Collider

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Seminar zum Fortgeschrittenen-Praktikum WS 07/08
Tobias Weisrock
Teilchenbeschleuniger – Collider
1. Theoretische Grundlagen
1.1 Warum baut man Collider
In der heutigen Grundlagenforschung steht man oft vor Aufgabe, neue bisher nicht beobachtete
Teilchen zu finden und zu untersuchen. Des Weiteren möchte man Präzisionsmessungen an
bekannten Teilchen durchführen, um zum Beispiel deren Masse genau zu bestimmen. Das
Grundprinzip, das hierbei zum tragen kommt, ist die Umwandlung von Energie in Masse gemäß
E=mc
2
(1)
Beschleunigt man also leichte Teilchen auf hohe Energien, so kann man daraus schwere Teilchen
erzeugen. Dabei hat man – zunächst einmal – zwei Möglichkeiten. Man kann einen Teilchenstrahl
auf ein ruhendes Target schießen (so genanntes „fixed target“-Experiment) oder man kann zwei
Teilchenstrahlen zur Kollision bringen (Collider). Betrachtet man sich die bei diesen beiden
Möglichkeiten die für das Experiment zur Verfügung stehende Schwerpunktsenergie, so erhält man
bei einem ruhenden Target
*
E FT =  2 m⋅ Em
(2)
E *Col =2⋅E
(3)
und bei einem Colliderexperiment
Dabei ist E die Strahlenergie und m die Masse der Target- bzw. Projektilteilchen.
Um ein Z-Boson (m ~ 90 GeV) zu produzieren benötigt man in einem Collider eine Strahlenergie
von etwa 45 GeV, bei einem ruhenden Target jedoch ungefähr 8 Millionen GeV. Dies ist technisch
nicht realisierbar, deshalb braucht man Collider, um solche Schwerpunktsenergien zu erzeugen.
1.2 Synchrotronstrahlung
Ein geladenes Teilchen auf einer Kreisbahn gibt ständig Strahlung ab. Bei einem Speicherring mit
Kreisradius R beträgt der Strahlungsverlust pro Umlauf
 E=
 
4 E
3 mc2
4
e2
R
(4)
Der Strahlungsverlust nimmt also mit der vierten Potenz der Strahlenergie zu. Andererseits ist er
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umgekehrt proportional zur 4. Potenz der Masse. Dies führt dazu, dass der Strahlungsverlust bei
Elektronen um einen Faktor 1013 größer ist als bei Protonen der gleichen Energie.
1.3 Luminosität
Eine wichtige Kenngröße bei Collidern ist die so genannte Luminosität L. Sie ist die
Proportionalitätskonstante zwischen Wechselwirkungsrate und Wirkungsquerschnitt einer Reaktion:
Ṅ = L⋅
(5)
Die Luminosität ist direkt verknüpft mit der Zahl der Teilchen im Strahl. Betrachtet man einen
Speicherring, in dem die beiden Strahlen aus k Bunchen mit jeweils M Teilchen bestehen, die mit
der Frequenz f umlaufen, so gilt für die Luminosität:
L=
k⋅M 2⋅ f
AStrahl
(6)
Dabei ist AStrahl der Strahlquerschnitt.
1.4 Typen von Collidern
Zunächst einmal kann man Collider direkt nach der Bauart unterscheiden:
a) linearer Collider
Beim linearen Collider werden die Teilchenstrahlen in zwei getrennten* Linearbeschleunigern
beschleunigt und dann zur Kollision gebracht. Dabei müssen die beiden Strahlen allerdings in
einem Durchgang auf ihre Endenergie gebracht werden, außerdem steht der Strahl nur für eine
Reaktion zur Verfügung. Der große Vorteil eines linearen Colliders besteht darin, dass keine
Synchrotronstrahlung entsteht.
b) Ringcollider
Bei einem Ringcollider werden die beiden Teilchenstrahlen gegenläufig im Kreis geführt. Dabei
können die Beschleunigungsstrecken mehrfach genutzt werden. Verwendet man Teilchen und ihre
Antiteilchen, so können diese im gleichen Strahlrohr laufen. Der Nachteil bei Ringcollidern ist der
* Man findet auch den Fall, dass beide Strahlen aus dem gleichen Beschleuniger kommen und dann umgelenkt und
zur Kollision gebracht werden (z.B. SLC in Stanford)
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große Energieverlust durch Synchrotronstrahlung.
Des Weiteren kann man natürlich verschiedene
Teilchen zur Kollision bringen. Die
verwendeten Teilchen müssen prinzipiell
geladen sein und eine genügend große
Lebensdauer haben. Damit bleiben im Großen
und Ganzen folgende Möglichkeiten:
a) Elektronen/ Positronen
Da Elektronen elementare Teilchen sind, kann
man mit ihnen genau definierte
Reaktionsenergien erzeugen. Damit eignen sie
sich besonders gut zur Untersuchung von
bekannten Teilchen. Die erreichbare Energie
bei Elektronen ist jedoch durch die
TEVATRON am Fermilab bei Chicago ist ein
Proton-Antiproton-Ringcollider (im Bild der
obere Ring), der untere Ring dient zur
Speicherung der Antiprotonen
Synchrotronstrahlung stark begrenzt. Allerdings werden dann auch keine sehr starken Magnetfelder
zur Umlenkung der Strahlen benötigt.
