Ergänzung zur Vorlesung: Klärschlammbehandlung - Desinfektion Desinfektion: „Behandlung von Abwasser oder Schlamm zum Vermindern der Aktivität von Krankheitserregern unter einen vorgegebenen Wert". Die Reduzierung kann auch durch Rückhaltung bewirkt werden [ATV-M 205, DIN EN 1085]. Pathogene Keime Der Wortursprung des Begriffes „pathogen“ stammt von den beiden altgriechischen Wörter pathos „Leiden, Krankheit“ und genesis „Erzeugung“ ab. Pathogene Keime haben somit das Potential andere Lebewesen zu schädigen und in ihnen Krankheiten hervorzurufen. Entwicklungstendenzen der rechtlichen Grundlagen Im Laufe der Verhandlungen des Koalitionsvertrages 2013 wurde festgehalten, dass zukünftig die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken eingestellt werden soll. Vielmehr soll im Rahmen der Abwasser- bzw. Klärschlammbehandlung das Hauptaugenmerk vermehrt auf die Rückgewinnung von Phosphor und anderen Nährstoffen gelegt werden. Ähnliche Entwicklungstendenzen lassen sich bereits in der Düngemittelverordnung von 2012 beobachten. Dort wird die Ausbringung von Klärschlamm, welcher synthetische Polymere enthält, die nicht den Maßgaben als Ausgangsstoff oder Aufbereitungsmittel, nach 2016 untersagt. Auch der Referentenentwurf der AbfKlärV 2015 spiegelt die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele wieder. So besagt §3a (1), dass der Kläranlagenbetreiber auf jeden Fall eine PhosphorRückgewinnung durchzuführen hat, falls die P-Konzentration im Klärschlamm 20g/kg TR beträgt oder größer ist. Des Weiteren hält §15 (1a) fest, dass Klärschlamm von Anlagen der Größenklasse 4 und 5 nicht auf Böden ausgebracht werden darf. Jedoch sind Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall durch die zuständige Behörde möglich. Mikrobiologische Grenzwerte Hinsichtlich der Grenzwerte zum Nachweis einer erfolgreichen Desinfektion von Klärschlamm, der landwirtschaftlich genutzt werden soll, greifen unterschiedliche gesetzliche Vorgaben. Die EU-Richtlinie 86/278/EEC enthält keine Grenzwerte bzw. Vorgaben zur Desinfektion, die Novelle 10/2010 führt mögliche Indikatoren als Grenzwerte auf: keine Salmonellen in 25-50g Feuchtsubstanz Konzentration an E.Coli < 5105 KBE pro g Feuchtsubstanz In den USA wird die Desinfektion von Klärschlamm durch die EPA-Richtlinie 40 CFR Part 503 geregelt. Diese unterscheidet zwei Güteklassen von Klärschlamm. Class A Schlamm unterliegt keinen Einschränkungen bezüglich der Ausbringung und muss folgende Grenzwerte einhalten: Fäkalcoliforme < 1000 MPN/gTS oder Salmonella < 3 MPN/gTS Enterovirus < 1 KBE/4gTS Helmintheneier < 1 Ei/4gTS Class B Schlamm unterliegt strengen Auflagen und darf auf keinen Fall auf Landwirtschaftsflächen ausgebracht werden und hat folgende mikrobiologische Grenzwerte: Fäkalcoliforme < 2106 MPN/gTS oder < 2106 KBE/gTS Coliforme Bakterien Coliforme Bakterien sind Besiedler der menschlichen Darmflora sowie anderer Warmblüter. Bei den fäkalcoliformen Bakterien handelt es sich gemäß der EPA um eine Unterart der coliformen Bakterien. Der bekannteste Vertreter aus der Familie der Fäkalcoliformen ist Escherichia Coli. 90 % dieser 2-6 μm langen, begeißelten Bakterien sind völlig apathogen. Zu den pathogenen (können zu Durchfallerkrankungen führen) Stämmen zählen: Enteropathogene Serovare (EPEC) Enterooxigene Serovare (ETEC) Enteroinvasive Serovare (EIEC) Enterohämorrhagische Serovare (EHEC) Die Überlebensfähigkeit der Escherichia Coli außerhalb des Darms beträgt rund 3 Wochen. Werden E. Coli in Lebensmitteln oder Wasser nachgewiesen, wird von einer frischen fäkalen Verunreinigung ausgegangen. Die EPA definiert E. Coli in diesem Sinne als geeignetsten Indikator zur Bewertung von fäkalen Verunreinigungen. Entwicklungszyklus Ascaris lumbricoides (Spulwurm) 1) Adulte Würmer leben im Dünndarm, welche 25 – 40 cm lang sind und ca. 6mm dick sind 2) Eier der adulten Würmer werden mit den Fäzes ausgeschieden 3) In den Eiern bilden sich innerhalb von 2 bis 6 Wochen infektiöse Larven aus. 4) Durch den Verzehr von durch Abwasser bzw. Klärschlamm roher, kontaminierter Feldfrüchte werden die Eier oral aufgenommen 5) Larven schlüpfen im Dünndarm 6) Larven wandern in die Lunge 7) Larven gelangen zur Luftröhre, Abbildung 1: Entwicklunszyklus Ascaris lumbricoides [www.dpd.cdc.gov] werden dort verschluckt und reifen im Dünndarm zu adulten Würmern heran Adsorption von Viren und Parasiten im Klärschlamm Durch den Adsorptionsprozess aus dem Abwasser an den Klärschlamm werden Viren um rund 2 Zehnerpotenzen reduziert. Zudem nimmt der Gehalt der Parasiten im Laufe der Abwasserbehandlung ab, wie Abbildung 2 zeigt. Sie stellt den Verlauf der Konzentration an fäkalcoliformen Bakterien im Rohabwasser und in den Abläufen der einzelnen Stufen dar. Die sich im Rohschlamm befindlichen Parasiten stammen zu 70-90% aus dem Primärschlamm, der Rest überwiegend aus dem Überschussschlamm. Abbildung 2: Gehalt an fäkalcoliformen Bakterien im Rohabwasser und in den Abläufen der einzelnen Stufen [ATV-M 205] EPA-Verfahren zur Desinfektion von Klärschlamm Nachfolgende Tabelle listet mögliche Desinfektionsverfahren auf, die gemäß der EPARichtlinie 40 CFR Part 503 zulässig sind. Verfahren Thermische Behandlungsprozesse Einzuhaltende Kriterien Behandlungszeit [d] Behandlungszeit > 20 min Thermische Behandlung in Kombination mit pH-Wert Verschiebung Behandlungszeit > 72 h bei 25 °C und pH-Wert > 12, Behandlungszeit > 12 h bei 52 °C und pH-Wert > 12 PFRP-Prozesse - Bei den PFRP-Verfahren (Processes to Further Reduce Pathogens) werden folgende Behandlungen unterschieden: Kompostierung (>55°C für 3 Tage) Heiße Trocknung (>80°C, <10% TR) Hitzebehandlung (>180°C für 30 Minuten) Aerob thermophile Behandlung (55-60°C für 10 Tage) Bestrahlung mit -Strahlen Bestrahlung mit -Strahlen Pasteurisierung (>70°C für >30 Minuten)