Teilchenphysik

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Te i l c h e n ph ysi k
In diesem Kapitel geht es um
• die Bausteine der Materie
• ihren Nachweis
• ihre Wechselwirkungen
88
Teilchenphysik
Die Suche nach den Bausteinen der Materie begann bekannt-lich mit den
Griechen. DEMOKRIT und LEUKIPP prägten den Begriff Atom. Aber erst BOLTZMANN
gelang es, einige Phänomene mithilfe des Atombegriffs zu erklären. Am Beginn des
20. Jahrhunderts begann man die Zusammenhänge besser zu verstehen. Man
erkannte, dass das Atom aus einem massiven Kern und einer Hülle aus Elektronen
besteht. Aber auch der Atomkern erwies sich als teilbar (Radioaktivität, Kernspaltung).
Auf der anschließenden Suche nach den Eigenschaften der Protonen und Neutronen
wurden in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts hunderte weitere Teilchen, die man
Elementarteilchen (elementary particles) nannte, entdeckt. Ihre Anzahl wuchs derartig
an, dass man von einem „Teilchenzoo“ sprach und wegen der Fülle ihrer Eigenschaften
zunächst nur wenig Gemeinsamkeiten fand.
5.1 Eigenschaften der Elementarteilchen1)
(properties of elementary particles)
Trotzdem versuchte man, die Teilchen nach ihren Eigenschaften einzuteilen. Teilweise
mussten neue Eigenschaften eingeführt werden, um ihr Verhalten korrekt zu beschreiben.
Diese sind oft unanschaulich.
Man teilte die Teilchen aufgrund dieser ihrer Eigenschaften – ähnlich dem Periodensystem
– in Gruppen ein:
aufgrund ihrer Masse
aufgrund ihres Spins
Hadronen
Leptonen
Fermionen4)
Bosonen5)
Sie unterliegen
der starken
Wechselwirkung
(siehe Kapitel 5.3)
Sie unterliegen
nicht der starken
Wechselwirkung.
Sie besitzen den
Spin ± ½, ± 3/2 …
Für sie gilt das
Pauliprinzip.
Elektronen,
Protonen und
Neutronen sind
Fermionen
2)
3)
Sie besitzen
ganzzahligen
Spin: 0, ±1, ±2 …
Für sie gilt das
Pauliprinzip nicht.
Sie können daher
in sehr großer
Zahl beliebig nahe
beieinander sein.
5.2 Die Teilchen des Standardmodells
Seit 1978 liefert das „Standardmodell“ die beste Beschreibung des Verhaltens von
Elementarteilchen. Dabei wird versucht, die Anzahl der fundamentalen Teilchen auf
ein Minimum zu beschränken und gleichzeitig alle bekannten Teilchen und ihre
Wechselwirkung untereinander zu erklären. Die Basis dazu bildete der Vorschlag von
GELL-MANN6), den er in der Mitte des vorigen Jahrhunderts machte:
Er nahm die Leptonen und die Quarks als Fundamentalteilchen der Materie an. Um die
Existenz der bereits bekannten Teilchen zu erklären, benötigt man „3 Generationen“
oder „3 Familien“.
Der Begriff Elementarteilchen ist historisch. Auch das Proton wird als Elementarteilchen
bezeichnet, obwohl es aus Quarks besteht. Fundamentalteilchen lassen sich nach derzeitigem
Stand der Kenntnis nicht weiter zerlegen.
2)
„hadros“ (griech.) = schwer
3)
„leptos“ (griech.) = leicht
4)
Benannt nach dem italienischen Physiker ENRICO FERMI (1901 – 1954), Nobelpreis 1938
5)
Benannt nach dem indischen Physiker SATYENDRANATH BOSE (1894 – 1974)
6)
MURRAY GELL-MANN ( geb.1929 New York City). Er erhielt 1969 den Nobelpreis für seine
Arbeiten auf dem Gebiet der Elementarteilchen. Er nannte die zunächst hypothetischen
Teilchen „Quarks“ (nach einem Begriff im Roman „Finnegans Wake“ von JAMES JOYCE).
5
Merk & Würdig
Elementarteilchen
Die Elementarteilchen sind
die kleinsten Bausteine der Materie.
Fundamentalteilchen lassen sich
mit den momentan zur Verfügung
stehenden Mitteln und Energien
nicht weiter zerlegen.
Elektron
J. J. THOMSON konnte 1897 die
Existenz von Elektronen nachweisen
und entdeckte somit das erste
Elementarteilchen. 1906 erhielt er für
seine Entdeckung den Nobelpreis für
Physik.
