Atem w Teil 2 Wann ein Antibiotikum nötig ist Der Einsatz von Antibiotika muss stark reduziert und auf die unausweichlichen Indikationen beschränkt werden. Nur so können wir uns diese wertvolle Hilfe noch einige Zeit erhalten. Ziele einer Therapie bei Atemwegsinfekten sollten sein: Bei Patienten mit gesunden Atemwegen: ▪▪ Restitutio ad integrum ▪▪ Verhindern einer Chronifizierung Bei Patienten mit einer chronischen Atemwegs­erkrankung: ▪▪ Schadensbegrenzung der Gewebedestruktion ▪▪ Reduktion der Geschwindigkeit der Progredienz ▪▪ Schnelle Besserung der Lebensqualität Wir müssen die Notwendigkeit für eine Antibiotikatherapie bei den verschiedenen Krankheitsbildern kritisch und unterschiedlich bewerten. Mittlerweile gibt es zahlreiche Untersuchungen, die eindrucksvoll belegt haben, dass in vielen Fällen eine Antibiotikatherapie bei der einfachen bakteriellen Bronchitis für den Patienten kei- 42 nen Zusatznutzen bringt und er somit eher unter den durch das Antibiotikum hervorgerufenen Problemen zu leiden hat, als von den Vorzügen zu profitieren. Eigene Erfahrungen ohne Antibiotikum: ▪▪ 1. Tag: Beginn mit Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen und allgemeiner Abgeschlagenheit ▪▪ Innerhalb 1 Woche zunehmende Besserung der Beschwerden ▪▪ Am Ende der 2. Woche zunehmender Hustenreiz mit zunehmender Menge an grünem Auswurf und beginnendem Nachtschweiß sowie Kopfschmerzen mit Höhepunkt am 16. und 17. Tag. Danach Abnahme von Hustenattacken mit nur noch kleinen grünen Sputumanteilen in klarem Schleim. Das heißt: Im Anschluss an einen Virusinfekt Entwicklung einer sekundären bakteDer Hausarzt 03/2016 Foto: Stillfx - Fotolia Dr. med. Thomas Hausen Arzt für Allgemeinund Sportmedizin, Essen ­ E-Mail: th.hausen@ t-online.de wege Hausarzt Medizin Illustration: Palsur - Fotolia Soll eine Erregersuche vorgenommen werden? Eine bakteriologische Untersuchung von Sputum sollte nur in seltenen Ausnahmefällen erfolgen. Häufig gibt das Ergebnis nicht den Verursacher preis. Bei zu langem Transport zum Labor (max. 4 Std.) ist ist es wahrscheinlich, dass die verantwortlichen Keime abgestorben, sind z. B. H. influenzae, oder das Keimspektrum ist überwuchert. Es droht die Anzucht falscher Erreger und eine daraus resultierend falsche Therapie. Der Hausarzt 03/2016 SERVICE Für Ihre Patienten gibt es das Merkblatt „Infektion der Atemwege – was Sie wissen sollten“ als pdf unter www. medizinundmedien.eu/ Patienteninfo zum Download. 36,5 Frankreich 32,4 Penicillin 60,0 50,0 40,0 30,0 30,0 20,0 20,0 10,0 10,0 0,0 0,0 Resistenz (%) Makrolid Spanien Portugal Belgien Italien Irland Großbritannien Österreich Deutsch­land Für die meisten Krankheiten kennen wir­­ die potenziellen Erreger und können eine notwendige Therapie ohne Zeitverzögerung und gleichzeitig mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit beginnen (empirische TheIndikationen rapie). Eine bakteriologische Untersuchung macht, Die Indikation für eine Antibiotikatherapie wenn überhaupt, nur einen Sinn, wenn bei der bakteriellen Bronchitis sollte abhängig gemacht werden von Alter und All▪▪ die Probe das Labor schnell erreichen kann, gemeinzustand des Patienten. Sie sollte bei ▪▪ sie therapiebegleitend mit der o. g. gejungen, gesunden Patienten zurückhaltenmachten Einschränkung zur Bestätigung der begonnenen Therapie der und mit zunehmendem erfolgt, Alter und schlechterem GeBei der einfachen ▪▪ eine schwere Infektion samtzustand großzügiger ­bakteriellen Bronchitis vorliegt und/oder der Pagestellt werden. bringt eine AntibiotikaJede Exazerbation einer tient unter Immunsuptherapie in vielen Fällen für den Patienten keiCOPD führt zu bleibenpression steht, nen Zusatznutzen. ▪▪ der Verdacht auf Legioden Schäden, d. h. zu einem Verlust an Lungenfunktinellen vorliegt, ▪▪ der Verdacht auf Tuberon. Schwere Exazerbationen sind mit einer erhöhkulose vorliegt oder ▪▪ eine begonnene Therapie erfolglos geblieten Mortalität verbunden. Auch wenn nur bei einem Teil der Patienten Bakterien als ben ist (selbst in diesem Fall ist der WechVerursacher gefunden werden können, kann