2. Methode Bestandsaufnahme und Beschreibung einer

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2. Methode
Bestandsaufnahme und Beschreibung einer hörgeschädigtenspezifischen Einrichtung - das ist die Aufgabenstellung dieser Studie. Auf welchem methodischem Wege kann dies geschehen?
Die Methode muss dem Untersuchungsgegenstand angemessen sein, so lautet
eine einfache Grundregel wissenschaftlicher Arbeit. Der Gegenstand der Untersuchungen, der mit dem Arbeitsbegriff „
Pädagogisch-Audiologische Beratungsstelle”(PAB) gekennzeichnet ist - ungeachtet der Tatsache, ob es sich um eine
offiziell anerkannte Beratungsstelle, eine Fachstelle oder eine Stelle handelt,
für die Kolleginnen und Kollegen von der Schulleitung stundenweise zur
Begutachtung freigestellt werden - ist durch Spezifika charakterisiert, die einen
be-sonderen methodischen Zugang angeraten sein lassen. Zunächst dürfen wir
erwarten, dass sich der Untersuchungsgegenstand in einer großen Vielfalt
präsentieren wird. Während Schulen etwa etablierte Einrichtungen sind, die
mehr oder minder gleiche Grundstrukturen auf-weisen, sind PädagogischAudiologische Einrichtungen vergleichsweise von dem Status einer standardisierten Einrichtung weit entfernt. Die methodische Vorgehen muss daher so
angelegt sein, dass auch die ganze Vielfalt der hörgeschädigtenspezifischen
Einrichtung unverstellt und ungekürzt zum Tragen kommt und die Wirklichkeit
nicht durch methodische Engführungen und inflexible Instrumentarien
künstlich eingeschränkt wird.
Mit der erwartbaren Vielfältigkeit korrespondiert ein weiteres Merkmal, das für
die Methodenwahl relevant ist. Der Untersuchungsgegenstand ist auch
aufgrund seiner jungen Geschichte noch relativ unbekannt und unerforscht.
Außer ver-einzelten Fallbeschreibungen liegt nur die genannte Monografie vor,
in der in differenzierter Form und in einer entfalteteten Systematik der
Gegenstand dar-gestellt ist. Vieles ist durchaus bekannt, dennoch ist jede
Beratungsstelle ein wenig anders, und man muss jedesmal neu hinsehen. Die
Studie betritt zwar kein absolutes Neuland, aber doch ein relativ unbekanntes
Terrain.
Vielfalt und Novität als Grundmerkmale der Beratungsstellen haben Folgen für
die Methodenwahl. Es ist notwendig, sich dem Untersuchungsgegenstand ohne
vorgefasste Modellvorstellungen, ohne einengende Forschungskonzepte und
inflexible Standardtechniken zu nähern. Es geht darum, die Sachverhalte
unmit-telbar vor Ort und aus erster Hand zu studieren. Die Phänomene
müssen gleichsam selbst sprechen können, und zwar in ihrer eigenen Sprache
und zu Themen und Inhalten, die ihnen selbst bedeutsam sind. Zuerst gilt es,
de-taillierte und umfassende Primärerfahrungen des Untersuchungsbereiches
zu sammeln. Dieser induktive Forschungsansatz soll durch eine explorative
Felduntersuchung mittels qualitativer Interviews realisiert werden.
Das Forschungsdesign ist also zunächst einer Methodologie verpflichtet, für die
Offenheit,
Unvoreingenommenheit,
Lebensnähe
und
Unmittelbarkeit
charakteristisch sind. Dennoch soll es mit diesem qualitativen Feldzugang nicht
sein Bewenden haben. In einem nächsten Arbeitsschritt soll die erfahrene
Wirklichkeit auf den Begriff gebracht und in Zahl und Maß gefasst werden.
Nachdem die Wirklichkeit induktiv erschlossen worden ist, soll sie nun
analytisch aufgearbeitet und durch ein Gitternetz von operationalisierten
Kategorien und defi-nierten Begriffen eingefangen und rekonstruiert werden.
Dieser zweite Arbeits-schritt erfolgt im Forschungsprozess durch eine
schriftliche Befragung mit ei-nem Fragebogen.
Das Untersuchungsdesign verbindet also qualitative und quantitative Verfahren
in einem gestuften, zweiphasigen Prozess. Die wissenschaftstheoretische
Kontroverse, die qualitative und quantitative Forschung als antithetische, konkurrierende methodologische Konzepte darstellt und gegeneinander ausspielt,
ist unproduktiv. Es kommt nicht darauf an, ob mit oder ohne Zahlen geforscht
wird. Qualitative und quantitative Forschung werden hier als einander ergänzende Forschungskonzepte angesehen, deren rekursive Verknüpfung eine Optimierung des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns verspricht (BORTZ 1994).
Das Forschungsprojekt wurde in dem Zeitraum von 2001 bis 2003 durchgeführt. Die erste Untersuchungsphase war den qualitativen Interviews anhand
eines Interviewleitfadens vorbehalten. Die Kontaktnahme mit dem Untersuchungsfeld wurde durch eine Präsentation des Forschungsvorhabens auf der
Konferenz aller Direktorinnen und Direktoren der Schulen für Hörgeschädigte
im deutschsprachigen Raum vorbereitet, ihr folgte ein schriftliches Ersuchen
um Mitarbeit an dem Vorhaben und schließlich eine telefonische Terminvereinbarung. Die Interviews wurden von der Verfasserin persönlich unmittelbar vor
Ort durchgeführt. Interviewpartner waren in der Regel jene Personen, die von
den hörgeschädigtenpädagogischen Einrichtungen mit der verantwortlichen
Leitung der Beratungsstelle betraut waren. In nicht wenigen Fällen nahmen
weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Beratungsstellen oder die
Schulleitungen an den Gesprächen teil.