Proton
Aufgrund seiner Streuversuche
erkannte RUTHERFORD die positive
Ladung des Atomkerns. 1920
nannte er den Atomkern eines
Wasserstoffatoms Proton.
Neutron
1932 wies SIR JAMES CHADWICK
die vorausgesagte Existenz von
Neutronen nach. Er beschoss
Berylliumkerne mit Alphateilchen:
9
Be + 4He ⇒ 12C + n
Dabei entstand Kohlenstoff und ein
bisher unbekanntes, neues Teilchen:
das freie Neutron.
Schon Demokrit wußte es so:
Der Kosmos ist bloß Teilchen-Zoo.
Doch die ...onen sich mehren
wie Karnickel zu Heeren.
Theoretiker macht das nicht froh!
Aus „Freche Verse – physikalisch“ von
Peter Hägele
1)
Abb. 89.1 MURRAY GELL-MANN
89
Leptonen
Quarks
Name
Normale
Materie
Materie
in
höherem
Energiezustand
Entdeckt Name
Entdeckt
Elektron
e–
1899
Up
u
um 1970 1. Generation
ElektronNeutrino
νe
1956
Down
d
um 1970
Myon
μ
1937
Strange
s
um 1970 2. Generation
MyonNeutrino
νμ
1962
Charme
c
1974
Tauon
τ
1975
Bottom
b
1977
Tauonneutrino
ντ
2000
Top
t
1995
3. Generation
Tab. 90.1
5.2.1 Das Die Leptonen
Sie zeigen keine innere Struktur und auch keine messbare Ausdehnung. Sie erscheinen
uns punktförmig, wenn sie mit anderen Teilchen in Wechselwirkung treten.
Abb. 90.1 Mit der heute verfügbaren Technik lassen
sich die Quarks nicht weiter zerlegen.
Lebensdauer
Teilchen
Elektronen
Elektron
0,511
–1
> 2 · 1022 a
ElektronNeutrino
< 2,2 · 10–5
0
Stabil (?)
Myon
105,7
–1
2,2 · 10–6 s
Myon-Neutrino
< 0,17
0
Stabil (?)
Tauon
1777
–1
3,3 · 10–13 s
Tauon-neutrino
< 16
0
Stabil (?)
Myonen
Tauonen
Masse
in MeV/c0²
Ladung in e
Familie
Tab. 90.2
5.2.2 Die Quarks
Quarks sind die zweite Art von Fundamentalteilchen des Standard-modells. Wie
die Leptonen besitzen sie keine weitere innere Struktur, (soweit die Physiker bisher
feststellen konnten).
Es gibt sechs Quarks, die man nach ihrem Flavour („Geschmack“) unterscheidet.
Ihre Ladung beträgt eine Drittel der Elementarladung1) (siehe Tabelle 96.1).
Abb. 90.2 Aufbau durch Quarks eines Protons
(links) und eines Neutrons (rechts)
Quark-Flavor
Ladung in e
Masse in MeV/c0²
Up
+ 2/3
≈ 3,0
Down
– 1/3
≈ 4,0
Strange
– 1/3
≈ 100
Charmed
+ 2/3
1 270
Top
+ 2/3
171 000
Bottom
– 1/3
4 200
Tab. 90.3
Quarks besitzen noch ein weiteres Merkmal: die Farbladung (color).
Man wählte die Farben rot, grün und blau (in Analogie zu den Primärfarben).
Den Antiquarks werden die Antifarben antirot, antigrün und antiblau zugeordnet.
Abb. 90.3 Versucht man zwei Quarks zu trennen,
so wird die zugeführte Energie ab einem gewissen
Abstand dazu benützt, ein Quark-Antiquark-Paar zu
erzeugen.
90
1)
Die Elementarladung ist daher nicht „elementar“.
Teilchenphysik
5
Die Farbladung spielt für die Wechselwirkung zwischen den Quarks eine ähnliche Rolle
wie die elektrische Ladung für die elektrische Kraft zwischen den Elektronen.
Versucht man z. B. Hadronen zu zerlegen, so erhält man immer nur ein Quark-AntiquarkPaar (siehe Abb. 96.2).
Quarks können nicht isoliert werden.
Sie sind die Bausteine der Hadronen. Diese werden in zwei Gruppen eingeteilt:
a) Baryonen: Sie sind aus drei Quarks aufgebaut.
