Einschätzung induzierte Seismizität, Nicolai Gestermann

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Einschätzung zum Thema induzierte Seismizität
auf der Grundlage des Empfehlungskataloges
der DEW
Nicolai Gestermann
Forum Geowärme
27. März 2017
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover
Überblick
● Seismizität im Umfeld des Projekt-Standorts
● Bewertung von Erdbeben
● Entstehung von induzierter Seismizität
● Festlegung des Einwirkbereichs nach Vorgaben aus den
neuen Verordnungen (BBergG, EinwirkungsBergV)
● Kommentare zu den Empfehlungen der Deutsche ErdWärme
(DEW)
● Zusammenfassung
Seismizität im Umfeld des
Projekt-Standorts
Erdbeben-Kataloge
LGRB
nrift
ReNaSS
BGR
ECOS
Cenec
Vollständigkeitsmagnitude MC
Zeit seit
Zeitraum
1250 - 2012
A. Barth et al. 2015
Magnitude MC
1982
2.0
1971
3.0
1865
3,8
1650
5,8
1250
6,8
Magnitude
ML
Breite
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
Seismizität im Umfeld des
Projekt-Standorts
Projekt
GeoWärme
Südpfalz
Zeitraum: 1972 – 2017
Maximale Magnituden: 3,2 ML
natürliche Erdbeben
Induzierte Erdbeben
Länge
Magnitude
ML
23.04.1983 2.9 ML
10.02.2005 2.7 ML
Breite
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
28.02.1972 3.2 ML
04.10.1989 2.7 ML
Seismizität im Umfeld des
Projekt-Standorts
Zeitraum: 1972 – 2017
Maximale Magnitude 3,2 ML
20.05.1990 2.8 ML
15.08.2009 2.7 ML
04.11.1989 2.7 ML
20.05.1990 2.8 ML
04.10.1989 3.0 ML
20.05.1990 3.0 ML
Ereignisse am 20.5.1990:
Herdtiefen:
Universität Karlsruhe:
Eher flach (~ 5 km)
LDG (Laboratoire de Détection
et de Géophysique)
7 – 19 km
natürliche Erdbeben
Induzierte Erdbeben
Länge
Bewertung von Erdbeben
Magnitude: logarithmisches Maß für die
Energiefreisetzung (Stärke) eines
Erdbebens aus Messungen der
Maximalamplitude seismischer Phasen.
Intensität: Maß für die Auswirkungen
eines Erdbebens auf Menschen,
Landschaft, Straßen oder Gebäude, die
ohne Instrumente wahrgenommen
werden können (Makroseismik,
Bodenschwinggeschwindigkeiten).
Maximum in Deutschland: VIII
Ein Beben gleicher Magnitude kann
sich mit unterschiedlicher Intensität
auf die Oberfläche auswirken (je nach
Herdtiefe, Oberflächengeologie und
Bebauung).
Europäische Makroseismische
Skala EMS-98 (Kurzversion)
I
nicht fühlbar
II
kaum bemerkbar
III
schwach bemerkbar
IV
deutlich bemerkbar
V
stark bemerkbar
VI
leichte Gebäudeschäden
VII
Gebäudeschäden
VIII
schwere Gebäudeschäden
IX
zerstörend
X
sehr zerstörend
XI
verwüstend
XII
vollständig verwüstend
Anhaltswerte DIN 4150 für
Bodenschwinggeschwindigkeiten


Beurteilung der Wirkung von kurzzeitigen Erschütterungen auf Bauwerke
Anhaltswert:
„Ein aus Erfahrung festgelegter Wert, bei dessen Einhaltung ein Schaden
nicht eintritt.“ (DIN 4150-3)
 Erschütterungsgutachten geben
Bewertungen für die jeweiligen Messorte
20
mm/s
5
mm/s
3
mm/s
 Messwerte sind nicht auf Nachbarorte
übertragbar
 Aus fachlicher Sicht ist es sinnvoll, die
PGV-Werte aller Stationen bei der
Bewertung zu berücksichtigen
Darstellung des Coulomb-Bruchkriteriums in einem Mohr-Diagramm
 S  c   ( N  Pfl )
σN Normalspannung
σS Scherspannung
Pfl Porendruck
μ innere Reibung
c Kohäsion
Coulomb-Bruchkriterium
Entstehung von induzierter Seismizität
Physikalisch kein Unterschied zwischen induzierter und natürlicher Seismizität
Erdbeben: Scherbewegungen an einer Verwerfung oder Bruchstelle
Auslösemechanismus
Veränderungen der Spannungen im Gestein,
dem Porendruck, dem Volumen und der
Belastung in unterirdischen
Gesteinsformationen.
