2. PROFESSUR FÜR AGRARSYSTEMTECHNIK Agrartechnik unter

Werbung
Hans Eisenmann-Zentrum
2. PROFESSUR FÜR AGRARSYSTEMTECHNIK
Department Ingenieurwissenschaften für Lebensmittel und biogene Rohstoffe
Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU München
Agrartechnik unter Strom und Spannung
Bernhardt, H. und Heckmann, M.
Das Schlagwort Elektromobilität wird derzeit
intensiv von Politik und Industrie als neuer Megatrend diskutiert. Durch die Nutzung der elektrischen Energieübertragung im Fahrzeugantrieb
sollen CO2 Emissionen reduziert und die gesellschaftliche Mobilität auf regenerative Energiequellen umgestellt werden. Auch wird die Elektromobilität als Möglichkeit gesehen das Energiemanagement durch die mobilen Energiespeicher zu verbessern.
Elektrische Antriebe in mobiler Agrartechnik
sind seit der Agritechnica 2007 auch in der
landwirtschaftlichen Diskussion. Durch den von
John Deere angebotenen integrierten Kurbelwellengenerator im 7030 E Premium wird elektrische Energie als zusätzliche Antriebsform
neben Zapfwelle, Ölhydraulik und Pneumatik
zur Verfügung gestellt. Auch wenn die elektrische Energie im Traktor derzeit hauptsächlich
für interne Verbraucher genutzt wird und extern
eigentlich nur die Rolle eines Notstromaggregates übernimmt, wurde doch ein deutliches Interesse in der Agrarbranche geweckt. Dies zeigt
sich auch in dem gleichzeitig von Rauch vorgestellten Düngerstreuer mit elektrischem Antrieb.
Aus dieser Entwicklung heraus stellt sich die
Frage: Warum nun elektrische Energie als zusätzliche Antriebsform in der Landwirtschaft?
Wenn man hierzu die Entwicklung der Landtechnik betrachtet ergibt sich, dass es immer
wieder Ansätze gab elektrische Energie zu nutzen. Um 1920 wurden in Deutschland Seilzugpflüge mit elektrischen Antrieben angeboten;
auch in der UdSSR wurde mit elektrisch angetriebenen Traktoren experimentiert. Das Problem bei diesen Ansätzen war, dass die elektrische Leistung per Kabel zu den Maschinen
geführt wurde, was sich auf Dauer als nicht
praktikabel erwies. Auch der 1954 von IHC
entwickelte Traktor mit einem vom Dieselmotor
angetrieben 10 kW Generator, der zum Antrieb
von Anbaugeräten genutzt wurde, konnte sich
auf Grund der schlechten Regelbarkeit des
Antriebs nicht durchsetzen.
Erst durch die Weiterentwicklung im Bereich
der Leistungselektronik ist es nun möglich entsprechende landwirtschaftliche Systeme zu
entwickeln. Durch die Leistungselektronik wird
vor allem die Umformung elektrischer Energie
24
ermöglicht, insbesondere in Bezug auf Spannungsform, Höhe von Spannung und Strom
sowie Frequenz. Somit lassen sich die Betriebspunkte von elektrischen Maschinen sehr
flexibel einstellen, verbunden mit einem sehr
hohen Wirkungsgrad.
Wie erfolgt nun die Bereitstellung der elektrischen Energie und welche technischen Systeme sind zusätzlich notwendig? In der Automobilindustrie wird derzeit viel diskutiert über Hybridantriebssysteme aus Verbrennungsmotor
und Batterien oder reine batteriegetriebene
Systeme. In der Agrartechnik zeichnet sich ab,
dass diese Ansätze für die Landwirtschaft momentan eher nicht nutzfähig sind. Nur für Hoftraktoren oder Sonderanwendungen sind Batterielösungen denkbar. Für die Mehrzahl der
Fahrzeuge ist ein dieselelektrischer Antrieb
vorstellbar, da hiermit die Antriebsleistung und
der –umfang, wie er in der Landwirtschaft gefordert wird, gewährleistet werden kann. Batteriesysteme, die z. B. den 12 Stunden Feldeinsatz eines Feldhäckslers ermöglichen, sind
derzeit ökonomisch nicht umsetzbar. Außerdem
sind sie auch wegen ihres hohen Gewichtes
und der derzeit schon bestehenden Gewichtsproblematik vieler Landmaschinen technisch
nicht umzusetzen.
