbeit am Statuserhalt und Teil des Kampfes um gesellschaftliche Anerkennung und gegen soziale Ungerechtigkeiten geworden, den Mütter heute nicht mehr nur auf Grundlage der geschlechtlichen Arbeitsteilung, sondern auch auf der Ebene medizinischer Eingriffe in ihren eigenen Körper zu leisten haben. Die Vorstellung, dass Mütter heute ihre Mutterschaft auf Basis von „Entscheidungsfreiheit“ gestalten können erweist sich aber nicht nur im Hinblick auf das vorherrschende Bild einer „normalen Mutter“ sondern auch im Kontext der Verfasstheit spätkapitalistischer gesell­schaftlicher Verhältnisse als Illusion. In diesem Zusammenhang stellt z.B. Günther Anders die Vorstellung von „Entscheidungsfreiheit“ in einer durchkapitalisierten Welt grundsätzlich in Frage. Vor allem die Behauptung, man habe die Freiheit bestimmte Waren zu besitzen oder nicht, zu verwenden oder nicht, sei reine Illusion. „Durch freundliche Erwähnung der ´menschlichen Freiheit´ läßt sich das Faktum des Konsumzwanges nicht aus der Welt schaffen“ (1994, 2).2 Was Günther Anders hier in Bezug auf den sich durchsetzenden Waren­konsum feststellt, kann mutatis mutandis auch für den Konsum medizinischer Dienst­ leistungen im Bereich der Reproduktionsmedizin geltend gemacht werden. Für beide gilt, dass die eingesetzten Geräte und/oder Techniken „nicht ´Mittel´ sind, sondern ´Vorentschei­ dungen´: Diejenigen Entscheidungen, die über uns getroffen sind, bevor wir zum Zug kommen. Und, genau genommen sind sie nicht ´Vorentscheidungen´; sondern die Vorent­scheidung“ (ebd). Denn die Vorentscheidung darüber, welche Natur des Menschen unserer Gesellschaft heute noch zumutbar ist, ist mit der Entwicklung der Bio-Techniken der Zeugung und Selektion getroffen und in sie eingearbeitet. 2. „Fruchtbarkeitsgeschäfte“ und der Frauenkörper als Material und Ressource. Internationale Konkurrenz um „wissenschaftlichen Fortschritt“, den damit zusammenhän­genden Export von Zeugungs- und Selektionstechnologien und damit den Millionen-Euro- oder Dollar-Markt von kinderlosen Ehepaaren ist ein Motor der Fortschrittsgeschichte der IVF seit den 80er Jahren, der heute als Therapieangebot für unfruchtbare Paare wie homo­sexuelle Paare durchgeführt wird. Der ausschließliche Blick auf den Embryo, als zu schützender oder zu verwertender, als zu spendender oder 2 Anders Günther: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 2. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution. München (Beck) 1995/4. Auflg. - 12 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf zu prüfender, als Heilungschancen für Kranke und Behindernde bringender oder nicht, als lebens- und entwicklungsfähiger oder sterbender verstellt den Blick auf die Frau, deren körperlicher Einsatz noch immer auf dem Spiel steht. Wissenschaftliche Fortschrittsgeschichte und Fruchtbarkeitsgeschäfte abstrahieren in der medialen Öffentlichkeit von Frauen und ihrem Körper als Grundlage der biotechnischen Grundlagenforschung und ihres wissenschaftlichen Fortschrittes in der Medizin. Denn Ent­wicklung und Einsatz von Zeugungs- und Selektionstechniken zur Rationalisierung der gene­rativen Reproduktion, setzen bis heute fast ausnahmslos den wissenschaftlichen und medizinischen Zugriff auf den Körper von Frauen voraus, die noch immer „das Leben geben“. Dennoch ist von Frauen und ihrem Körper nicht mehr die Rede, und medizinische wie bioethische Debatten um Pränatal- und Präimplatationsdiagnostik, künstliche Zeugung oder Embryonenforschung, erwecken den Eindruck, dass die „Eier“, aus denen der embryonale Rohstoff gewonnen wird, oder die Föten, die pränatal diagnostiziert werden, vom Himmel auf den Labortisch der ForscherInnen fallen. Doch Eizellen für die in vitro erzeugten Embryonen sind nur über den Körper der Frau zu bekommen und damit bleibt die IVF Basistechnologie für alle weiteren Innovationen im Bereich von Fortpflanzungsmedizin und Humangenetik. Daher gilt es auch, das Eigeninter­esse der Frauen umfassend zu fördern, um ihre Bereitschaft zu heben, trotz anhaltender Misserfolgsraten der IVF, weiterhin mitzumachen. Denn wenn es auch vordergründig darum geht, einem Paar zu einem „eigenen Kind“ zu verhelfen muss die IVF hintergründig als Basistechnologie für andere Zwecke aufrechterhalten werden: Zum einen werden der Körper und die medizinische Vorgeschichten der Frauen von WissenschaftlerInnen als „living laboratories“ zu Forschungszwecken gebraucht3. Zum anderen wird er als Rohstofflieferant zur Behandlung männlicher Fruchtbarkeitsstörungen (ICSI), zur Eizell-Spende, zur Selektion angeblich gesunder Nachkommen mittels der hierzulande noch verbotenen Präimplantations­ diagnostik und zur Erzeugung von Embryonen zur Embryonenforschung genutzt. Und nicht zuletzt sind die unternehmerischen Interessen des „Fruchtbarkeitsgeschäftes“ mit zu berücksichtigen. Insgesamt aber produziert die Wissenschaft im Dienste ihres Fortschrittes, der irrtümlicher­weise mit dem gesellschaftlichen gleichgesetzt wird, einen „Körper ohne Frauen“ als Res­source für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung 3. Verletzende Reproduktionsmedizin Die In-Vitro-Fertilisation (IVF) hat seit ihrer Einführung eine anhaltend hohe Misserfolgsrate und auch gesundheitsschädigende Auswirkungen auf Mütter und 3 Rowland Robyn: Living Laboratories: Women and reproductive technologies. Pan Macmillan Publishers Australia: Sydney 1992. - 13 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf Kinder aufzuweisen. Je nach dem, wie man die Statistiken interpretiert4 findet man unterschiedlichste Angaben. In Deutschland wird die sog. „Baby Take Home Rate“ (BTHR) im Jahr 2002 mit 15% beziffert. Als Grund für die schlechte Erfolgsrate wird das „Embryonenschutzgesetz“ genannt, das eine Weiterkultivierung von mehr als drei Embryonen und eine Auswahl von Embryonen nach der Kernverschmelzung verbiete. Dennoch wurde die IVF mit viel Aufwand als Behandlungs­verfahren im öffentlichen Bewusstsein etabliert. In Österreich ist die statistische Erfassung nicht aussagekräftig, da derzeit nur gezählt wird, wie viele Schwangerschaften mittels medizinischer Hilfe erzeugt werden, aber nicht wie viele