Überschreitung der Scherfestigkeit
des Gesteins
Darstellung des Coulomb-Bruchkriteriums
in einem Mohr-Diagramm
 S  c   ( N  Pfl )
Beeinflussende Aktivitäten
• Erhöhung des Porendrucks im Untergrund durch
σN
σS
Flüssigkeitsinjektion
• Veränderung der Massenbilanz (z. B. Flüssigkeitsentnahme) Pfl
μ
• Thermische Kontraktion durch Injektion kalten Wassers
c
• Chemische Veränderung von Störungszonen durch
eingebrachte Fluide
Coulomb-Bruchkriterium
Normalspannung
Scherspannung
Porendruck
innere Reibung
Kohäsion
Schematische Darstellung der
fluidinduzierten Seismizität
1
Ausgangszustand
Erhöhung des Porendrucks im Riss
entlang einer Schwächezone durch
eingepresste Fluide
2
3
Riss nach dem Bruchprozess
Riss nach der Fluid-Injektion
4
Seismizität in Deutschland und angrenzenden Ländern
Induzierte oder tektonisch stärkste Erdbeben
der letzten 25 Jahre
Induziert
4,5
4,6
5,6
2,7
2,9
Stärkstes Ereignis in Geothermie (Stimulation)
Deutschland (Insheim 2010)
Deutschland + umg. Ausland (Basel 2006)
2,4
3,4
Stärkstes Ereignis in Geothermie (Betrieb)
Deutschland (Landau 2009)
2,7
Stärkstes Ereignis in Kohlebergbau
Deutschland (Ibbenbüren 1991)
4,6
Stärkstes Ereignis in Erdgasförderung
Deutschland (Rotenburg 2004)
4,5
Stärkstes Ereignis in Kalibergbau
Deutschland (Völkershausen1989)
5,6
tektonisch
1,8
3,4
3,5
2,4
Stärkstes tektonisches Ereignis
Deutschland (Waldkirch 2004)
Deutschland + umg. Ausland (Roermond 1992)
Tektonische Ereignisse im Durchschnitt pro Jahr
ML ≥ 4: 1-2 Ereignisse
ML ≥ 3: ca. 10 Ereignisse
ML ≥ 2: ca. 100 Ereignisse
5,4
5,9
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Einzelmaßname 1
Messung der
induzierten
Seismizität
Umsetzungen der Empfehlungen des Positionspapiers
der AG Induzierte Seismizität des FKPE
(Forschungskollegium Physik des Erdkörpers)
Anmerkung
Vorschläge aus Gutachten (Q-con) ist Stand der Technik. Anpassung des
Konzepts (Anzahl Messstellen und Standorte) falls notwendig
Einzelmaßname 2
Beginn des
seismischen
Monitorings
Es liegen ausreichende Messwerte aus der Umgebung
(Landau, Insheim) vor
Anmerkungen
Beginn der Messung so früh wie möglich (Referenzdaten). Untersuchung von
Standorteffekten (Sedimentmächtigkeiten) und Überprüfung der Übertragbarkeit
von Ergebnissen von den Standorten Landau/Insheim
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Einzelmaßname 3
Einwirkbereich
(EinwirkungsBergV,
§4 Nummer 6)
Festlegung des Einwirkungsbereichs eines möglichen
Erdbebens im Rahmen des Betriebsplanverfahrens vor
Inbetriebnahme
Anmerkungen
Die Festlegung eines Einwirkbereichs eines Erdbebens ist nach dem BBergG erst
nach dem Eintreffen eines seismischen Ereignisses vorgesehen
Die Festlegung des Einwirkbereichs im Sinne der EinwirkungsBergV obliegt den
Erdbebendiensten der Staatlichen Geologischen Dienste (SGD)
Abschätzung des möglichen betroffenen Bereiches (Prognose) ist sehr sinnvoll
- Festlegung von Standorten zur Erfassung der Boden-Schwinggeschwindigkeiten
- Dokumentation von Gebäuden
- Makroseismische Erfassung durch SGD
Vorschlag
Klare begriffliche Unterscheidung zwischen Einwirkbereich und Prognose von
möglichen betroffenen Bereichen im Fall eines Erdbebens
Ausdehnung der Bergschadensvermutung auf Erschütterungen
