Thieme: Medizinische Mikrobiologie

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4
Allgemeine Bakteriologie
F. H. Kayser, E. C. Böttger
4.1
4
Morphologie und Feinstruktur der Bakterien
Bakterienzellen sind zwischen 0,3–5 μm klein. Drei Grundformen kommen vor:
Kokken, gerade Stäbchen und einfach oder spiralig gekrümmte Stäbchen. Das
Nukleoid besteht aus einem nicht von einer Membran umgebenen, zirkulären
DNA-Molekülfaden. Nichtessenzielle genetische Strukturen sind die Plasmide. In
die Zytoplasmamembran sind zahlreiche Proteine wie Permeasen, Zellwandsynthese-Enzyme, Sensorproteine, Proteine von Sekretionssystemen und, bei aeroben
Bakterien, Enzyme der Atmungskette eingelagert. Auf die Membran folgt die Zellwand, deren wichtigstes Bauelement das als Stützkorsett funktionierende Murein
ist. Bei gramnegativen Bakterien findet sich als Bestandteil dieser Wand eine mit Poren
durchsetzte äußere Membran, in die außen das für die Pathogenese gramnegativer
Infektionen wichtige Lipopolysaccharid eingebaut ist. Die Zellwand der grampositiven
Bakterien weist keine äußere Membran auf. Ihr Murein ist dicker und sie enthält (Lipo-)
Teichonsäuren sowie wandassoziierte Proteine, die in der Pathogenese grampositiver
Infektionen eine Rolle spielen. Viele Bakterien besitzen eine aus Polysacchariden aufgebaute Kapsel, die sie vor der Phagozytose schützt. Adhärenz an Wirtszellen wird
durch Haftfimbrien/-pili ermöglicht. Bewegliche Bakterien besitzen Geißeln. Fremdkörper-assoziierte Infektionen werden durch Bakterien hervorgerufen, die sich an
inerte Oberflächen anheften und einen Biofilm ausbilden können. Einige Bakterien
bilden Sporen, die hohe Resistenz gegenüber chemischen und physikalischen Noxen
aufweisen.
4.1.1
Form der Bakterien
Bakterien unterscheiden sich von anderen einzelligen Mikroorganismen durch ihren Zellaufbau und ihre Größe. Diese variiert von 0,3–5 μm. Für die optische Darstellung müssen 500- bis 1000fache Vergrößerungen eingesetzt werden, die gerade noch im Bereich der mit dem Lichtmikroskop zu erzielenden Vergrößerung
und des Auflösungsvermögens liegen. Objekte in der Größenordnung der Bakterien sind jedoch wenig kontrastreich. Optische Methoden zur Steigerung des Kontrastes sind die Phasenkontrast- und die Dunkelfeldmikroskopie. Beide erlauben
Lebendbeobachtung von Zellen. Chemische Verfahren stellen die Färbungen
dar, bei denen die Bakterien abgetötet werden.
aus: Kayser, Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783134448122) f 2010 Georg Thieme Verlag
4.1 Morphologie und Feinstruktur der Bakterien
163
Tabelle 4.1 Morphologische Charakteristika von Bakterien (Beispiele s. Abb. 4.1)
Bakterienformen
Bemerkungen
Kokken
Lagerung in Haufen (Abb. 4.2), Trauben, Ketten, Pärchen
(Diplo)
Gerade Stäbchen
gleichmäßig dick, abgerundete Enden (Abb. 4.3), zugespitzte Enden, Keulenformen
Gekrümmte Stäbchen
einfache, spiralige (Abb. 4.4) oder schraubenförmige
Krümmung
Mykoplasmen
Bakterien ohne starre Zellwand: kokkoide Zellen, lange
Fäden
Chlamydien
zwei Formen: kugelige/ovale Elementarkörper (300 nm);
kugelige/ovale Initialkörper (1000 nm)
Rickettsien
kurze, kokkoide Stäbchen (0,3-1 μm)
&
&
Einfachfärbungen. Dabei wird ein einziger Farbstoff, z. B. Methylenblau, verwendet.
Differenzierungsfärbungen. Dabei wird mit 2 Farbstoffen gefärbt, die unterschiedliche Affinität zu verschiedenen Bakterien aufweisen. Die wichtigste
Differenzierungsfärbung ist die Gram-Färbung. Grampositive Bakterien sind
blauviolett angefärbt, gramnegative rot (Methodik s. S. 27).
Drei Grundformen werden bei Bakterien gefunden: die Kugel, das gerade Stäbchen
und das gekrümmte Stäbchen (s. Abb. 4.1–Abb. 4.4).
4.1.2
Feinstrukturen der Bakterien
Die prinzipiellen Unterschiede zwischen Prokaryonten und Eukaryonten sind in
Tab. 1.2, S. 6 zusammengefasst.