Die Spezifikation der Schnittstelle für Leistung
und Information ist ein zentraler Aspekt bei der
Umsetzung elektrischer Antriebssysteme für die
Landwirtschaft. Die maschinenübergreifende
Kommunikation zwischen verschiedenen Antrieben und der Steuerung muss einheitlich
geregelt werden. Hierbei ist zum einen der
Spannungsbereich des Bordnetzes ein entscheidender Punkt. Derzeit wird diskutiert, ob
beispielsweise das Spannungsniveau in der
Automobiltechnik von 300 V bis 400 V oder der
Bahntechnik größer 1000 V geeignet ist, um
von den Entwicklungen und Stückzahlen dieser
Sektoren zu partizipieren. Nach derzeitigen
Einschätzungen wird die Spannung des Hochvolt-Bordnetzes zwischen 500 V und 800 V
liegen, was einem Optimum aus Kosten und
technischer Ausrüstung entspricht. Bei der Art
der Spannung (Gleichspannung oder geregelte
Wechselspannung mit fester oder variabler
Frequenz) zeigen sich bei den derzeitigen Ver-
II. Schwerpunktthemen
Hans Eisenmann-Zentrum
suchsmaschinen unterschiedliche Ansätze.
Außerdem muss der Anschluss des Systems an
dem ISO-Bus-System definiert werden, um die
Möglichkeiten der Steuerung und Regelung
auch nutzen zu können und nicht noch ein weiteres Informationssystem auf der Maschine
aufzubauen.
Bei dem angestrebten Leistungsniveau ist es
teilweise nicht mehr möglich alleine über Luftkühlung zu arbeiten. Es ist notwendig, zusätzliche Kühlsysteme für Motoren, Leitungen und
Leistungselektronik zu integrieren. Die Entwicklung schwankt hier zwischen Wasser und Öl als
Kühlmedium. Dabei hat Wasser zwar eine etwas schlechtere Kühlwirkung dafür aber eine
bessere Umweltbilanz als die eingesetzten Öle.
Welche Vorteile und Einsatzgebiete ergeben
sich nun für die Landwirtschaft? Die bereits
vorgestellten Einsatzbereiche im Traktor (drehzahlunabhängige Steuerung von Nebenverbrauchern, wie z. B. Kühler, Wasserpumpe
und Klimaanlage) ermöglichen es, diese unabhängig von der aktuellen Motordrehzahl zu
regeln und dem aktuellen Verbrauch anzupassen. Dies führt zur Einsparung von Kraftstoff.
Ein weiterer Aspekt, der von Belarus auf der
Agritechnica 2009 vorgestellt wurde, ist die
drehzahlunabhängige Zapfwelle. Hierbei wird
die Frontzapfwelle über eine Generator-MotorKombination angetrieben. Die der elektrischen
Antriebsmaschine zur Verfügung gestellte
Drehzahl-Drehmoment-Kombination ist dadurch unabhängig vom aktuellen Dieselmotorzustand. Dies ermöglicht zusammen mit dem
Getriebemanagement den Motor am Kennwertoptimum zu halten und dadurch optimale
Verbrauchswerte zu erzielen.
Bei selbstfahrenden Arbeitsmaschinen sind die
Vorteile und Einsatzmöglichkeiten durch Elektroantriebe noch vielseitiger. Hier sind sehr viele
Verbraucher mit unterschiedlichem Leistungsbedarf vorhanden. Bei einem Zuckerrübenroder
z. B. geht man von 50 bis 60 Antrieben aus, die
sich für eine Elektrifizierung eignen. Derzeit
werden diese Antriebe über Hydrauliksysteme
versorgt.
Zur Analyse der Potentiale bei großen Erntemaschinen wird am Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik der TUM eine Versuchsreihe bei selbstfahrenden Feldhäckslern durchgeführt (Abb. 1).
Im ersten Projektschritt wurde einer der beiden
Motoren der Maschine mit einem E-Generator
und der benötigten Leistungselektronik ausgerüstet (Abb. 2).
Diese Einheit wird zum elektrischen Antrieb des
Häckslervorsatz und -einzug genutzt. Das Ziel
des Vorhabens ist es keine mechanische Leistungsverzweigung im Häckslervorsatz mehr zu
II. Schwerpunktthemen
nutzen und einen stufenlosen Antrieb beim
Häckseltrommeleinzug ohne Zusatzgetriebe zu
verwirklichen (Abb. 3).
Abb.1: E-Häcksler beim Einsatz
Abb. 2: Elektrogenerator und Leistungselektronik
Abb. 3: Elektromotor im Häckslervorsatz
Die Ergebnisse in der Untersuchung von
Dr. Gallmeier zeigen dabei deutliche Vorteile für
die dieselelektrische Antriebstechnik. Der elektrische Antrieb weist im Durchschnitt des Betriebskennfeldes einen um 16% besseren Wirkungsgrad als der hydraulische Antrieb auf
(Abb. 4). Die Spanne reicht dabei von 13,5%
25
Hans Eisenmann-Zentrum
bis 30%. Der Energieeffizienzvorteil bei typischen Einsatzzyklen liegt zwischen 14% und
20%.