Kinder tatsächlich zur Welt gebracht werden und leben. Andere Länder, die ein liberaleres Embryonenschutzgesetzt haben (oder gar keines), hätten eine höhere Erfolgsrate aufzuweisen. Man geht heute global davon aus, dass – wenn Frauen mehrere (!) IVF-Versuche unternehmen und eine Auswahl der Embry­onen nach der Kernverschmelzung gemacht werden kann, bei ca. 35 bis 40% die IVF erfolg­reich verläuft. Kritische Stimmen mehren sich im Hinblick auf das Kindeswohl der durch IVF gezeugten Kinder. Erhebungen zeigen, dass hormonelle Stimulierung und IVF zu risikoreichen Mehr­lings- und Frühgeburten führt mit den damit meist zusammenhängenden sozialen und gesund­heitlichen Folgen für die Kinder. Bspw. hat eine Untersuchung der der Klinik Innsbruck gezeigt, dass 48,5% aller Geburten des Jahre 2000 bis 2009, bei denen die Kinder mittels künstlicher Zeugung entstanden sind, Mehrlingsgeburten waren. Es gibt zunehmend Stimmen, die das Wohlergehen von reproduktionsmedizinisch erzeugten Kindern in die sog. „Er­folgsrate“ mit einbeziehen wollen. Demgegenüber werden die negativen Folgen für Gesundheit und Wohlergehen von Frauen wissenschaftlich, medizinisch, bioethisch oder medial nicht verhandelt.5 So gibt es kaum Da­ten bzgl. der Probleme bei hormonellen Stimulationsbehandlungen und intrauterinen Insemi­nationen. Diese werden nicht erfasst. Auch Komplikationen aus den Eingriffen assistierter Reproduktionshilfe an privaten Instituten sind völlig unbekannt (vgl. Barbara Maier 2011). Im öffentlichen Bewusstsein ist die durch Zeugungstechniken verletzte Leiblichkeit von Frauen, und damit sind die zusammenhängenden körperlichen, psychischen wie geistige Aspekte gemeint, das durch diese Eingriffe verursachte Leid für die Betroffenen und die Rückwirkung dieser Techniken auf alle Frauen zum Verschwinden gebracht worden. Das führt dazu, dass in den medialen Verhandlungen zur Fortpflanzungsmedizin das Bild einer „Kinderwunschpatientin“ kolportiert wird, der zu einem Kind verholfen werden 4 IVF-Teams messen den Erfolg an unterschiedlichen Parametern, was eine klare Aussage unmöglich macht. Manche rechnen als Erfolg eine biochemisch herbeigeführte Schwangerschaft (Anstieg der HCG-Werte) mit ein andere die Spontanaborte, andere die „klinischen“ Schwangerschaften (wenn sich der Embryo mindestens fünf Wochen in der Gebärmutter eingenistet hat), wieder andere sogar die Totgeburten (Fehlgeburt nach der 20 SSW). 5 zum Informationsdefizit der Frauen: Riewenherm Sabine: Die Wunschgeneration. Basiswissen zur Fort­ pflanzungsmedizin. Berlin: Orlanda 2001: 63 ff - 14 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf muss. Damit wird jeder Zweifel an den reproduktionstechnologischen Verfahren zu einem Angriff gegen Frauen und deren Bedürfnisse umdefiniert. Und diese von Medizin und Medien kolportierten Bedürfnisse stehen – entgegen dem westlichen Trend zum Geburtenrückgang – wieder im Dienste gesellschaftlicher Normerfüllung, welche auf Seiten der Frauen vor allem die Frau als Mutter zum Inhalt hat. Die soziale Verletzung, die kinderlose Frauen erfahren – zumal Mutterwerden bis heute, unabhängig von individuellen Wünschen, als Normalitätskriterium der gesellschaftlichen Bewertung der Biographie von Frauen gilt – schafft die Akzeptanz für weitere Verletzungen, also auch der leiblichen Verletzung durch die Medizin. Im Rahmen einer medizinisch behandelten Fruchtbarkeitsstörung werden Frauen dahingehend verletzt, dass viele Behandlungen nicht erfolgreich sind in dem Sinne, tatsächliche ein Baby mit nach Hause nehmen zu können (z.B. in Dtl 85%, in Österreich gibt es keine BTHR-Statistik) und dass sie bei den Eingriffen während eines IVF Behandlungszyklus auf unter­schiedliche Weise verletzt werden können. Die meisten Frauen unterziehen sich mehrerer Behandlungszyklen, was das Risiko, krank daraus hervorzugehen, erhöht. Sollte die Behand­lung nicht fruchten und Frauen nicht schwanger werden, eine Fehlgeburt erleiden, kein Baby mit nach Hause nehmen oder physische und psychische Erkrankungen entwickeln, dann wird den Frauen durch die Medizin meist selbst die Schuld zugeteilt. Die IVF wird als „gute klinische Praxis“ verteidigt, die dem „Stand der Wissenschaften“ entspreche. Demgegenüber wird das menschliche Versagen der Frauen als Fehlerquelle vorgeführt. Auch die Aus­wirkungen von hormoncocktailstimulierten Schwangerschaften auf Anomalien bei Kindern werden den Frauen zugeschrieben. Zwei Aussagen mögen hier exemplarisch für diese Schuldverschiebung angeführt sein: ein französisches Forscherteam stellte fest, dass „die hohe Rate der Chromosomenanomalien (...) sich durch die Beschaffenheit dieser Gruppe von Fertilisationsversagerinnen6, das oftmals fortgeschrittene Alter der Mütter und den Einsatz von Superovulations-Therapien erklären“ lässt (zit. in Klein 1989: 227).7 Der Präsident der Australian Fertility Society erläuterte, dass Probleme zwar durch Labortechniken erzeugt werden könnten, „aber es sei ´mit höherer Wahrscheinlichkeit auf einen Faktor in den Frauen selbst ´zurückzuführen“. (zit. in Klein 1989: 228) Aus der Perspektive der naturwissenschaftlichen Medizin hat der „Faktor Frau“ einen ebenso krankmachenden Einfluss auf die Unfruchtbarkeit, wie er dies auf die Fruchtbarkeit hatte. Die „Krankheit Frau“ (Fischer-Homberger 1988/2)8 ist die „Präidee“, welche der Entwicklungs­geschichte der modernen Medizin im allgemeinen und der Gynäkologie, Geburts- und Zeugungs- und Selektionsmedizin im besonderen unterlegt ist. (Honegger 1991)9 Im An­schluss an diese Präidee wird menschliches 6 Hervorhebung durch Renate Klein 7 Klein Renate: Das Geschäft mit der Hoffnung. Erfahrungen mit der Fortpflanzungsmedizin. Frauen berichten. Berlin: Orlanda 1989 8 Fischer-Homberger Esther: Krankheit Frau. Zur Geschichte der Einbildungen. Hamburg: Luchterhand 1988/2 9 Honegger Claudia: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaft vom Menschen und das Weib. Frankfurt am - 15 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf Leben, so meine Hypothese, zunehmend als lebensgefährliche, durch Frauen sexuell übertragene Krankheit gedacht, die es erforderlich macht, die Fruchtbarkeit der Frauen zu rationalisieren und zu kontrollieren, um die Krankheit in den Griff zu bekommen und das Leben zu „verbessern“. 