162 4 Allgemeine Bakteriologie F. H. Kayser, E. C. Böttger 4.1 4 Morphologie und Feinstruktur der Bakterien Bakterienzellen sind zwischen 0,3–5 μm klein. Drei Grundformen kommen vor: Kokken, gerade Stäbchen und einfach oder spiralig gekrümmte Stäbchen. Das Nukleoid besteht aus einem nicht von einer Membran umgebenen, zirkulären DNA-Molekülfaden. Nichtessenzielle genetische Strukturen sind die Plasmide. In die Zytoplasmamembran sind zahlreiche Proteine wie Permeasen, Zellwandsynthese-Enzyme, Sensorproteine, Proteine von Sekretionssystemen und, bei aeroben Bakterien, Enzyme der Atmungskette eingelagert. Auf die Membran folgt die Zellwand, deren wichtigstes Bauelement das als Stützkorsett funktionierende Murein ist. Bei gramnegativen Bakterien findet sich als Bestandteil dieser Wand eine mit Poren durchsetzte äußere Membran, in die außen das für die Pathogenese gramnegativer Infektionen wichtige Lipopolysaccharid eingebaut ist. Die Zellwand der grampositiven Bakterien weist keine äußere Membran auf. Ihr Murein ist dicker und sie enthält (Lipo-) Teichonsäuren sowie wandassoziierte Proteine, die in der Pathogenese grampositiver Infektionen eine Rolle spielen. Viele Bakterien besitzen eine aus Polysacchariden aufgebaute Kapsel, die sie vor der Phagozytose schützt. Adhärenz an Wirtszellen wird durch Haftfimbrien/-pili ermöglicht. Bewegliche Bakterien besitzen Geißeln. Fremdkörper-assoziierte Infektionen werden durch Bakterien hervorgerufen, die sich an inerte Oberflächen anheften und einen Biofilm ausbilden können. Einige Bakterien bilden Sporen, die hohe Resistenz gegenüber chemischen und physikalischen Noxen aufweisen. 4.1.1 Form der Bakterien Bakterien unterscheiden sich von anderen einzelligen Mikroorganismen durch ihren Zellaufbau und ihre Größe. Diese variiert von 0,3–5 μm. Für die optische Darstellung müssen 500- bis 1000fache Vergrößerungen eingesetzt werden, die gerade noch im Bereich der mit dem Lichtmikroskop zu erzielenden Vergrößerung und des Auflösungsvermögens liegen. Objekte in der Größenordnung der Bakterien sind jedoch wenig kontrastreich. Optische Methoden zur Steigerung des Kontrastes sind die Phasenkontrast- und die Dunkelfeldmikroskopie. Beide erlauben Lebendbeobachtung von Zellen. Chemische Verfahren stellen die Färbungen dar, bei denen die Bakterien abgetötet werden. aus: Kayser, Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783134448122) f 2010 Georg Thieme Verlag 4.1 Morphologie und Feinstruktur der Bakterien 163 Tabelle 4.1 Morphologische Charakteristika von Bakterien (Beispiele s. Abb. 4.1) Bakterienformen Bemerkungen Kokken Lagerung in Haufen (Abb. 4.2), Trauben, Ketten, Pärchen (Diplo) Gerade Stäbchen gleichmäßig dick, abgerundete Enden (Abb. 4.3), zugespitzte Enden, Keulenformen Gekrümmte Stäbchen einfache, spiralige (Abb. 4.4) oder schraubenförmige Krümmung Mykoplasmen Bakterien ohne starre Zellwand: kokkoide Zellen, lange Fäden Chlamydien zwei Formen: kugelige/ovale Elementarkörper (300 nm); kugelige/ovale Initialkörper (1000 nm) Rickettsien kurze, kokkoide Stäbchen (0,3-1 μm) & & Einfachfärbungen. Dabei wird ein einziger Farbstoff, z. B. Methylenblau, verwendet. Differenzierungsfärbungen. Dabei wird mit 2 Farbstoffen gefärbt, die unterschiedliche Affinität zu verschiedenen Bakterien aufweisen. Die wichtigste Differenzierungsfärbung ist die Gram-Färbung. Grampositive Bakterien sind blauviolett angefärbt, gramnegative rot (Methodik s. S. 27). Drei Grundformen werden bei Bakterien gefunden: die Kugel, das gerade Stäbchen und das gekrümmte Stäbchen (s. Abb. 4.1–Abb. 4.4). 