Proton und Neutron sind Baryonen. Das Proton besteht aus 2 u Quarks und einem d-Quark; das Neutron aus 2 d-Quarks und einem u-Quark.
b) Mesonen: Sie bestehen aus einem Quark und einem Antiquark.
5.3 Die Wechselwirkungen
(interaction)
Im Laufe der Entwicklung der Physik hat sich gezeigt, dass sich alle beobachteten Kräfte
mithilfe von vier fundamentalen Wechselwirkungen (WW) beschreiben lassen (siehe
Kapitel 3.3.4).
Ihnen ist gemeinsam, dass durch den Austausch von Teilchen diese Grundkräfte erklärt
werden.
a) Die elektromagnetische Wechselwirkung
An ihr nehmen alle Teilchen teil, die elektrisch geladen sind oder ein magnetisches
Moment besitzen. Im Rahmen des Standardmodells ist das Photon γ das Wechsel­
wirkungsteilchen der elektromagnetischen Kraft. Durch den stetigen Austausch von
Photonen kommt es z. B. zu einer Abstoßung zwischen gleichartigen Ladungen.
b) Die schwache Wechselwirkung (weak interaction)
Die schwache Wechselwirkung „spüren“ sowohl die Leptonen als auch die Quarks. Im
Gegensatz zur elektromagnetischen Kraft hat sie jedoch eine sehr geringe Stärke und
Reichweite, etwa 10–18 m. Die Wechselwirkungsteilchen sind nicht masselos, sondern
sind sogar schwerer als das Proton.
c) Die starke Wechselwirkung (strong interaction)
Sie wirkt zwischen Quarks, also z. B. im Atomkern, wo sie für dessen Stabilität verantwortlich
ist. Die Wechselwirkung erfolgt durch Austauschteilchen, die Gluonen genannt werden.
d) Die Gravitationswechselwirkung (gravitational interaction)
An ihr nehmen alle Teilchen teil. Für die Elementarteilchen spielt sie wegen ihrer
geringen Stärke keine Rolle. Die Übertragung erfolgt durch noch nicht nachgewiesene
Gravitonen. EINSTEIN hat bereits 1916 darauf hingewiesen, dass bewegte massive
Körper Gravitationswellen abstrahlen.
Abb. 91.1 Die Vereinheitlichung der 4 Wechsel­
wirkungen. Blaue Skala: Alter des Universums
Die Vereinheitlichung bei der Placnk-Skala ist eine
theoretische Überlegung und noch keineswegs
experimentell bestätigt.
Wechselwirkung
stark
elektromagnetisch
schwach
gravitativ
Austauschteilchen
Gluonen
Photon
W und Z
Graviton
Masse in GeV/c
0
0
81 bzw. 91
0
Quelle
Farbladung
elektrische Ladung
schwache Ladung
Masse
wirkt auf
Quarks
elektrisch geladene
Teilchen
Quarks und Leptonen
alle Teilchen, die Masse
(Energie) besitzen
Reichweite in m
10–15
∞
10–18
∞
verantwortlich für
Zusammenhalt des
Atomkerns,
Kernenergie
Chemie, Elektrizität,
Magnetismus
β-Strahlung,
Sonnenschein
Massenanziehung
2
0
0
0
Tab. 91.1
91
5.4 Beschleuniger
(accelerator)
Um die Vorhersagen der Standardtheorie zu überprüfen, sind immer größere Energien
notwendig geworden, ebenso für die Erzeugung immer schwererer Teilchen. Beschleuniger erzeugen Teilchenstrahlen mit Energien bis in den TeV-Bereich. Die Teilchenstrahlen bestehen vor allem aus Elektronen oder Protonen. Nach einer Beschleunigungsstrecke treffen sie auf ein Ziel, das sogenannten Target, das oft nur einige mm² groß ist.
Abb. 92.1 Schematischer Aufbau eines Speicherrings, in dem Protonen (rot) und Antiprotonen (blau)
sich gegenläufig bewegen. In Speicherringen können solche Teilchenpakete oft Milliarden Kilometer
zurücklegen, bevor gezielt in Detektoren Kollisionen
stattfinden.
Ein häufig verwendeter Beschleunigertyp ist das Synchrotron. Mit Hilfe von regelbaren Magneten werden die Teilchen auf eine ringförmige Bahn gezwungen. Man wählt
einen großen Bahnradius, um die Magnete möglichst klein bauen zu können. Das größte Protonensynchrotron befindet sich bei Genf an der Grenze zwischen Frankreich und
Schweiz, das europäische Laboratorium für Teilchenphysik CERN (Conseil Européen pour
la Recherche Nucléaire). Im sogenannten LHC (Large Hadron Collider), einem 27 km langen Ring, werden zwei
gegenläufige Protonenstrahlen auf jeweils 7 TeV gebracht.