4. „Soziale Scham“ und „Beschämung“ von Frauen Die Schuldverschiebung von der „sauberen Technik“ auf die „kranke Frau“ entspringt und dient weiterhin diesen Machtverhältnissen. Frauen werden dazu aber nicht nur physisch, sondern auch psychisch pathologisiert. Im Anschluss an einen kritischen Brief an das IVF-Institut wegen der Fehldiagnose einer über vier Wochen andauernden Blutung wird gegenüber der IVF-Patientin Frau A. jede weitere Behandlung abgelehnt. „Man habe der Patientin ´dringend eine psychiatrische Behandlung angeraten´, hieß es in dem kurzen Behandlungs­bericht“. (Telus 2000: 24)10 Die Blutungen wurden von einem der behandelnden Ärzte als „ästhetisches Problem“ (ebd: 22) heruntergespielt, das er nicht genauer untersuchte. Tatsäch­lich wurde später eine Zyste am Eierstock und eine bakterielle Entzündung entdeckt. „Was ich erlebte“, so schließt Frau A. ihren Erfahrungsbericht, war „weder eine Vergewaltigung noch eine Geiselnahme, und doch wurde mir ein unermeßlicher Schmerz zugefügt. Film und Literatur liefern hierfür keine adäquaten Verarbeitungsmuster. ´Familienplanung ist heut­zutage ein Kinderspiel´ ertönt es weiterhin vom Fernseher, mit der ´stell dich nicht so an´ – Formel versuchen die Nächsten, das Vergangene ungeschehen zu machen. Eine betroffene Frau wird durch die Erfahrung zur Fremden – mit ihrem Bedürfnis nach Menschenwürde, aber auch mit der Angst um ihren Körper, der Angst, den Job zu verlieren, den Lebenspartner zu verlieren, zu verlieren allgemein, am Ende mit einem Nichts dazustehen und die Verantwortung für völlig unkontrollierbare, fremd- und anonym gesteuerte, hochspezialisierte fehlgelaufene Vorgänge in die eigene Biographie einarbeiten zu müssen.“ (ebd: 24) Indem es Frau A. möglich ist, die Wirklichkeit ihres Schmerzes nicht abzuspalten, gelingt ihr der Ausstieg aus diesem als „Sterilitätstherapie“ angebotenen und kassenfinanzierten „Mach­barkeitstraum“. Dieser Zugang zum „rechten Gebrauch des Schmerzes“ wird in der IVF-Behandlung aber dadurch kompliziert, dass Leid und Schmerz durch Mechanismen der Schuldzuweisung, Pathologisierung und Beschämung sowie durch Ritualisierung der Wunschverstärkung verdeckt werden. Die IVF funktioniere, so Sarah Franklin, wie ein Initia­tionsritus.11 Der Ritus repräsentiert einen Übergang von einem anerkannten sozialen Status zu einem anderen. Er ist für Mitglieder einer bestimmten Gruppe unausweichlich und verlangt von den Initianden bestimmte Leistungen. Auch Main/New York:Campus 1991 10 Telus Magda: Trauma statt Baby. in: Gen-ethischer Informationsdienst. GID Nr. 139 April/Mai 2000 11 Franklin, Sarah: „Du musst es versuchen“ und „Du musst dich entscheiden“. Was die IVF den Frauen sagt. In: In: Duden Barbara u. a. (Hrsg.): Auf den Spuren des Körpers in einer technogenen Welt. Opladen: Leske+Bu­drich 2002. 365-392. - 16 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf die IVF werde von Frauen, die ungewollt kinderlos sind, als „schon beschlossene Entscheidung“ erfahren. Allein die Tatsache, dass es das Angebot der künstlichen Zeugung gibt, wird von ihnen als unausweichliche Heraus­forderung beschrieben. Sie entscheiden sich trotz des Wissens um die höchst wahrscheinliche Erfolglosigkeit und Schädlichkeit der Eingriffe für eine IVF, um die Unsicherheit, welche die Unfruchtbarkeit produziert, zu lösen. Sie wollen sich im Initiationsritus der IVF bewähren und sind bereit, Hindernisse zu überwinden. Das Problem dabei ist, dass die IVF meist keinen Übergang ermöglicht, sondern einen neuen Zustand des Übergangs auf Dauer darstellt. Durch die medizinischen Eingriffe kommen die Patientinnen ihrem Ziel näher (Eientnahme, IVF, Implantation, chemische Schwangerschaft oder gar klinische Schwangerschaft), aber nur eine Minderheit kann tatsächlich den Statusübergang zu Mutter erreichen. Alle Eingriffe aber verstärken den Wunsch. Die Verzweiflung von Patientinnen, welche die Zeugungsmedizin als Legitimation ihrer Eingriffe bemüht, entsteht dann erst als Folge der erfolglosen Eingriffe. Da mit der IVF keine Behandlungstechnik, sondern eine Forschungs­technik eingesetzt wird, überträgt die Medizin die Struktur licher Forschung, in der unzählige Experimente, und die Mentalität wissenschaft­ jahrzehntelange Forschungsarbeit, Ent­schlossenheit, das Streben nach schwer fassbaren Zielen, die sorgfältige Balance zwischen der Hoffnung auf Erfolg und der Vorbereitung auf den Misserfolg selbstverständlich sind, auf die Patientinnen. Die Mentalität der ForscherInnen wird also auf Seiten der Patientinnen erzeugt und vorausgesetzt. Wie in der wissenschaftlichen Forschung kann auch auf Seiten der Patientinnen die Verfolgung des Ziels zum Selbstzweck werden. Am Ende haben die Patien­tinnen auf jeden Fall etwas geleistet, egal ob sie zu den wenigen gehören, die ein IVF-Baby zur Welt bringen, oder zu der Mehrheit gehören, die ohne Kind nach Hause gehen. Diese Demütigungen verhindern auf Seiten der Frauen den integrierenden Umgang mit Schmerz. Vielmehr versuchen sie, durch Übernahme des Apathie-Ideals wissenschaftlicher Rationalität, zumindest als vernünftig Handelnde in dieser Behandlung anerkannt zu bleiben. Es bedarf also eines guten Selbstwertgefühls, wenn Frauen ihre durch die Behandlung ausge­lösten Empfindungen und Gefühle nicht selbst pathologisieren, wie das Frau A. beschließt: “Daß ich es als unangenehm empfand, dass mein Körper wie ein Gegenstand herumgereicht wurde, war in meinen Augen natürlich – für eine Psychologin gab es hier kein Betätigungs­feld.“ (Telus 2000: 22) In empirischen Untersuchungen wird von betroffenen Frauen immer wieder auf die beschämenden und demütigenden Praktiken der Fertilitätsbehandlung hinge­wiesen, z.B. darauf, wie ein Versuchskaninchen oder eine Eierfabrik oder wie ein Tier das der Zucht dient behandelt oder wie ein Gegenstand herumgereicht zu werden. Aber auch die eigene Einwilligung – das alles mit sich machen zu lassen, wird als beschämend erfahren. Wie ist diese Scham zu bewerten? Scham „entsteht aus dem Geflecht sozialer Beziehungen heraus und dem geringen Maß - 17 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf an Anerkennung, das man in diesem erfährt. Im Schamgefühl vergegenwärtigt sich eine Person, in einer Verfassung zu sein, die sie selbst als defizitär, als mangelhaft und auch als ent­würdigend empfindet. Darin ist Scham normativ: sie setzt ein Idealbild des eigenen Selbst voraus, gegen das die Person dann beschämend abfallen kann.