Abb. 4: Schaltplan Elektrifizierung Feldhäcksler
Es zeigen sich aber auch noch einige Entwicklungsnachteile, die die elektrischen Antriebe
zurzeit noch haben. So liegt das Leistungsgewicht des Gesamttriebstrangs in kg/kW gegenüber der hydraulischen Komponente um 22%
niedriger. Auch die Leistungsdichte ist derzeit
noch um Faktor 3,9 schlechter. Bei der ökonomischen Analyse der beiden Verfahren zeigt
sich aber, dass sich die elektrischen Antriebe
bereits jetzt trotz der noch hohen Anschaffungskosten nach der vollen Maschinennutzungszeit amortisieren.
Im derzeit laufenden zweiten Projektschritt wird
das
Energiemanagement
bei
mehreren
Verbrauchern untersucht. Als weiterer Verbraucher wird dabei das Antriebssystem der Hinterachse integriert. Ein Ziel ist es hierbei ein Energiemanagementsystem in der Maschine zu
entwickeln, das mehrere Verbraucher ihrem
aktuellen Bedarf und der aktuellen Einsatznotwendigkeit nach mit elektrischer Energie versorgt. Außerdem soll eine die Fahrsystematik
analysierende Differentialsteuerung entwickelt
werden.
Wie diese aktuellen Untersuchungen zeigen,
können E-Motoren verschiedene Vorteile bieten. Die Regelung des E-Motors ist einfacher,
da Informationen über Drehzahl und Drehmoment ohne zusätzliche Sensoren im System
vorliegen. Der E-Motor erreicht bereits beim
Anfahren aus dem Stillstand und geringer Drehzahl sein volles Drehmoment, wodurch er anders ausgelegt werden kann als der Hydraulikmotor, da dieser im Teillastbereich erhebliche
Leistungsverluste aufweisen kann. Ein ökologischer Vorteil der Elektrifizierung ist die Verdrängung von Hydrauliköl aus der Maschine. Dadurch kann es beim Kuppeln oder durch Leitungsbruch nicht mehr zu Verlusten kommen.
26
Ein Problem der E-Systeme ist wie die Untersuchungen auch zeigen die derzeit noch geringere Leistung pro Gewichtseinheit, wodurch die
Maschine bei einem 1 zu 1 Umbau von Hydraulik zu Elektrik schwerer werden würde. Dies
muss durch konstruktive Lösungen, wie z. B.
die Überarbeitung des gesamten Antriebsstranges ausgeglichen werden. Für den Agrartechnikservice bedeutet die Elektrifizierung,
ähnlich wie schon die Einführung von Hydraulik
oder Elektronik, die notwendige Weiterqualifizierung der Mitarbeiter im Bereich Hochvoltsysteme.
Weitere Möglichkeiten, die sich durch eine
Elektrifizierung ergeben, lassen sich an einer
Metaanalyse zur Häckseltrommel des vom
Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik untersuchten
Feldhäckslers erläutern, die auf einer Studie der
TU Dresden zur elektrischen Mähdreschertrommel basieren. In das Zentralrohr der Häckseltrommel kann ein luftgekühlter E-Motor eingebaut werden, da hier eine ausreichende Kühlung gegeben ist. Dadurch währe eine deutlich
einfachere und schnellere Drehzahlregelung
möglich. Es kann jede Drehzahl zwischen 1 und
1000 Umdrehungen pro Minute kurzfristig angewählt werden. Somit ist durch die im System
integrierte Erfassung von Drehzahl und Drehmoment eine sehr gute Regelung der Häcksellänge des Silagegutes möglich. Außerdem sind
der kurzfristige Stopp und die Reversierung der
Drehrichtung über den gesamten Drehzahlbereich innerhalb von wenigen Sekunden durchführbar. Somit kann der derzeit hohe technische Aufwand für ein Notstoppsystem deutlich
reduziert werden. Durch den Wegfall des seitlich angeordneten mechanischen Antriebsstranges kann die Häckseltrommel breiter gebaut oder anders platziert werden ohne die
Maschinenaußenbreite zu verändern.
Auch bei angebauten Arbeitsmaschinen zeichnen sich ähnliche Vorteile wie bei selbstfahrenden Arbeitsmaschinen ab. Hier werden neue
Antriebsstrategien mit kleinen Elektromotoren
und einer besseren Steuerung und Regelung
diskutiert. Zukünftige Möglichkeiten können
hier aktiv angetriebene Rollschare an Sämaschinen oder angetriebene Einzelwerkzeuge in
der Bodenbearbeitung sein.
Die Elektrifizierung im Agrarbereich wird sich
als zusätzliche Antriebsalternative durchsetzen.
Die Auswirkungen auf Maschinenkonstruktion,
Dateninformationssysteme und Prozessstruktur
sind in ihrer Gänze noch nicht abzuschätzen
und bieten ein weites Forschungsspektrum.
II. Schwerpunktthemen
Herunterladen