Seminar zum F-Praktikum WS 08/09 Christian Büsing Standardmodell der Teilchenphysik (Quarkonia) Ι. Historische Entwicklung Die Elementarteilchenphysik entwickelte sich aus der schon tausende Jahre andauernden Suche nach den Antworten auf die Fragen „Woraus ist die Materie gemacht?“ und „Was hält sie zusammen?“. Die historische Entwicklung, welche die Physik dabei durchgemacht hat, lässt sich in vier große Etappen gliedern, wobei in jeder erkannt wurde, dass die bisher als elementar angenommenen Teilchen eine weitere innere Struktur besitzen. Die erste Etappe begann mit den griechischen Naturphilosophen. Um etwa 400 v. Chr. entwickelte Demokrit die Theorie, dass das Universum aus leerem Raum und einer fast unendlichen Zahl unteilbarer Teilchen besteht, die sich voneinander in Form, Position und Anordnung unterscheide. Alle Materie besteht aus diesen unteilbaren Teilchen, den Atomen. Die zweite Etappe wird eingeleitet, als Ernest Rutherford im Jahre 1911 das nach ihm benannte Atommodell entwickelte. Er erkannte, dass Atome aus einer aus negativen geladenen Elektronen bestehenden Hülle und einem positiv geladenen Kern zusammengesetzt sind. In weiterer Folge (1932) wurden dann Elektronen, Protonen und Neutronen als Elementarteilchen der Materie bezeichnet. In der dritten Etappe wurden die Eigenschaften der Elementarteilchen weiter erforscht. Dabei (ab 1937) stellte sich jedoch heraus, dass es außer den bereits bekannten noch eine weitere Anzahl verschiedenster Teilchen gibt. Ferner zeigte sich, dass sich Elementarteilchen ineinander umwandeln können und nach Einsteins Gesetz über die Äquivalenz von Energie und Masse auch aus Energie neu entstehen können. Dies stellt den Beginn der Elementarteilchenphysik dar. Erst in der vierten Etappe gelang es, in die Vielzahl der Elementarteilchen Ordnung zu bringen, in dem erkannt wurde, dass diese aus noch kleineren Teilchen zusammengesetzt sind. Murray Gell-Mann und Georg Zweig postulierten 1964 die so genannten Quarks als elementare Bausteine. Deren Theorie wurde in den letzten 30 Jahren immer wieder erweitert und wird heute als Standardmodell der Teilchen und Wechselwirkungen bezeichnet. II. Das Standardmodell Das Standardmodell ist eine physikalische Theorie, welche die bekannten Elementarteilchen und Wechselwirkungen zwischen diesen beschreibt. Das Konzept gliedert sich grob in 2 Bereiche, mit dessen Hilfe die Materie beschrieben werden kann. Auf der einen Seite gibt es Teilchen, auf der anderen Kräfte. Familie Fermionen El. Ladung Farbe Spin 1 2 3 Leptonen e νe μ νμ τ ντ -1 0 - 1/2 Quarks u d c s t b +2/3 -1/3 r,g,b 1/2 WW Feldquant Reichweite elektrische Masse relative Ladung koppelt an Spin (GeV/c2) Stärke (e) elektromagnetisch Photon ∞ 0 0 elektrische Ladung stark Gluon ∞ (1015m) 0 0 Farbladung 1 ±1, 0 schwache Ladung 1 10-5 0 Masse 2 10-38 schwach W±-Z0Bosonen (10-18m) 80,3 (W±) 91,2 (Z0) Gravitation ?Graviton? ∞ 0 1 1/137 1 Nach der Standardmodell - Theorie sind die Fermionen mit halbzahligem Spin ½ die Teilchen der Materiefelder und die Bosonen (Feldquanten) mit ganzzahligem Spin 1 die Quanten der Wechselwirkungsfelder. Fermionen Das Standardmodell besagt, das alle Materie aus 12 Fermionen besteht, die sich in 6 Quarks und 6 Leptonen einteilen lassen. Quarks und Leptonen lassen sich nicht weiter unterteilen. Jedem Quark und jedem Lepton kann eine Ruhemasse in Elektronenvolt (eV), eine elektrische Ladung in Teilen des elektrischen Elementarquantums (e) und ein halbzahliger Spin zugeordnet werden. Die sechs Quarks sind das up- und down-, charm- und strange-, top- und bottom- Quark mit jeweils drei Farben (flavours) und einer Ladung von +2/3 e oder -1/3 e. Zu den Leptonen zählen die Elektronen, Myonen und Tauonen mit der elektrischen Ladung (e-), sowie die zugehörigen (nahezu) masselosen neutralen Neutrinos. Wechselwirkungen zwischen den Elementarteilchen Es gibt 4 physikalische Grundkräfte = Wechselwirkungen, die die elementaren Bausteine der Welt zusammenhalten. Die Wechselwirkungen sind • • • • die starke Wechselwirkung, die schwache Wechselwirkung, die elektromagnetische Wechselwirkung und die Gravitationskraft. Die Wechselwirkungen werden durch Bosonen = Quanten der Wechselwirkungsfelder übertragen: • • • • Gluonen für die starke Wechselwirkung, Photonen für die elektromagnetische Wechselwirkung, W- und Z-Bosonen für die schwache Wechselwirkung und Gravitonen für die Gravitationskraft Quarks unterliegen der starken, schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung. Leptonen unterliegen der schwachen und der elektromagnetischen Wechselwirkung. Die starke Wechselwirkung hält • • die Quarks in einem Proton oder Neutron und die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammen. Die schwache Wechselwirkung bewirkt • • die Umwandlung eines Quarks in ein anderes und damit die Umwandlung eines Protons in ein Neutron und vice versa. Die elektromagnetische Wechselwirkung bindet die Elektronen im Atom an den Atomkern. Die Gravitationskraft wirkt als bestimmende Kraft zwischen Massen über große Entfernungen, wird im Standardmodell aber nicht berücksichtigt! III. Schlüsselexperimente: Die Entdeckung von Charmonium (J/ψ) Das J/ ψ-Teilchen wurde im November 1974 fast gleichzeitig von zwei Arbeitsgruppen entdeckt. Burton Richter und Samuel Ting, beide leiteten unabhängige Experimente, verkündeten am selben Tag die Entdeckung des gleichen neuen Teilchens. Ting und seine Gruppe in Brookhaven nannten das Teilchen das " J-Teilchen", Richter und seine Gruppe am SLAC in Stanford nannten es " ψ ". Da die Entdeckungen völlig gleichwertig waren, wurde das Teilchen J/ ψ genannt. Das J/ ψ -Teilchen ist ein charm/AnticharmMeson (das sogenannte Charmonium ). Dies markiert die experimentelle Entdeckung des c-Quarks. In Stanford hatte man am SLAC über eine e+e- -Kollision mit Schwerpunktsenergien bis zu 8 GeV den Charm-Anticharm Zustand gefunden. Zur Teilchenidentifikation wurde der Mark I –Detektor verwendet, der einen Raumwinkel von 65% abdeckte. Die Reaktion lief über ein virtuelles Photon ab und es zeigte sich ein klarer Peak bei 3,1 GeV. e + + e − → J /ψ → Hadronen, e + + e − , μ + + μ − Zerfallsrate des J/ψ: Hadronen: 88% Elektronen: 6% Myonen: 6% Am Brookhaven National Laboratory schoss man Protonen auf ein Beryllium Target bei maximalen Energien von 30 GeV. Der Detektor (ein double arm spectrometer) war dafür ausgelegt e+e- Ereignisse herauszufiltern. Übrig blieb wieder ein klarer Peak im Wirkungsquerschnitt bei einer Energie von 3,1GeV. p + Be → J /ψ (+ X ) → e + + e − (+ X ) Ergebnisse: • • • Deutliche Resonanzen bei 3,097 GeV (J/ψ) Sehr geringe Zerfallsbreiten Damit verbunden: Hohe Lebensdauer des Zustands IV. Quarkonia Quarkonia sind gebundenen Zustände aus einem schweren Quark und dem dazugehörigen Antiquark qq → Mesonen ohne elektrische Ladung. Dazu gehört das Charmonium cc , Bottonium bb und das hypothetische Toponium tt .Das letzt genannte ist aber aufgrund seiner hohen Masse extrem kurzlebig und existiert nicht. Da es sich also um ein Teilchen-Antiteilchen-System handelt, lässt es sich gut mit dem bekannten Positronium vergleichen, welches aus einem Elektron und einem Positron zusammengesetzt ist. Dazu schaut man sich die Energieniveauschemata an. Man sieht eine große Ähnlichkeit bei n=1 und n=2 wenn man die Energieskala von Positronium um Faktor 108 streckt, sowie eine gestrichelte Linie die den Zerfall von Charmonium in zwei D-Mesonen bzw. Dissoziation von Positronium anzeigt. Da die relative Lage der Energiezustände vom Potential bestimmt wird, sollte das Potential der starken-WW, zumindest für kleine Abstände, ähnlich wie bei der EM-WW Coulomb-artig sein. Da Quarks aber keine freien Teilchen sind, sollte das Potential bei großen Abständen aber zunehmen. Für das Potential eines schweren Quark-Antiquark-Systems wählt man nun folgenden Ansatz: Bei sehr kleinen Abständen ist die Kopplung schwach (asymptotische Freiheit),so dass man die Quarks als quasi-frei ansehen kann. Bei großen Abständen existieren allerdings keine freien Quarks, da für ihre Trennung ∞ viel Energie nötig wäre. Um die lange Lebensdauer des J/ψ -Teilchens zu erklären (J/ψ lebt 1000-mal länger als vergleichbare Resonanzen), muss man die möglichen Zerfälle des Charmonium betrachten. Der wahrscheinlichste Zerfall geschieht über die Anlagerung eines oder mehrerer Quark-Antiquark-Paare aus dem Vakuum unter Bildung von leichteren Mesonen (Zweig Regel). Dieser Prozess ist aber erst ab einer bestimmten Energieschwelle möglich. Unter dieser Mesonenschwelle (siehe Energieniveauschema) ist er aus energetischen Gründen verboten da 2mD > mJ/ψ wegen mD=1,86GeV → erst ab ψ(3770)= ψ(13D1) Darunter zerfallen die Charmoniumzustände über andere Zerfallskanäle. Die wichtigsten sind hier der Zerfall über 3 Gluonen zu Hadronen und der Zerfall über virtuelle Photonen zu Hadronen oder Leptonen (Annihilation). Im Vergleich zu dem starken Zerfall laufen diese Zerfälle aber wesentlich langsamer ab, wodurch sich die verhältnismäßig lange Lebensdauer des J/ψ und seinen ersten angeregten Zuständen erklären lässt. Auch das im Jahre 1977 entdeckte Bottonium mit einer Masse von 9,46GeV und einer ebenfalls gering Zerfallsbreite lässt sich analog zum Charmonium analysieren.