“ (Neckel 1991:16)12 Beschä­mung dient also der Machtausübung, die Ungleichheit produziert, und Scham ist die Wahr­nehmung dieser Ungleichheit. Diese Scham der Frauen ist also im Sinne einer „Sozialen Scham“ zu werten, mit der „die negative emotionale Selbstbewertung, die einem Subjekt durch die Verletzung kultureller Standards auferlegt wird“, begrifflich fassbar wird. (Neckel 1991: 19) Diese „soziale Scham“ ist im vorliegenden Fall eine doppelte, die in zweifacher Verletzung kultureller Standards besteht, nämlich darin, „unfruchtbar“ zu sein und „das alles mit sich machen zu lassen“. 5. Status der Frauen als Ausgangspunkt der Beurteilung von Zeugungs- und Selektionstechniken Weshalb wird im Kontext der sog. „Kinderwunschbehandlung“ nicht auch die Frage diskutiert, ob Frauen generell diese Zeugungstechnik weiterhin zugemutet werden dürfen, warum es kein Recht der Frauen generell geben soll, nicht medizinischen Experimenten ausgesetzt zu werden und nicht als Mittel zum Zweck der Gesundheit und des Wohlbefindens anderer betrachtet und benutzt zu werden, warum der Status der Frauen nicht längst ethischer Aus­gangspunkt der Beurteilung aller Zeugungs- und Selektionstechniken ist, zumal alle Innova­tionen in diesem Bereich den Zugriff auf den Körper der Frauen voraussetzen. Von den WissenschaftlerInnen und IVF-MedizinerInnen wird, zur Rechtfertigung ihrer medizintechnischen Eingriffe stets auf die Selbstbestimmungsfähigkeit der Frau verwiesen. Aber Kinderlosigkeit ist keine Krankheit. Damit gilt es, medizintechnische Eingriffe in Frage zu stellen, welche für Betroffene, die nicht an einer Krankheit leiden und behandelt werden müssen, gesundheitsschädigende Folgewirkungen zeitigen und nur für eine Minderheit den gewünschten Erfolg bringen. Das Strafrecht beurteilt z. B. einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit auch bei Einwilligung der Betroffenen als Körperverletzung, wenn dieser gegen die guten Sitten verstößt. Damit macht das Recht deutlich, dass Selbstbestimmung zwar eine notwendige Rechtfertigung darstellt, aber keine hinreichende. Auch im Falle der IVF ist der Schaden für die Mehrheit größer als der Erfolg für eine Minderheit, was die Frage, inwiefern diese Praxis gegen die guten Sitten verstößt zulässt. Vor dem Hintergrund der eben auch traumatisierenden, gesundheitsschädigenden, zenden und beschämenden Erfahrungen von – immer noch der Mehrheit schmer­ 12 Neckel Sighard: Status und Scham. zur symbolischen Reproduktion sozialer Ungleichheit. Frankfurt am Main, New York: Campus 1991 - 18 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf der Betroffenen der sog. „Kinderwunschpatientinnen“ – ist zu fragen, inwiefern die Zeugungstechnologien Frauen zu Kompromissen zwingt, die ihre Ingegrität unterminiert und sie erniedrigt. Erniedrigung ist, so Margalit Avishai in seinem Buch ´Politik der Würde. Über Achtung und Verachtung´, die „häufigste Form von Verletzung, der Anfang aller Unmenschlichkeit“ (Avishai 1999: 8)13. Zeugungstechniken wie die IVF, verletzen als gesellschaftliche Institution die Selbstachtung aller Frauen – nicht nur jene der von IVF-Behandlungen Betroffenen. „Und eine Gesellschaft ist demütigend, wenn sie integere Menschen (...) zu abscheulichen Kompromissen zwingt“ (69). Eine Gesellschaft, welche eine solche Institution einrichtet, bringt Frauen keine Achtung entgegen, sondern verletzt ihre Menschenwürde (63) und fordert sie mit dieser Institution zur Preisgabe ihrer Integrität heraus (69). Die Preisgabe der Integrität, zerstört die Selbstachtung, jene Haltung also „die Menschen ihrem eigenen Menschsein gegenüber einnehmen“ und von der die Würde gleichsam den äußeren Aspekt verkörpert. (72) Denn auch dann, wenn Frauen in die Versprechen der Reproduktionsmedizin eigentätig verstrickt werden und sind, legiti­miert dies nicht die gesellschaftliche Akzeptanz einer medizinischen Dienstleistung, die bis heute weder dem Grundsatz „wer heilt hat recht“ genügt, noch notwendig ist, da Kinder­losigkeit eben keine Krankheit ist. Kinderlosigkeit ist keine Krankheit, und der Kinderwunsch ist nicht pathologisch. Aber die Mittel, die beides zu einer Krankheit machen um sie dann behandeln zu können, sind hinsichtlich ihrer Folgen für Frauen insgesamt und für die Gesellschaft zu beurteilen. In diesem Zusammenhang ist auch die „Situation und Würde der Frauen“ zu beden­ken, welche durch die aktuelle Praxis der Leihmutterschaft in den sog. Ländern der „Dritten Welt“ verletzt wird. Sie „verleihen“ für wenig Geld für die Dauer einer Schwangerschaft ihre Gebärmutter, ihren Körper, ihr Leben für MedizinkonsumentInnen aus reichen Ländern (vgl. dazu den Artikel von Arlie Russel Hochschild „Child Bird at the global crossroads“ aus 200914 und der Film „google baby“ von Zippi Brand Frank, 2009). Hinsichtlich rassistischer Implikationen zeigt in diesem Zusammenhang ein internationaler Vergleich von Verhütungs- und Zeugungstechniken aber zugleich auch, dass den Frauen und Kindern der verschiedenen „races“ völlig unterschiedliche Werte beigemessen werden (vgl. Roberts 2002).15 „Women of colour“ werden weltweit durch die westliche Medizin mehrheitlich nicht nur für die Erforschung von Verhütungsmethoden benutzt, sondern zur Verhütung gedrängt, sofern sie in den Genuss bestimmter finanzieller Leistungen von Ent­wicklungshilfeprogrammen kommen wollen. Mehr als 15 Millionen Frauen leben in den so genannten Entwicklungsländern mit hormonalen Langzeitverhütungsmitteln (Norplant Im­ plantate), die für drei bis fünf Monate sterilisierend wirken (vgl. Bock von Wülfingen 2001:7) und erhebliche 13 Avisha,i Margalit: Politik der Würde. Über Achtung und Verachtung. Frankfurt/Main: Fischer 1999. 