Bergschadensvermutung
(Bundesberggesetz (BBergG): §120)
 entsteht im Einwirkungsbereich ein Schaden
 so wird vermutet, […,] dass
der Schaden durch diesen Bergbaubetrieb verursacht worden ist
 Umkehr der Beweislast
Einwirkungsbereich
(Einwirkungsbereichsbergverordnung (EinwirkungsBergV): §4 Satz 6)
 neu: nach Auftritt einer Erschütterung
 aufgrund der
seismologischen Messungen
makroseismischen Intensität
festgestellten Bodenschwinggeschwindigkeit
sonstiger Daten
 durch die zuständigen Erdbebendienste der Länder und des Bundes
Aktivitäten zu den neuen Verordnungen
(BBergG, EinwirkungsBergV)
FKPE Arbeitsgruppe „Induzierte Seismizität
(Forschungskollegium Physik des Erdkörpers)
Milestone-Gruppe 6
Beschluss vom 23.11.2016
Nächstes Treffen am 29.4.2017
Direktorenkreis (DK)
- Staatlich Geologische Dienste (SGD)
- Bundesanstalt für Geowissenschaften (BGR)
Teil des Bund-Länder-Ausschuss Bodenforschung (GLA-GEO)
Gründung des Arbeitskreises 7 (AK7)
Aufruf zur Meldung von Teilnehmern aus den SGD
AK7 wurde noch nicht konstituiert
Leitung durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
Koordination Christian Bönnemann (BGR)
Erstes Treffen für April/Mai geplant
Zeithorizont: etwa 1 Jahr
Makroseismische Untersuchungen
Völkersen Erdbeben
22. November 2012
ML = 2.9
Intensität V
184 Beobachtungen
Community Internet
Intensity (CII)
Makroseismische Untersuchungen
Reported Intensity values as a function of distance
Intensity
Maximum-Intensity
Intensity distribution
Abnahme der Bodenschwinggeschwindigkeit (PGV)
mit der Entfernung
Erdbeben bei Völkersen
22.4.2016 17:45:31 (UTC)
Magnitude
3,1 ML
Herdtiefe
4,1 km (± 1 km)
Einflüsse
• Site-Effekte (Verstärkung der
Bodenschwinggeschw. durch
lokale Untergrund-Effekte)
• Abstrahlcharakteristik des
Bruchvorgangs
• Seismometer-Ankopplung
Bodenbewegungsmodell für die Südpfalz
T. Eulenfeld et al. 2015 (MAGS2)
Karte der Verstärkungsfaktoren
Interpolation der bestimmten Bodenverstärkung an den
Stationen mit dem Krigging-Verfahren
Projekt Insheim
T. Eulenfeld et al. 2015 (MAGS2)
Erschütterungskarten
Erschütterungsmessungen für ein Erdbeben
• Bestimmung der Erdbebenkorrektur (Magnitude)
• Bestimmung der PGV-Werte für alle Entfernungen vom Erdbebenherd
• Korrektur mit Karte der Verstärkungsfaktoren
• Erschütterungskarte
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Annahmen für die Abschätzung möglicher Auswirkungen
im Fall eines Erdbebens (Gutachten Q-con)
Einzelmaßname 3
Einwirkbereich
(EinwirkungsBergV,
§4 Nummer 6)
• Maximale angenommene Magnitude: 2,7 ML , Tiefe 3,5 km
(Landau 15.8.2009, Tiefe 2,8 km ± 0,5 km)
• Modellierung der maximalen Bodenschwinggeschwindigkeit nach
Douglas et al. (2013) und Poggi et al. (2011)
• Din 4150 (Auswirkungen von kurzen Erschütterungen auf Bauwerke). Richtwert: 3 mm/s
• Maximale Bodenschwinggeschwindigkeit: 4,1 mm/sec (berechnet)
• Einwirkungsbereich: 3 - 4 km (Planungsgrundlage: Radius 5 km)
Anmerkungen
•
•
•
•
•
Rezente natürliche Seismizität (max. Mag.): 3.0 ML , Tiefe > 5 km? (Erdbeben am 4.10.1989)
Maximale gemessene Bodenschwinggeschw.: 4,7 mm/sec ( Ereignis Landau am 15.8.2009)
Übertragung der Untergrund-Verhältnisse von Landau auf Germersheim?