b) Protonen/ Antiprotonen
Protonen sind keine elementaren Teilchen, sondern bestehen aus Quarks. Bei der Kollision von
Protonen mit (Anti-) Protonen nimmt nur jeweils ein Parton an der Wechselwirkung teil. Dadurch
kommt es zu einer Vielzahl von Reaktionen. Dies ist allerdings von Vorteil, wenn man neue
Teilchen finden will, deren Parameter nicht genau bekannt sind. Da bei Protonen die Verluste durch
Synchrotronstrahlung geringer sind, können wesentlich höhere Energien als mit Elektronen erreicht
werden. Dann sind aber auch entsprechend höhere Magnetfelder nötig, um die Strahlen
umzulenken. Die erreichbare Magnetfeldstärke stellt somit eine Grenze für die erreichbare
Protonenenergie dar.
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2. Der Large Electron Positron Collider (LEP)
Der LEP war ein Collider für Elektronen und Positronen am europäischen Kernforschungszentrum
CERN in Genf. Es handelte sich um einen Ringbeschleuniger, der in einem Tunnel mit einem
Umfang von 26,7 km installiert war. Die maximal erreichte Schwerpunktsenergie lag bei 209 GeV.
Der Betrieb fand in zwei Phasen zwischen August 1989 und November 1999 statt. In der ersten
Phase (LEP 1) wurden bei einer
Schwerpunktsenergie von etwa
90 GeV Z-Bosonen untersucht,
in der zweiten Phase (LEP 2)
wurden bei 190 GeV W+W-Paare erzeugt.
Die Elektronen und Positronen
liefen dabei im gleichen
Strahlrohr und wurden durch
insgesamt 5388 Magnete
fokussiert und umgelenkt. Zur
Beschleunigung dienten bei
LEP 1 128 Kupfer-Kavitäten;
diese wurden dann durch 272
Lage des LEP-Tunnels und der Detektoren. Der Tunnel verläuft supraleitende Niob-Kavitäten
etwa 100m unter der Oberfläche und überquert mehrfach die
ersetzt, um höhere Energien zu
Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich
erreichen. Ein Strahl bestand dann aus 8 Bunchen mit jeweils 2·1011 Teilchen und blieb
typischerweise etwa 12 Stunden im Ring und stand während dieser Zeit für Experimente zur
Verfügung. Diese große Zahl von Kavitäten war unter anderem notwendig, um die
Strahlungsverluste durch Synchrotronstrahlung auszugleichen, die sich auf 1,36 GeV pro Umlauf
beliefen. Dies entspricht einem Energieverbrauch von 27 GWh pro Jahr. Zur Untersuchung der
Kollisionen dienten am LEP vier große Detektoren (ALEPH, DELPHI, L3, OPAL), die an
verschiedenen Stellen im Tunnel platziert waren. Mit Hilfe dieser Detektoren konnte unter anderem
die Masse von W- und Z-Bosonen sehr genau bestimmt werden. Außerdem konnte eine untere
Grenze für die Masse des Higgs-Bosons bestimmt werden (mH > 114,4 GeV).
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3. Der Large Hadron Collider (LHC)
Nach dem Ende des LEP-Betriebs wurde der Beschleuniger abgebaut. An seiner Stelle entstand der
LHC, der im nächsten Jahr in Betrieb gehen wird. Der LHC ist ein Proton-Proton-Collider, der eine
Schwerpunktsenergie von 14 TeV erreichen wird. Zu den Forschungsschwerpunkten gehört neben
der Suche nach dem Higgs-Boson auch die Suche nach einer eventuell vorhandenen Substruktur in
Quarks und Leptonen sowie die Suche nach bisher unentdeckten schweren Teilchen. Außerdem soll
mit Hilfe von Blei-Blei-Kollisionen (E* = 1148 TeV) ein Quark-Gluon-Plasma erzeugt und erforscht
werden. Hierfür stehen auch am LHC vier Detektoren zur Verfügung (ATLAS, CMS, LHCb,
ALICE).
Aufgrund der hohen Energien der Protonen benötigt man Magnetfelder von bis zu 8,33 Tesla. Um
diese zu erreichen müssen die
Magnete supraleitend sein. Die
Betriebstemperatur beträgt 1,9 K.
Die Magnete sind so konstruiert,
dass die beiden Strahlrohre im
gleichen Magneten laufen können
und die Protonen trotzdem in
entgegengesetzte Richtungen
abgelenkt werden. Trotz der
relativ schwachen
Synchrotronstrahlung muss man
verhindern, dass sich die Magnete
durch die Strahlung aufheizen und
quenchen, also vom
supraleitenden in den normal
Magnete des LHC während des Baus. Im kleinen Bild sieht
man gut die Lage der beiden Strahlrohre im gleichen
Insgesamt gibt es am LHC 9300 Magneten.
leitenden Zustand übergehen.
Magnete, davon 1232 Dipole. Zur Beschleunigung dienen 16 Kavitäten, die ebenfalls supraleitend
sind. Der Strahl am LHC besteht aus 2808 Bunchen mit jeweils 1011 Protonen. Die Strahlenergie
beträgt dann 100 MJ.
Zugehörige Unterlagen
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