14 Hochschild, Arlie: Childbirth at the Global Crossroads. Women in the developing world who are paid to bear other people’s children test the emotional limits of the international service economy. September 19, 2009 (verfügbar unter: http://prospect.org/article/childbirth-global-crossroads-0) 15 Roberts Dorothy E.: Killing the Black Body. Race, Reproduction, and the Meaning of Liberty. New York 1997. - 19 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf gesundheitsschädigende Folgewirkungen haben (ebd.: 127ff)16. Anders als aus europäischer Sicht nahe liegend, ist weltweit nicht die Pille, sondern die Sterilisation die am häufigsten angewandte Methode der Verhütung. Über 100 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter weltweit – und überwiegend in den so genannten Entwicklungsländern – sind sterilisiert (WHO 1992: 1). Im Gegensatz dazu ist der Wert biotechnisch gezeugter Kinder sehr hoch, denn die westlichen Gesellschaften scheuen keine Kosten, Anstrengungen und technologische Innovationen, um wenigen, meist weißen Paaren aus der Mittelklasse zu Kindern zu ver­helfen. Unmissverständliche Botschaft dieser Praxis ist, dass weiße Kinder wertvoll genug sind, um Millionen von Euro oder Dollars für sie auszugeben, „children of colour“ aber vor­wiegend nur als Objekte von Maßnahmen der Geburtenkontrolle und der Reformen der Entwicklungshilfe oder des Wohlfahrtswesens in den Blick geraten. 16 Bock von Wülfingen, Bettina: Verhüten – überflüssig. Medizin und Fortpflanzungskontrolle am Beispiel Nor­plant. Mössingen-Talheim: Talheimer Verlag 2001. - 20 - Ao. Univ.-Prof. Dr.in Maria A. Wolf - 21 - Referat Univ. Prof. Dr. L. Wildt Kinderwunsch und seine Folgen Aus der Sicht der Reproduktionsmedizin Univ. Prof. Dr. L. Wildt Direktor der Univ. Klinik für gyn. Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Der Wunsch nach Nachkommenschaft gehört zu den elementaren menschlichen Bedürfnissen, dessen Nichterfüllung für ein Paar mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden sein kann. In den Industrieländern sind 15 % aller Paare von Störungen der Fortpflanzung (ungewollte Kinderlosigkeit) betroffen. Die Ursachen dieser Störungen sind vielfältig und bedürfen in jedem Fall einer genauen Abklärung. Die Ursachen liegen zu etwa einem Drittel beim Mann (schlechte Spermienqualität), zu einem Drittel bei der Frau und zu einem Drittel bei beiden Partnern. Die moderne Reproduktionsmedizin stellt zahlreiche Verfahren zur Verfügung mit denen der unerfüllte Kinderwunsch erfolgreich behandelt werden kann. Diese erstrecken sich von der Normalisierung des Zyklus durch Hormonbehandlung mit anschließender Bestimmung des „fertilen Zeitfensters“ für das Eintreten einer Schwangerschaft bis hin zur assistierten Fortpflanzung (in vitro Fertilisation) und ähnlicher Verfahren. All diese Verfahren stellen eine Heilbehandlung dar, in der gestörte Körperfunktionen wieder hergestellt werden und entsprechen damit den uralten Standards der Medizin. Der verantwortungsvolle Umgang mit diesen Techniken erfordert einen breiten ethischen und gesellschaftlichen Konsens unter Berücksichtigung der freien Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Paare. - 22 - Referat Univ. Prof. Dr. L. Wildt Podiumsdiskussion im Haus der Begegnung Kinderwunsch und seine Folgen Ludwig Wildt Universitätsklinik für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Medizinische Universität Innsbruck Innsbruck Juni 2012 Sterilität in der Bibel „ Seid fruchtbar und mehret euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, ... “ Genesis 1: 28 - 23 - Referat Univ. Prof. Dr. L. Wildt Sterilitätstherapie in der Bibel Sara, Abrahams Frau, hatte ihm keine Kinder geboren. Sie hatte aber eine ägyptische Magd namens Hagar. Sara sagte zu Abraham: „Der Herr hat mir Kinder versagt. Geh zu meiner Magd! Vielleicht bekomme ich durch sie einen Sohn“. Genesis 16: 1-2 Gemälde Matteus Stom (1640) Unerfüllter Kinderwunsch Definition : Die Partnerschaft gilt als steril, wenn trotz bestehendem Kinderwunsch und regelmäßigem, ungeschütztem Verkehr innerhalb von einem Jahr keine Schwangerschaft eintritt. - 24 - Referat Univ. Prof. Dr. L. Wildt Häufigkeit verschiedener Erkrankungen Zahl der Erkrankten x 10 6 In Österreich werden pro Jahr ca 20 000 Paare wegen unerfülltem Kinderwunsch behandelt (ca8 6000 durch künstliche Befruchtung). 0 Colitis Funktionsstörungen des Eierstocks PCOS Hypertonie Schilddrüsenstörungen KHK Sterilität 2 Rheuma Diabetes Etwa 6 5000 Kinder werden nach Behandlung pro Jahr geboren (davon ca 1000 nach künstlicher Befruchtung) 4 Endometriose Sterilität eingeschränkte Spermienqualität Verschluss der Eileiter - 25 - Referat Univ. Prof. Dr. L. Wildt Sterilitätsbehandlung • Wenn möglich, Behebung der Ursache und Anstreben einer Schwangerschaft auf normalem Weg • Bei schlechter Spermienqualität Insemination • Bei nicht behebbarer Ursache Assistierte Fortpflanzung (IVF, ICSI) Unerfüllter Kinderwunsch - Statements • Der Wunsch nach Nachkommenschaft gehört zu den elementaren menschlichen Bedürfnissen • Unerfüllter Kinderwunsch hat Krankheitswert und geht mit einem erheblichen Leidensdruck für das betroffene Paar einher • Die moderne Medizin stellt wirksame Verfahren zur Verfügung, diesen Zustand zu heilen • Der verantwortungsvolle Umgang mit den Methoden der Behandlung des unerfüllten Kinderwunsches stellt eine Herausforderung für alle beteiligten gesellschaftlichen Gruppen dar - 26 - Referat Dr.in theol. Angelika Walser - 27 - Referat Dr.in theol. Angelika Walser Kinderwunsch und seine Folgen Aus theologischer Sicht Dr.in theol. Angelika Walser, Universität Wien Ich möchte am Anfang meines Beitrags feststellen, was ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit ist, nämlich den eigenen subjektiven Standort zum Thema zumindest präsent zu haben. Ich war selbst sehr lange Zeit, fast 6 Jahre lang, gemeinsam mit meinem Mann ein Fall von „unerfülltem Kinderwunsch“. Wir haben uns dann nach langem Ringen und auf meinen Wunsch hin gegen IVF und für das Warten auf eine Inlandsadoption entschieden. 