Ab etwa 50 MeV besitzen die Protonen bereits 10 % der Licht-geschwindigkeit. Es ist
daher notwendig, relativistische Effekte zu berücksichtigen.
Diese hohen Energien sind notwendig, um die Bindungsenergie der Nukleonen im Kern
zu untersuchen und so die innere Struktur zu untersuchen. Die dabei entstehenden neuen Teilchen vertiefen unser Verständnis des Aufbaus der Materie: das Standardmodell
wird dadurch bestätigt (oder widerlegt).
So wurde damit die Existenz des so genannten Higgs-Bosons1) entdeckt. Es wird als
das Teilchen angesehen, das dafür verant-wortlich ist, dass Teilchen Masse besitzen. Die
aktuellen Mess-werte stimmen mit den theoretischen Werten immer mehr überein. Mit
dessen Nachweis ist ein zentrales Problem des Standardmodells gelöst.
Abb. 92.2 Querschnitt durch ein Beschleunigungsrohr des LHC. Die supraleitenden Spulen ( B = 8,3 T)
zwingen den Protonenstrahl in eine Kreisbahn. Um
die Supraleitung aufrecht zu erhalten, müssen die
Magnete auf –270 °C gekühlt werden und Ströme
von 12 000 A fließen.
92.3 Um störende Einflüsse (vor allem wegen
Abb.
der Höhenstrahlung) auszuschließen, wurde der LHC
und seine Detektoren ALICE, ATLAS, CMS und LHCb2)
etwa 100 m unterhalb der Erdoberfläche gebaut.
5.5 Detektoren
92.4 Simulation des Zerfalls des Higgs-TeilAbb.
chens
(detectors)
In den Kollisionspunkten (den „Fireballs“) entstehen pro Sekunde bis zu 800 Millionen
rasche, kurzlebige Teilchen. (Gemäß der Gleichung E = m · c02 wird aus Bewegungsenergie Masse.)
Abb. 92.5 Bei der Kollision gegen-läufiger Teilchenstrahlen steht die gesamte Energie von 900 GeV zur
Verfügung.
Ihre Eigenschaften (z.B. Geschwindigkeit, Masse, Ladung, Zerfallszeit) können nur mithilfe
von riesigen Detektoren untersucht werden, die große Datenmengen in kurzer Zeit
aufnehmen. Diese Daten werden schließlich mit leistungsfähigen Computern ausgewertet und visualisiert.
Zum Vermessen der Teilchen werden folgende Detektortypen eingesetzt:
ETER HIGGS (geb. 1929) , britischer Physiker, erhielt 2013 gemeinsam mit dem belgischen
P
Physiker FRANCOIS ENGLERT (geb. 1932), den Nobelpreis für Physik.
2)
ATLAS (A Toroidal LHC Apparatus), ALICE (A Large Ion Collider Experiment), CMS (Compact
Muon Solenoid), LHCb (LHC beauty)
1)
92
Teilchenphysik
5
Teilchenspurdetektoren, Drahtkammer (Abb. 99.2)
Diese bestehen aus einer großen Anzahl parallel gespannter Drähte, die jeweils abwechselnd an hohe Spannungen gelegt werden. Tritt ein elektrisch geladenes Teilchen
durch die Gas gefüllten Kammern, so werden Gasmoleküle ionisiert, die zu den nächstgelegenen Drähten driften („Drahtdriftkammer“). An den Drähten entstehen elektrische
Signale, aus denen mit Hilfe von Computern Teilchenbahnen berechnet werden. Obwohl die Abstände zwischen den Drähten bzw. Kathodenstreifen im Bereich mehrerer
Millimeter liegen, können die Teilchenbahnen mit Genauigkeiten von einigen Zehntel
Millimeter bestimmt werden, indem die Signalstärken benachbarter Drähte bzw. Streifen verglichen werden.
Szintillationszähler (scintillation counter, Abb. 99.3)
Abb. 93.1 An den Drähten wird kurzzeitig(≈ 10–6 s
lang) eine Spannung von 10 – 20 kV angelegt. Man
erreicht dadurch eine gezielte Vorauswahl nachzuweisender Ereignisse.
Ein derartiger Detektor besteht aus dem Szintillator (Szintillationskristall) und dem
Sekundärelektronenvervielfacher.