Modellierung des quellnahen Bereichs unterliegt größeren Variationen
Entschädigung durch Erdgasförderbetrieb (Norddeutschland) ab 2 mm/s
(Unsicherheitsbereich)
Vorschlag
Festlegung eines Unsicherheitsbereichs. Anpassung der Abschätzung. Offenlegung der
Parameter der Modellierungen
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Einzelmaßname 4
Bestandsaufnahme
typischer Gebäude
Dokumentation von 5 bis 10 Gebäuden im
prognostizierten Einwirkbereich eines
möglichen Erdbebens
Anmerkungen
Sehr sinnvolle und zielführende Maßnahme
Vorschlag
Festlegung von Richtlinien bzw. Anleitungen zur
privaten Dokumentation des Zustands von Gebäuden
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Einzelmaßname 5
SchwingungsMessung innerhalb
von Gebäuden
Installation an [5-10] Standorten pro Gemeinde
(Seismisches
Monitoring
Immission)
Anmerkungen
Die Messung von Bodenschwinggeschwindigkeiten (PGV) ist eine grundlegende
Voraussetzung zur Abschätzung möglicher Auswirkungen eines Erdbebens.
Keine direkte Übertragbarkeit der Messungen auf andere Standorte
Lokale Site-Effekte können auch im Nachhinein bestimmt werden
Standorte und Anzahl der Geräte müssen u. U. angepasst werden.
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Einzelmaßname 6
Allgemeine
Einschätzung der
Seismischen
Gefährdung
Keine Erschließung des kristallinen
Grundgebirges geplant
Anmerkungen
Detaillierte Gefährdungsabschätzung auf der Grundlage der standortspezifischen
Parameter (Gutachten Q-con) steht noch aus
Eine mögliche hydraulische Anschließung des Grundgebirges lässt sich an Hand
der Mikro-Seismizität erkennen
Langzeit-Auswirkungen durch thermische Kontraktion und durch chemische
Veränderungen von Störungszonen ist zur Zeit schwer abzuschätzen
(Forschungsbedarf)
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Einzelmaßname 7/8
Ampelsystem im
Betrieb der Anlage
Festlegung der Grenzwerte für die Bewertung der
Seismizität und Aktivierung des Reaktionsschemas (grün,
gelb, rot) erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt
Reaktionsplan
Schwellenwerte
Anmerkungen
Voraussetzung: Automatische und zuverlässige Erfassung der Herdparameter
möglicher induzierter seismischer Ereignisse in Echtzeit
Koordination und zeitnaher Austausch zwischen Betreiber und Auswerter
Frühzeitige Inbetriebnahme des seismischen Überwachungssystems zur
Überprüfung/Anpassung der automatischen Auswertung
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Einzelmaßname 10
Stimulation der
Bohrung während
der Erstellung
Verschiedene Maßnahmen in Abhängigkeit der
vorgefundenen Verhältnisse
Anmerkungen
Ein funktionstüchtiges Monitoring-System und Reaktionsschema muss bis zum
Beginn eventueller Stimulationsmaßnahmen installiert sein
Detaillierte Gefährdungsabschätzung auf der Grundlage der standortspezifischen
Parameter (Gutachten Q-con) steht noch aus
Kommentare zum Empfehlungskatalog
Einzelmaßname 12
Transparenz
Veröffentlichung der Messergebnisse (Emission und
Immission) und relevanter Betriebsparameter
Anmerkungen
Uneingeschränkt zu begrüßen
Freigabe der Daten zu Forschungszwecken wäre zu begrüßen
Zusammenfassung
•
•
•
•
•
•
Aus seismologischer Sicht sind in den Empfehlungen der DEW alle
relevanten Aspekte berücksichtigt und eine ausreichende Vorsorge getroffen
worden.
Änderungsvorschläge und Anregungen betreffen keine grundlegenden
Aspekte
Detaillierte Gefährdungsabschätzung auf der Grundlage der standortspezifischen Parameter (Gutachten Q-con) steht noch aus
Bezüglich der Prognose des von einem möglichen Erdbeben betroffenen
Bereiches (Prognose Einwirkungsbereich) könnten geänderte Parameter der
Berechnungen zu einem etwas größeren Bereich führen
Die Festlegung des Einwirkungsbereiches im Fall eines eventuellen
Erdbebens obliegt dem Landeserdbebendienst (SGD). Es muss
sichergestellt werden, dass die hierfür erforderlichen Daten (seismische
Messergebnisse, Makroseismik etc.) vorliegen
Die Methodik zur Festlegung des Einwirkungsbereichs ist Gegenstand von
Diskussionen und Untersuchungen
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