2, 5 Jahre später wurde ich schwanger, so dass ich heute eine Adoptivtochter und eine leibliche Tochter habe. Warum ich mich gegen IVF entschieden habe, liegt an einigen Gründen, die wir in Maria Wolfs Thesen gehört haben: Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen, die medial lange Zeit von begeisterten Berichten über „Babymacher“ etc. bombardiert wurden (hier hat sich der Ton meiner Wahrnehmung nach in jüngster Zeit etwas geändert), waren mir durch meine wissenschaftliche Beschäftigung die Fakten rund um IV bekannt. Ich hatte Sarah Franklins Publikationen über den Initiationsritus IVF gelesen und war nicht gewillt, mich ihm zu unterziehen. Mir war das physische und psychische Risiko zu hoch und die Aussicht auf Erfolg - gerade einmal 15 Prozent, ab 35 Jahren individuell stark abnehmend - zu gering. Mein Besuch von öffentlichen Diskussionen mit Leitern reproduktionsmedizinischer Fachkliniken konnten mein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem mantraartig vorgebrachten Credo, „alles für die Selbstbestimmung von Frauen“ tun zu wollen, nicht entkräften, im Gegenteil: Wenn männliche Experten einer hochangesehenen Berufsgruppe immerfort von ihrem „Dienst an der Frau“ sprechen, werde ich generell misstrauisch. Das Argument von der Autonomie lässt sich in diesen Zeiten, in denen jeder und jede selbstbestimmt sein möchte, trefflich verkaufen. insofern ist es legitim, dass man, wie Maria Wolf und viele andere Feministinnen es tun, die Rede von der Entscheidungsfreiheit unter einen feministischen Generalverdacht stellt. Auf der anderen Seite traf ich bei Abklärung der Ursachen meines unerfüllten Kinderwunsches auf viele Frauen, die sich einer IVF-Behandlung oder mehreren Behandlungen unterzogen. Ich habe bei meinen Spitalsaufenthalten sehr viel Leid gesehen, unerfüllte Hoffnungen, physische und psychische Schmerzen, Partnerschaftsprobleme, berufliche Probleme, Selbsthass gegen einen Körper, der trotz aller Technik nicht dazu gebracht werden konnte, endlich das ersehnte Kind hervorzubringen. Ein unerfüllter Kinderwunsch per se ist natürlich keine Krankheit, aber ich denke doch, dass er das eigene Wohlergehen in einem Maße beeinträchtigt, die nicht einfach als „pathologischer Kinderwunsch“ und dergleichen abgetan - 28 - Referat Dr.in theol. Angelika Walser werden sollte. In der amerikanischen Literatur, die ich für meine Habilitation zum Thema „Autonomie von Frauen in bioethischen Konfliktfeldern - eine Anfrage an die theologische Ethik“ gelesen habe, berichten Patientinnen von der Erfahrung des unerfüllten Kinderwunsches als einer Erfahrung des Todes. „Etwas ist nicht, was eigentlich sein sollte“ - so könnte man die Erfahrung auf den Punkt bringen. Die Erfahrung einer tiefen Leere ist ein Schmerz, der zunächst einmal anzuerkennen ist und der nach gesellschaftlicher Solidarität verlangt - möglicherweise auch im Sinne einer zumindest beschränkten finanziellen Unterstützung von Paaren, welche die Prozedur einer IVF auf sich nehmen wollen, sofern eine reiche Gesellschaft sich das leisten kann und will. Ich glaube nicht, dass es damit getan ist, hier - wie es manchmal gerade in feministischen Abhandlungen getan wird - auf traditionelle Rollenbilder hinzuweisen, die Ursache dieses Schmerzes wären. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass aus Sicht zumindest mancher feministischen Denkschulen die Ablehnung von IVF ein absolutes Muss ist: Allein der Gedanke, IVF oder Pränataldiagnostik oder PID möglicherweise anzuwenden, ist hier Ausdruck fehlenden feministischen Bewusstseins und Ausdruck einer unreflektierten Übernahme gesellschaftlicher und ökonomischer Zwänge. Sind die vielen Frauen, welche die Angebote der Biotechnologie nutzen und sie einfordern - und laut empirischen Umfragen tun sie das durchaus - allesamt unwissend und naiv, so dass wir Feministinnen sie belehren, warnen und vor männlichen Technokraten beschützen müssten? Ich möchte vor einem latenten Hang zum Viktimisierungsdiskurs in der feministischen Bioethik warnen. Er trägt m.E. mit seiner indirekten Darstellung von Frauen als ahnungslosen und naiven Opfern der Biomedizin zu etwas bei, was eigentlich nicht Ziel feministischen Denkens sein kann: Frauen werden hier - wenn auch zum guten Zweck der Aufklärung und des Alarmierens - als hilflose Opfer einer Zwangssituation dargestellt: Zum einen wäre hier sehr kritisch anzumerken, dass die Darstellung einer solchen Situation performative Wirkung haben kann, d.h. hier werden Verhältnisse einbetoniert, die u.U. verändert werden könnten. Ich möchte daher gegen diese Tendenz daran festhalten, dass Frauen auch in Zeiten des sicherlich vorhandenen Konsumzwangs und der durch Technologien geschaffenen Vorentscheidungen, von denen Sie - Frau Wolf - richtig gesprochen haben, moralische Subjekte bleiben. Frauen sind und bleiben nach wie vor moralische - 29 - Referat Dr.in theol. Angelika Walser Subjekte ihrer Handlungen. Wir werden es daher respektieren müssen, dass sie sich gegen oder für IVF entscheiden. Sprechen wir ihnen die mit ihrem moralischen Subjekt-Sein verbundene Autonomie einfach ab und erklären Voraussetzungen wie Entscheidungsfreiheit zur völligen Illusion, sind wir sehr schnell dabei, Frauen generell die Fähigkeit abzusprechen, „eine autonome Person zu sein, d.h. autonom die Art und Form des Lebens, welches man führen will, zu bestimmen, sofern dies mit der gleichen Freiheit von anderen verträglich ist.