Nukleoid (Kernäquivalent) und Plasmide
Bei Prokaryonten besteht der „Zellkern“ aus im Zytoplasma lokalisierter, nicht von
einer Membran umgebener, stark verknäuelter Doppelstrang-DNA (Abb. 4.5).
Diese besteht bei E. coli (wie bei den meisten Bakterien) aus einem einzigen zirkulären Molekül. Das Genom von E. coli ist aus 4,63 · 106 Basenpaaren (bp) zusammengesetzt, die für 4288 Proteine codieren. Die Sequenz des Genoms von
E. coli und von mehr als 1000 weiteren Bakterien ist heute bekannt.
Nichtessenzielle genetische Strukturen sind die Plasmide, sich autonom
vermehrende, 100- bis 1000-mal kleinere, zirkuläre, verdrillte DNA-Mole-
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13 a
b
c
d
e
14
Abb. 4.1 Morphologie von Bakterien.
1. Grampositive Kokken in Haufen oder Trauben (Staphylokokken)
2. Grampositive Kokken in gewundenen Ketten (Streptokokken)
3. Grampositive Kokken mit Kapsel (Pneumokokken)
4. Grampositive, keulenförmige, pleomorphe Stäbchen in charakteristischer Lagerung
(Korynebakterien)
5. Gramnegative Stäbchen mit zugespitzten Enden (Fusobakterien)
6. Gramnegative, einfach gekrümmte Stäbchen (Vibrionen)
7. Gramnegative, semmelförmige Diplokokken (Neisserien)
8. Gramnegative, gerade Stäbchen mit abgerundeten Enden (Kolibakterien)
9. Spiralig gekrümmte Stäbchen (Spirochäten, Leptospiren) und gramnegative, einfach gekrümmte Stäbchen (Helicobacter)
10. Peritriche Begeißelung
11. Lophotriche Begeißelung
12. Monotriche Begeißelung
13. Sporenbildende Zellen der Gattungen Bacillus und Clostridium (Sporenfärbung).
a) Sporenbildung zentral, ohne Auftreibung der vegetativen Zelle
b) Sporenbildung terminal, ohne Auftreibung
c) Sporenbildung terminal, mit Auftreibung (Tennisschläger)
d) Sporenbildung zentral, mit Auftreibung
e) Sporenbildung terminal, mit Auftreibung (Trommelschlegel)
14. Freie Sporen (Sporenfärbung)
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4.1 Morphologie und Feinstruktur der Bakterien
165
Abb. 4.2 Kokken sind kugelige
Bakterien. Wenn sie wie hier in
Haufen oder Trauben gelagert
sind, handelt es sich zumeist
um Staphylokokken (Raster-Elektronenmikroskopie).
5 μm
4
Abb. 4.3 Stäbchenbakterien.
Die hier gezeigten geraden Stäbchen mit abgerundeten Enden
sind Kolibakterien (Raster-Elektronenmikroskopie).
5 μm
Abb. 4.4 Spirochäten und Leptospiren, in diesem Fall Borrelia duttonii, sind spiralig gekrümmte Bakterien (Lichtmikroskopie, Giemsa-Färbung).
10 μm
küle (Abb. 4.6). Plasmide von humanpathogenen Bakterien weisen oft wichtige,
den Phänotyp der Trägerzelle bestimmende Gene auf (Resistenzgene, Virulenzgene).
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166 4 Allgemeine Bakteriologie
Abb. 4.5 Bakterien während der Zellteilung.
Das Nukleoid (Kernäquivalent) von Bakterien besteht aus einem verknäuelten, zirkulären DNAMolekül ohne Kernmembran. Transmissions-Elektronenmikroskopie von Staphylokokken.
1 μm
4
Abb. 4.6 Plasmide. a „Covalently closed circle“ (ccc) oder „supercoil“ oder „supertwist“. b „Open circle“ (oc). Diese offene Form ist ein Artefakt: Es kommt durch einen
Bruch („nick“) in einem Strang der DNA-Doppelhelix zustande (TEM).
Kernäquivalent
(Syn. Nukleoid)
Flagellen (Geißeln). Verankerung in der
Zellwand bei gramnegativen Bakterien.
Murein der
Zellwand
Kapsel
äußere
Membran
(nur bei gramnegativen
Bakterien)
Plasmid
Haftfimbrien
Haftpili
Zytoplasmamembran
70 S-Ribosomen
Depotstoffe
–Metaphosphate (Volutin)
–Glykogen (Granulose)
Abb. 4.7 Grundbauplan der Bakterien. Alle Bakterien sind nach demselben Grundbauplan aufgebaut (nicht maßstabgetreu).
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