4.1.2 Feinstrukturen der Bakterien Die prinzipiellen Unterschiede zwischen Prokaryonten und Eukaryonten sind in Tab. 1.2, S. 6 zusammengefasst. Nukleoid (Kernäquivalent) und Plasmide Bei Prokaryonten besteht der „Zellkern“ aus im Zytoplasma lokalisierter, nicht von einer Membran umgebener, stark verknäuelter Doppelstrang-DNA (Abb. 4.5). Diese besteht bei E. coli (wie bei den meisten Bakterien) aus einem einzigen zirkulären Molekül. Das Genom von E. coli ist aus 4,63 · 106 Basenpaaren (bp) zusammengesetzt, die für 4288 Proteine codieren. Die Sequenz des Genoms von E. coli und von mehr als 1000 weiteren Bakterien ist heute bekannt. Nichtessenzielle genetische Strukturen sind die Plasmide, sich autonom vermehrende, 100- bis 1000-mal kleinere, zirkuläre, verdrillte DNA-Mole- aus: Kayser, Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783134448122) f 2010 Georg Thieme Verlag 4 164 4 Allgemeine Bakteriologie 4 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 a b c d e 14 Abb. 4.1 Morphologie von Bakterien. 1. Grampositive Kokken in Haufen oder Trauben (Staphylokokken) 2. Grampositive Kokken in gewundenen Ketten (Streptokokken) 3. Grampositive Kokken mit Kapsel (Pneumokokken) 4. Grampositive, keulenförmige, pleomorphe Stäbchen in charakteristischer Lagerung (Korynebakterien) 5. Gramnegative Stäbchen mit zugespitzten Enden (Fusobakterien) 6. Gramnegative, einfach gekrümmte Stäbchen (Vibrionen) 7. Gramnegative, semmelförmige Diplokokken (Neisserien) 8. Gramnegative, gerade Stäbchen mit abgerundeten Enden (Kolibakterien) 9. Spiralig gekrümmte Stäbchen (Spirochäten, Leptospiren) und gramnegative, einfach gekrümmte Stäbchen (Helicobacter) 10. Peritriche Begeißelung 11. Lophotriche Begeißelung 12. Monotriche Begeißelung 13. Sporenbildende Zellen der Gattungen Bacillus und Clostridium (Sporenfärbung). a) Sporenbildung zentral, ohne Auftreibung der vegetativen Zelle b) Sporenbildung terminal, ohne Auftreibung c) Sporenbildung terminal, mit Auftreibung (Tennisschläger) d) Sporenbildung zentral, mit Auftreibung e) Sporenbildung terminal, mit Auftreibung (Trommelschlegel) 14. Freie Sporen (Sporenfärbung) aus: Kayser, Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783134448122) f 2010 Georg Thieme Verlag 4.1 Morphologie und Feinstruktur der Bakterien 165 Abb. 4.2 Kokken sind kugelige Bakterien. Wenn sie wie hier in Haufen oder Trauben gelagert sind, handelt es sich zumeist um Staphylokokken (Raster-Elektronenmikroskopie). 5 μm 4 Abb. 4.3 Stäbchenbakterien. Die hier gezeigten geraden Stäbchen mit abgerundeten Enden sind Kolibakterien (Raster-Elektronenmikroskopie). 5 μm Abb. 4.4 Spirochäten und Leptospiren, in diesem Fall Borrelia duttonii, sind spiralig gekrümmte Bakterien (Lichtmikroskopie, Giemsa-Färbung). 10 μm küle (Abb. 4.6). Plasmide von humanpathogenen Bakterien weisen oft wichtige, den Phänotyp der Trägerzelle bestimmende Gene auf (Resistenzgene, Virulenzgene). aus: Kayser, Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783134448122) f 2010 Georg Thieme Verlag 166 4 Allgemeine Bakteriologie Abb. 4.5 Bakterien während der Zellteilung. Das Nukleoid (Kernäquivalent) von Bakterien besteht aus einem verknäuelten, zirkulären DNAMolekül ohne Kernmembran. Transmissions-Elektronenmikroskopie von Staphylokokken. 1 μm 4 Abb. 4.6 Plasmide. a „Covalently closed circle“ (ccc) oder „supercoil“ oder „supertwist“. b „Open circle“ (oc). Diese offene Form ist ein Artefakt: Es kommt durch einen Bruch („nick“) in einem Strang der DNA-Doppelhelix zustande (TEM). Kernäquivalent (Syn. Nukleoid) Flagellen (Geißeln). Verankerung in der Zellwand bei gramnegativen Bakterien. Murein der Zellwand Kapsel äußere Membran (nur bei gramnegativen Bakterien) Plasmid Haftfimbrien Haftpili Zytoplasmamembran 70 S-Ribosomen Depotstoffe –Metaphosphate (Volutin) –Glykogen (Granulose) Abb. 4.7 Grundbauplan der Bakterien. Alle Bakterien sind nach demselben Grundbauplan aufgebaut (nicht maßstabgetreu). aus: Kayser, Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783134448122) f 2010 Georg Thieme Verlag