Leibniz Universität Hannover Fakultät für Mathematik und Physik Prof. Dr. M. Erné, apl. Prof. Dr. T. Holm 4. Mai 2010 Übungen zu Diskrete Strukturen Sommersemester 2010 Blatt 4 - Lösungshinweise 10. In einer Stadt gibt es einen Tennis-, einen Fußball- und einen Schwimmclub mit jeweils 60 Mitgliedern. 15 Fußballer schwimmen auch, 18 Schwimmer spielen auch Tennis und 20 Tennisspieler spielen auch Fußball. 5 Personen gehören allen drei Clubs an. Wieviele Personen sind Mitglied in mindestens einem der drei Clubs? Lösung: Wir bezeichnen mit T, S, F die Menge der Mitglieder des Tennis-, des Schwimmbzw. des Fußballclubs. Nach dem Prinzip der Inklusion-Exklusion gilt für die gefragte Anzahl |T ∪ S ∪ F |: |T ∪ S ∪ F | = |T | + |S| + |F | − |T ∩ S| − |S ∩ F | − |T ∩ F | + |T ∩ S ∩ F | = 60 + 60 + 60 − 18 − 15 − 20 + 5 = 132. 11. (a) Eine Kartenmischmaschine mischt 8 Karten nach dem folgenden Muster: vor dem Mischen: 12345678 nach dem Mischen: 64351872 Geben Sie die Kartenfolge nach dreimaligem Mischen an, wenn die Karten zu Beginn aufsteigend sortiert sind. Wie oft müssen die Karten gemischt werden, damit die Ausgangsreihenfolge wieder erreicht ist? (b) Eine Permutation σ ∈ S(n) heißt Involution, wenn σ 2 = id, d.h. in der Zykelschreibweise haben alle Zykel von σ Länge 1 oder 2. Zeigen Sie für die Anzahl in der Involutionen in S(n) die rekursive Formel in+1 = in + nin−1 für alle n ∈ N (mit i0 := 1). Bestimmen Sie außerdem die Anzahl der Involutionen in S(n), die keinen Fixpunkt haben (d.h. σ(i) 6= i für alle i ∈ n). Lösung: (a) Die drei Mischvorgänge ergeben folgende Anordnungen der Karten: vor dem Mischen: 12345678 nach dem ersten Mischen: 64351872 nach dem zweiten Mischen: 85316274 nach dem dritten Mischen: 21368475 Schreibt man alternativ den Mischvorgang als Permutation σ = (1 6 8 2 4 5)(3)(7), so erhält man nach dreimaligem Mischen die Permutation σ 3 = (1 2)(3)(4 6)(5 8)(7). Erst nach sechsmaligen Mischen ist wieder die Ausgangsreihenfolge erreicht, da erst σ 6 die Identität wird. (b) Für eine beliebige Involution von n + 1 gibt es zwei Möglichkeiten, entweder n + 1 ist ein Fixpunkt (d.h. ein Einerzykel), oder n + 1 ist in einem 2-Zykel (a n + 1) enthalten. Im ersten Fall bilden die restlichen Zykel eine Involution von n; dafür gibt es in Möglichkeiten. Im zweiten Fall gibt es n Möglichkeiten für den Partner a von n + 1 im 2-Zykel. Die restlichen Zykel bilden eine Involution der n − 1 Zahlen n + 1 \ {a, n + 1}; dafür gibt es in−1 Möglichkeiten, insgesamt also nin−1 Möglichkeiten im zweiten Fall. Beide Fälle zusammen ergeben die gewünschte Formel in+1 = in + nin−1 . Eine Involution von n ohne Fixpunkt hat in Zykelschreibweise nur 2-Zykel. Falls n ungerade ist, kann es keine fixpunktfreie Involution geben, die gefragte Anzahl ist also 0. Sei jetzt n gerade. Jede fixpunktfreie Involution besteht dann aus n2 2-Zykeln. Wir zählen die möglichen Zykelzerlegungen, in der eindeutigen Schreibweise mit dem jeweils kleinsten noch nicht benutzten Element vorne. Der erste Zykel hat die Form (1 a1 ); für a1 gibt es n − 1 Möglichkeiten; der zweite Zykel hat die Form (2 a2 ) (falls a1 6= 2)) oder (3 a2 ) (falls a1 = 2); für a2 gibt es n − 3 Möglichkeiten (denn 1, a1 und 2 (bzw. 3) können ja nicht gewählt werden). Sind induktiv die ersten k − 1 Zykel bereits gewählt, so hat der k-te Zykel die Form (b ak ), wobei b die kleinste Zahl ist, die in den ersten k − 1 Zykeln nicht vorkommt; für ak gibt es dann n − (2k − 1) = n − 2k + 1 Möglichkeiten (denn b und die 2(k − 1) Zahlen aus den ersten k − 1 Zykeln können nicht mehr gewählt werden). Insgesamt erhält man also für gerades n die Anzahl (n − 1)(n − 3)(n − 5) . . . 