sel auf ein Antibiotikum ausreichend, das hier die Indikation großzügiger gestellt werdie Wirklücken des ersten Antibiotikums berücksichtigt). den. Das Aussehen des Sputums (grün) und der CRP-Wert können bei der Entscheidung hilfreich sein. Abb. 1: Antibiotika-Einsatz und Resistenzen Eine ambulant erworbene Pneumonie ruft Resistenzen: nach einer gezielten Antibiotikatherapie. Trotz der heutigen guten Behandlungsmög13,6 13,8 18,0 18,3 24,0 26,7 28,9 60,0 lichkeiten liegt die Mortalitätsrate immer noch bei 1 – 5 % bei ambulant behandel50,0 ten Patienten und steigt auf bis zu 25 % bei Pa­tienten, die stationär behandelt werden 40,0 müssen. Def. Tagesdosen / 1.000 Einwohner und Tag riellen (?) Bronchitis, die mit einem Antibiotikum sicher keinen leichteren Verlauf genommen hätte! Quellen: Cars O et al. Lancet 2001;357:1851-1853; www.protekt.org Wie ist die aktuelle Resistenz­lage? In den letzten Jahrzehnten hat sich die Resistenzlage weltweit dramatisch verschlechtert. Nachweislich nehmen die Resistenzen in Abhängigkeit vom übertrie43 Hausarzt Medizin benen Einsatz von Antibiotika zu (Abb. 1). Die Situation in Deutschland ist im europäischen Vergleich noch relativ gut, weil weniger Antibiotika verordnet werden. Trotzdem lassen sich auch in Deutschland Antibiotika einsparen. Jeder Therapeut muss über die Resistenzen in Europa, Deutschland und speziell in seiner Region (Einsendelabor) informiert sein. Abb. 2: Häufigste Pneumonieerreger Streptococcus pneumoniae Haemophilus influenzae Mycoplasma pneumoniae Influenza-A-Viren Staphylococcus aureus Escherichia coli Legionella sp. Klebsiella pneumoniae Bei den verschiedenen Infektionen der Atemwege finden wir immer wieder typische Erreger, so dass eine Therapie, auf diese „Wahrscheinlichkeit“ abgestimmt, in der Regel erfolgreich sein wird. Für die spätere Therapieentscheidung ist es unerlässlich, den Patienten auch nach einem eventuellen Auslandsaufenthalt zu fragen, und die Wahl der Substanz auf die dort herrschenden Resistenzen abzustimmen. Die häufigsten Erreger sind bei fast allen bakteriellen Infektionen der Atemwege, vor allem der Pneumonie, nach wie vor die Pneumokokken, weit abgeschlagen gefolgt von Haemophilus influenzae und Mycoplasma pneumo­niae (Abb. 2). Erreger wie Staphylococcus aureus, Escherichia coli, Klebsiellae pneumo­niae oder gar Legionellen sind selten und können primär bei den Überlegungen vernachlässigt werden. Lungenfunktion prüfen Eine Sonderstellung nehmen die ­eitrige Angina und die akute Exazerbation der COPD ein. Die eitrige Angina wird praktisch immer durch A-Streptokokken ausgelöst. Bei der akuten Exazerbation der COPD gibt uns die Lungenfunktion eine hervorragende Möglichkeit, die auslösenden Erreger mit ziemlicher Sicherheit zu bestimmen. Das Erregerspektrum än44 Chlamydophila pneumoniae Respiratorisches Synzytialvirus Enteroviren 0 10 20 30 40 Prozent Quelle: Pletz M et al. Dtsch Med Wochenschr 2011;136:775-780 Abb. 3: Lungenfunktion und Erreger 70 ■ S. pneumoniae und grampos. Kokken ■ H. influenzae / M. catarrhalis ■ Enterobacteriaceae / Pseudomonas spp. 63 60 50 47 40 40 30 30 23 33 27 23 20 13 10 0 COPD Stadium 1 FEV1 ≥ 50% Soll COPD Stadium 2 FEV1 > 35 – 50 % COPD Stadium 3 FEV1 ≤ 35% Quelle: Eller J. et al. Chest 1998;113:1542-1548 dert sich interessanterweise mit der Lungenfunktion. Je schlechter diese ist, desto eher müssen wir mit gramnegativen Keimen rechnen (Abb. 3). Der Erfolg der Behandlung kann mithilfe einer Lungenfunktionsuntersuchung und einer darauf abgestimmten Therapie gesteigert werden. Atemwegsinfektionen Teil 3: Welches Antibiotikum ist nun das Richtige? Eine Aufstellung der wichtigsten Antibiotika sowie eine kritische Betrachtung zur Verordnung finden Sie in der letzten Folge in Der Hausarzt 5/2016. Literatur unter www.medizinundmedien.eu. Mögliche Interessenkonflikte: Beratertätigkeit, Vorträge und Artikel für die Firmen Aerocrine, Bayer, Boehringer Ingelheim, Mundipharma und Novartis. Der Hausarzt 03/2016 Foto: DR GARY GAUGLER/SCIENCE PHOTO LIBRARY / Agentur Focus Mit welchen Erregern ist zu rechnen?