Szintillatoren haben die Eigenschaft, unter der Einwirkung von schnellen Teilchen selbst
Photonen im sichtbaren Bereich auszusenden.
Über Zwischenschritte (= Erzeugung von geladenen Teilchen) lassen sich auch Neutronen und Gammaquanten nachweisen.
Halbleiterdetektoren (semiconductor detector, Abb. 99.4)
Diese beruhen aus in Sperrrichtung gepolten Si-Dioden.
Wird eine Spannung von etwa 100 V angelegt, so sind alle beweglichen Ladungsträger
aus dem Kristall verschwunden.
Tritt ein geladenes Teilchen in den Kristall ein, so entstehen durch Stöße Elektronen und
Löcher, die ein Spannungssignal an der Diode verursachen. Dieses ist proportional zur
abgegebenen Energie.
Abb. 93.2 Als Szintillationskristall wird meist ein
Einkristall aus Natriumjodid verwendet.
Universaldetektoren ATLAS (Abb. 100.1)
In Beschleunigern werden zurzeit Universaldetektoren eingesetzt, um möglichst viele
unterschiedliche Daten der stattfindenden Reaktionen aufnehmen zu können. Der Ort
der Kollision ist fast lückenlos von Schichten sehr empfindlicher Messinstrumente umgeben.
Abb. 93.3 In Halbleiterdetektoren können auch
Teilchen mit geringer Energie detektiert werden. Sie
sind meist als dünne Halbleiterplättchen ausgebildet.
Abb. 93.4 Universaldetektor ATLAS: Beachte den Größenvergleich mit einem Menschen (roter Pfeil)!
93
Merk & Würdig
Derzeit kennt man
60 „elementare“ Teilchen:
6 Leptonen und ihre Anti-teilchen
= 12 Teilchen
6 Quarks in 3 Farben und ihre
Antiteilchen = 36 Teilchen
12 Wechselwirkungsteilchen
(1 Photon, die 3 Bosonen W+, W–,
Z0 , 8 Gluonen)
5.6 Jenseits des Quants
Man ist allgemein der Meinung, dass das Standardmodell noch
nicht vollständig ist. So sind folgende Fragen noch nicht geklärt oder es fehlt ein experimenteller Nachweis:
Ist das Proton stabil oder besitzt es eine geschätzte Halbwert-zeit von mehr als 1032
Jahren?
Gibt es magnetische Monopole?
Sind Quarks und Leptonen strukturlos oder sind sie „echte“ Fundamentalteilchen?
Wieso gibt es so viel Materie und keine Antimaterie?
Wieso haben die Naturkonstanten genau den Wert, den wir kennen?
Wie viele Elementarteilchen gibt es wirklich?
Wie kann man die Gravitation in das Standardmodell integrieren?
Dieser Fragenkatalog ist selbstverständlich nicht vollständig!
Ergänzung & Ausblick
Um diese und andere Fragen zu beantworten, sucht man eine Theorie von Allem
(Theory of Everything, TOE). Dabei versucht man, die bereits bekannten (und bewiesenen) Tatsachen so zu einer in sich geschlossenen Theorie zusammenzufassen.
1) Supersymmetrie SUSY
Der Vorschlag besteht darin, dass es zu jedem Fermion (Teilchen mit halbzahligen Spin) einen bosonischen Partner geben muss und umgekehrt; d. h., zu
jedem Teilchen gibt es einen supersymmetrischen „Zwilling“ (siehe Tabelle
101.1).
2) Stringtheorie
Teilchen
SUSY-Partner
Name
Name
Leptonen
(z.B. Elektron)
Quarks
Sleptonen
(z.B. Selktron)
Squarks
Gluonen
Gluinos
W, Z-Bosonen
Wino, Zino
Tab. 94.1
Elementarteilchen werden nach dieser Theorie nicht als punktförmig angesehen, sondern als fadenförmige Gebilde, ähnlich wie winzige schwingende Saiten (strings).
Aufgrund ihrer Ausdehnung können einige mathematische Schwierigkeiten von
Punkt-Teilchen behoben werden.
Allerdings sagt diese Theorie voraus, dass es mehr als drei Dimensionen gibt (ein
Modell fordert z. B. 10 Dimensionen). Da wir aber nur drei Dimensionen sehen,
müssen die weiteren Dimensionen „eingerollt“ sein (siehe Abb. 101.1).
94
Abb. 94.1 Wenn man ein Blatt Papier zu einer
äußerst dünnen Röhre zusammenrollt, so erscheint das Blatt praktisch eindimensional.
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