5 · 3 · 1 = n/2 Y (n − 2k + 1). k=1 12. Beweisen Sie für die Stirling-Zahlen erster Art sn,m : (a) sn,n−1 = n2 , (b) sn,n−2 = n3 3n−1 4 , (c) sn,n−3 = n 4 n 2 . Lösung: (a) Es gibt nur eine Möglichkeit für eine Permutation von n, genau n − 1 Zykel zu haben, nämlich einen 2-Zykel und n − 2 Einerzykel zu haben. Eine Permutation dieser Form ist festgelegt durch die Wahl der 2 Elemente im 2-Zykel; also ist sn,n−1 = n2 . Die Teile (b) und (c) werden wir durch Induktion nach n beweisen; dabei benutzen wir die Rekursionsformel sn,m = sn−1,m−1 + (n − 1)sn−1,m für n > m > 0 aus Satz 1.15 (2) des Skripts. (b) Induktionsanfang, n = 2: s2,0 = 0 = 23 3·2−1 X 4 Induktionsschritt: Nach der Induktionsvoraussetzung und Teil (a) gilt n 3n − 1 n sn+1,n−1 = sn,n−2 + n · sn,n−1 = +n· 3 4 2 n − 2 3n − 1 3n n+1 3n2 + 5n + 2 (n + 1)! = · + = · (n − 2)! 3! n + 1 4 n+1 3 4(n + 1) n+1 (n + 1)(3n + 2) n+1 3(n + 1) − 1 = · = · X 3 4(n + 1) 3 4 (c) Induktionsanfang, n = 3: s3,0 = 0 = 3 4 3 2 X Induktionsschritt: Nach der Induktionsvoraussetzung und Teil (b) gilt sn+1,n−2 = = = = = n n n 3n − 1 sn,n−3 + n · sn,n−2 = +n 4 2 3 4 (n − 1)(n − 2) 3n − 1 n+1 n n−1 +n· · · n+1 3(n + 1) 4 2 4 n+1 n n−1 n 3n − 1 · +2· · 2 4 n+1 4(n + 1) 3 n+1 n+1 n−3 n−1 4 3n − 1 · + · 2 4 n + 1 n + 1 n + 1 2(n + 1) n+1 n+1 X 2 4 Knacky 4: Diskrete Mathematik wirkt befreiend Jedes Jahr läßt König Zyklops der Neunte zu seinem Geburtstag 100 Gefängnisinsassen durchnummerieren und gibt ihnen eine Chance zur Freilassung. In den hundert Schubladen des zyklopischen Schlossbriefkastens werden wahllos Zettel mit je einer der Zahlen von 1 bis 100 versteckt. Jeder der Gefangenen darf nun jeweils 90 Schubladen öffnen. Sollten alle Gefangenen ihre eigene Nummer finden, kommen sie alle frei; findet allerdings ein einziger seine Nummer nicht, bleiben alle im Gefängnis. (a) Warum ist die Wahrscheinlichkeit der Freilassung geringer als ein Promille, wenn jeder Gefangene systemlos 90 Schubladen öffnet? Der inhaftierte Mathematiker Binomi empfiehlt in geheimer Zusammenkunft seinen Mitgefangenen, so vorzugehen: Der Gefangene mit der Nummer k öffnet zuerst die k-te Schublade; in dieser findet er eine neue Nummer; danach öffnet er die Schublade mit genau dieser Nummer, und so weiter. (b) Bestimmen Sie die Anzahl der Permutationen der Menge 100, die einen Zykel der Länge > 90 besitzen. (c) Warum ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Gefangenen mit der vorgeschlagenen Strategie freikommen, ca. 90 Prozent? Lösung: (a) Ohne System ist die Wahrscheinlichkeit der Freilassung (0, 9)100 ≈ 0, 00002656 (jeder einzelne Gefangene hat eine Erfolgschance von 90/100). (b) Wir zählen die Anzahl der Permutationen mit einem Zykel der Länge 90+i für i = 1, . . . 10. Davon gibt es genau 100 100! · (90 + i − 1)! · (10 − i)! = . (1) 90 + i 90 + i Begründung: wähle zunächst die 90 + i Zahlen, die im Zykel auftauchen sollen; dies sind 100 Möglichkeiten; für jede solche Wahl gibt es (90 + i − 1)! verschiedene Zykel (fixiere 90+i den ersten Eintrag des Zykels; jede Permutation der restlichen 90 + i − 1 Zahlen liefert eine andere Permutation); es bleiben 10 − i Zahlen, die nicht im großen Zykel auftauchen und beliebig permutiert werden können, d.h. (10 − i)! Möglichkeiten. (c) Die (zufällige) Verteilung der Nummern auf die Schubladen kann als Permutation aufgefasst werden. Die Gefangenen kommen genau dann nicht frei, wenn diese Permutation einen Zykel der Länge > 90 enthält (warum?). Die Wahrscheinlichkeit, dass die GefangeA nen nicht freikommen, ergibt sich als 100! (Anteil der ’schlechten’ Permutationen in der Gesamtheit aller Permutationen), wobei A die Anzahl der Permutationen mit einem Zykel der Länge > 90 ist. Nach (1) gilt ! 10 10 X X 1 100! 1 = A= ≈ 0, 1048. 100! 90 + i 90 + i i=1 i=1 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gefangenen nicht freikommen ist also ca. 10 Prozent, die Wahrscheinlichkeit der Freilassung also knapp 90 Prozent.