“ Frauen aber ihr autonomes Subjekt-Sein abzusprechen, kann nicht im Sinne einer sich politisch verstehenden feministischen Ethik sein. Bringen die Technologien, allen voran die IVF, hier aber nicht doch eine Art Zwangssituation hervor, bei der „Frauen nur noch wollen, was sie sollen“ und dieses Sollen so internalisiert haben, dass sie gar nicht mehr bemerken, dass sie hier ihrer Freiheit beraubt worden sind? Ich fand an dieser Stelle immer Onora O‘Neills Unterscheidung der echten und unechten Zustimmung hilfreich:1 Nach O‘Neill muss die echte Zustimmung einer Person die Möglichkeit beinhalten, einen Vorschlag wirklich anzunehmen oder abzulehnen. Es geht also weniger um die Zustimmung selbst als um die Voraussetzungen, unter denen sie zustande gekommen ist. Wurden Gewalt, Druck oder Täuschung angewandt, ist die Zustimmung nicht echt. Dann liegt eine echte Viktimisierungssituation vor. Im Falle der vielen Frauen und Paare, die sich hierzulande und in Westeuropa einer IVF unterziehen, von Gewalt, Druck oder Täuschung durch Reproduktionsmediziner oder Pränataldiagnostiker zu sprechen, erscheint mir sehr gewagt - vorausgesetzt, dass kinderlose Paare vor einer IVF-Behandlung umfassend aufgeklärt und beraten worden sind. Allein die Tatsache, dass bestimmte gesellschaftliche Erwartungshaltungen an Paare mit unerfülltem Kinderwunsch existieren - nämlich sich der IVF, der PN und der PID zu bedienen - erscheint mir noch nicht als Indiz für eine echte Viktimisierungssituation, in der Frauen und Paare nicht mehr anders können als sich für diese Technologien zu entscheiden. Anders ist die Situation in Ländern Südamerikas bzw. in osteuropäischen Ländern, in denen Frauen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und aufgrund ihrer ökonomischen Abhängigkeit z.B. zur Eizellspende oder auch als Leihmutter tatsächlich zu Opfern werden. Ich würde als sehr stark differenzieren, damit Opfer wirklich als Opfer benannt werden können und nicht unter der Hand alle Frauen zu „Opfern“ der Biomedizin werden. Autonomie im Kontext von Reproduktion genauer zu definieren, ist ein schwieriger Terminus, denn es ist sehr klar, dass reproduktive Selbstbestimmung weder ausschließlich in der absoluten Freiheit von Zwängen aller Art noch ausschließlich in Wahlfreiheit besteht. Beides greift zu kurz: Eine absolute Freiheit wäre Utopie. Und die Rede von der Wahlfreiheit ist zwar eine notwendige, aber nicht hinreichende Vorbedingung zur Bestimmung von Autonomie. Ich möchte Autonomie im reproduktiven Bereich daher lieber als eine Art Liste 1 Onora O‘Neill: Einverständnis und Verletzbarkeit: Eine Neubewertung von Kants Begriff der Achtung für Personen. in: Herta Nagl-Docekal und Herlinde Pauer-Studer, Jenseits der Geschlechtermoral, 335-367, hier: 344. - 30 - Referat Dr.in theol. Angelika Walser persönlicher und moralischer Grundfähigkeiten/Kompetenzen oder - in der Sprache meiner Disziplin - als eine Art Tugend begreifen, die zumindest ansatzweise bei jeder Frau vorhanden, aber auch stets gefährdet und entwicklungs- bzw. unterstützungsbedürftig ist. Ausgangspunkt ist hier für mich nicht die Rede von den Zwangsverhältnissen in Gesellschaft und Medizin, welcher die Rede von der Entscheidungsfreiheit von nur noch als Illusion erscheinen lässt, sondern die Rede von einer relationalen Autonomie - einer personal gedachten Selbstbestimmung also, die in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist und sich in diesem Kontext immer wieder neu bewähren muss. Viel geeigneter als die Verteufelung der Reproduktionsmedizin und der Behauptung, sie verstoße gegen die Würde und die Selbstachtung von Frauen, fände ich daher, ein Autonomieverständnis zu entwickeln, welches die individuelle persönliche Autonomie-Kompetenz von Frauen stärkt. Auf der einen Seite müssen also- wie es dem Konzept einer relationalen Autonomie entspricht - die Rahmenbedingungen in Medizin und Recht auf den Prüfstand gestellt werden: Wie ist es um Beratung vor einer IVF bestellt? Ist gewährleistet und wird auch nachgefragt, ob Frauen und ihre Partner wieder von der Behandlung Abstand nehmen wollen? Wie ist die Kommunikationskompetenz auf Seiten der Mediziner? Was ist die Rolle der Medien bei der Vermittlung von Aufklärung? Auf der anderen Seite sind aber auch Frauen selbst ganz individuell in die Pflicht gerufen, ihren Kinderwunsch zu reflektieren, sich mit anderen auszutauschen, sich umfassend informieren zu lassen und sich selbst letztlich als Urheberin der eigenen Entscheidungen und Handlungen zu verstehen und diese auch zu verantworten. Eine Vielzahl von Kompetenzen ist hier gefragt: Reflexionskompetenz, die eigenen Wünsche kritisch zu überdenken; imaginative Kompetenz, sich Alternativen zu gängigen „Lösungen“ vorstellen zu können; kommunikative Kompetenzen; moralische Kompetenzen; spirituelle Kompetenzen. Die christlichen Kirchen als Gemeinschaften, die sich dem Leben in besonderer Weise verpflichtet fühlen, könnten hier einen Raum bieten, um sich bezüglich der Entwicklung des werdenden Menschenlebens und der ethisch problematischen Folgen der IVF bzw. der Kryokonservierung von Embryonen, Eizellspende und Leihmutterschaft zu informieren; sie könnten ein jahrtausendealtes Wissen um die Würde des Menschen in seiner geschöpflichen Abhängigkeit und in seiner Angewiesenheit und Denkräume spiritueller Art für alternative Möglichkeiten anbieten, mit dem Schmerz der Kinderlosigkeit umzugehen; erste Ansätze in einem sensiblen pastoralen Umgang mit kinderlosen Paaren gibt es, aber sie scheinen mir sehr „ausbaufähig“ zu sein. Christliche Gemeinschaften aller Konfessionen können hier viele Angebote machen - allerdings nicht in Form von moralischen Verboten und Vorschriften, sondern im Sinne einer Stärkung des Selbstvertrauens von Frauen, das mit ihrer Kompetenz zur Eigenverantwortlichkeit rechnet. - 31 - Referat Ao. Univ.-Prof. Dr.in Astrid Lampe Kinderwunsch und seine Folgen In-Vitro-Fertilisation und Psychologie Ao. Univ.-Prof. Dr.in Astrid Lampe; Universitätsklinik für Medizinische Psychologie, Innsbruck Die In-Vitro-Fertilisation (IVF) bietet für viele Paare die Möglichkeit, ein gesundes Kind zu bekommen. Der Prozess der unterstützten Reproduktion verhilft gesunden Paaren – in oft kurzer Zeit zu ihrem erwünschten Ziel zu kommen. Dennoch kann der Prozess für manche Paare Krisen beinhalten, wie die klinische Erfahrung zeigt. Studien belegen, dass Frauen im Rahmen von IVF-Behandlungen krankheitswertige psychische Auffälligkeiten wie Depressionen und Ängste und Anpassungsstörungen entwickeln können. Während der IVF zeigen sie höhere Depressionswerte und erhöhte Reizbarkeit im Vergleich zu Frauen mit Kinderwunsch, die durch keine IVF Behandlung gehen. Infertilität wird als Makel erlebt. Prof. Maria Wolf hat in ihren Ausführungen die Beschämung der Frauen sehr deutlich gemacht. Frauen, die keine „eigenen“ Kinder bekommen können, fühlen sich insuffizient und defizitär. Auch bei Frauen, die große Reflexionsmöglichkeiten