Der Interviewleitfaden umfasste folgende Bereiche:
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Geschichte der Einrichtung
Struktur und Organisation
Konzept und Selbstverständnis
Klientel
Professionelle Bedingungen
Materielle Ressourcen
Verfahren und Interventionen
Kooperation
Probleme und Wünsche
Die Gesprächsergebnisse wurden unmittelbar durch Stichwortprotokolle
festgehalten und bei der anschließenden Verschriftung ausdifferenziert und
ergänzt. Mit den Interviews waren in aller Regel Besichtigungen der gesamten
Einrichtung, informelle Gespräche und Begegnungen sowie gelegentlich auch
Hospitationen bei Beratungs-, Diagnose- und Fördersituationen verbunden. Die
„
Ortstermine”beanspruchten unterschiedlich viel Zeit, das Interview alleine
dauerte durchschnittlich etwa zwei bis drei Stunden. Die Rundgänge und
beiläufigen Gespräche vermittelten eine facetten-reiches Hintergrundwissen
und schufen eine gute Atmosphäre für das sachbezogene Interview - Kontextbedingungen, die eine schriftliche Befragung alleine vermissen lassen muss.
Die zweite Forschungsphase gehörte der schriftlichen Befragung mit einem
standardisierten Fragebogen. Der breite Fundus an Primärerfahrungen, die
durch die „
Forschungsreise”zu den „
Quellen”gesammelt worden war, konnte
nun für die Konzeption eines Fragebogens genutzt werden, der die Wirklichkeit
von PABs zu erfassen und zu rekonstruieren vermochte. Die Inhalte des
Fragebogens waren nicht neu, sondern nichts weiter als zu Variablen
geronnene Destillate der qualitativen Interviews. Unter Mitwirkung einer
studentischen
Arbeitsgruppe
wurden
die
verschrifteten
Interviews
in
Fragebögen übertragen, die verbalen Daten in numerische Daten transferiert.
Die daraufhin individuell für jede Einrichtung erstellten Fragebögen gingen nun
den jeweiligen Ansprechpartnern in den Beratungsstellen mit der Bitte um
Korrekturen und Ergänzungen zu. Alle Beteiligten hatten somit die Chance
einer Verifikation der erhobenen Daten - ein Verfahren, das in der methodologischen Literatur mit dem Fachbegriff „
kommunikative Validierung”belegt ist.
Die Datenauswertung beruht damit nicht auf subjektiven Attributionen und
Interpretationen der Forscherin, sondern auf Angaben, die von den Forschungssubjekten selbst ge-gengelesen und bestätigt worden sind. - Der
folgende Untersuchungsbericht stützt sich ausschließlich auf die Auswertung
der quantifizierten und kommunikativ validierten Daten. Damit bleiben
durchaus wesentliche, aber nicht quantifizierbare Aus-wertungsbereiche und
-aspekte, wie z. B. Philosophie der Einrichtung, Geschichte, pädagogisches
Selbstverständnis, Wandel der Schädi-gungsbilder, Probleme und Wünsche und
anderes mehr, außer Betracht und einer späteren, ergänzenden Be-richterstattung vorbehalten.
Die Darstellung der Untersuchungsmethode soll abgeschlossen werden mit
einer Beschreibung der Stichprobe. Als Grundgesamtheit werden definiert alle
Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland, die zusätzliche Dienste für
hörgeschädigte Kinder und Jugendliche anbieten. Im Jahre 2000 sind in der
einschlägigen Dokumentation Wer - wo - was in der Hörgeschädigtenpädagogik
insgesamt 81 Einrichtungen aufgeführt, die der angeführten Definition
entsprechen. Von dieser Grundgesamtheit wurden herausgenommen:
-
4 Einrichtungen, die sich als pädaudiologische, medizinisch ausgerichtete
Einrichtungen verstehen,
2 Einrichtungen, die nicht an eine schulische Institution angebunden
sind,
3 Einrichtungen, die eine gemeinsame PAB betreiben,
3 Einrichtungen, die im Untersuchungszeitraum zusammengelegt
wurden,
5 Einrichtungen, die den Fragebogen nicht zurückgesandt und kommunikativ
validiert haben.
Damit verbleiben 61 Einrichtungen, die in die nachfolgende Auswertung
und Interpretation eingehen. Es verdient ausdrückliche Erwähnung, Anerkennung und Danksagung, dass sich mit einer einzigen Ausnahme alle
Ein-richtungen zur Mitarbeit an dem Forschungsprojekt bereitfinden
konnten. Die Rücklaufquote von 93 % bei der schriftlichen Befragung ist
in
der
sozialwissenschaftlichen
Forschung
eine
außergewöhnliche
Seltenheit. Die hohe Akzeptanz des Forschungsvorhabens und die
beeindruckende Rück-laufquote sind neben dem Interesse an dem
Vorhaben selbst sicherlich auch durch unmittelbare, persönliche Teilhabe
und Präsenz erklärbar. Keine Delegation von originären Forschungsaufgaben an bezahlte Mitarbeiter und keine distanzierte, postalische
Fragebogenuntersuchung, sondern authenti-sche Forschung an den Orten
des Geschehens.
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