haben (und Selbsterfahrungen), bleibt dieses Gefühl – bei Kinderlosigkeit zu versagen – erhalten. Prof. Wolf hat es benannt: Infertilität wird in unserer Gesellschaft als Krankheit wahrgenommen und muss auch behandelt werden. Gleichzeitig erlebe ich in meiner beruflichen Praxis das, was Maria Wolf in ihren Ausführungen die doppelte Scham nennt: Eine IVF-Behandlung in Anspruch zu nehmen, ist ebenfalls mit Tabu und Scham belegt. Die meisten Frauen sprechen nicht über eine IVF Behandlung; eher noch wird von der aktuellen oder überstandenen Krebserkrankung erzählt als von der geplanten künstlichen Befruchtung. Die Frauen werden nicht nur aufgrund ihrer Infertilität isoliert, sondern auch aufgrund der Tatsache, IVF in Anspruch zu nehmen. Die betroffene Frau bleibt mit ihrem Erleben im nahen sozialen Umfeld allein: Zahlreiche anonyme Internetforen, in denen sich Frauen über ihre Behandlung austauschen, zeugen davon. Damit bleiben Frauen auch mit ihren Ambivalenzen in Bezug auf die geplante Schwangerschaft und Familienplanung allein: Ambivalenzen, die eine Babypause mit allen beruflichen Konsequenzen impliziert, Ambivalenzen bezüglich der Veränderung der Beziehung. Die mögliche Ambivalenz bezüglich einer Schwangerschaft wird entweder verleugnet oder löst massive Ängste aus, die nicht besprochen werden können. Dies führt zu starken Verunsicherungen bezüglich eigener Gefühle und der Eindeutigkeit im Handeln. Das so erkämpfte Wunschkind muss ein Wunschkind und vor allem eine Wunschschwangerschaft bleiben. - 32 - Referat Ao. Univ.-Prof. Dr.in Astrid Lampe Nachdem in Österreich keine Präimplantationsdiagnostik erlaubt ist, jedoch ein Fetozid nach Beschluss der Ethikkommission oder eine Reduzierung bei Mehrlingsschwangerschaft, muss sich die Einzelne in diesem Feld zurechtfinden und diesbezügliche Fragen lösen: „Darf ich Ängste haben bezüglich einer Behinderung?“ „Was mach ich, wenn?“ „ Wie halte ich eine Reduktion aus? Soll ich doch drei oder mehr Embryonen transferieren lassen, es würde unsere Chancen erhöhen?“ Wo bleiben die Väter? Alle Paare, die sich in den Prozess der IVF einlassen, schildern mitunter ausgeprägte Beziehungskrisen. Dadurch, dass Frauen den körperlichen Eingriff erfahren, setzen sie sich sowohl gedanklich als auch emotional stärker mit dem Prozess auseinander: Oft sind sie reflexiver, erleben sie die Enttäuschungen nach missglückten Versuchen heftiger, erleben deutlicher den Verlust, registrieren auch oft früher das Scheitern. Viele Partner kommen emotional mit den Prozessen ihrer Partnerinnen nicht mit. Sie fühlen sich hilflos in die Passivität gedrängt, sie können nichts tun, „ nur stumm zuschauen“, wie ihre Partnerinnen unter den Behandlungen und Eingriffen leiden. Aus Hilflosigkeit, Ohnmacht, manchmal auch wegen Schuldgefühlen ziehen sie sich zurück. Frauen fühlen sich dann von ihren Partnern unverstanden und allein gelassen; hinzu kommt die nicht nur körperliche, sondern auch psychische Belastung durch die hormonelle Stimulation. Zwischen dem Paar entsteht ein sprachloses Vakuum. Der handelnde Partner ist der Arzt/die Ärztin, Patientin und Arzt/Ärztin sind das handelnde Paar. Maria Wolf hat geschrieben, dass trotz des Wissens um den Schmerz und die Erfolglosigkeit Patientinnen die Behandlung in Anspruch nehmen. Aber es entspricht nicht meiner Erfahrung, dass Frauen so bewusst in diesen Prozess treten. Oft berichten Frauen, auf den Punktionsschmerz nicht ausreichend gefasst gewesen zu sein, „sie haben sich dann zu viert auf mich geworfen…die Gynäkologin und die Assistentin…“. Mangelnde Vorbereitung und mangelnde Aufklärung verstärken das Gefühl des Ausgeliefertseins im gesamten Prozess. Da meist keine konkreten - 33 - Referat Ao. Univ.-Prof. Dr.in Astrid Lampe Zahlen über die „Baby Take Home-Rate“ genannt werden, sind sich wenige Paare über die realistische Chance, ein Kind zu bekommen, bewusst. Eher trifft es die Aussage einer Klientin: „Wir dachten, in 6 Wochen ist das Thema Schwangerschaft für uns erledigt.“ Oft ist es auch eine romantische Vorstellung von der Entstehung eines gemeinsamen Kindes, die eingesetzten Embryonen werden personifiziert. Durch den Prozess und den starken Wunsch findet auch eine wesentlich frühere Bindung an den Embryo als bei einer natürlichen Schwangerschaft statt. Oft beginnt ein Teufelskreis, der an Glücksspiel erinnert. Die rationale Überlegung: je öfter ich es versuche, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich gewinnen werde. Ein zu Beginn besonders hoher in Aussicht gestellter Gewinn gilt als Indikator für die Entwicklung einer Sucht: Wenn ich nichts einsetze, kann ich nicht gewinnen. Ein kleiner Preis wurde erreicht: „Diesmal war ich ja schon schwanger, das ß-HCG ist gestiegen.“ (auch wenn der Embryo sich nicht eingenistet hat). Der Arzt/ die Ärztin: „ Es ist schon ein gutes Zeichen, wenn man schwanger geworden ist“. An der Mimik des Arztes/der Schwester/der Assistentin im Labor Am “Es schaut gut aus“ wird das zukünftige Leben und die Hoffnung festgemacht. Ähnlich wie bei der Spielsucht werden der Misserfolg, Verzweiflung und Enttäuschung weggesteckt, bis zum Schluss am Ende des Prozesses ein Gefühl von Leere, ausgebrannt sein, „Ich kann nicht mehr“ stehen bleibt. Oft wird dann die Entscheidung: „Das ist der letzte Versuch“ – unabhängig vom Ergebnis – als Entlastung erlebt. Abschließend ist es mir wichtig, festzuhalten, dass die Künstliche Befruchtung für manche Paare gut funktioniert, und Familien auch mehrere Kinder durch IVF bekommen. Wir sehen vor allem die Frauen, bei denen mehrfache Versuche fehlschlagen oder die bis zur Entscheidung, keine Versuche mehr zu unternehmen, kinderlos bleiben. - 34 - Kinderwunsch und seine Folgen Kinder zu bekommen bedeutet für die meisten Menschen das größte Glück. Wenn diese Sehnsucht unerfüllt bleibt, hilft manchmal die Fortpflanzungsmedizin. Doch die Fortschritte der Reproduktionsmedizin und neue, gesellschaftliche Erwartungshaltungen zu Mutterschaft werfen neue Probleme und ungelöste ethische Fragen auf. Herausgeberin Frauenreferat der Diözse Innsbruck Riedgasse 9, 6020 Innsbruck [email protected] 0512 2230 4321 www.dibk.at/frauenreferat